Please Kill Me

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Ron Asheton: Nico blieb ziemlich lange bei uns, ungefähr drei Monate. Iggy hat uns nie verraten, ob er in sie verliebt war oder nicht. Aber ich kann mich erinnern, dass Iggy eines Tages, nachdem sie ihn verlassen hatte, runterkam, weil er einen Rat brauchte. Er kam zu mir und sagte: „Ich glaube, irgendetwas stimmt hier nicht, vielleicht kannst du mir sagen, was das ist.“ Dann holte er seinen Schwanz aus der Hose und drückte ihn, bis grüner Schleim heraus­tropfte. Ich sagte ihm: „Kumpel, du hast dir einen Tripper eingefangen.“

Nico hatte Iggy seinen ersten Tripper verpasst.

KAPITEL 5: THERE’S A RIOT GOING ON

Danny Fields: Der Abend, an dem MC5 im Fillmore East gespielt haben, war in der Geschichte des Rock ’n’ Roll und der Alternativkultur ein historischer Augenblick. Das war kurz nachdem „Kick Out The Jams“ erschienen war.

Damals hat diese radikale Gruppierung aus dem East Village, Mother­fuckers, von Bill Graham verlangt, ihnen einmal in der Woche das Fillmore East zu überlassen, da es Teil der „Community“ sei. Mein absolutes Lieblingswort: „the Community“. Sie wollten dort für sich kochen und ihre Babys in die Sessel pissen lassen. Sie waren wirklich ein ziemlich übles Pack. Sie waren bärtig und fett und hatten diesen Mutter­Erde­Spleen, sie waren böse und streitlustig und alt und hässlich – kurz: die totalen Versager. Und sie waren unerbittlich.

Bill Graham und das Fillmore gerieten durch die Forderung, dieser Com­munity und diesen radikalen Subjekten aus der Lower East Side das Theater zu überlassen, natürlich unter massiven Druck. Mittlerweile war auch das MC5­Album erschienen, und Jac Holzman überlegte, ob es nicht eine gute Idee wäre, die Band im Fillmore als „Volksband“ zu präsentieren und die Eintrittskarten gratis abzugeben! Dadurch würde das Fillmore angeblich viel Publizität erlan­gen, und wir könnten die Show im Radio promoten, und alle wären glücklich und zufrieden!

Also haben sie den Laden für Donnerstag gebucht, und um die Commu­nity in Schach zu halten, sollten die Motherfucker fünfhundert Eintrittskarten gratis bekommen, um sie an ihre fetten, stinkenden und hässlichen Anhänger zu verteilen. Später fanden wir heraus, dass die Eintrittskarten in Kit Cohens Schreibtischschublade weggesperrt waren! Die Show sollte gerade beginnen, und die Community wurde immer unruhiger und wütender, weil sie immer noch keine Eintrittskarten bekommen hatten. Und da MC5 mittlerweile den Status einer Legende hatten, weil sie als einzige Band 1968 in Chicago gespielt hatten, setzte sich das Publikum aus den führenden Köpfen der amerikanischen Antikriegsbewegung zusammen, aus Leuten wie Abbie Hoffman und Jerry Rubin. Das war Underground auf allerhöchstem Niveau.

Und dann habe ich vielleicht das Dümmste getan, was ich hätte tun kön­nen. Ich saß in meinem Büro bei Elektra, rauchte Zigaretten, fraß mein Acid, rauchte mein Grass und fragte mich, ob ich diese Band in Manhattan auftreten lassen sollte. Und wie ich da am besten vorgehe.

