Please Kill Me

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Als Jackie und ich Patti zum ersten Mal trafen, warnte mich Jackie: „Trau diesem Mädchen nicht, sie ist eine soziale Aufsteigerin.“

Aber mir war das völlig egal. Während der Proben zu Femme Fatale wurde ich schwanger, und eine Abtreibung war natürlich illegal. Ich hatte gehört, dass es eine Fehlgeburt auslösen würde, wenn man sich ein Intrauterinpessar ein­setzen lässt. Das war natürlich ziemlich bescheuert und auch nicht ungefähr­lich, aber ich bin trotzdem zu meinem Gynäkologen nach Allenville gefahren und habe mir ein Pessar einsetzen lassen. Es ging mir richtig gut, und ich bin wieder zu den Proben erschienen. Dann hatte ich ein Blackout und bin aus den Proben ausgestiegen. Während ich zusammen mit Patti im Fahrstuhl hinun­tergefahren bin, hatte ich eine Fehlgeburt.

Patti fragte mich ständig: „Sehe ich aus wie Keith Richards? Wie sehen meine Haare aus? Sehen sie aus wie die von Keith Richards?“Ich antwortete ihr: „Ja, irgendwie schon“, weil es mir völlig schleierhaft war, weshalb alle wie Keith Richards aussehen wollten.

Ich bin am nächsten Tag nicht zu den Proben erschienen und habe mich auch nicht telefonisch entschuldigt, und als ich dann wieder zu den Proben erschien, waren alle stocksauer auf mich. Tony Ingrassia, Jackie Curtis und all die anderen schnauzten mich an:„Wieso bist du einfach nicht gekommen?“ Bla, bla, bla. Und während ich dastand und ihr Gekeife über mich ergehen ließ, kam Patti auf mich zu und gab mir diese rausgerissene Seite aus ihrem Tagebuch. Darauf stand: „Heute habe ich ein Mädchen namens Penny Arcade kennen gelernt, sie ist wirklich cool, und ich mag sie sehr, und ich fände es schön, wenn sie meine Freundin wäre.“

Also wurden Patti und ich Freundinnen. Ich glaube, dass sie damals eigent­lich mit Robert Mapplethorpe im Chelsea Hotel gewohnt hat, aber dann hat­ten sie sich eine eigene Wohnung gemietet, ein Loft, das ein paar Häuser vom Chelsea Hotel entfernt war.

Jayne County (die vor ihrer Geschlechtsumwandlung Wayne County hieß): Jackie Curtis war einfach umwerfend in Femme Fatale. Am Ende des Stücks wurde sie an einer IBM­Karte gekreuzigt. Wir hatten eine überdimensionale IBM­Karte, und an die haben wir sie angenagelt.

Nach der Aufführung von Femme Fatale haben wir in einem anderen Stück mitgespielt. Es hieß Island. In diesem Stück habe ich einen Transvestiten­Revo­lutionär gespielt und Patti Smith einen Speedfreak, der auf Brian Jones steht und sich auf der Bühne seine Schüsse setzt. Natürlich war es nur simuliert, dass sie sich Speed gespritzt hat. Gleichzeitig hat sie immer wieder geschrien: „Brian Jones ist tot!“

Das war Pattis große Stunde auf den New­Yorker Undergroundbühnen. Sie hatte an ihrem Arm ein kleines Klümpchen Kitt befestigt, sodass es aussah, als würde sie sich die Nadel wirklich in die Vene jagen. Und während sie sich ihre Schüsse setzte, schrie sie immer wieder: „Brian Jones ist tot! Brian Jones ist tot! Brian Jones ist tot! Seht, hier steht es, Brian Jones ist tot!“

Leee Childers: Das Stück Island hatte eine wunderbare Besetzung – Cherry Vanilla, Patti Smith, Wayne County –, und es spielte auf Fire Island. Das Stück war episodisch und hatte keine eigentliche Handlung. Am Ende wurden alle getötet, weil die Regierung beschlossen hatte, Fire Island mithilfe von Schlacht­schiffen in die Luft zu jagen. Andy Warhol liebte das Stück. Seiner Meinung nach war es genial, und er sagte zu Regisseur Tony Ingrassia: „Ich habe Ton­bandaufnahmen gemacht …“

