Za darmo

Pfarre und Schule. Zweiter Band.

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Sechstes Kapitel.
Ein Republikaner

Müllers Friede und Krautsch waren, wie schon früher erwähnt, nach der Rauschenmühle gegangen, um dort den Aerger über die verlornen Hasen, wie das fatale Gefühl gar bald vielleicht wegen Wilddiebstahls vor Gericht geladen zu werden, in spirituosen Getränken zu ersäufen. Dort fanden sie Gesellschaft genug, und auch solche, die gern mit ihnen in ein und dasselbe Horn stieß; der wachsende Grimm, der dadurch immer neue Nahrung, nirgends aber einen Widerstand fand, reizte die tollen Burschen, von dem übermäßig genossenen Kartoffelbrandtwein kräftig dabei unterstützt, zu immer größerem Uebermuth. Der Zorn, der Anfangs in allgemeinem Fluchen und Schwören seinen Ausbruch gefunden, lenkte sich in eine bestimmtere Bahn, und zwar gegen die Jäger und den Rittergutsbesitzer. Der alte Holke war schon manchem von diesen trotzigen Gesellen störend bei ungesetzlichem Forst- oder Wildfrevel in den Weg getreten; kaum Einer befand sich hier, der nicht schon entweder einmal vier oder sechs Wochen gesessen, oder schwere Strafe hatte zahlen müssen, und als endlich Einer im wilden Rausch den Vorschlag machte, noch einmal wie neulich, hinunter auf's Gut zu ziehn und den Herrn von Gaulitz aufzufordern, seine beiden Jäger zu entlassen, stimmte die Masse jubelnd ein, und man vereinigte sich nur noch darin, erst in der Hornecker Schenke die Gleichgesinnten aufzufordern, sich ihnen anzuschließen.

Etwa funfzehn junge Burschen marschirten solcher Art mit ihren Flaschen in der Linken und großentheils tüchtigen Knitteln in der rechten Faust, Horneck zu, und wurden hier mit Jubel von einer nicht geringen Zahl zu jedem Exceß Bereiter empfangen. Diese, die noch immer den Anhang des Dr. Levi bildeten, rückten den würdigen kleinen Mann denn auch ohne Zögern vor's Quartier, und forderten ihn auf, noch einmal ihr Führer und Sprecher zu sein. Der kleine Doctor mochte aber doch wohl ein Haar darin gefunden haben, sich an die Spitze der Hornecker Bauern zu stellen – Hornecker Fäuste hatten ihm wenigstens viel zu nachdrücklich zu verstehn gegeben, was sie sich unter der Freiheit dächten. Ueberdieß war auch noch das Gerücht zu ihm gedrungen in Sockwitz liege Militair, und er wollte es deshalb wahrscheinlich nicht darauf ankommen lassen, vielleicht ebenfalls als Rädelsführer aufgegriffen und dahin abgeliefert zu werden. »Die Aristokraten leisteten noch zu vielen Widerstand, Horneck war noch nicht reif für männliche That,« und Levi's Fenster blieb dunkel, seine Thüre verschlossen, als von unten herauf der laute Ruf nach ihm an sein Ohr drang.

Längere Zeit stürmte und lärmte indeß die Menge vor dem kleinen Haus und durch Neugierige vermehrt war die Schaar schon zu einem nicht unbeträchtlichen Haufen angewachsen; diesem fehlte aber ein Führer, Jemand, der die Ordnunglosen hätte leiten und zu einem bestimmten Ziel hinführen können. Viele schrien eben nur, weil sie sich selber gern wollten einmal schreien hören, Andere standen ganz erstaunt und wunderten sich, daß noch immer kein Gerichtsdiener kam, der sie sammt und sonders einsteckte, und befanden sich dabei fortwährend auf dem Sprung, um bei erstem Anzeichen irgend einer Gefahr ungesäumt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Auch in den benachbarten Straßen vertheilten sich schon Einzelne und die drohende Fackel des Aufruhrs schien auch dießmal für Horneck ruhig und unschädlich verlöschen zu sollen.