Also rief ich beim ABC­Limousinen­Verleih an. Wir kamen am Fillmore an, als die Motherfucker gerade wie wild an die Eingangstür hämmerten, damit sie umsonst in den Laden kommen konnten. Und genau in diesem Moment kam das Symbol des schweinischen Kapitalismus schlechthin vorgefahren, diese fette Stretchlimousine, und die MC5 stiegen aus. Die Motherfucker begannen sofort zu krakeelen: „VERRÄTER! VERRAT! IHR SEID WELCHE VON IHNEN, NICHT VON UNS!“

Und die MC5 fragten sich, was sie falsch gemacht hätten. Vielleicht hätte ich ihnen einen Jeep vorbeischicken sollen oder einen VW­Bus. Darauf war ich leider nicht gekommen. Aber ich konnte ja auch nicht ahnen, wie so eine Limousine auf diese abscheulichen Typen wirken würde, obwohl man eigent­lich nicht viel Fantasie braucht, um sich vorzustellen, wie sich Leute aufführen, die sich selbst als „Motherfucker“ bezeichnen.

Wayne Kramer: Bob Tyner hatte manchmal ein unglaubliches Talent, von einem Fettnäpfchen ins andere zu treten. Er wurde nervös und wollte unbe­dingt Stellung beziehen, aber er sagte natürlich prompt das Falsche. Als er auf die Bühne des Fillmore ging, sagte er dem Publikum, dass wir nicht nach New York gekommen seien, um politische Botschaften zu verkünden, sondern um Rock ’n’ Roll zu spielen! Klar, dass die Motherfucker stocksauer wurden. Im Fill­more war sofort der Teufel los. Sie fingen an, unsere Anlage zu zertrümmern. Ich stand hinter dem Vorhang und konnte beobachten, wie der Vorhang mit einem Messer aufgeschlitzt wurde.

Dennis Thompson: Man hatte uns gewarnt, dass dort echte Revolutionäre ihr Unwesen treiben würden – und das taten sie dann auch. Sie zertrümmerten unsere Anlage, steckten die Sitze in Brand und lauerten uns hinter dem Vor­hang auf. Dann packten sie uns und schleiften uns in die Mitte des Theaters. Wir waren von ungefähr fünfhundert Motherfuckers umzingelt, hahaha. Dann folgte ein Schlagabtausch von all diesem revolutionären Gequatsche. Ein Typ bautesichvorunsauf undsagte:„IhrWichserpredigtdieRevolution,entweder ihr steht dazu, oder ihr haltet die Klappe! Es wäre höchste Zeit, damit anzu­fangen, findet ihr nicht auch?“

Wir konnten nur stammeln: „Ja aber, hm, aber, wir wollen doch gar nicht, ähm, bla bla bla, wir wollen doch nur, bla bla bla.“

Dann meldete sich ein anderes Arschloch zu Wort. „Was seid ihr nur für seichte Wichser! Seichte Wichser, das ist alles, was ihr seid. Es ist höchste Zeit für eine Revolution. Entweder ihr entscheidet euch, oder wir machen euch kalt!“

Es wurde immer bedrohlicher – sie ließen uns nicht viel Zeit, irgendwas zu antworten –, und dann blitzte plötzlich dieses Messer auf und war direkt auf Wayne Kramers Rücken gerichtet.

Jesse Crawford griff nach der Hand von diesem Typen mit dem Messer, und es gelang ihm, diesem das Messer zu entreißen, doch wir verloren langsam die Kontrolle, weil es immer brutaler wurde. Ich schnappte mir Wayne, und wir bahnten uns irgendwie unseren Weg durch all diese Leute, und ich rief nur: „LAUF!“

Wayne Kramer: Wir rannten nach draußen, und da stand diese Limousine und wartete, und all diese Motherfucker mit ihren Frauen standen um die Limou­sine herum und kreischten und krakeelten. Wir haben schnell ein paar Gratis­schallplatten verteilt, und sie hatten nichts Besseres zu tun, als unsere Limou­sine damit zu bombardieren und zu brüllen: „IHR HABT UNS VERARSCHT! IHR HABT UNS TOTAL VERARSCHT!“

Dennis Thompson: Alle fielen über das Auto her und sprangen darauf herum und schlugen mit den Fäusten darauf ein und warfen mit Steinen und Flaschen. Wir hatten das Gefühl, wir wären in einem lateinamerikanischen Land, wo alle über ein Auto herfallen, sobald sich ein Politiker sehen lässt. Wir sind dann ein­fach losgefahren, und all diese Affen purzelten herunter.