Das war natürlich nicht anders zu erwarten, denn Andy machte von allem Tonbandaufnahmen. Er stand immer mit seinem kleinen Tonbandgerät da und zeichnete jedes Telefongespräch und jedes einzelne Wort auf, das an ihn gerich­tet wurde. Deshalb hatte Andy unzählige Kartons mit Tonbandcassetten, und er sagte zu Tony Ingrassia: „Daraus lässt sich bestimmt ein prima Stück machen.“ Tony fragte ihn:„Ja, aber was soll ich damit anfangen?“ Andy gab ihm die Kartons und meinte: „Oh, ich bin mir sicher, dass du darin einiges an gutem Material finden wirst.“

Was Tony dann auch tatsächlich tat. Er ging die Cassetten durch und stieß auf einige sehr interessante Gesprächsfetzen, hauptsächlich aus Telefongesprä­chen, und nahm sie als Grundlage für ein Stück namens Pork. In dem Stück trat ein Schauspieler auf, der Andy Warhol darstellte und in einem öden weißen und sterilen Krankenhausflur im Rollstuhl saß. Um ihn herum waren die anderen Schauspieler gruppiert und telefonierten mit weißen Telefonen. Mit Pork war natürlich Brigid Polk gemeint. Die Vulva stellte Viva dar, und sie sollte am Tele­fon mit Andy sprechen und Sachen sagen wie: „Andy, hast du dir schon jemals Gedanken über Affenscheiße gemacht? Hast du eine Ahnung, wie Affenscheiße aussieht? Hat schon mal irgendjemand Affenscheiße gesehen? Ich denke, dass Zoowärter wissen, wie Affenscheiße aussieht. Ich habe bislang noch nie Affen­scheiße gesehen, aber was ist mit Kuhscheiße, ist Kuhscheiße nicht …“

Jayne County: In Pork ging es hauptsächlich um eine Figur, die Brigid Polk dar­stellte und sich ständig nur Speed spritzte und in einer Tour quatschte. Alle anderen Schauspieler liefen immer nur um sie herum und sprachen über ihren Fetischismus und ihre Perversionen. Jane Callalots, die ebenfalls in Heaven Grand in Amber Orbit mitgespielt hatte, verkörperte Paul Morrissey. Sie schob die Figur des Andy, die von Tony Zanetta gespielt wurde, auf einem gewöhnli­chen Stuhl, an dem Rollen angebracht waren, durch die Gegend. Er saß einfach nur auf diesem Stuhl und sagte ständig: „Ähem, aaah.“

Leee Childers: Ja, darum ging es hauptsächlich in diesem Stück. Ich habe bei beiden Inszenierungen als Regieassistent gearbeitet – das Stück lief sechs Wochen in New York und sechs Wochen in London. In London hat die Inszenierung allerdings einen Riesenskandal ausgelöst. Wir waren ja damals ziemlich naiv und hatten keinen blassen Schimmer von der Londoner Regenbogenpresse. Als Geri Miller für eine Fotosession vor dem Haus von Queen Mom posierte und plötz­lich ihre Titten rausholte, wurde sie auf der Stelle verhaftet. Das Foto wurde in allenKlatschblätternauf dererstenSeitegebracht:„PORNOSCHAUSPIELERIN VON PORK LÄSST VOR DEM HAUS DER KÖNIGINMUTTER DIE TITTEN RAUSHÄNGEN!“ Und dann wurde sie von allen Zeitungen zitiert:„WAS SOLL AN TITTEN SO SCHLIMM SEIN? DIE KÖNIGIN HAT DOCH SCHLIESS­LICH SELBER WELCHE!“

Wir waren wirklich das Medienereignis schlechthin und wussten es noch nicht einmal, aber Cherry Vanilla hatte die geniale Idee, dass wir uns als auf Rock ’n’ Roll spezialisierte New­Yorker Journalisten ausgeben könnten. Cherry war die Einzige, der klar geworden war, dass wir in London ein paar Betrüge­reien abziehen könnten. Sie kontaktierte einen der Herausgeber der Zeitschrift Circus, und der sagte ihr: „Okay, macht, was ihr wollt, und benutzt von mir aus meinen Namen, aber wenn mich jemand anruft, weiß ich von nichts.“

Also haben wir uns als Rock ’n’Roll­Journalisten von Circus ausgegeben – Cherry war die Schreiberin, ich war der Fotograf, und es funktionierte auf wun­dersame Weise. Wir kamen in jede Garderobe und bekamen jede Woche den New Musical Express und haben geschaut, wer wo Konzerte gab. Natürlich sind wir in alle Konzerte gegangen. Wir haben sie wirklich alle gesehen: Marc Bolan, Rod Stewart …

