Schatz des Dharma

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Die elf heilsamen Faktoren

Wir werden nun über die dritte Art der Geistesfaktoren sprechen, die elf heilsamen Faktoren. Der erste davon ist Vertrauen.

1 Vertrauen

Diese Art von Vertrauen ist ein Vertrauen in etwas Heilsames und Bewundernswertes, zum Beispiel in die richtige Methode des eigentlichen Weges, der Leid beseitigt. Man hat Vertrauen auf die Tatsache, daß durch die Kraft der Methode, indem man diesem Weg folgt, das Leid beseitigt und sicher beendet wird. Ein weiteres Beispiel ist Vertrauen in das Gesetz von Ursache und Wirkung, nämlich darauf, daß eine heilsame Ursache eine heilsame Wirkung zur Folge hat. Allgemein können wir sagen, daß Vertrauen ein Geistesfaktor ist, der das, was heilsam ist, achtet. Es ist entscheidend für den Prozeß der Reinigung unseres Geistes, der jetzt positive und negative Faktoren wahllos vermischt. Diese Art des Vertrauens ist nicht blinder Glaube, vielmehr entsteht es auf der Grundlage gültiger, logischer Überlegungen. Deshalb wird es durch die Meinungen anderer nicht leicht ins Schwanken gebracht, sondern bleibt fest.

2 Scham

Der zweite heilsame Geistesfaktor ist Scham. Er entsteht aus dem Gefühl im eigenen Geist, daß eine bestimmte körperliche oder sprachliche Handlung schlecht ist, so daß man aus einem Sinn für Anstand oder Scham von dem Gedanken oder der Handlung Abstand nimmt. Stellen wir uns zum Beispiel zwei Menschen vor, von denen einer Dharma anwendet. Sein Begleiter schlägt aus dem einen oder anderen Grund vor, ein Tier zu töten. Während sie im Begriff sind, es zu tun, denkt der Dharma-Anwender bei sich selbst: „Ich kann das nicht tun. Ich bin doch ein Dharma-Anwender, und diese Handlung steht im Widerspruch zu meiner Anwendung ebenso wie zu meinen eigenen Neigungen.“ Das Unterlassen dieser Handlung war in diesem Fall die Folge von Scham. Sie ist ein sehr wichtiger Faktor, der uns davor schützt, nachteilige Handlungen zu begehen. Wenn wir im Begriff sind, eine schlechte Handlung auszuführen, und uns bewußt werden, daß wir das nicht tun sollten, und uns enthalten, wirkt unsere Scham.

3 Achtung

Der dritte heilsame Faktor ist Achtung, sei es in bezug auf andere Wesen oder auf das Dharma. Achtung hält uns auch davor zurück, unheilsame Handlungen zu begehen, aber hier ist der Grund für das Unterlassen solcher Handlungen Achtung für andere oder Rücksicht auf andere. Da man besorgt ist darüber, was andere denken könnten, wendet man sich davon ab, eine besonders schlechte Handlung zu begehen. Diese zwei heilsamen Geistesfaktoren sind ähnlich insofern, als sie uns von schlechten oder unheilsamen Handlungen zurückhalten, aber die Überlegung dahinter ist verschieden. Bei diesem dritten Geistesfaktor machen wir uns Gedanken über die Wirkung unserer Handlung auf den Geist einer anderen Person; oder wir möchten die Gefühle eines anderen nicht enttäuschen oder verletzen. Von negativem Benehmen Abstand zu nehmen wegen eines Gefühls von Verlegenheit oder aus Rücksicht auf andere ist daher dem Wirken dieses dritten Geistesfaktors zuzuschreiben.

4 Begierdelosigkeit

Der vierte heilsame Geistesfaktor ist Begierdelosigkeit. Er entsteht auf der Grundlage folgerichtigen Überlegens. Wenn wir einem Objekt der Begierde begegnen, zum Beispiel einer Person, Reichtum oder irgendeinem anderen materiellen Objekt, erzeugen wir ein Gefühl von Begierdelosigkeit gegenüber dem Objekt, weil wir sehen, daß ihm jede wirkliche Essenz fehlt. Man kann zum Beispiel Begierde nach einer schönen Blume empfinden, aber indem man erkennt, daß diese Art der Einstellung sinnlos ist und daß diese Blume schließlich verwelken wird, wirkt man diesem starken Gefühl der Begierde entgegen. Es ist sehr wichtig, diesen Geistesfaktor zu entwickeln, weil wir viel Begierde nach Dingen mit wenig oder keinem wirklichen Wert haben, die nur bewirken, daß wir unsere Zeit und unser Leben vergeuden, indem wir versuchen, solche Dinge zu erlangen.