Als Marie die Pfarre verlassen hatte, kehrte sie in die kleine enge Wohnung zurück, die ihr Vater für sie Beide der Ersparniß wegen in Horneck gemiethet hatte – aber auch hier litt es sie nicht lange – draußen, draußen entschied sich jetzt das Schicksal eines Mannes, an dem ihr Herz mit all seinen geheimsten und innersten Fasern hing, und draußen mußte sie sein, sollte sie nicht hier in den eng umschlossenen Räumen vor Qual und innerer Seelenangst vergehen. Aber auch nicht oben im Dorfe ließ es ihr Ruhe; mit der Dämmerung schlich sie wieder hinunter zum Hof und wußte sich endlich in dem Wagenschuppen, hinter dort aufgeschichteten Reisigbündeln zu verbergen, von wo aus sie das dicht vor ihr liegende Gefängniß wie die Thüre des Herrnhauses zugleich und vollkommen übersehen konnte.

Von dort aus erkannte sie des Pastors Tochter, die im dunkeln Gewande in die Thür des Gefängnisses schlüpfte; von Gefühlen gefoltert, die ihr das Blut in rasender entsetzlicher Schnelle durch die Adern jagten, harrte sie in ihrem Versteck der Rückkunft des Mädchens, der Rettung des Gefangenen – ihr war auch der helle Schein nicht entgangen, der, wenn auch nur für einen Augenblick, den inneren Steinfries des begitterten Fensters erhellte – die Minuten wurden ihr zu langsam hinschwindenden Stunden und immer noch zögerten die Unseligen – zögerten, wo der nächste Moment ihr Verderben besiegeln konnte.

Da – heiliger Gott wie ihr das Herz schlug vor Angst und Schrecken, da rollte die leichte Kutsche des Herrn von Gaulitz, durch des Stellmachers Gesellen geschoben, in den Hof – hinten aus dem Stallgebäude wurden die Pferde vorgeführt, um eingespannt zu werden – Gerichtsdiener erschienen – an dem Herrenhaus blieben sie kurze Zeit plaudernd stehn – noch war es möglich – wenn er jetzt herauskam und im Schatten des Gebäudes – gerad' an dem Schuppen vorbei, hingeschlichen wäre, hätte er das Thor erreichen können, ehe man ihn vermißte und einmal im Freien brauchte er nicht zu fürchten in der Nacht eingeholt zu werden. – Jetzt gingen die Männer auf die Gefängnißthüre zu – ha – ein dunkler Schatten – Heiland der Welt es war zu spät – jener Schatten gehörte der schleichenden tückischen Gestalt des jungen Poller – dem feilen Werkzeug des zu Allem fähigen Gutsherrn – er pochte an die Thüre, und das Schicksal Wahlerts war entschieden.

»Zu spät,« stöhnte sie, und barg einen Augenblick das Antlitz in den Händen, dann aber, wie von einem jähen Gedanken durchzuckt, fuhr sie empor, glitt aus ihrem Versteck hervor, warf noch einen scheuen Blick nach der Gruppe zurück, die jetzt die Thüre, hinter welcher Wahlert gefangen saß, fast umzingelt hielt, und floh raschen Laufes in das Dorf hinauf und der Stelle zu, von woher noch immer einzelne Laute der durch die Straße lärmenden Schaar zu ihr hernieder tönten.

Die Straße, in der Doctor Levi wohnte, kam eben ein Schwarm jubelnd und »ein freies Leben führen wir« singend herunter – an der Spitze war Krautsch und Müllers Gottfried – Beide angetrunken und Beide wieder im Begriff, zur Schenke zurück zu ziehen, und sich dort bei einem »frischen Glas« zu bereden, was jetzt weiter zu thun sei.

Diesen trat Marie mit den bleichen erregten Zügen in den Weg, und des vor der ungewöhnlichen Erscheinung zurückschreckenden Müllers Arm ergreifend, rief sie ihnen mit strenger befehlender Stimme zu:

»Seid Ihr Männer, daß Ihr Einen, der nur gelebt hat, um Euer Wohl zu sichern, aus Eurer Mitte heraus den Henkersknechten überliefern laßt? – Unten aus dem Schloßhof wird in diesem Augenblick der Gefangene im verschlossenen Wagen fortgeschafft, um einem Militaircommando in Sockwitz überliefert zu werden – kein Verbrechen hat er begangen, als daß er den Arbeiter und den gedrückten Proletarier vertrat, kein Verbrechen als das, ein Feind der Faulenzer in den Städten und der Fürsten auf ihren schimmernden Thronen sich genannt zu haben, und wenige Knechte der Polizei können ihn heraus holen, selbst aus Eurer Mitte.«

»Es ist schändlich – es ist niederträchtig!« schallte von mehreren Lippen der Marien jetzt Umdrängenden – »das sollte man nicht leiden!«

»Nein,« sagte der Müller mit lallender Zunge – »Hol mich der Deibel, ich wollte ich hätte die Kerle hier.«