Dann habe ich eine winzige Anzeige entdeckt, kaum größer als zwei oder drei Quadratzentimeter: „David Bowie im Country Club.“ Ich hatte einen Arti­kel von John Mendelssohn über ihn gelesen, also erzählte ich, ich hätte gehört, er würde in Frauenkleidern durch die Gegend laufen.„Das ist ja geil, den Typen werden wir uns anschauen.“ Also riefen wir an und wurden auf die Gästeliste gesetzt – ich, Cherry und Wayne County. Es war ein winziger Club, und ich denke, es waren nicht mehr als dreißig Leute im Publikum. Mein erster Ein­druck von David Bowie war nicht sehr positiv. Ich dachte nur: „h Mann, was für eine Enttäuschung. Was für ein Langweiler.“ Er trug gelbe Schlaghosen und einen großen Hut.

Jayne County: Wir hatten gehört, dass dieser David Bowie angeblich androgyn sein soll, aber dann kam er auf die Bühne. Er hatte lange Haare und trug diese komischen Folkklamotten. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und spielte Folk­songs. Wir waren alle total enttäuscht von ihm. Wir schauten ihn an und sag­ten: „Jetzt seht euch diesen alten Folkhippie an!“

Wir saßen im Publikum mit unseren schwarz lackierten Fingernägeln und unseren gefärbten Haaren. Damals gab es noch nicht diese grellen, leuchtenden Punkfarben, aber Leee Childers hatte diese Magic Marker entdeckt und sich damit seine Haare in allen möglichen Farben angemalt. Irgendwann sagte David Bowie: „Und die Leute von Andy Warhols Pork sind heute Abend auch hier. Steht bitte mal auf.“ Also mussten wir alle aufstehen – Cherry stand auf, zog ihr Oberteil aus und wackelte mit ihren Titten. Es war großartig. Wir sorgten über­all für einen Skandal.

Leee Childers: David war eine herbe Enttäuschung, aber wir liebten seine Frau Angela Bowie heiß und innig.Angie war laut, schwanger und völlig durchgeknallt. Sie fasste uns in den Schritt, lachte sich dabei kaputt und amüsierte sich.

Wir unterhielten uns die ganze Zeit über Angie, aber nicht über David. Bereits am nächsten Abend luden wir sie in diese Schwulenbar namens Yours and Mine in Highgrove ein, und bei der Gelegenheit lernten wir David ein wenig näher kennen und erkannten seinen Sinn für Humor, und dann wurde er uns ziemlich sympathisch. Als wir England dann schließlich verlassen muss­ten, mochten wir ihn wirklich sehr.

Jayne County: Natürlich haben wir David extrem beeinflusst, dass er sein Image ändert. Nachdem er uns kennen gelernt hatte, fing er an, sich anders zu stylen. Ich habe die rasierten Augenbrauen bei Jackie Curtis abgekupfert, und dann fing auch David an, sich seine Augenbrauen zu rasieren und seine Finger­nägel zu lackieren, er ging sogar mit lackierten Fingernägeln in die Nachtclubs, genau wie wir. Er hat sein Image total verändert und lief inzwischen ziemlich ausgeflippt herum.

 

KAPITEL 10: LAND OF A THOUSAND DANCES

Danny Fields: Für mich war das Max’s Kansas City immer das Hinterzimmer im Keller. Später dann, als dort ab 1973 in regelmäßigen Abständen auch in den oberen Räumen Bands auftraten, wurde das Max’s zu einem völlig anderen Ort. Oben gab es eine Disko, wo Wayne County immer Platten auflegte. Das war okay, aber es war nicht wie unten. Es war nicht wie im Hinterzimmer. Die wirk­lich lustigen Zeiten hörten schlagartig auf, nachdem sie dort Bands auftreten ließen, weil dadurch jede Menge Gesocks angezogen wurde. Das Max’s war bis dahin immer eine sehr exklusive Kellerenklave für Insider gewesen. Und nur Leute, die es kannten, wussten davon. Aber ab dem Zeitpunkt, als die Leute draußen Schlange standen, um sich die Bands anzuhören, war das Max’s nicht mehr das, was es einmal war.