5 Haßlosigkeit

Der nächste heilsame Geistesfaktor ist Haßlosigkeit. Er ist das Gegenmittel gegen Haß, der gegenüber belebten oder unbelebten Objekten entstehen kann. Haß entsteht nicht nur gegenüber anderen Menschen; er kann auf Dinge gerichtet sein wie das Wetter oder eine Stufe, über die man gestolpert ist, oder eine Reihe anderer unbelebter Objekte, denen man im Lauf eines Tages begegnet und die ein Gefühl von Ärger auslösen. Dieser Geistesfaktor sieht die schlechten Eigenschaften von Haß und erkennt, wie er einem selbst und anderen schadet, und hindert dadurch den Haß am Entstehen. Man kann diesen Faktor auch Geduld nennen. Wenn wir fähig sind, ihn zu entwickeln, wird er zu großem Geistesfrieden sowohl für uns selbst als auch für andere führen.

6 Verwirrungslosigkeit

Der sechste heilsame Geistesfaktor ist Verwirrungslosigkeit. Er ist das Gegenmittel gegen Verwirrung und ist ähnlich der Intelligenz, die zwischen dem, was heilsam, und dem, was unheilsam ist, unterscheidet. Es gibt zwei Arten von Intelligenz. Die erste ist angeboren und entsteht abhängig von geistigen Eindrücken aus früheren Leben. Die zweite Art entsteht durch Schulung des Geistes. Die erste Art, die durch Vertrautheit mit Intelligenz aus einem früheren Leben entsteht, funktioniert so, daß sie dann, wenn man in diesem Leben mit den geeigneten Umständen in Berührung kommt, als Folge früherer Vertrautheit wieder zu funktionieren beginnt. Da dies so ist, müssen wir jetzt beginnen, Vorbereitungen zu treffen und uns mit ihr bekannt zu machen, wenn wir in Zukunft diese Art von Intelligenz haben möchten. Wir können zum Beispiel Fälle finden, wo kleine Kinder spontan starkes, liebevolles Mitgefühl für andere zu haben scheinen. Manche Kinder dagegen sind, obwohl noch sehr jung, aggressiv und haben ein unfreundliches und beleidigendes Wesen. Beides ist die Folge früherer Vertrautheit mit einem solchen Charakter. Unterschiedliches Verhalten dieser Art kann auch bei Geschwistern und selbst bei Zwillingen auftreten. Das zeigt, daß unser Charakter nicht so sehr von der gegenwärtigen Situation abhängt, sondern eher von Neigungen, die in der Vergangenheit entwickelt wurden.

Nehmen wir zum Beispiel zwei Meditierende. Der eine hat große Erfahrung, und der andere ist ein Anfänger. Wenn sie zusammen sitzen und meditieren, wird der eine dies recht einfach finden, während es der andere sehr schwierig findet. Der Unterschied liegt am verschiedenen Grad ihrer Vertrautheit mit Meditation. Der eine hat schon lange Zeit meditiert und ist mit der Technik vertraut, während der andere mit einer Anwendung kämpfen muß, die er kaum kennt. Im Fall von Kindern mag zwar ihre äußere Form, ihr Körper, sehr ähnlich sein, weil sie dieselben Eltern haben, aber ihr geistiger Charakter wird unterschiedlich sein, weil dieser nicht von den Eltern abhängt. Wenn zwei Kinder, obwohl sie aus derselben Familie stammen, nicht ähnlich aussehen, ist das die Folge ihres einmaligen persönlichen Karmas. Diese Beispiele sind wichtig, weil sie auf das Existieren vergangener und zukünftiger Leben hinweisen, was ich schon im Zusammenhang mit Karma erklärt habe.