»Nachens wullen mer nunger!« fiel da Krautsch mit Autorität in die Rede – »un da soll 'en der Bese das Licht haalen.«

»Nachher ist es zu spät –« bat Marie mit flehender Stimme – »nur wenige Secunden noch, und der Wagen passirt jene Straße dort, der einzige Platz, wo Ihr im Stande wäret ihn aufzuhalten – den Augenblick versäumt, und Ihr selber habt den gemordet, der Euer einziger Retter sein könnte.«

»Eenzige Retter?« knurrte Krautsch, und wollte das Mädchen bei Seite drängen – »wird nich gleich in's Gras beißen – weg da Mamsell – jetzt missen mer erscht in die Schänke, un sähn wie mer Holkens Fritze fangen – där Hund is der erschte, der dran glooben muß – Gott verdamm' mich.«

»Ja – den Jäger müssen mer haben,« bestätigten ein paar Andere – »uffhängen wullen mern – un hernachens sull er die Flinte widder 'raus gäben, die er Krautschen abgenommen hat.«

»Der Jäger Fritz?« rief Marie, und ein glücklicher Gedanke schoß ihr durch's Hirn – »der ist im Wagen mit dem Gefangenen – der soll ihn gerade Euren Feinden überliefern – beim ewigen Gott! dort kommt er schon die Straße herauf – rasch, oder er entgeht Euch und Eurer Rache.«

»Der Jäger in der Kutsche dringe?« schrien die Bauern, und schauten nach dem ziemlich langsam den gerade hier etwas steilen Weg herauf kommenden Fuhrwerk.

»Den soll a Gäwitter verschlahn!« rief Krautsch, und schwang seinen riesigen Prügel – »hurrah!« und ohne eine weitere Antwort abzuwarten, ja ohne nur nachzusehen, ob ihm die Uebrigen seiner Begleiter folgten, warf er sich in trunkenem tollkühnen Muthe dem Wagen entgegen, und fiel mit lautem und gellenden Jubelgeschrei den Pferden in die Zügel. – Die Uebrigen stürmten jetzt auch heran, und die Pferde, scheu gemacht, schreckten zurück; dadurch wurde aber der Wagen seitwärts abgeschoben, die linken Räder kamen auf höheren Boden als die rechten standen, und die Kutsche, die sich einige Secunden auf den ersten balancirte, schlug dermaßen um, daß sie im Anfange förmlich auf die Decke zu stehen kam, und nur erst, als die Federn der einen Seite zusammenbrachen, wieder zurück auf die Flanke fiel.

Die Schaar, durch das plötzliche Gelingen dieser ersten Gewaltthat noch mehr gereizt, und durch den, von wilder Rachlust beseelten Bauer angefeuert, warf sich jetzt mit Blitzesschnelle auf den Kutschenschlag, und riß die darin Befindlichen hervor.

 

Armer Fritz, wie wäre es Dir ergangen, hätten Dich Deine trunkenen Feinde in diesem Augenblick in ihre Gewalt bekommen – wer weiß, zu welcher rohen Gewaltthat die Rotte reif gewesen, denn der Bauer hat sich bis jetzt und bei solchen Gelegenheiten, was auch sonst sein Charakter seien mochte, fast stets wilder noch als die reißende Bestie des Waldes gezeigt. Hier aber sollte ihnen keine Gelegenheit geboten werden, ihre Wuth wenigstens an dem ersehenen Opfer auszulassen; Fritz war schon vor Dunkelwerden und gleich nach der Anzeige der ertappten Wilddiebe mit seinem Vater über die Rausche zurückgefahren, und nur zwei bleiche, zum Tod erschreckte, und durch den Sturz halb betäubte Gerichtsdiener zogen sie aus dem aufgerissenen Wagenschlag heraus.

Während aber nun der eine Theil der Aufrührer den befreiten Wahlert umtobte, und ihm zujauchzte und jubelte, suchten die anderen noch in voller Wuth nach dem Jäger, den ihnen der Fremden List versprochen hatte – und die einmal zur Gewaltthat Getriebenen wären auch jetzt fast weiter gegangen, denn ein Opfer, schien es, wollten sie haben, und die Mißhandlung der unglücklichen Diener der Gerechtigkeit, die ihnen gerade in die Hände gefallen, wäre kaum genügend gewesen.

