Please Kill Me

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Pun war ein harter Bursche. Er war gerade wegen Drogenbesitz aus dem Knast entlassen worden und war auch sonst ziemlich ruppig. Pun benutzte stän­dig diese Linke­Flügel­und aktuelle Ersatzpolitik­Rhetorik. Er wurde der Ver­teidigungsminister der White Panther Party.

Ich fragte Pun: „Was hast du da gerade in die Luft gejagt?“ Er flüsterte:„Die CIA.“

„Mach nur weiter so! Alle Macht dem Volk!“

Er hatte eine Bombe in das Rekrutierungsbüro der CIA in der University of Michigan geschmissen. Getötet wurde niemand. Die Bombe hatte nur ein Loch im Bürgersteig und viele verstörte Leute zurückgelassen.

Iggy Pop: John Sinclair sagte immer: „Man muss sich mit den Leuten zusam­mentun!“ Es war immer dasselbe. AAAACH, DIE LEUTE? O Mann, was soll der Scheiß? Hau bloß ab mit so einem Blödsinn! Die Leute scheißen drauf.

Aber Sinclair sagte dauernd: „Wir wollen die Jugend politisieren!“ Doch die Kids sagten bloß: „WIE BITTE? Gib mir lieber was zu Kiffen.“ Ihnen ging das am Arsch vorbei. So sah das nämlich in Wirklichkeit aus.

John Sinclair: Lumpenhippies. So sahen unsere Leute aus. So war die White Panther Party. Wir waren das Sprachrohr der Lumpenhippies, genauso, wie die Blank Panther Party das Sprachrohr des Lumpenproletariats war – besser gesagt: das Sprachrohr der Arbeiterklasse ohne Arbeit.

Meine Texte, die ich damals verfasste, waren haargenau auf die Lumpen­hippies zugeschnitten, bis zu dem Punkt, wo meine Arbeit von den etwas bele­seneren Arschlöchern, die aus dem SDS kamen, lächerlich gemacht wurde. In deren Augen waren wir die letzten Hampelmänner.

Iggy Pop: In puncto Selbstironie gingen MC5 sogar noch einen Schritt weiter. Sie waren nämlich eine Parodie. Sie führten sich nämlich auf wie schwarze Schlägertypen mit Gitarre. In Detroit war es der Traum der weißen Kids, ein schwarzer Schlägertyp mit Gitarre zu sein und auch wie einer zu spielen.

Die Stooges waren ja genauso – ein ziemlich niederträchtiges Pack, das aber sehr gut miteinander umging. Ich kann nicht beurteilen, wie politisch engagiert MC5 tatsächlich waren, aber möglicherweise habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Mich interessierte viel mehr, ob sie ihre Erdnussbutter mit mir teilen würden.

Ja.

Und manchmal musste ich drei oder vier Kilometer zu Fuß zum Trans­Love­Haus latschen, um mir dort ein Sandwich zu organisieren, und da habe ich nie zu hören bekommen: „Lass die Finger von unseren Sandwiches.“ Und ihre Freundinnen haben mir sogar meine Hosen geflickt.

Das waren wirklich sehr angenehme Zeitgenossen – ein Haufen netter Menschen, deren Gesellschaft man sehr schätzte und die das örtliche Rekru­tierungsbüro der CIA in die Luft sprengten.

Danny Fields: Ich weiß nicht, was die erwartet haben oder gegen wen sie sich zur Wehr setzen mussten, aber sie hatten für jeden Scheiß einen Minister. Einen Propagandaminister und einen Verteidigungsminister. Natürlich haben sie sich deshalb White Panther Party genannt, weil all ihre Vorbilder, sowohl in politi­scher wie auch musikalischer Hinsicht, radikale schwarze Politiker und Musiker waren. Bobby Seale und Huey Newton und Eldridge Cleaver waren ihre politi­schen, Albert Ayler, Sun Ra und Pharoah Sanders ihre musikalischen Helden.

Man konnte das als eine vom Mittleren Westen geprägte Anarchieversion bezeichnen. Reißt die Mauern ein, verbannt die Regierung aus unserem Leben, raucht viel Dope, habt viel Sex und macht viel Krach.

Wayne Kramer: Der offiziellen Parteilinie der Black Panther Party in Oakland zufolge waren wir „psychedelische Clowns“. Ihrer Meinung nach waren wir Idioten, mit denen sie absolut nichts zu tun haben wollten. Aber wir sind mit dem Black­Panther­Ableger in Ann Arbor bestens ausgekommen. Das waren Typen aus der Nachbarschaft, die immer zu uns kamen, um sich die Zeit zu ver­treiben und mit uns Schießen zu üben.