7 Enthusiasmus

Der siebte heilsame Geistesfaktor ist Enthusiasmus. Wo er vorhanden ist, wird unsere Anwendung von Dharma spontan; da gibt es keine Müdigkeit oder Schwierigkeit, und da ist beständiger Enthusiasmus. Wenn dieser Geistesfaktor auftritt, wird jede beliebige Anwendung, die wir ausführen, leichter, und sie wird erfolgreich vollendet werden. Außerdem werden wir während der Anwendung nicht entmutigt und wünschen nicht aufzugeben, sondern wir werden sie fortführen bis zu ihrem Abschluß. Ein solcher Enthusiasmus ist ein Geistesfaktor, der für heilsame Handlungen und nicht für unheilsame Handlungen entsteht.

8 Flexibilität

Der achte heilsame Geistesfaktor ist Flexibilität. Dies ist ein Zustand, in dem der Geist gut geschult ist. Wenn er zum Beispiel in Meditation geschult ist, fühlt sich der Geist leicht, geschmeidig, und da ist kein Gefühl von müder Schwere. Nicht nur der Geist, sondern auch der Körper kann dieses Gefühl von geschmeidiger Leichtigkeit, frei von jeglicher Steifheit oder Schwere erfahren. Man fühlt sich leicht und wohl. Wenn dieser Geistesfaktor vorhanden ist, wird in der Kontinuität unserer Anwendung Leichtigkeit sein.

9 Achtsamkeit

Der neunte heilsame Geistesfaktor ist Achtsamkeit. Dieser Geistesfaktor hilft ebenfalls, unseren Geist davor zu bewahren, Verblendungen wie Begierde, Haß und Verwirrung nachzugeben. Sobald diese Verblendungen im Begriff sind, zu entstehen und den Geist in ihren Bann zu ziehen, erkennen wir, was geschieht, und erlauben dem Geist nicht, sie zuzulassen. Dieser Vorgang ist ähnlich, wie wenn man ein kleines Kind beschützt, das auf einen Abgrund zuläuft. Dann packen wir das Kind und halten es zurück. Achtsamkeit kann mit einer guten Mutter verglichen werden, die ein wachsames Auge auf ihr Kind wirft. Es ist wichtig, daß wir diesen Geistesfaktor entwickeln, weil unser gewöhnlich wilder und aggressiver Geist ständig zu gefährlichen Objekten hingezogen ist. So wie eine Mutter, die nicht auf ihr Kind aufpaßt, es leicht verlieren kann, wenn es von einem Auto überfahren wird oder in einen Fluß fällt, werden auch wir, wenn wir keine Kontrolle über unseren Geist haben und ihn nicht daran hindern, diesen Verblendungen zu unterliegen, nichts als ungünstige Resultate bekommen.

10 Gleichmut

Der zehnte heilsame Geistesfaktor ist Gleichmut. Die Wirkung dieses Geistesfaktors ist es, den Geist in einem stabilen, ausgeglichenen Zustand, frei von Ablenkung zu halten. Bei der Anwendung von Meditation gibt es zwei Haupthindernisse. Eines ist Erregung, die, wenn sie wirkt, verhindert, daß der Geist konzentriert bleibt. Das zweite ist ein Gefühl von Sinken oder geistiger Dumpfheit. Wenn dieser Geistesfaktor des Gleichmuts vorhanden ist, hilft er, den Geist in einem Zustand zu halten, der ausgeglichen, konzentriert und frei von solchen Hindernissen ist.

 

11 Schadlosigkeit

Der elfte heilsame Geistesfaktor ist Schadlosigkeit. Diese ist das Gegenmittel gegen das Zufügen von Schaden, gegen den Geisteszustand, der anderen schaden möchte. Wenn man zum Beispiel geschlagen und beleidigt wird und im Geist der Drang entsteht, zu vergelten und zurückzuschlagen, würde man sich zurückhalten und die Absicht, Schaden zuzufügen, aufgeben. Geistesfaktoren wie Erbarmen werden ebenfalls in diese Art der Gewaltlosigkeit mit einbezogen.

Damit ist die Aufzählung der elf heilsamen Geistesfaktoren vollständig. Es ist sehr wichtig, daß wir ihre Entwicklung fördern, denn wenn sie vorhanden sind, können wir wirksam gegen die Macht der Verblendungen kämpfen, die jetzt dazu tendieren, in unserem Geist die Oberhand zu haben. Wir müssen diese Geistesfaktoren erkennen und entwickeln. Wenn heilsame Faktoren in unserem Geist wirken, neigen wir spontan dazu, heilsame Handlungen auszuführen. Dadurch können wir auch heilsame Wirkungen erwarten, das heißt Glück und einen Zustand von Wohlbehagen. Wenn wir Glück wünschen, müssen wir uns daher anstrengen, die Geistesfaktoren zu fördern, die es erzeugen.