Eileen Polk: Ich bin jeden Abend ins Max’s gegangen. Wirklich jeden Abend. In der ersten Zeit war ständig die ganze Warhol­Clique dort, in dieser Zeit sah man dort immer Andy mit seiner Entourage:Viva, Jane Forth, Joe Dallesandro. Taylor Mead hing stets in irgendeiner Ecke herum und betrank sich. Und dieses durch­geknallte Mädchen mit den Rastalocken, das immer mit einer Babypuppe rum­lief, führte Selbstgespräche. Warhols Factory war damals noch in der Sieben ­undvierzigsten Straße, aber dann sind sie in die Siebzehnte Straße gezogen, die direkt am Union­Square­Park und nur ein paar Häuserblocks vom Max’s ent­fernt ist. Wenn das Max’s zumachte, brauchte man einfach nur durch den Park zu gehen und konnte in der Factory rumhängen. Dort liefen normalerweise alle mit einer Videokamera durch die Gegend und nahmen sich gegenseitig auf. Mich erinnerte das immer sehr an die Szene im Doors­Film, wo sie Nico kennen ler­nen und sich mit ihr zurückziehen, um sich Heroin in die Venen zu jagen.

Aber irgendwann wurde die Warhol­Clique von all diesen komischen Glit­terbands verdrängt: von Jo Jo Gun, den New York Dolls, Slade, Sir Lord Balti­more. Ich habe häufig irgendeinen Typen von diesen aufstrebenden Bands abgeschleppt. Ich hatte nämlich keine Lust, Rockstars kennen zu lernen und mich dann von ihnen vögeln zu lassen. Ich habe sie zwar kennen gelernt, aber ich hatte irgendwie Angst, mit ihnen ins Bett zu gehen. Ich hatte einfach keine Lust, mit Typen ins Bett zu gehen, die es nur darauf anlegten, die Groupies besoffen zu machen, um sie hinterher durchzuvögeln. Ich bin normalerweise immer nur mit irgendwelchen Freunden ins Bett gegangen. Mir waren die Leute lieber, die sich nicht zu schade waren, sich selbst zum Arschloch zu degradieren, als Leute, die einfach nur mit dem Typen gesehen werden woll­ten, der am coolsten aussah.

Duncan Hannah: Irgendwann hing ich mit Danny Fields in seiner Stammecke im Max’s ab. Wir hatten schon ein paar Glas Brandy getrunken, als plötzlich Lou Reed den Laden betrat. Er hatte sich diese Malteserkreuze in seine extrem kurzen Haare rasiert. Das war 1973. Lou Reed kam zu uns herüber: „Hey, Danny!“ Und Danny antwortete: „Hey, Lou, setzdich doch zu uns.“ Also saßen wir zu dritt am Tisch. Danny machte mich mit Lou bekannt, und Lou sagte: „Wisst ihr eigentlich, dass der aussieht wie David Cassidy?“

Ich antwortete: „Oh, ich finde David Cassidy eigentlich ziemlich zum Kot­zen.“ Woraufhin Lou sagte: „Sieh dir das an … findest du nicht auch, Danny? Sieht er nicht genauso aus wie David Cassidy?“ Und dann fingen sie an, in mei­ner Gegenwart über mich in der dritten Person zu reden. „Sieht sie nicht aus wie David Cassidy?“

So ging das eine ganze Weile, aber dann unterhielten sie sich plötzlich über Raymond Chandler. Ich hatte gerade alles von ihm gelesen. Also dachte ich mir: „Hey, da kann ich ja mitreden. Ich sitze hier mit meinem großen Vorbild Lou Reed, und wir werden jetzt eine intellektuelle Unterhaltung über Raymond Chandler führen. Nicht schlecht!“

Und dann erzählte Lou von einer Szene, die angeblich in Das hohe Fenster vorkommen soll. Ich korrigierte ihn: „Nein, das kommt in Die kleine Schwester vor.“

„Wie?“

„Das kommt in Die kleine Schwester vor. Ich habe das gerade erst gelesen, ist ein tolles Buch, ich kenne die Geschichte …“

Lou drehte sich daraufhin zu Danny um und meinte: „Hey, Danny. Sie spricht. Denkt sie sogar? Ich glaube, sie liest, häh?“

Ich dachte. Ich hab’s kapiert. Ich bin also nur ein blondes Dummchen.

Und dann fragte Lou: „Du, Danny, und was macht sie sonst noch?“ Und Danny sagte:„Oh, sie ist eine Kunststudentin.“ – „Ach so, eine Kunststudentin.“

Es war grauenhaft. Es ist einfach grauenhaft, wenn du von deinem Idol gefragt wirst, was du machst, und sagen musst, du studierst Kunst. Das hört sich dann an wie gar nichts. Und ich hatte die Botschaft vernommen: Lass dich sehen, aber nicht hören. Ich bin nur ein Narr. Nur ein Zubehör. Na toll, end­lich habe ich mein großes Idol kennen gelernt, aber ich muss die Klappe hal­ten.