Schließlich konnten wir doch noch entkommen. Wir waren völlig erleich­tert und sagten uns: „Scheiße, das war knapp! Und wie jetzt weiter? Scheiß auf diese Revolutionskacke. Wären wir bloß in Detroit geblieben.“

Danny Fields: Die Leute haben Ketten geschwungen. Bill Graham hat eins auf die Nase bekommen und hinterher behauptet, es wäre Rob Tyner gewesen. Der Gedanke, dass der arme Rob Tyner irgendjemandem irgendetwas um die Ohren hauen könnte, ist einfach völlig absurd. Das muss schon jemand anders mit demselben Afrolook gewesen sein.

Bill Graham hat ihnen das nie verziehen. Er hat MC5 kaltgestellt. Er hatte die Macht dazu, weil er den ganzen Markt kontrolliert hat. Außerdem hat er landesweit all die anderen Promoter vor MC5 gewarnt: „Nehmt euch vor die­ser Band in Acht. Lasst euch weder mit ihnen noch mit ihresgleichen ein.“

Dennis Thompson: Auf unserer ersten Tournee haben wir Janis Joplin gekid­nappt. Wir sind mit ihr zusammen bei einer dieser Shows in San Francisco auf­getreten und haben sie hinterher in unseren Kombi gezerrt. Sie hatte ein paar Kisten Bier dabei, und Fred Smith sagte zu ihr: „Los, du Miststück, du kommst jetzt mit mir mit.“

Für Janis war das unerhört, schließlich war sie diejenige, die jeden kon­trollierte. Aber Fred wollte unbedingt das Bier. Einen Kasten gab er uns, und er und Janis verschwanden mit dem anderen. Sie wurden so etwas wie ein Paar, was wirklich schön war, denn Fred und Janis passten perfekt zusammen.

Sie waren ein Jack­Daniel’s­Traum auf der ganzen Linie. Sie konnten sich gegenseitig unter den Tisch saufen, und Fred kriegte immer noch einen hoch. Ich glaube, dass Janis so etwas an einem Mann geliebt hat.

Steve Harris: Als ich eines Tages mit Jac Holzman zum Mittagessen verabredet war, klingelte sein Telefon, und es war jemand von unserem Vertrieb in Detroit am Apparat. Er teilte mit, dass Hudson’s, eine Ladenkette aus Detroit, sämtliche Schallplatten, die bei Elektra und Nonesuch Records erschienen waren, aus den Regalen nehmen und nie wieder auch nur eine Platte aus dem Haus Elektra ver­treiben würde. Der Grund für diese Entscheidung war die Weigerung von Hud­son’s, das MC5­Album zu verkaufen, weil im Text hinten auf dem Plattencover das Wort „Motherfucker“ vorkam. Daraufhin hatten MC5 in einer Under­ground­Zeitschrift eine ganzseitige „Fuck Hudson’s“­Anzeige geschaltet, für die sie das Elektra­Logo verwendeten. Bei Hudson’s dachte man natürlich, dass Elek­tra hinter dieser Anzeige stecke, und sah rot. Das war dasselbe, als würde Tower Records sagen, sie würden deine Platten nicht mehr verkaufen.

Danny Fields: Es hatte bereits früher wegen der Zeile „Kick out the jams, motherfuckers“ Stress gegeben, woraufhin die Band eingelenkt und die Zeile zu „Kick out the jams, brothers and sisters“ abgeändert hatte. Sie hatten eingese­hen, dass man „motherfucker“ nicht in einem Song verwenden konnte.