Wir hatten alle diese M1 und Pistolen und Gewehre mit abgesägtem Lauf und sind immer in den Wald hinter das Haus gegangen und haben auf alles geballert, was uns in die Quere kam. Zack, zack, peng, peng, peng, bumm, bumm, bumm.

Danach haben wir immer dieses Gesöff getrunken, das die Black Panthers als „Bitter Motherfucker“ bezeichnet haben. Es bestand aus einer halben Fla­sche Rose’s Lime Juice, die in eine Flasche billigen Portwein gekippt wurde. Wir hockten zusammen, haben Grass geraucht und dieses Zeug gesoffen und mit unseren Gewehren rumgeballert. Ich glaube, wir haben gedacht, eines Tages kommt es zu einem Kampf mit denen an der Macht, wenn wir uns mit diesen Schweinen eine Schießerei liefern.

Vielleicht würden wir eines Tages auch umzingelt und nach draußen brül­len: „WIR WERDEN UNS NIEMALS ERGEBEN, BULLE, IST DAS KLAR? KKR! KKR! KKR! NIMM DAS, DU SCHWEIN! POW­POW­POW! ALLE MACHT DEM VOLK! KKR­KKR­KKR! DAS HIER IST FÜR DICH, DU UNTERDRÜCKERSCHWEIN!“

Danny Fields: Natürlich haben die MC5 an dem Abend, als ich ihr Konzert besucht habe, den Grande Ballroom bis auf den letzten Platz gefüllt. Ihre Auf­machung war sensationell. Sie trugen alle Satin – und wirbelten wie die Derwi­sche umher. Es war ein grandioser Auftritt, aber sie haben die Grenzen des Rock ’n’ Roll trotzdem nicht gesprengt. Sie spielten einen angenehmen, bluesigen Rock ’n’ Roll. Da gab es nichts zu meckern. Ihre Energie war unbeschreiblich, und Wayne Kramer, geschäftstüchtig, wie er war, musste irgendwas gemerkt haben, denn am nächsten Tag sagte er zu mir: „Wenn dir unsere Musik gefallen hat, dann wird dir auch unsere Bruderband Iggy and the Stooges gefallen.“

Ich glaube, er konnte meine eigenen musikalischen Vorlieben intuitiv ergründen. Also bin ich eines Sonntags, es war der 22. September 1968, auf den Cam­pus der University of Michigan gegangen, weil Iggy and the Stooges dort für die Studentenvereinigung ein Konzert gegeben haben. Was ich dort auf der Bühne gesehen habe, war einfach umwerfend. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der sich so bewegen und tanzen kann wie Iggy. Ich hatte noch nie erlebt, dass ein ein­ziger Mensch mit einer derart explosiven Energie geladen ist. Er war von der Musik getrieben, wie nur richtige Tänzer von Musik getrieben sein können.

Das war die Musik, auf die ich mein ganzes Leben gewartet hatte.

Iggy Pop: Wir waren fast am Ende unserer Show, und ich lief einfach nur auf der Bühne rum. Ich trug dieses Umstandskleid und hatte ein weiß geschmink­tes Gesicht und machte ziemlich unanständige Sachen, wie zum Beispiel auf die Leute spucken.

Danny Fields: Ich ging auf Iggy zu, als er gerade die Bühne verließ, und sagte: „Ich bin von Elektra Records.“ Er sagte nur: „Yeah?“

Er glaubte mir nicht. Er dachte wohl, ich wäre einer von diesen Hausmeis­tern oder sonst ein Idiot, weil vorher noch nie jemand zu Iggy gesagt hat: „Ich komme von einer Plattenfirma.“ Also sagte Iggy zu mir:„Dann solltest du mei­nen Manager kennen lernen.“ Das war der Beginn unserer Beziehung.

Iggy Pop: Dieser Typ, dieser Danny Fields, sagte also zu mir: „Du bist ein Star!“ Das war fast wie im Kino. Er sagte, er würde für Elektra arbeiten. Ich hatte aber viel eher geglaubt, er wäre der Hausmeister, der den Dreck wegputzt. Ich glaubte ihm einfach nicht und dachte nur: Hey, Mann, lass mich bloß in Ruhe.