Als Danny dann mal aufs Klo verschwand, drehte sich Lou zu mir um und fragte: „Bist du Dannys Liebhaber?“

„Nein, nein, Danny und ich sind nur gut befreundet.“

„Dann gehörst du also nicht zu Danny?“

„Nein, er ist nur ein sehr guter Freund von mir.“

„Prima, willst du dann nicht mein David Cassidy sein?“

„Ach nein, lieber nicht.“

„Wieso kommst du nicht einfach mit zu mir ins Hotel?“

„Und dann?“

„Dann kannst du mir in den Mund scheißen. Wie findest du das?“

„Ich glaube kaum, dass mir das Spaß machen würde.“

Ich merkte, wie ich kreidebleich wurde. Und dann fing Lou an zu flüstern, als würde er glauben, dass mich das geil machen würde, und fragte: „Widert dich das an?“

„Das kann man wohl sagen.“

„Also gut, dann lege ich mir eben einen Teller aufs Gesicht, und dann kannst du auf den Teller scheißen. Wie fändest du das?“

„Nein, ich glaube, das würde mir auch nicht besonders gefallen.“

„Du weißt ja gar nicht, was du dir entgehen lässt. Na komm schon, lass uns gehen und einfach unseren Spaß haben.“

„Nein, nein, ich glaube nicht. Ich denke, ich bleibe lieber hier.“

„Also schön, dann fick dich doch selber.“

Als Danny vom Klo zurückkam, sagte Lou:„Ich muss jetzt gehen, Danny!“ Und dann ging er. Ich war ziemlich deprimiert, weil ich mir diese Begegnung wirklich so völlig anders vorgestellt hatte. Das hier war so vollkommen anders, als man es aus Büchern kennt. Mein Gott, da habe ich mein großes Idol kennen gelernt und hätte mich mit ihm über Raymond Chandler unterhalten können, aber stattdessen wurde ich gefragt: „Hättest du nicht Lust, mir in den Mund zu scheißen?“

Nachdem Lou gegangen war, sagte Danny: „Ich glaube, dass du Lou gefal­len hast.“ Ich sagte: „Das glaube ich eher nicht.“ Ich erzählte Danny, dass Lou mich gefragt hatte, ob wir zusammengehörten, und das gefiel Danny, weil er mit etwas zusammen war, was sein Freund unbedingt haben wollte.„Also wenn du mit ihm gehen willst, dann geh mit ihm, wenn du magst.“

„Nein, ich glaube nicht, dass ich das will.“

Jayne County: Im Hinterzimmer ging es ziemlich lasterhaft zu. Echt brutal. Alle waren sie auf einer anderen Droge, und wenn man aufstand, weil man aufs Klo musste, traute man sich kaum, jemandem den Rücken zuzuwenden. Das Klo befand sich auf der linken Seite, und man musste rückwärts aus dem Hinter­zimmer raus. Sobald man ihnen nämlich den Rücken zuwandte, fingen die Leute sofort an, über einen herzuziehen. Sobald man aufgestanden war, zerrissen sich die Leute das Maul und verbreiteten die schrecklichsten Dinge über einen.

Leee Childers: Als Patti Smith und Robert Mapplethorpe anfingen, ins Max’s zu gehen, wurden sie zunächst gar nicht in den Laden reingelassen. Sie sahen aber auch ziemlich verboten aus – Robert trug immer diese großen Hüte, rie­sige Schlapphüte aus Wildleder, und schlabbrige Hemden. Er sah wirklich zum Davonlaufen aus. Patti sah ein bisschen cooler aus, sie trug immer diese häss­lichen zerfetzten Klamotten.

Ich glaube, Mickey Ruskin dachte sich, dass sie für seinen Laden einfach unpassend angezogen waren. Aber man muss sie wirklich für ihre Hartnäckig­keit bewundern, mit der sie jeden Abend vor dem Max’s auf dem Bürgersteig saßen und jeden anquatschten, der rein­und rausging. Ich hätte dazu bestimmt nicht den Nerv gehabt. Ich fand das irgendwie bemerkenswert, denn ich hätte mich das nie getraut, wenn ich selbst den Laden nicht hätte betreten dürfen. Ich hätte mich wahrscheinlich schnellstens aus dem Staub gemacht. Ich habe Patti dafür bewundert, dass sie die Courage hatte, einfach dazusitzen und zu sagen: „Das hier ist der Laden, in den ich gern reingelassen werden würde, aber wenn sie mich nicht lassen, bleibe ich einfach davor sitzen.“ Das war eine ziemlich punkige Haltung, noch bevor es den Punk überhaupt gab.