Die sechs Wurzelverblendungen

Wir werden jetzt über die Geistesfaktoren sprechen, die eine Rückwärtsentwicklung des Geistes verursachen und jenes Leid und jene Verwirrung zur Folge haben, die wir im Lauf unseres Lebens erfahren. Die erste Gruppe dieser Geistesfaktoren sind die sechs Wurzelverblendungen. Die erste dieser Wurzelverblendungen ist Begierde.

1 Begierde

Begierde überbewertet ihr Objekt. Sie verfälscht die wirkliche Erscheinung des Objekts und läßt es wesentlich begehrenswerter erscheinen als es ist. Als Folge dieser übertrieben anziehenden Erscheinung wächst dann unsere Anhaftung an das Objekt. Das macht es schwierig für uns, von ihm getrennt zu sein. Aufgrund dieser starken Begierde zögern wir nicht, verschiedene Arten unheilsamer Handlungen auszuführen, um uns ein gewünschtes Objekt zu verschaffen. Obwohl dieser Geistesfaktor den Geist stört, ist er schwer zu beseitigen, weil er uns nützlich zu sein scheint. Aufgrund der verfälschten Vorstellung des Objektes hängen wir daran, und weil das Objekt angenehm scheint, ist es schwer, sich von dieser Auffassung zu befreien.

2 Haß

Die zweite Wurzelverblendung ist Haß. Wie schon erwähnt, kann Haß entweder gegenüber einem belebten oder einem unbelebten Objekt auftreten. Wenn Haß in unserem Geist entsteht, verursacht er uns Schmerz, verursacht er, daß wir leiden. Haß ist sehr schädlich, nicht nur, weil er anderen Schmerz und Kummer verursacht, sondern weil er auch unser eigenes geistiges Wohlbehagen zerstört. Wirkt Haß auf unseren Geist ein, dann zeigt er sich sowohl in unserer Sprache als auch in unseren Handlungen. Wenn wir diesen unheilsamen Geistesfaktor Haß nicht unter Kontrolle bringen, erzeugen wir nicht nur große Mengen unheilsamen geistigen Karmas, sondern wir häufen auch große Mengen unheilsamen körperlichen und sprachlichen Karmas an. Im Gegensatz zur Begierde ist es für uns leichter, Kontrolle über den Haß zu gewinnen und ihn zu überwinden. Denn er erscheint uns nicht als ein wünschenswerter Geisteszustand. Wenn wir Haß empfinden, bewirkt er, daß wir leiden, er verursacht, daß wir unglücklich sind, und deshalb sind wir ganz willig, ihn aus unserem Geist zu beseitigen. Begierde kann fast in der Gestalt eines Freundes erscheinen, als stünde sie auf unserer Seite und arbeite zu unserem Vorteil. Diese trügerische Erscheinung macht es schwieriger, sie zu überwinden und zu beseitigen. Es ist ähnlich, wie wenn wir von zwei Leuten gefoltert würden, der eine foltert uns auf angenehme Art, der andere auf eine sehr grobe und gewaltsame Art. Beide verursachen uns Leid, aber die Art und Weise, wie sie es tun, ist unterschiedlich.