Die Band hatte begriffen, dass das, was Radiosendungen anging, ihren Selbstmord bedeuten würde. Was sollten sie schon sagen – das Wort „fuck“ bleibt auf der Platte? Ich meine, das war 1968. Wenn es ein anständiges Wort gewesen wäre und man im Radio ständig hätte „fuck“ sagen können, wozu hätte es dann noch eine Revolution gebraucht? Dann hätten wir bereits gewonnen, und ein Kampf wäre nicht mehr nötig gewesen.

 

Sie aber haben die Platte mit dem Wort „fuck“ im Text auf dem Platten­cover rausgebracht, woraufhin Hudson’s sich weigerte, die Platte in ihr Ange­bot aufzunehmen. Also haben MC5 in ihrem eigenen Blatt eine ganzseitige Anzeige für ihre neue Platte geschaltet. Ich glaube, sie hatten einfach ein Foto von Rob Tyner genommen und „Fuck Hudson’s“ geschrieben. Außerdem hat­ten sie das Elektra­Logo, das E, verwendet.

Hudson’s war natürlich überhaupt nicht begeistert und weigerte sich, auch nur ein Produkt aus dem Haus Elektra zu verkaufen, weder Judy Collins noch die Paul Butterfield Blues Band, noch Theodore Bikel mit Songs vom Jiddischen Theater. Bei Elektra war man natürlich alles andere als glücklich, weil Hudson’s ein substanzieller Vertriebskanal war. Wir mussten der Band erklären, dass man die Parole „Fuck Hudson’s“ zwar im Namen von MC5 ausgeben könnte, es aber nicht anging, sie im Namen von jemand anderem zu veröffentlichen.

Steve Harris: Ich glaube, das war das Lustigste, was ich je gehört habe. Aber Jac war sehr ungehalten über diese Geschichte, weil es immerhin um sehr viel Geld ging. Außerdem litt ja der Verkauf unseres gesamten Sortiments darunter. Und immer wieder bekamen wir von anderen Interpreten zu hören: „Warum wer­den unsere Platten nicht verkauft? Das ist nicht fair.“

Der Vorfall mit Hudson’s markierte den Anfang vom Ende von MC5. Ich glaube, wir haben das Problem dadurch gelöst, dass wir dem Geschäftsführer oder Besitzer von diesem Laden original Coverentwürfe von Nonesuch Records geschenkt haben. Er war ein Klassikfreak, und unser Geschenk stimmte ihn einigermaßen versöhnlich.

Andererseits war das Problem bei MC5 eigentlich immer, dass sie nie den richtigen Durchbruch geschafft haben. Sie hatten natürlich immer genug Presse, und jeder dachte, sie wären eine wirklich gute Band, aber all das wirkte sich nie positiv auf die Verkaufszahlen aus.

Danny Fields: Das Album schaffte es ungefähr auf Platz dreißig der Billboard­Charts, was vor allem der Publicity zuzuschreiben war. Sie haben es zwar auf das Cover vom Rolling Stone geschafft, aber trotzdem nicht viele Platten ver­kauft. Sie wurden nicht im Radio gespielt und waren für viele ein zu heißes Eisen. Also hat Elektra sie in die Wüste geschickt.

KAPITEL 6: REAL COOL TIME

Steve Harris: Kurz nach dem Vorfall zwischen Hudson’s und den MC5 habe ich mir das Konzert von Iggy and the Stooges im Pavillon auf dem Gelände der Weltausstellung in Queens angesehen. Das war sein erster Gig in New York. Iggy schaute ins Publikum, bohrte in der Nase, und irgendjemand bewarf ihn mit einer Bierflasche, Iggy warf sie zurück und sang ein paar Strophen, dann warf irgendjemand noch eine Flasche, die Flasche ging auf der Bühne zu Bruch, und Iggy wälzte sich in den Scherben und war von oben bis unten mit Schnitt­wunden übersät.