Danny Fields: An diesem Montagmorgen rief ich in New York an. Ich war in der Küche von MC5. John Sinclair und Jim Silver, der Manager der Stooges, waren ebenfalls in der Küche, während ich mit Jac Holzman in New York tele­fonierte und ihm sagte: „Ich bin in Ann Arbor und habe mir diese MC5 ange­hört. Ich habe dir bereits von ihnen erzählt. Die werden noch ganz groß raus­kommen. Sie haben Samstagabend viertausend Eintrittskarten verkauft, das Publikum war völlig aus dem Häuschen, und die Leute standen bis auf die Straße. Außerdem sind sie die professionellste und spontanste Gruppe, die ich je gesehen habe.“

Und dann fügte ich hinzu: „Und außerdem haben sie noch eine Bruder­gruppe. Die nennt sich Iggy and the Stooges. Die machen die unglaublichste und fortschrittlichste Musik, die ich je gehört habe. Und ihr Leadsänger ist ein absoluter Star – er ist total faszinierend.“

Und Jac Holzman antwortete: „Was willst du mir damit sagen?“

„Ich denke, wir sollten beide Gruppen unter Vertrag nehmen.“

„Dann sieh zu, ob du die große Gruppe für zwanzig und die kleine für fünf Riesen unter Vertrag nehmen kannst.“

Ich legte meine Hand auf die Sprechmuschel und fragte John Sinclair: „Wärt ihr mit zwanzig Riesen einverstanden?“

Sinclair wurde weiß wie eine Wand und musste sich erst einmal setzen. Und dann fragte ich Jim Silver: „Wärt ihr mit fünftausend einverstanden?“

Die beiden brauchten erst mal einen Stuhl, damit sie sich setzen konnten und wieder zu sich kamen. Das war der Deal, und beide Gruppen waren unter Vertrag.

KAPITEL 4: YOUR PRETTY FACE IS GOING TO HELL

Kathy Asheton: Ungefähr einen Monat, nachdem die Stooges und MC5 ihren Vertrag mit Elektra unterschrieben hatten, heiratete Iggy. Ich kann mich des­halb so gut an den Tag seiner Hochzeit erinnern, weil es der Tag war, an dem Iggy und ich unsere Liebesbeziehung begannen.

Ich habe nie irgendwelche Röcke oder Kleider getragen, weil ich das nie ausstehen konnte, aber am Tag seiner Hochzeit beschloss ich, mein hautenges und kurzes Spaghettiträgerkleid anzuziehen. Das war das erste Mal, dass irgend­jemand meine Beine sah. Und ich denke, Iggy war mir gegenüber wesentlich aufmerksamer, als ein Mann es am Tag seiner Hochzeit sein sollte. Er warf ein „TV­Auge“ auf mich …

„TV­Auge“ war meine Wortschöpfung. Es bedeutete „Titten­Vibrations­Auge“. Das war Mädchenkram. Meine Freundinnen und ich hatten einen Sprachcode entwickelt. Für uns war das eine Möglichkeit, miteinander zu kom­munizieren, wenn wir glaubten, ein Typ hätte ein Auge auf uns geworfen. Und wenn das bei uns der Fall war, sagten wir natürlich: „Er hat ein TV­Auge auf dich geworfen.“

 

Iggy hatte uns dabei zugehört und fand es ziemlich witzig. Er schrieb des­halb auch den Song „TV Eye.“

Scott Asheton: Ich habe mir ständig den Kopf darüber zerbrochen, wie Iggy es immer wieder geschafft hat, sich all diese Mädchen zu angeln. Manchmal haben sie einfach nur dagesessen und ihn dabei beobachtet, wie er seine Popel frisst. Ich behaupte das nicht einfach nur, dass Iggy herumsaß und seine Popel gefres­sen hat, er machte es wirklich. Er konnte sogar noch schweinischere Sachen machen als das. Einmal habe ich miterlebt, wie er sich seine fünf Freundinnen geschnappt hat, nachhause gegangen ist und all diese Mädchen um sich hatte – „O Iggy, o Iggy …“. Ich kam ungefähr eine Viertelstunde später nachhause, und er saß auf dem Fußboden und ließ eine Schallplatte laufen. Die Mädels saßen in einem Halbkreis um ihn herum und glotzten und himmelten ihn nur so an. Plötzlich schnäuzte er sich in die Hand und führte seine Hand direkt an den Mund. Und ich schwöre, dass sie ihn weiterhin angehimmelt haben und so taten, als hätten sie nichts gesehen.

Ron Asheton: Wir haben Iggys Frau nur das „Kartoffelmädchen“ genannt. Sie war eigentlich ganz hübsch, aber ihr Gesicht sah aus wie eine niedliche Kartof­fel. Ich habe Iggy davor gewarnt, diese Frau zu heiraten, aber die Hochzeit hat ziemlichen Spaß gemacht.