3 Stolz

Die dritte Wurzelverblendung ist Stolz. Stolz übertreibt unsere Stellung. Aufgrund von Stolz hält sich eine Person für etwas Besonderes, für mehr, als sie tatsächlich ist. Es gibt viele Gründe für das Auftreten von Stolz. Er kann als Folge der eigenen äußeren Erscheinung entstehen, aufgrund des eigenen Reichtums oder Wissens oder einer Reihe anderer Faktoren. Es ist sogar möglich, Stolz hinsichtlich unserer Kenntnis des Dharma zu empfinden. Obwohl unsere Kenntnis des Dharma gering ist, glauben wir, wir wüßten viel und seien gelehrt. Kurz, Stolz ist die Einstellung, die sich anderen gegenüber für überlegen hält; er bläht die eigenen Verhältnisse auf. Stolz ist ein großes Hindernis für die Entwicklung des Geistes. Es ist sehr selten, daß eine von Stolz geschwellte Person sich an jemand anderen um Hilfe und Rat wendet. Stolz führt zu Mißachtung und Kränkung derjenigen, die man für geringer hält, erregt Eifersucht auf diejenigen, die man für ebenbürtig hält, und Neid gegenüber denen, die man für überlegen hält. Infolge dieser falschen Auffassungen blockiert der Stolz den Weg zu weiterem Fortschritt. Es ist, wie wenn man versucht, Wasser in eine umgekehrte Schüssel zu gießen. So sehr man sich auch bemühen mag, eine stolze Person mit Kenntnis und Heilsamem zu durchtränken, gute Qualitäten werden in einer solchen Person nur schwer Fuß fassen können. Es gibt eine Aussage in den Schriften: „Das Wasser des Heilsamen wird auf der Kugel des Stolzes nicht haften.“

4 Unwissenheit

Die vierte Wurzelverblendung ist Unwissenheit. Im allgemeinen gibt es viele Arten von Unwissenheit; Unwissenheit über vergangene und zukünftige Leben, Unwissenheit über die letztliche Natur der Wirklichkeit, Unwissenheit über das Gesetz von Ursache und Wirkung und so weiter. Die Unwissenheit, über die ich hier spreche, ist eine subtilere Art, die des Greifens nach einem Selbst oder das unwissende Erfassen des Selbst. Um zu verstehen, was mit Greifen nach dem Selbst gemeint ist, ist es wichtig, die eigentliche Art und Weise, wie das Selbst existiert, zu verstehen. Das ist ein kritischer Punkt. Wenn er richtig verstanden wird, kann er von großem Nutzen sein; aber wenn er falsch verstanden wird, kann er zu sehr schädlichen falschen Ansichten führen. Ich werde Ihnen jetzt eine kurze Erklärung darüber geben.

Zum Beispiel haben alle von Ihnen, die hierhergekommen sind, die Auffassung: „Ich bin hierhergekommen. Ich bin hierhergekommen, um zu studieren. Ich bin hierhergekommen, um zu meditieren. Jetzt studiere ich. Jetzt meditiere ich.“ Wir haben eine Auffassung von unserem Selbst, von einer persönlichen Identität, die alle diese Tätigkeiten ausführt. Was wir tun müssen, ist, zu bestimmen, wo und wer dieses „Ich“ ist, das studiert. In meinem eigenen Fall zum Beispiel kann ich fragen: „Wo ist dieser Gesche Rabten?“ Gesche Rabten ist jetzt hier und gibt Unterweisungen. Aber wo ist dieser Gesche Rabten, der die Unterweisungen gibt, wirklich zu finden? Auf diese Weise müssen wir in uns hineinschauen, um herauszufinden, wo und was wir sind. Wenn wir unseren Körper gründlich durchsuchen, werden wir feststellen, daß keiner der Teile unseres Körpers das „Ich“ ist. Wir sind weder unser Kopf, noch die Arme, die Beine, der Magen oder irgendein anderer Teil unseres Körpers. Wenn wir gründlich Haut, Fleisch, Muskeln und Knochen, alle unsere inneren Organe durchsuchen, werden wir keine wirkliche Stelle finden, von der wir sagen könnten, sie bilde das „Ich“. Wenn wir unseren physischen Organismus auf diese Weise durchsucht haben und gefunden haben, daß es da nichts gibt, das wir das Selbst nennen können, kommen viele auf den Gedanken, daß der Geist das Selbst ist. Aber tatsächlich ist auch der Geist nicht das Selbst, das „Ich“. Genausowenig können wir das Selbst als etwas bestimmen, das getrennt von Körper und Geist existiert. Nun könnten wir denken, daß das „Ich“ nicht existiert, daß wir unser Selbst verloren haben. An diesem Punkt besteht eine große Gefahr, in die Ansicht zu verfallen: Ich existiere überhaupt nicht, ich bin vollständig nicht-existent. Das ist falsch. Wir sind nicht vollständig nicht-existent. Wir existieren. Das ist offensichtlich, denn wir studieren, wir meditieren, wir lernen über diese Dinge. Also existieren wir, aber wir existieren auf eine Weise, die nicht leicht zu verstehen und zu erkennen ist. Um zu erkennen, wie wir existieren, müssen wir zuerst die Leerheit verstehen.