Alan Vega: Dann kam dieser Typ mit der blonden Ponyfrisur, der aussah wie Brian Jones, auf die Bühne, und ich dachte zuerst, er wäre ein Mädchen. Er trug eine verschlissene Latzhose und diese komischen geflochtenen Halbschuhe. Er sah einfach verboten aus, starrte ins Publikum und sagte ständig: „Fuck you! Fuck you!“

Dann begannen die Stooges mit einem ihrer Songs, und als Nächstes hech­tete Iggy von der Bühne auf den Zementfußboden und malträtierte sich mit einer kaputten Gitarre.

Das war nicht theatralisch, das war Theater. Alice Cooper war theatralisch, er hatte das dazugehörige Outfit, aber bei Iggy war es keine Schauspielerei. Bei ihm war alles absolut authentisch.

Iggys Set dauerte zwanzig Minuten, und danach hatte irgendjemand die geniale Idee, Bachs Brandenburgische Konzerte vom Band abzuspielen. Jetzt bewarf ihn das Publikum mit Flaschen und Rosen. Ich schwöre, es war groß­artig.

Ich weiß nicht, ob man sich das vorstellen kann, aber das hat mein Leben verändert, weil mir in dem Moment bewusst geworden ist, dass alles, was ich bis dahin getan hatte, absolute Scheiße gewesen war.

Steve Harris: Irgendjemand in unserem Büro las uns die Konzertkritik laut vor, während wir beim Mittagessen waren, und der Rezensent hatte das Konzert haargenau so beschrieben, wie ich es auch erlebt hatte. Dann sagte irgend­jemand am Tisch: „Wer will sich denn so was anschauen?“ Und jeder im Büro, der zugehört hatte, meinte: „Ich.“ So sprach sich das allmählich rum.

Danny Fields: Auf dem Plakat des New­York­State­Pavillons auf dem Welt­ausstellungsgelände waren David Peel, die Stooges und MC5 angekündigt. Es war eine berühmte Show. Der Promoter Howard Stein behauptete steif und fest, die Stooges hätten bei seiner Frau eine Fehlgeburt ausgelöst. Daraufhin rief er all die anderen Promoter an und warnte sie: „Geht zu einem Stooges­Konzert, und sie werden euch eine Fehlgeburt verpassen.“

Alan Vega: Das Jahr 1969 war in jeglicher Hinsicht ein Wendepunkt. Davor hatte es so ausgesehen, als würden die Sechzigerjahre die Welt verändern, dass alles in DIESER Richtung verlief, stattdessen verlief aber alles in DER Richtung. MC5 waren eine meiner Lieblingsbands gewesen, aber ich konnte sie mir unmöglich nach einem Auftritt von den Stooges noch anhören. Das wussten sie auch. Sie haben sich immer unglaublich den Arsch aufgerissen, um mithalten zu können, aber, Baby, sie wussten ganz genau, dass sie mit Iggy nicht mithal­ten konnten.

Steve Harris: Als das erste Album der Stooges, The Stooges, im August 1969 bei Elektra erschien, saß ich mit den Promotern an einem Tisch. Das waren all die Leute, von denen ich annahm, sie säßen in den Schützengräben der Promoter­zunft – Leute aus Denver, aus Philadelphia und was weiß ich, woher. Sie hörten sich die Platte von Iggy an und sagten: „Oh, das sind aber nicht die Doors, das ist nicht von Love, Judy Collins ist es auch nicht, das ist nicht Tom Paxton, wer zum Teufel ist das? Das ist ja ein fürchterlicher Krach!“

Ich antwortete, damit ließe sich aber was anfangen, so was würde sich ver­kaufen. „Ihr versteht das offenbar nicht – was er da macht, ist Rock ’n’ Roll.“

Es war nicht einfach, Iggy zu verkaufen. Die Leute begriffen einfach nicht, was es mit Iggy auf sich hatte. Die Leute in der Plattenfirma tuschelten denn auch hinter meinem Rücken. „Schau mal, da ist Steve. Steve steht auf Iggy. Kannst du dir das vorstellen?“

Ich war Iggys wichtigster Verbündeter innerhalb der Plattenfirma. Natür­lich hat mir Danny Fields den Ball zugespielt, aber ich war für Iggy in jeder Beziehung ein sehr wichtiger Verbündeter. Und ich habe damals immer und überall versucht, meinen wirklich nicht gerade kleinen Einfluss geltend zu machen, denn immerhin hatte ich Judy Collins und die Doors unter Vertrag, doch der allgemeine Widerstand gegen Iggy war enorm.