Ich trug meine Kampfpilotenjacke der Luftwaffe und ein weißes Hemd mit einem Nazi­Ritterkreuz mit Eichenblättern und Schwertern. An meinem Revers trug ich mein Eisernes Kreuz erster Klasse, Ordensbänder, das Eiserne Kreuz zweiter Klasse der Rotfront und meine Reitstiefel und Reithosen.

Ich war der Trauzeuge. Unser Manager, Jimmy Silver, ein Jude, war der Pfarrer. Iggys Frau war ebenfalls Jüdin. Ihrem Vater gehörte eine Diskonterkette, die man mit dem Kmart in Ohio und Michigan vergleichen könnte. Ihre Eltern weigerten sich, die Hochzeit anzuerkennen, und von ihrer Familie ließ sich denn auch niemand blicken.

Es waren nur die MC5, unser Manager Jimmy Silver, John Sinclair, Danny Fields und all unsere Freunde dabei. Weil wir uns makrobiotisch ernährt haben, hatten wir einen Buchweizenauflauf gemacht, was die MC5 gar nicht lustig fan­den: „Wo ist das Futter? Wo sind die Hotdogs? Wo sind die Hamburger?“

Darüber haben sich die MC5 fürchterlich aufgeregt und nichts gegessen, aber sich stattdessen zünftig betrunken. Es war lustig. Sogar die Bullen waren da und meinten: „Hey, Jungs, ihr habt die Sears­Roebuck­Flagge gehisst – das verstößt gegen das Gesetz.“ Sie sagten, es wäre gesetzwidrig, irgendeine andere Flagge als die amerikanische zu hissen. Also hisste ich die Schweizer Fahne. Sie meinten, dass ich die auch nicht hissen dürfte, doch ich erwiderte:„Okay, wenn ihr mich einbuchten wollt, werdet ihr euer blaues Wunder erleben“ – und dann habe ich die Hakenkreuzfahne gehisst.

Bill Cheatham: Dave Alexander und ich haben uns vor der Hochzeit neue Ten­nisschuhe gekauft. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, was Dave sagte, als wir an der Kasse standen: „Ich wette, dass diese Schuhe wesentlich länger halten als Iggys Ehe.“

Iggy Pop: Die Jungs von der Band saßen auf der vorderen Veranda und haben Bier getrunken und Münzen geworfen und untereinander Wetten abgeschlos­sen, wie lange meine Ehe halten würde. Ziemlich lautstark sogar:„Hey, ich wette

fünf zu vier, dass sie nicht länger als zwei Monate hält.“

„Nein, nur einen Tag. Ich kenne Pop.“

Danny Fields fragte mich, was bloß in mich gefahren sei. „Denk an dein Image.“ Jimmy Silver, mein Zen­Manager in Sachen Makrobiotik, erwiderte, dass es mir auf Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit ankomme, aber Danny Fields glotzte ihn nur an:„Scheiß auf die Wirklichkeit! Wen kümmert schon die Wirklichkeit?“

Ron Asheton: Das Kartoffelmädchen ist dann bei uns eingezogen und hat für Iggys Zimmer all diese hübschen Rattanmöbel mitgebracht. Sie hatten ihren eigenen kleinen Kühlschrank, der mit einem Vorhängeschloss versehen war, und jedes Mal, wenn sie nicht zuhause waren, sind Scotty, David und ich nach oben geschlichen, haben ihren Kühlschrank aufgebrochen und ihnen alles weg­gefressen.

Iggys Frau hatte Geld und hat dafür all diesen guten Käse und das ganze Zeug eingekauft. Und wir hatten nur Reis und Bohnen. Dann wollte Iggy lieber mehr Zeit mit uns verbringen statt mit ihr, und sie konnte uns nicht so akzep­tieren, wie wir waren.

Iggy Pop: Ihr war es besonders wichtig, dass sie nachts schlafen konnte. Ich wollte aber immer dann schlafen, wenn mir danach war. Mir war es wichtig, dass ich zu jeder Zeit Gitarre spielen konnte. Eines Nachts hatte ich eine Idee für einen Song – einfach so, mitten in der Nacht –, aber blöderweise lag da diese Frau in meinem Bett. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das geht einfach nicht. Entweder das eine oder das andere – sie oder meine Karriere.