Es ist wichtig, klar zu erfassen, daß wir existieren, obwohl weder der Körper noch der Geist das eigene Selbst sind – wenn wir diesen Punkt nicht begreifen, fühlen wir uns vielleicht wie ein Stück Holz, ein lebloses und unwirksames Objekt. Das ist ein kritischer Punkt, der leicht mißverstanden werden kann. Es ist ähnlich, wie wenn wir eine belebte Hauptstraße entlanggehen, wo wir, wenn wir unvorsichtig sind, leicht von einem Auto überfahren werden können. Auch zusätzliche falsche Auffassungen, zum Beispiel über vergangene und zukünftige Leben, können als Folge dieser irrigen Ansicht entstehen. Man könnte denken, dies sei die einzig mögliche Existenz, und wenn sie zu Ende ist, gebe es nichts mehr. Und als Folge kann man schließen, daß jegliche Art von Verhalten im Leben vollkommen richtig ist. Beides ist falsch und gefährlich. Aber aus einem Mißverstehen der Art und Weise, in der wir existieren, kann eine solche falsche Auffassung leicht entspringen.

Zuerst werde ich erklären, wie Unwissenheit diese Auffassung annimmt. Wenn Sie zum Beispiel ganz friedlich dasitzen und plötzlich jemand des Weges kommt, auf Sie zeigt und sagt: „Sie sind ein Dieb, Sie haben meine Uhr gestohlen“, dann wird ein starkes Greifen nach dem „Ich“ auftreten. „Wie sollte ich stehlen! Ich bin kein Dieb!“ Diese Empfindung des Selbst kommt auch zum Vorschein, wenn wir uns glücklich fühlen – wir haben gerade unsere Prüfungen bestanden oder jemand hat uns mit einem großzügigen Vermächtnis bedacht. Da kommt eine starke Auffassung auf: „Oh, ich habe meine Prüfung bestanden“, oder „jetzt bin ich reich“. In solchen Situationen entsteht ein lebhaftes Greifen nach dem Ich. In Wirklichkeit ist das Ich nicht so stark, aber die Unwissenheit übertreibt und verfälscht das Selbst und hängt dann fest an diesem Selbst als etwas sehr Bedeutendem.

Wie ich schon gesagt habe, können wir uns selbst durchsuchen, um festzustellen, wie wahr dieses Selbst wirklich ist, aber wenn die unwissende Auffassung des Selbst auftritt, wird es als etwas sehr Wahres erfahren. Die Auffassung, die die Unwissenheit unterstellt, und die eigentliche Bestehensweise des Selbst sind vollständig entgegengesetzt. Diese Unwissenheit ist jedoch immer in uns vorhanden und hängt an diesem Glauben von einem wahren Selbst. Gewöhnlich ist sie jedoch recht subtil und gar nicht augenscheinlich. Nur unter besonderen Umständen schnellt sie stark und deutlich hervor. Sie ist wie eine giftige Schlange, die immer gefährlich ist, aber besonders gefährlich wird, wenn sie gereizt ist. Ähnlich ist die falsche Auffassung immer da, wenn auch subtil, und wenn besondere Umstände auftreten, tritt sie lebhaft hervor.

Unwissenheit ist die Wurzel aller anderen Verblendungen. Sie ist der Ursprung der Erzeugung von Karma und daher die Ursache aller Leiden. Sie ist wie die Wurzel eines giftigen Baumes, aus dem giftige Äste, Blätter und Früchte kommen. Auf die gleiche Weise ist Unwissenheit die Wurzel aller Verblendungen. Wir brauchen Unwissenheit nicht außerhalb von uns zu suchen; sie ist da in unserem Geist. Wir müssen daher diesen unheilsamen Geistesfaktor und seine Funktion erkennen und dann die richtigen Gegenmittel anwenden, um ihn vollständig zu zerstören. Selbst wenn alle Armeen der Welt sich gegen diese Verblendung – die Unwissenheit – verbündeten, wären sie nicht fähig, sie zu besiegen. Auch wenn sie die Körper der Menschen zerstörten, sie würden nicht deren Unwissenheit zerstören, weil ihre Eindrücke auf dem Bewußtseinsstrom bleiben und sich in zukünftigen Leben zeigen würden. Den Körper zu zerstören ist ähnlich wie das Wechseln der Kleider. Ohne jede Freiheit der Wahl wird in einem zukünftigen Leben ein anderer Körper angenommen, und die Unwissenheit wird fortdauern. So wie wir von Tag zu Tag unsere Kleider wechseln, wechseln wir von Leben zu Leben unseren Körper. Aber die Unwissenheit bleibt fest in unserem Geist, bis wir sie durch die Kraft der Gegenmittel beseitigen.