Scott Asheton: Auf dem Cincinnati Pop Festival, wo diese berühmte Aufnahme gemacht wurde, bei der Iggy auf die Hände der Leute tritt, fing Iggy an, sich selbst Sachen anzutun. Er hatte zwei Gläser Erdnussbutter und ein paar Pfund Rinderhackfleisch mit auf die Bühne gebracht. Er machte die Gläser mit der Erdnussbutter auf und schmierte sich von oben bis unten damit ein. Dann wälzte er sich im Rinderhackfleisch und schleuderte es anschließend ins Publikum.

Ron Asheton: Nach dem Auftritt auf dem Goose Lake Festival wurde Dave Alexander aus der Band geschmissen, weil er einfach nichts mehr auf die Reihe kriegte. Er war zu nervös, um vor all diesen Leuten aufzutreten, trank einen hal­ben Liter Bier, zog einen Joint nach dem anderen durch und fraß Beruhi­gungspillen. Und als er auf der Bühne stand, hatte er alle Songtexte vergessen.

Also haben wir einfach losgelegt und nur die Melodien gespielt. Das ging erstaunlich gut, aber als wir die Bühne verließen, war Iggy außer sich. Sobald Iggy Dave zu Gesicht bekam, schnauzte er ihn an: „Du bist gefeuert.“

Dave blieb nicht eine Sekunde länger. Ich dachte nur: „So geht das aber nicht.“ Aber Iggy war unerbittlich.

Scott Asheton: Ich glaube, Dave wollte zu seinen Eltern zurück – er war ja sowieso die meiste Zeit dort. Bei seinen Eltern hatte Dave alles, was er brauchte: seine Stereoanlage, seine Bücher und seinen Fernseher. Dort kümmerte man sich um ihn, und ich glaube, das war ihm ganz recht so.

Iggy Pop: Als wir in New York waren, weil wir dort im Ungano’s auftraten, bin ich zu Bill Harvey, dem Generaldirektor von Elektra, gegangen und habe ihm gesagt: „Ich kann unmöglich vier Auftritte hintereinander ohne Drogen absol­vieren – harte Drogen. Das kostet soundso viel, und ihr bekommt die Kohle hinterher von uns zurück.“

Das war doch ein faires Angebot, oder? Er schaute mich an, als wollte er sagen:„Das meinst du doch wohl nicht ernst?“ Aber für mich war es einfach nur fair – und sehr logisch. Ich wüsste nicht, was daran falsch gewesen sein sollte.

Leee Childers: Das Konzert im Ungano’s war eins der großartigsten Rock’n’Roll­Konzerte, die ich je erlebt habe. Es war sehr energiegeladen und sehr gefährlich. Bis dahin hatten die Beatles und die Dave Clark Five Liebeslieder geträllert – und dann ist da plötzlich Iggy mit einem Hundehalsband und singt „I Wanna Be Your Dog“.

Dustin Pittman, dieser unglaublich gut aussehende Fotograf, saß am Büh­nenrand und machte Aufnahmen von Iggy, und Iggy setzte sich rittlings auf sei­nen Rücken, während Dustin weiterhin Aufnahmen von ihm machte. Das war so erotisch, so haarsträubend und so unerlaubt. Aber meiner Meinung nach sollte Rock ’n’ Roll immer nur so sein – unerlaubt.