Terry Ork: Patti Smith und Robert Mapplethorpe waren das Paar schlechthin. Sie strahlten eine spürbare und sinnliche Perversität aus, die sehr einzigartig war. Ich habe sie häufig im Chelsea Hotel abgeholt, und dann haben wir uns immer zurechtgemacht, um zusammen ins Max’s zu gehen. Sie waren wirklich ein entzückendes Pärchen, und alle im Chelsea Hotel liebten sie – unter ande­rem Viva, einige andere Warhol­Superstars und Bobby Neuwirth. Mapple­thorpe war damals immer noch hetero, ein katholischer Junge, der allerdings auf Abwege gekommen war.

Jack Walls: Ich glaube, dass Patti und Robert die Idee verfolgten, Warhol­Superstars zu werden, und sich absichtlich produzierten, weil sie versuchten, ins Max’s hineingelassen zu werden. Sie ließen nichts aus, um die Aufmerk­samkeit auf sich zu lenken: Eyeliner, Lippenstift, schwarzen Nagellack, alles, von dem sie sich erhofften, sie könnten dadurch ins Hinterzimmer vorgelassen wer­den. Aber es tat ihnen leider niemand den Gefallen.

Danny Fields: Patti erzählte diese Geschichte immer wunderschön.Sie und Robert kamen jeden Abend zum Max’s, standen vor der Tür und starrten ununterbro­chen auf diese vielen schicken Menschen und hofften inständig,jemand von ihnen würde sie einladen, um mit ihnen den Abend zu verbringen. Diejenigen von uns, die einen Sitzplatz hatten, starrten ständig dieses bewunderungswürdige und ero­tische Pärchen an, und wir fragten uns ständig, wer sie wohl sein mochten, und wünschten uns, dass sie kämen und sich zu uns setzten. Diese Spannung und die­ser stagnierende Zustand hielten eine ganze Weile an.Schließlich ging ich zu ihnen: „Na los, ihr beiden, setzt euch doch zu uns. Wer seid ihr eigentlich?“ Patti erin­nert sich bis heute daran,dass ich der Erste war,der ihnen im Max’s einen Sitzplatz angeboten hat. Es war lustig. Ich sagte: „Ihr solltet wirklich aufhören, ständig vor dem Eingang rumzulungern. Ihr seid wirklich süß. Wer seid ihr?“

Penny Arcade: Patti brachte es fertig, mich morgens um neun aus dem Bett zu schmeißen. „Penny!“, rief sie dann.

„Was ist denn los, Patti?“

„Heute ist Bobbys Geburtstag.“

„Was für ein Bobby?“

„Bobby Dylan.“

Patti verbrachte ihr ganzes Leben damit, so zu tun, als wäre sie John Len­non oder Paul McCartney oder Brian Jones oder irgendein anderer Rockstar.

Ich war an dem Abend bei ihr, als Brian Jones starb. Sie weinte völlig hyste­risch. Sie war einfach vollkommen hysterisch. Ich meine, mir ging das auch sehr nahe, aber sie hörte nicht auf, ständig von „Baby Brian Jones“ und „Baby Brian Jones’ Knochen“ zu reden. Man hatte den Eindruck, als würde sie diese Leute persönlich kennen, aber das spielte sich alles in ihrer Fantasie ab. Klar, viele Leute hatten imaginäre Freunde, aber bei Patti mussten es schon Leute wie Keith Richards sein. Patti erzählte mir die Geschichte von ihrer ersten Begegnung mit Eric Clapton. Sie war mit Bobby Neuwirth unterwegs und wich nicht von Clap­tons Seite, bis der sie schließlich fragte: „Kennen wir uns?“

„Nein, ich gehöre zu den unbedeutenden Leuten.“

Jack Walls: Tinkerbell rief Patti im Haus ihrer Mutter in New Jersey an und erzählte ihr, dass Robert schwul sei. Das brach Patti das Herz. Ich meine, wie hätte sie da konkurrieren sollen? Es wäre etwas anderes gewesen, wenn er eine andere Frau gehabt hätte, aber wenn dir der Mann, den du liebst, sagt, er sei homosexuell, dann hat man wirklich ein riesengroßes Problem. Davor haben sich Patti und Robert immer nur höchstens darüber gestritten, wer die Wäsche macht.