»Auf's Schloß hinunger!« rief da eine Stimme – »da stäckt der Jiager – brännt dem Lump der Härrschaft doch das ganze Näst iberm Schädel ab!«

»Auf's Schloß, auf's Schloß!« tobten die Rasenden, und wilde Drohungen und Schmähreden über die Wortbrüchigkeit des Gutsherrn, über den Druck unter dem sie geschmachtet, über Jäger und Beamte wurden laut – nach Bränden schrie ein Theil, nach Brechstangen und Aexten ein anderer; aus den nächsten Häusern wurden schon die verlangten Werkzeuge herbeigeschleppt, und die wüthende Schaar wälzte sich langsam, aber mit jedem Schritt anwachsend, und mit dem lauten Gebrüll »die Republik soll leben!« den Hügel hinunter und dem Schlosse zu.

Um den Befreiten hatte man sich nach dem ersten Jubelruf kaum noch mehr gekümmert, und dieser fühlte sich jetzt von einer weiblichen Hand ergriffen, die ihn mitten aus dem Gedränge heraus auf die Seite zog.

»Eilen Sie in die Stadt!« sprach dabei eine Stimme, vor der er wie von einem jähen Schlag getroffen zusammenzuckte – »noch steht der alte Staat, aber das Volk ist in Gährung, nur an einem Kopfe fehlt es zu klugen Rathschlägen, nur an einem Arme, das Banner der Freiheit voran in die Reihen der Feinde zu tragen. Heute Nachmittag erst ist wieder ein Bote aus der Stadt zurückgekehrt – auf allen Lippen ist dort Ihr Name, ein neues Ministerium zu bilden und das Reich zu retten vor Untergang und Verderben – fort, in Ihren Händen liegt jetzt das Wohl des Landes – treten Sie dort frei und unerschrocken auf, und Ihre Feinde, die jetzt noch mächtig sind, sinken in den Staub. – Wirken Sie wie bisher für die Armen, und das Volk wird Sie segnen!«

»Marie« – sagte Wahlert mit tiefer schmerzlicher Rührung im Ton, und wandte leise das bleiche leidende Angesicht des Mädchens gegen den hellen Sternenschein – »Du hier und – also? – Meine arme Marie.«

Des alten Musikanten Tochter zitterte an allen Gliedern, auf einen Augenblick stand sie wie unschlüssig zögernd, dann aber rief sie, rasch sich sammelnd, »fort, fort!« – und wandte das Angesicht wieder ab von dem verrätherischen Schein – »die Rasenden stürmen unten das Schloß, und Ihr Name darf nicht mit der Mitwissenschaft dieses Frevels befleckt sein – vielleicht wäre es sogar noch möglich, sie zurück zu halten – o eilen Sie, eilen Sie um Ihret- um – Sophiens willen.«

»Sophie? – Ha – wie kommt der Name auf Deine Lippen?« frug Wahlert mehr erstaunt als erschreckt.

»Sie ist unten im Schloß!« sagte eintönig Marie.

»Die Hand der Bauern wird sich nicht gegen ihres Pastors Tochter erheben,« rief Wahlert rasch, »aber wie dem auch sei, Du hast recht, das Entsetzliche darf nicht geschehen, nicht Mord noch Brand die Bahn bezeichnen, die der Freiheit Spuren hinterlassen. – Dank Dir für den Wink, und auf jetzt, einem freien herrlichen Ziel entgegen.«

Mit flüchtigen Sätzen flog er den Hügel hinab der Stelle zu, von wo wüstes Toben und Geschrei zu ihm herüberdrang, und eben im günstigen Augenblick kam er, um die entfesselte Wuth der Rasenden zu zähmen, die sich im wilden Ansturm über den friedlichen Hof ergießen wollte. Das Schloß des Thores war gesprengt, und mit lautem Jubelruf schwang Krautsch, der Führer der Schaar eine gewichtige Brechstange um das bloße, von wirrem struppigen Haar umflatterte Haupt, als Wahlerts Riesenstimme, die mit dem kräftigen Wohlklange ihres Organs den leisesten Schall seiner Worte schon über Tausende von gespannten Zuhörern hingesandt, sein dröhnendes »Halt« zwischen die Massen donnerte.

Wie von einem Zauber gebannt blieben sie stehen, und aller Blicke wandten sich der kühnen edlen Gestalt zu, die sich rasch auf die niedere Mauer des dicht an das Schloß stoßenden Obstgartens schwang.