Ron Asheton: Jedes Mal, wenn wir in New York spielten, kam dieser Typ zu unserem Konzert und schenkte den Stooges ein Fläschchen Koks. Aus freien Stücken. Wir saßen gerade mit Miles Davis hinter der Bühne, als dieser Typ kam und uns ganz schön was hinhäufte. Unsere Röhrchen hatten wir schon parat.

Man muss sich mal diese Szene vorstellen: der Kopf von Miles Davis dicht neben den Köpfen der Stooges, und der machte „SCHNIIIEFFFFFFFF“!

Wir haben den Haufen ruck, zuck weggezogen. Später sagte Miles Davis: „Die Stooges sind originell, sie sind von Geist durchdrungen.“ Oder so etwas Ähnliches. Es war jedenfalls großartig. Mein Kopf dicht neben dem von Miles Davis.

Scott Kempner: Beim Stooges­Konzert im Ungano’s war ich doch ziemlich geschockt. Ich war ins Ungano’s gegangen, um mir diese großartige Band anzu­schauen, und auf alles gefasst, aber was ich dort erlebt habe, überstieg meine Erwartungen um das Zehnfache. Ich hatte wirklich Angst und war ziemlich ner­vös, aber total erregt und vom Sound der Band und diesem unbeschreiblichen Iggy Pop gefangen genommen – diesem schmächtigen kleinen Etwas, das mehr Schaden anrichten konnte als all die anderen toughen Typen aus meiner Nach­barschaft zusammen.

Andere Typen würden dir vielleicht eins aufs Maul hauen, und der Schmerz wäre schnell vergessen, aber Iggy hat mir eine lebenslange psychische Wunde zugefügt. Nach den ersten zwanzig Sekunden von diesem Konzert ist es mir bis heute nicht wieder gelungen, der zu sein, der ich einmal war – bis heute nicht.

Wir sind am nächsten Abend noch mal hingegangen. Sie haben genau die­selben Songs gespielt wie am Vorabend, aber trotzdem klangen sie, als hätte ich sie vorher noch nie gehört. Das hatte nichts mit dem Konzert vom letzten Abend zu tun, das hatte nichts mit den Proben zu tun, das hatte auch nichts mit dem Soundcheck zu tun – dies war Leben und Geborenwerden und mitten in der Nacht deine verdammten Kinder abholen, direkt vor deiner Nase …

Und es war jedes Mal dasselbe, wenn ich diese Band gesehen habe – da gab es nie ein Gestern, da gab es nie einen Set, den sie vorher schon mal gespielt haben, da gab es nie einen Set, den sie jemals noch mal spielen würden. Iggy riskierte bei jeder Show Kopf und Kragen. Bei jeder Show habe ich ihn bluten sehen. Bei jeder verdammten Show floss echtes Blut.

Von da an konnte Rock ’n’ Roll für mich nie mehr weniger sein. Egal, was ich tat – egal, was ich schrieb oder spielte, immer war Blut auf dem Papier, war Blut auf den Gitarrensaiten. Alles andere wäre Kinderkram und pure Zeitver­schwendung gewesen.

Alan Vega: Iggy sprang auf die Bühne und trug eine durchlöcherte Latzhose und dieses rote Bikiniunterteil, aus dem seine Eier raushingen. Er fing an zu sin­gen und kotzte einfach alles voll. Er rannte durch das Publikum und – Scheiße noch mal – sprang auf Johnny Winter drauf, der neben Miles Davis saß. Johnny Winter hasste die Stooges, aber Miles Davis liebte sie. Es war eines der beein­druckendsten Konzerte, die ich je in meinem Leben gesehen habe.

 

Jim Carroll: Es war Patti Smith, die mich zu meinem ersten Stooges­Konzert mitgenommen hatte. Iggy zog sein Hemd aus, mischte sich unter das Publikum und nahm uns sofort ins Visier, und Patti meinte:„Ich glaube, er kommt zu uns.“

Ich antwortete: „Wenn er versucht, mich anzurempeln, dann hau ich ihm eine rein.“ Ich dachte: „Was soll dieser Scheiß? Was soll das? Ist das Perfor­mancekunst? Hahaha.“ Aber Patti stand auf so was. Rohe Energie, in welcher Form auch immer, faszinierte sie total.