Man muss bedenken: Ich liebte sie über alles. Aber dann habe ich meine beste Melodie überhaupt komponiert – „Down On The Street“. Ich habe mich mit meinem Verstärker in einen Kleiderschrank verzogen und sehr gedämpft und leise Gitarre gespielt – ein wahres Gestampfe, sehr rituell. Es klang sehr schön – gedämpft, aber intensiv. Aber dann wollte ich die nächste Idee für einen anderen Song umsetzen und dachte: „O Scheiße, ich muss ja leise sein.“ Doch dann sagte ich mir: „Nein, Mann, du musst überhaupt nicht leise sein!“

Also bin ich aus dem Schrank rausgekrochen, und als Nächstes kam dann dieser ohrenbetäubend laute Part – ein donnernder, krachender Akkord. Sie stand natürlich senkrecht im Bett. Aber das war schon okay – ich hatte mei­nen Song zusammen. Das war ein lustiger Moment – ein Neuanfang! Ich musste ihr schließlich sagen, dass sie verschwinden sollte.

Ron Asheton: Sie ist nach einem Monat wieder gegangen. Ich hatte prophezeit, dass die Ehe einen Monat halten würde, und sie hielt einen Monat! Ich hatte die Wette gewonnen.

Als die Scheidungsurkunde geschickt wurde, haben wir sie an die Wand gehängt. Es klang alles so lustig. Es war ein dickes Dokument, in dem stand, dass die Ehe nicht vollzogen worden wäre, weil Iggy schwul sei. Das hing ewig bei uns an der Wand.

Iggy wurde langsam wieder normal. Nach einem Gig brachte er Mädchen mit nachhause, nahm sie mit nach oben auf sein Zimmer, und es dauerte nie lange, bis die Mädchen heulend die Treppe runterkamen, weil Iggy ihnen immer gesagt hat, sie sollten verschwinden, nachdem er sie durchgebumst hatte.

Schließlich landeten diese Mädchen bei mir. Einige von ihnen wurden sogar langjährige Freundinnen. Diese Ann­Arbor­Girls wollten immer Bali­Hai­Wein trinken und wurden hinterher immer ganz grün im Gesicht, und dann musste ich für die kotzenden Mädchen den Sanitäter spielen. Ich habe immer die hoffnungslosen Fälle verarztet.

Iggy hat den Mädchen sogar Acid gegeben, obwohl ich ihm immer gesagt habe: „Lass das, Mann, gib ihnen bloß kein Acid.“ Während Iggy am Bumsen war und seinen Spaß hatte, musste ich die zugedröhnten Mädchen auf ihrem Trip begleiten. Ich war immer der psychedelische Doktor.

Einmal habe ich fünfzehn Stunden mit einem völlig ausgetickten Mädchen auf einer Treppe zugebracht, aber Iggy sagte nur: „Oh, fuck it.“ Dann verzog er sich wieder und hatte noch mehr Spaß.

Ein anderes Mal ist eins der ausgetickten Mädchen spurlos verschwunden. Sie war total straight und kam einen Monat später wieder. Sie trug eine Hüft­hose aus Wildleder und ein rückenfreies Oberteil und hatte tonnenweise Haschisch dabei. Wir haben uns zusammen die Birne zugedröhnt, und sie bedankte sich, dass wir sie angetörnt hatten.

Iggy Pop: Ich war wieder frei. Und konnte wieder auf die Straße gehen und mir meine Bettgenossinnen suchen, wie ich das immer tat. Ich bin in eine Ham­burger­Kette gegangen, wo die Kids nach der Schule immer rumhingen. Genau dort habe ich auch meine erste Stooges­Platte geschrieben. Ich habe einfach nur ihre sozialen Verhaltensmuster beobachtet und meine Beobachtungen in die Songs einfließen lassen. Ich bin also dort hingegangen und habe Betsy getrof­fen. So etwas wie sie hatte ich vorher noch nie gesehen. Sie war sehr süß. Das krasse Gegenteil von meiner Frau – sie war blond und hatte eine schneeweiße Haut. Sie war dreizehn und schaute mich total durchdringend an. Ich denke, man kann sich vorstellen, was als Nächstes passiert ist.

Ron Asheton: Betsy war vierzehn. Ein süßes kleines Mädchen mit einem lusti­gen Gesicht. Iggy hat neben ihr zwar immer noch mit anderen Mädchen gebumst, aber er ist immer wieder zu Betsy zurückgekehrt. Ich habe ihm immer gesagt: „Verdammt noch mal, Iggy, sie ist schon zwei Tage hier, und sie ist erst vierzehn!“

Und dann hat mir Iggy Betsys beste Freundin Danielle vorgestellt. Ich habe Iggy gefragt: „Ja und was soll ich jetzt machen? Soll ich etwa eine Vierzehnjäh­rige vögeln?“ Also habe ich zugesehen, dass ich sie ganz schnell wieder loswurde, weil ich keinen Stress haben wollte, obwohl Iggy wegen Betsy nie Scherereien bekommen hatte. Er hat sogar ihre Eltern kennen gelernt. Ich denke, die waren sehr liberal.