Duncan Hannah: Als ich gerade nach New York gezogen war, sind Patti und Robert immer noch zusammen ausgegangen. Sie waren echt cool. Eines Abends traf ich Patti und machte eine Bemerkung über Mapplethorpe, und Patti sagte: „Oh, ich habe mich von meinem Alten getrennt.“ Und dann sagte sie mir ganz imVertrauen:„Weißtdu,erstehtmittlerweilemehrauf Männer,unddaistman als Frau ziemlich machtlos, wenn ein Mann Männer liebt.“

 

Mir kam es vor, als hätte sie sich befreit. Es war nicht ihre Schuld, und ihr schien es wichtig zu sein, dass ich das wusste. Das fand ich wirklich sehr gene­rös von ihr. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, dass es ihr so wichtig war, dass ich nichts Schlechtes über sie dachte. Ich hätte am liebsten gesagt: „Donner­wetter!“ Aber stattdessen habe ich nur genickt und „Ach so“ gesagt, als ob es eine Plattitüde wäre, wenn eine Frau ihren Mann an einen Mann verliert. Yup.

Jack Walls: Robert Mapplethorpe war ein typisches Kind der Fünfzigerjahre, und als 1969 die Krawalle im Stonewall stattfanden, die den Beginn der Schwu­lenbewegung signalisierten, war er neunzehn oder zwanzig. Das war eine wich­tige Bewegung, an der sogar Leute teilnahmen, die selbst gar nicht schwul waren. In den Siebzigerjahren lebten die Schwulen ihre Sexualität extrem aus. Und Robert wählte von Anfang an das Extremste. Damals gab es die „Trucks“ in der Vierzehnten Straße, dem Viertel, in dem auch das Fleisch klein geschnit­ten und verpackt wurde. In diesen leeren Tiefladern trafen sich die Männer und hatten anonymen Sex miteinander.

Irgendwann erkannten dann ein paar Leute die Zeichen der Zeit und eröff­neten ein paar Clubs, weil ja sowieso alle ständig dort rumhingen, und so konnte man sich was zu trinken bestellen. So entstanden das Mineshaft und das Anvil, und dort traf sich die gesamte dekadente Sexistenszene. Sie ließen wirk­lich nichts aus: pissen, scheißen, fisten, Gloryholes, so viele Typen wie nur mög­lich ficken – einfach nur ficken, als gäbe es kein Morgen.

Terry Ork: Ich weiß nicht, was zuerst kam, ob sich Roberts Homosexualität selbst ihren Weg bahnte oder ob Patti zuerst angefangen hatte, mit irgendwel­chen Rockstars rumzumachen. Ich glaube, dass Patti damals ein sehr öffentli­ches Leben geführt hat. Sie hat immer mit irgendwelchen Typen rumgeknutscht und sich danach immer umgeschaut, um sich zu vergewissern, ob das auch alle mitbekommen haben, gerade so, als würde sie die Rolle eines Bohemiens im Paris der Zwanzigerjahre spielen. Sie kultivierte ein Selbstbewusstsein, als wäre sie eine Frau, die nur Rockstars vögelt und auf einer Bühne lebt. Sie verkörperte dieses typisch New­Yorker Draufgängertum. Und irgendwann hatte Patti dann plötzlich eine ziemlich lange Liebesaffäre mit Todd Rundgren.

Patti Smith: Würde ich nicht so viel von mir halten, würde ich denken, dass ich jemand war, der ständig mit den großen Namen um sich warf. Wenn man mein Buch Seventh Heaven liest, wen findet man darin? Edie Sedgwick, Marianne Faithfull, Jeanne d’Arc, Frank Sinatra, alles Menschen, die mir wirklich etwas bedeuten. Aber ich habe nicht nur zum Spaß mit großen Namen um mich geworfen. Das habe ich nur getan, um eine andere Facette meiner eigenen Per­sönlichkeit zu zeigen. Ich bin in das Leben meiner Idole gehüllt.

Bebe Buell: Todd Rundgren machte mich mit Patti bekannt. Sie hatte vor mir ein Verhältnis mit ihm. Ich mochte sie auf Anhieb. Sie sagte mir, ich sähe aus wie Anita Pallenberg, Nico und Marianne Faithfull, die man zusammen in einen Windbeutel eingerollt hätte. Genau so hat sie sich ausgedrückt. Ich hatte damals noch lange Haare, und Patti meinte, ich sollte mir unbedingt einen Pony schnei­den lassen, was ich dann auch tat. Dann versuchte sie mich dazu zu überreden, mir die Haare weiß zu färben. Das habe ich dann allerdings lieber bleiben lassen.