5 Zweifel

Die nächste Wurzelverblendung ist Zweifel. Es gibt viele Arten von Zweifel. Wir können zum Beispiel zweifeln, ob es regnen wird oder nicht, oder ähnliche belanglose Zweifel haben. Aber die Art von Zweifel, die eine der sechs Wurzelverblendungen ist, ist ein Zweifel, der zu einem falschen Schluß neigt; zum Beispiel zu zweifeln, ob es Wiedergeburt gibt oder nicht, und dazu zu neigen, daß es sie nicht gibt. Zweifel, ob es regnen wird oder nicht, und ähnliche unbedeutende Dinge sind nicht annähernd so gefährlich wie diese Art von Zweifel. Wenn andererseits jemand am Gesetz von Ursache und Wirkung zweifelt und dazu neigt zu schließen, daß es nicht existiert, können die Auswirkungen verhängnisvoll sein. Eine solche Person wird sich nicht bemühen, heilsame Handlungen anzusammeln und unheilsames Verhalten aufzugeben, und sie wird daher keinerlei Dharma-Anwendungen folgen. Das ist wie jemand, der eine Maschine baut, dann zweifelt, ob sie ihm nützen wird, und sie folglich nicht fertigbaut.

 

6 Verblendete Anschauung

Die sechste Wurzelverblendung ist Verblendete Anschauung. Diese Verblendung hat fünf Unterteilungen: Falschanschauung, Extremanschauung, betrachtet irrige Auffassungen als überlegen, betrachtet unrichtige Verhaltensarten als überlegen, verneint die Existenz von etwas, das existiert.

Die erste ist Falschanschauung, die behauptet, das eigene Selbst habe wahre Existenz. Diese falsche Auffassung ist schwer zu verstehen, aber die Erklärung, die ich im Zusammenhang mit der Unwissenheit gegeben habe, wird helfen, sie klarzumachen. Unwissenheit im allgemeinen unterscheidet sich davon dadurch, daß sie alle Phänomene als wirklich existent erfaßt. Falschanschauung hat jedoch nichts mit Objekten oder anderen Wesen zu tun. Vielmehr ist dies ein Erfassen des eigenen Ichs als wirklich existent. Dieses Greifen nach einem wahr existierenden Ich entsteht auf der Grundlage der fünf Aggregate. Es hält stark an dem Gedanken „Ich“ und „Mein“ fest: meine Freunde, meine Verwandten, meine Eltern, mein Besitz und so weiter. Daher unterscheidet es sich von der Unwissenheit im allgemeinen durch sein besonderes Erfassen eines Ich oder Mein. Unwissenheit dagegen braucht nicht an der Idee eines Ich oder Mein festzuhalten, sondern kann in bezug auf ein Objekt oder eine andere Person auftreten, ohne an der Vorstellung der eigenen wahren Existenz festzuhalten. Diese Unterschiede sind sehr subtil, und es ist schwierig, sie sofort zu verstehen, aber wenn wir gründlich darüber nachdenken, werden wir mit Hilfe unserer Überlegungen allmählich fähig sein, zwischen den beiden zu unterscheiden. Obwohl dies schwierig ist, dürfen wir uns nicht entmutigen lassen und das Nachdenken über diese Dinge aufgeben. Wenn wir dabeibleiben, werden wir nach und nach die einfacheren Punkte verstehen und schließlich zweifellos beginnen, die schwierigeren und subtileren Sachverhalte zu erfassen.