John Cale: Ich bin mit Danny Fields nach Detroit gefahren, um mir das MC5­Konzert anzuhören. Als Vorgruppe spielten die Stooges, und ich habe mich auf der Stelle in sie verliebt.

Ron Asheton: Ich war bereits ein paarmal vorher mit Iggy in New York gewe­sen, bevor wir bei Elektra unseren Vertrag unterzeichneten und dort unser erstes Album aufgenommen haben. Als wir das erste Mal nach New York gingen, hat Iggy zum ersten Mal STP ausprobiert. Er wusste natürlich nicht, dass der Trip drei Tage dauern würde, und dreimal darf man raten, wer auf ihn aufpassen musste. Ich natürlich.

Ich habe ihm ein Seil um die Hüfte gebunden und ihn damit durch die Stadt geführt. Iggy sagte andauernd: „Donnerwetter, ich kann durch die Häuser hin­durchschauen.“ Er musste ständig aufstehen und irgendwelche Sachen machen, und ich sagte ihm: „O Mann, ich bin müde.“ Wenn ich schlafen wollte, habe ich mir das Seil, das um Iggys Hüfte geschlungen war, um mein Handgelenk gebun­den, doch ich wurde natürlich jedes Mal wach, wenn er sich bewegt hat.

Das war unser erster Trip nach New York. Als wir bei Elektra aufkreuzten, um unsere Platte aufzunehmen, fragte mich Jac Holzman, ob wir wirklich genü­gend Material für ein ganzes Album hätten. „Aber klar doch“, antworteten wir. In Wirklichkeit hatten wir nur drei Songs. Also bin ich ins Hotel zurückgegan­gen und war eine Stunde später mit den Riffs für „Little Doll“,„Not Right“ und „Real Cool Time“ wieder da.

Iggy Pop: Obwohl ich ein großer Fan von Velvet Underground war, war ich nicht sonderlich begeistert, dass John Cale unser erstes Album produzieren sollte, weil es mich nicht begeisterte, überhaupt von irgendjemandem produ­ziert zu werden. Ich fand das genauso wenig begeisternd, wie von jemandem, den du nicht kennst, irgendwo anders berührt zu werden, hahaha.

Es ist sehr persönlich, aber als ich erfahren habe, dass John Cale unser Album produzieren wird, habe ich gedacht, dass das schon in Ordnung sei und dass ich damit leben könne. Offensichtlich ist er ein sensibler, intelligenter und cooler Typ. Einer, mit dem ich einen Dialog führen kann – und nicht mit sei­nem Schwanz. Ich fand allerdings den Gedanken aufregend, ihn dazu zu bewe­gen, bei irgendetwas mitzuspielen.

Ron Asheton: Wir waren vorher noch nie in einem Aufnahmestudio. Wir haben unsere Marshall­Verstärkerboxen aufgebaut und voll auf die Zehn gedreht. Dann haben wir angefangen zu spielen, aber John Cale sagte nur:„Halt, stopp, so geht das nicht …“

Wir erwiderten: „Das muss aber gehen. Wir spielen nun mal immer so laut.“ Also versuchte Cale uns andauernd zu predigen, was wir zu tun hätten, und wir bornierten Schnösel, die wir nun mal waren, traten in den Sitzstreik. Wir haben unsere Instrumente beiseite gestellt, sind in eine der Aufnahme­kabinen gegangen und haben erst mal einen Joint geraucht.

Cale versuchte weiter auf uns einzureden. Er hat versucht, uns über Auf­nahmetechniken aufzuklären. „Mit diesen riesigen Verstärkern bekommt ihr nie den richtigen Sound hin, das funktioniert einfach nicht.“

Aber wir wussten es damals einfach nicht besser. Wir konnten nur bei vol­ler Lautstärke spielen. Außerdem hatten wir nicht genügend Erfahrung mit unseren Instrumenten. Zu mehr als Power­Akkorden reichte es nicht. Wir haben im Grande für Blue Cheer als Vorgruppe gespielt, und die hatten drei Marshall­Verstärker übereinander. Die waren so laut, dass einem fast die Ohren wegflogen, aber wir fanden das geil. Wow, drei Verstärker übereinander, Mann. Das war die einzige Möglichkeit, Musik zu machen, die uns geläufig war.