Ich glaube, ich habe Patti häufig in den Wahnsinn getrieben. Ich habe sie jeden Tag in der Dreiundzwanzigsten Straße besucht, wo sie damals zusammen mit Allen Lanier wohnte. Ich platzte meistens herein, kurz nachdem die beiden miteinander gefickt hatten oder wenn Patti gerade dabei war, einen Schrein herzurichten, oder wenn sie beim Schreiben war. Aber sie ließ mich trotzdem immer rein.

Dann setzten wir uns und redeten, und sie sagte häufig: „Ich würde wirk­lich gern singen.“ Ich stimmte ihr zu: „Ich auch.“ Das war lange bevor sie zu singen anfing. Wir legten Platten auf und sangen lauthals mit. Wir legten „Gimme Danger“ auf und versuchten, die Stimmlagen zu imitieren und die Töne richtig aus unseren Kehlen zu kriegen. Patti sagte immer:„Jawoll, genauso lernt man, richtig zu singen.“ Als Mikrofone benutzten wir Haarbürsten, und wir stellten uns vor den Spiegel und fingen an zu singen. Wir hatten immer viel Spaß miteinander – sie war wirklich total witzig. Manchmal brachte ich Grass mit, aber Patti konnte nicht viel davon rauchen, weil sie sowieso schon so weit weg war, und nach nur zwei Zügen war sie total verladen und ganz woanders, in der Stratosphäre, und dann begann sie zu philosophieren und erzählte mir Geschichten über Sam Shephard.

Ich war damals so jung und so verrückt, dass ich immer sofort zu Patti gerannt bin, wenn ich ein Problem mit Todd hatte. Patti war damals immer noch ein bisschen in Todd verliebt, deshalb war es für sie nicht so einfach, wenn diese kleine Göre zu ihr kam und sie wegen Todd um Rat fragte. Sie hatte ja immer noch sehr viele Gefühle für ihn, obwohl sie damals schon mit Allen zusammenlebte. Manchmal erwischte ich Todd und Patti, wenn sie sich innig umarmten. Ich führte mich dann immer auf wie ein eifersüchtiger Teenager und stellte Patti zur Rede: „Warum nimmst du meinen Freund in den Arm?“ Und Patti antwortete: „Reg dich ab, das ist schon in Ordnung, Kindchen.“

Penny Arcade: Patti war ein sehr fordernder Mensch, was möglicherweise an ihrer extremen Getriebenheit lag. Patti wollte unbedingt aussehen wie Keith Richards, wollte rauchen wie Jeanne Moreau, gehen wie Bob Dylan und schrei­ben wie Arthur Rimbaud. Sie unterhielt diesen schier unglaublichen Pantheon aus Ikonen, denen sie nacheiferte. Sie hatte eine sehr romantische Vorstellung von sich selbst. Patti hatte das Lehrerseminar besucht und wollte eigentlich Leh­rerin werden, aber dann ist sie aus dem Arbeiterklasseleben in New Jersey aus­gebrochen.

Mir war damals noch nicht klar, dass man das einfach machen konnte, und mir war auch nicht klar, dass es besser ist, Künstlerin statt Hauswirtschafts­lehrerin zu werden.

Bebe Buell: Es war Patti Smith, die mich dazu überredet hat, mich für den Playboy fotografieren zu lassen. Damals war ich als Covergirl für Revlon, Inti­mate und Wella sehr gut im Geschäft. Ich hatte vier oder fünf große Kunden. Aber meine großen Vorbilder waren alle keine Models. Ich bewunderte Frauen wie Anita Pallenberg und Marianne Faithfull, das waren die Frauen, zu denen ich aufschaute und die ich gern selbst gewesen wäre.

Als der Playboy mich dann fragte, ob ich mich für ihn fotografieren lassen wollte, meinte Patti: „Ich wünschte, man würde mich mal fragen. Ich würde es sofort tun.“ Patti hatte wirklich Riesentitten, nur haben das die meisten Leute nicht gesehen. Sie war extrem gut ausgestattet und dachte immer, dass es ziem­lich cool wäre, so etwas zu machen. Sie zeigte mir Fotos von Brigitte Bardot, Ursula Andress und Raquel Welch und viele andere Playboy­Fotos und sagte: „Im Playboy abgebildet zu sein ist wie Coca­Cola. Das ist wie Andy Warhol. Das ist Amerika, weißt du, diese Zeitschrift ist ein Teil von Amerika.“ Sie sagte: „Mach das, das ist großartig, dagegen ist dieses Modezeug die reinste Scheiße.“

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