Steve Harris: Iggy holte seinen Schwanz raus und legte ihn auf eine Laut­sprecherbox. Der Schwanz vibrierte heftig. Er war wirklich sehr gut bestückt.

Leee Childers: Iggys Performance war mehr als nur sexuell. Der Warhol­Super­star Geri Miller saß auf einem Stuhl in was man ungefähr als die erste Reihe bezeichnen konnte, und Iggy lief auf sie zu, drückte ihr seine Hand ins Gesicht, griff dann ziemlich fest zu und zog sie am Gesicht über den Fußboden, wobei sie sich immer noch an ihrem metallenen Klappstuhl festhielt. Was Iggy da mit ihr anstellte, war nicht sexuell, sondern einfach nur brutal. Keiner wusste so recht, was man davon halten sollte.

Iggy war der Erste, den ich sah und der das verkörperte, was Rock ’n’ Roll in Zukunft werden sollte.

Iggy Pop: Ich muss nicht ganz dicht gewesen sein, dass ich vier Tage hinter­einander solche Gigs hingelegt habe. Danach war mir allerdings klar, was das Publikum aus mir rausholen wollte, ja musste. Und meine Haltung dem Publi­kum gegenüber hat mir denn auch klar gezeigt, dass mir jede Unterstützung willkommen war.

Ich meine, wenn da Charles Manson in der ersten Reihe gesessen hätte, hätte ich bestimmt auch gesagt: „Hallo, Charlie­Baby, schön, dich zu sehen, wir haben hier heute Abend in der ersten Reihe einen Kumpel, der wirklich ganz Amerika auf den Kopf stellt, ich bitte um Applaus.“ Das wäre irgendwie auch egal gewesen. Es wäre genauso gewesen wie Hitler, als er sagte: „Sucht immer nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.“

Bei den Stooges war das wirklich nötig, denn das waren die einzigen Leute, die wirklich auf uns standen. Als wir anfingen, Konzerte zu geben, waren unsere Fans EINE EINZIGE KATASTROPHE – wie frühestes Christentum. Es waren die hässlichsten Weiber und die unkultiviertesten Typen. Menschen mit Hautpro­blemen, Menschen mit sexuellen Problemen, mit Gewichtsproblemen, mit Pro­blemen am Arbeitsplatz, mentalen Problemen, kurz: eine einzige Katastrophe.

Danny Fields: Wann immer die Sprache auf Iggy kommt, wird mir jedes Mal vorgehalten, ich hätte einen Generationenwechsel eingeläutet, weil ich angeb­lich Iggy als den Jim Morrison der nächsten Generation promotet hätte. Das war aber überhaupt nicht mein Anliegen. Ich habe zwischen Iggy Pop und Jim Morrison keinerlei Ähnlichkeiten gesehen. Iggy war gemeingefährlich.

Jim Morrison ist im Gegensatz zu Iggy nie auf die Bühne gegangen und hat eine einhundertachtzig Kilo schwere Bank über den Köpfen der Kids in den ersten Reihen in die Höhe gestemmt, dass es aussah, als würde er sie jeden Augenblick fallen lassen, und man dachte, er hat so viel Schwung, das kann er unmöglich stoppen. Man war immer darauf gefasst, dass die Kids zu Tode gequetscht würden. Aber dann gelang es Iggy, das Ding in Balance zu halten, als wäre er Nadia Comaneci (die rumänische Kunstturnerin; Anm. d. Ü.).

Als ich ihn dann später besser kannte und wusste, dass bei seiner Show nie­mand getötet würde, war ich mir trotzdem nie ganz sicher, ob diese Nacht nicht die Ausnahme hätte sein können.