 

Also schlossen wir einen Kompromiss: „Okay, wir stellen den Verstärker auf neun.“ Cale sagte schließlich: „Fuck it“, und gab sich geschlagen.

Iggy Pop: Als wir mit den Aufnahmen anfingen, saßen Nico und John Cale in einer Kabine und sahen aus wie die Addams Family – Cale trug einen Dracula­Umhang mit einem riesengroßen Kragen. Er sah aus wie Z­Man in Russ Meyers Film Im tiefen Tal der Superhexen und hatte einen ziemlich komischen Haar­schnitt. Und Nico strickte in einer Tour. Während der gesamten Aufnahme des Albums saß sie da und strickte irgendwas. Vielleicht einen Pullover.

Ron Asheton: Nachdem das Album erschienen war, hat Danny uns in die Fac­tory mitgenommen, damit wir Andy Warhol kennen lernen. Die Factory war mit Alufolie dekoriert und machte einen ziemlich schmuddeligen Eindruck. Wir kamen aus dem Mittleren Westen, und für uns war das alles irgendwie zu durchgeknallt – all diese New­Yorker Speedfreaks und Schwuchteln. Ich habe nicht einmal mit Andy geredet. Scotty, Dave und ich waren so verstört, dass wir einfach nur blöd auf dem Sofa rumgesessen haben. Weil das für unseren Geschmack alles viel zu gruftig war, haben wir uns nach einer halben Stunde wieder verpisst.

Am nächsten Abend sind wir in Steve Pauls Club The Scene gegangen, um Terry Reid zu hören. Dort tauchte auch Jimi Hendrix auf und improvisierte mit ihm. Anschließend haben Iggy und ich ein Bier mit Hendrix getrunken. Iggy ist mit Nico in der Gegend rumgelaufen, und ich saß einfach nur da und musste kichern, weil sie Iggy herumkommandierte, als wäre er ihr Söhnchen. Sie war so groß und er so klein – sie benahmen sich wie zwei Turteltauben. Sie ließ ihn nicht aus den Augen.

Danny Fields: Irgendwie hatte man erwartet, dass sich Nico in jemanden wie Iggy verlieben würde. Er hatte nämlich alles, was sie an einem Typen gut fand: Er war verletzlich, brillant, zerbrechlich, aber hart wie Stahl, wahnsinnig und verrückt.

Von daher war es keine Überraschung. Denn Nico verliebte sich in jeden, der brillant, wahnsinnig oder ein Junkie war. Ich möchte jetzt nicht zynisch erscheinen, aber wenn ich gewusst hätte, was für eine große Geschichte daraus werden sollte, hätte ich immer ein Tonbandgerät dabeigehabt, aber damals haben alle nur gesagt: „Schau an, schau an, Nico hat sich schon wieder in einen Poeten verliebt.“

Iggy Pop: Ich habe viel mit Nico rumgevögelt. Praktisch den lieben langen Tag. Nico war wirklich was Besonderes. Ich habe sie wirklich sehr gemocht. Ich konnte mich nie in jemanden verlieben, aber ihre Gegenwart hat mich wirklich betört und erregt. Sie war älter als ich und kam von sonstwo her. Mir gefiel das wirklich – ihr Akzent kam von sonstwo her, und überhaupt kam alles an ihr von sonstwo her.

Außerdem war sie verblüffend stark. Ich hatte immer das Gefühl, mit einem Typen rumzuhängen, wären da nicht die weiblichen Körperteile gewe­sen. Die machten den einzigen Unterschied. Ansonsten hatte ich immer das Gefühl, ich wäre mit einem entschlossenen, egoistischen Künstler zusammen.

Sie war sehr rechthaberisch, was meine Arbeit betraf und dies und das und was weiß ich – wenn aber diese Fassade plötzlich zu bröckeln begann, kam eine unglaubliche Verletzlichkeit zum Vorschein. Und dann sah ich sie, wie sie wirk­lich war: Da ist jemand über dreißig, kein Model mehr, keine Persönlichkeit, die sich auf irgendeine Weise im Big Business namens Amerika vermarkten ließe, und was gedenkt sie also verdammt noch mal zu tun?

Nico barg eine große Traurigkeit in sich. Sie trug immer dieses Outfit einer wirklich trendigen internationalen Frau – die richtigen Stiefel, den richtigen Lammfellmantel, die richtige Frisur –, und sie kannte Leute in den richtigen Kreisen, und trotzdem war sie ziemlich fertig mit der Welt. Sie war eine Ver­rückte und eine großartige Künstlerin, und mit ihr zusammen zu sein gab mir wirklich einen Kick.