Die zweite der fünf Verblendeten Anschauungen ist Extremanschauung. Diese Anschauung tritt gegenüber allen Phänomenen auf. Sie hat zwei Unterteilungen. Die erste ist die Fehlauffassung, daß das Selbst und die Objekte beständig oder ewig sind. Dies wird als Eternalismus bezeichnet. Die zweite ist die Fehlauffassung, daß das Selbst und die Objekte für eine bestimmte Zeit existieren und dann aufhören zu existieren. Dies wird als Nihilismus bezeichnet. Die erste dieser Fehlanschauungen hängt an Beständigkeit, die zweite an Verneinung.

Die dritte Verblendete Anschauung betrachtet irrige Auffassungen als überlegen. Ein Beispiel dafür wäre die Auffassung, daß das wahr existierende „Ich“ die höchste oder letztliche Weise ist, in der das „Ich“ besteht.

Die erste dieser Verblendeten Anschauungen ist immer in unserem Geist vorhanden. Die zweite und dritte entstehen nur unter bestimmten Umständen, zum Beispiel als Folge von fehlerhaften Analysen oder durch Studium einer besonderen Lehrmeinung oder eines philosophischen Systems.

Die vierte Verblendete Anschauung betrachtet unrichtige Verhaltensarten als überlegen. Um Befreiung zu erlangen, benötigen wir eine fehlerfreie Ethik, einen heilsamen Lebensstil und die Anwendung von Meditation. Das sind fehlerfreie Arten von Disziplin. Wenn wir dagegen glauben, Hungern, Selbstkasteiung oder Selbstmord seien geeignete Methoden zum Erlangen einer Befreiung, sind das Beispiele dieser vierten Verblendeten Anschauung. Selbstverständlich werden wir bei der Anwendung von Dharma auf manche Schwierigkeiten stoßen und müssen dabei Geduld aufbringen. Aber wenn wir uns selbst absichtlich schaden in der Annahme, dies sei ein Weg zur Befreiung, indem wir zum Beispiel auf Nägeln sitzen oder nackt umherlaufen, schaden wir uns und tun nichts, um die wirklichen Ursachen für Leid zu beseitigen. Es gibt auch Leute, die Tieropfer als eine nützliche Anwendung betrachten. Aber Tieren das Leben zu nehmen ist kein Weg, um irgendeine Gottheit zu erfreuen, sondern kann ihr durchaus mißfallen. Wahre Retter und Gottheiten bringen allen Wesen gleiche Liebe und gleiches Erbarmen entgegen. Das Leben auch nur eines einzigen Wesens zu zerstören, um damit eine Opfergabe darzubringen, wird sie nicht erfreuen.

Die fünfte Verblendete Anschauung kann in mehrere Arten unterteilt werden. Im wesentlichen verneint diese Anschauung die Existenz von etwas, das existiert. Zum Beispiel solche falschen Ansichten, daß es Wiedergeburt nicht gibt oder daß es kein Gesetz von Ursache und Wirkung gibt oder daß vollständige Freiheit oder Befreiung von Leid unmöglich ist, sind alle in dieser Art falscher Anschauungen inbegriffen.

Das beschließt die Erklärung über die sechs Wurzelverblendungen. Sie werden Wurzelverblendungen genannt, weil sie die Wurzel aller anderen Verblendungen sind. Über sie zu lernen hat nicht nur den Zweck, ein intellektuelles Verständnis zu gewinnen, sondern uns zu befähigen, diese Kenntnis für unsere Meditation zu benützen. Daher müssen wir über diese Erklärungen nachdenken und dürfen nicht mit einem intellektuellen Verständnis allein zufrieden sein. Wenn solche Verblendungen auftreten, müssen wir sofort versuchen, sie abzuwenden, indem wir uns ihre gefährliche und schädliche Natur vor Augen halten und uns in Erinnerung rufen, daß sie die Ursache von allem Leid und aller Frustration sind. Sie wirklich zu entwurzeln wird Zeit und weitere Entwicklung unseres Geistes erfordern. Aber da sie immer schädlich sind, ganz gleich, wann sie auftreten, müssen wir sie auch schon auf unserer Stufe der Anwendung vermeiden, indem wir ihre schädlichen Wirkungen erkennen. Wenn wir uns bemühen, aber dennoch nicht imstande sind, eine Verblendung abzuwenden, dann sollten wir die Verblendung beobachten und dabei versuchen, ihre Funktionsweise und Natur zu verstehen. Konzentrieren wir uns so auf die Verblendung, dann wird sie schließlich ihre Kraft verlieren und vorläufig vergehen.

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