Ich bin absolut überzeugt, dass die Leute, wenn sie endlich die Ohren haben, sie richtig zu hören – so, wie Leute Augen haben, einen van Gogh rich­tig zu sehen –, dann aus dem Staunen nicht mehr rauskommen werden.

Sie ist dann mit mir nach Ann Arbor gegangen und hat mit mir zusammen im Haus der Band gewohnt.

Ron Asheton: Als Iggy sagte, dass Nico bei uns einzieht, haben wir geantwor­tet: „Oh, cool, wir haben nichts dagegen.“ Als Nico dann ins Fun House einge­zogen ist, haben wir sie aber sehr selten zu Gesicht bekommen, weil Iggy sie auf dem Dachboden hielt. Die einzigen Male, dass sie sich blicken ließ, war wäh­rend unserer Bandproben, aber dagegen haben wir uns strikt gewehrt, weil wir eine unumstößliche Regel hatten: Im Proberaum wurde niemand geduldet, und erst recht keine Frau. Sie hat immer diese wunderbaren Currygerichte gemacht und sie einfach, zusammen mit sehr teurem Wein, auf dem Tisch stehen lassen. Nico hat uns mit ihren teuren Weinen wieder zum Trinken verleitet.

Iggy Pop: Die Stooges wollten absolut keine Frauen im Haus haben, und erst recht keine mit einer so tiefen Stimme.Wenn sie sprach, haben sie sie immer imi­tiert. Nico hat hin und wieder versucht, für uns zu kochen, aber alles, was sie zustande brachte, war ein Topf voll braunem Reis, in den sie einen halben Liter Tabasco geschüttet hat. Sie hatte eine Ohreninfektion und war der Meinung, dass das Tabasco ihr Ohr wieder in Ordnung bringen könnte. Und Nico trank gern. Mich hat sie auch dazu verführt, und während sie mit uns zusammengelebt hat, wurden meine Shows immer schlechter und schlechter, weil Nico eine Unheil­stifterin war. Sie war eben nicht das nette Mädchen von nebenan.

Ron Asheton: Nico hatte einen Filmemacher gebeten, nach Michigan zu kom­men, um einen Sechzehn­Millimeter­Streifen über Iggy zu drehen. Wir sind dann alle zusammen auf diesen Bauernhof gegangen, und Nico überredete John Adams, auch mitzumachen, weil er aussah wie eine Sphinx: kräftig, groß und mit dichten roten Locken. Es war mitten im Winter, und wir saßen da und schauten aus diesem Panoramafenster und lachten, während sie all diese Schau­fensterpuppenarme auf dem Feld verteilten – John hatte kein Hemd an, Iggy hatte auch kein Hemd an und stand einfach nur in der Gegend herum. Das war schon irgendwie ziemlich gequält.

Iggy Pop: Wir sind wie die Verrückten auf diesem Kartoffelacker rumgerannt und haben mit diesen Plastikarmen gespielt. Ich habe darin überhaupt keinen Sinn gesehen. Das war ein ziemlicher Mist. Aber ich brauchte an dem Tag ein Abendessen. François de Menil, ein Typ aus dem texanischen Geldadel, wollte unbedingt einen Film über Nico machen, und sie hatte ihm gesagt: „Okay, wenn du einen Film machen willst, musst du nach Michigan kommen und Jimmy eine Rolle geben.“ Er antwortete: „Okay, einverstanden.“

Danny Fields: Nico rief mich ständig aus Ann Arbor an und beklagte sich über Iggy: „Ich weiß überhaupt nicht, ob er mich noch liebt, er ignoriert mich, oh, er ist so gemein zu mir!“

Ich antwortete ihr: „Ich glaube, du hast dir da einen ziemlich harten Bro­cken geangelt.“ Sorry, aber das war ja nichts Neues.

Iggy Pop: Nico sagte immer zu mir: „Zhimmy, o Zhimmy, du musst schon reichlich vergiftet sein, dass du tust, was du tust. Du bist nicht nur reichlich ver­giftet, du musst schon total vergiftet sein.“

Sie war der Meinung, ich sei viel zu human. Dann füllte sie mich mit Rot­weinen ab, die alle französische Namen hatten, welche ich vorher noch nie gehört hatte. Dadurch habe ich all diesen Bullshit gelernt. Ich habe gelernt, meine Stimme zu modulieren … und hellblaue Anzüge zu tragen und mich mit Schallplattenmanagern zu unterhalten.