»Zurück, Ihr Männer von Horneck!« rief der Mann, und sein Arm streckte sich aus über die lautlos zu ihm aufschauende Rotte – »zurück! – wollt Ihr Mord und Verwüstung tragen in ein friedliches Haus, und die Kraft die Euch gegeben ward zum ersten Mal, wo Ihr sie fühlt in Eurem Arm, nicht nützen, sondern gleich mit schmachvoller That entweihen? Der Republik bringt Ihr ein freudiges Hoch, und während das Wort über die Lippe klingt, schändet Eure Hand den Namen, den der Lufthauch noch nicht entführt. Heilig sei Euch das Eigenthum – gegen den Arm, der das Schwert wider Euch geführt, nicht wider das Schwert selber braucht Eure Kraft – die Wurzel reißt aus dem Boden, die jene giftigen Schößlinge getrieben, nicht die Schößlinge schneidet ab, denn mit jedem Frühling würden ihr neue entwuchern. Fest zusammen steht wie ein Mann, wie ein Herz, aber macht nicht wahr was Eure Feinde von Euch sagen, daß gerade Ihr es wäret, die unter Republik und Freiheit nur Mord und Plünderung verständen, daß gerade Ihr es wäret, die, blind und taub gegen jedes ruhige Wort, nur dem wie wild gewordenen Stiere folgten, der Euch zu roher gesetzloser That den blutigen Feuerbrand voraus trüge. Macht zu Schanden die Lügen und Verläumdungen, die jene heimlich bohrende Reaction gegen Euch ersonnen und ausgestreut, daß Ihr nicht reif wäret, ein freies Volk zu sein, nicht reif zu menschlichen Rechten und Gerechtsamen, nicht reif zu selbstständigem Handeln und Regieren – machet die Lügen zu Schanden, Ihr bedürftet einer strengen starken Hand, die Euch den Zügel fest und eisern im Gebiß erhielte, wenn Ihr nicht, wie das ungebändigte Roß, toll und rücksichtslos über die Felder toben und Saat und Erndte in den Boden hineinstampfen und verwüsten solltet.«

»Zeigt, daß Ihr wirkliche Republikaner seid – stellt jenen schmähenden Lügenzungen den kalten besonnenen Mannes-Ernst und Stolz entgegen, aber weicht auch zurück vor einer That, die Euern Namen mit Schmach bedecken und Euere Feinde triumphiren lassen würde – gönnt ihnen die Freude nicht, Euch schwach gesehen zu haben, gebt ihnen nicht die Waffen gegen Euch selbst, durch solche That in die Hände. Verachtung dem, der Euch bisher in starrem Joch gehalten – Verachtung dem, der bisher sich nicht entblödete, der Henkersknecht eines schurkischen Systems zu sein, das nur, wie ein künstliches Maschinenwerk, die Kraft des Einzelnen nicht aufkommen ließ, und ihn, hob er sich dennoch, unter die tausend geschäftigen, wirbelnden, schwirrenden Räder warf – aber dorthin die Stirn gerichtet, dorthin die Lanzen eingelegt, dorthin den Geist und Arm gestählt zu freiem Wort und freierer That, wo die Hand ruht, die bis jetzt den Mechanismus dieser furchtbaren Räder gelenkt – gegen die Wurzel den Streich geführt, und kommt dann die Zeit, wo Deutschland Eueres Armes bedarf, dann Freunde, dann Brüder heran zum fröhlichen Siegeslied, zum schönen Waffentanz, und gebe dann Gott, daß er mir erlaubt, Euch, Mitbürger unseres schönen herrlichen Vaterlandes, das schwarz-roth-goldene Banner in luftigem Windeswehen und vom scharfen Stahl geschützt, voran zu tragen.«

»Zu Hause jetzt mit Euch, ihr Leute, zu Hause, und bald, bald hoff' ich, grüßen wir uns wieder im freien einigen Reich.«

Ein laut donnernder stürmischer Beifallsruf folgte den Worten des Redners, und zu ihm hin drängte die Menge nach der Mauer hinüber, dem aber wollte er entgehen. Rasch sprang er hier herunter und wollte unbemerkt an den Gartenmauern und Häusern in das Dorf hinein schlüpfen, um von da aus die große, nach der Residenz führende Hauptstraße zu erreichen, als ein kleiner Bursche seinen Arm ergriff und ihm zuwinkte, seitab durch die Obstbäume, die den schmalen Weg begrenzten, zu folgen. Da die Richtung ungefähr die rechte war, säumte er auch nicht, und befand sich bald auf einem Fußweg, der ihn durch eine hier an das Dorf stoßende kleine Lichtung nach wenigen hundert Schritten schon auf die weiß in die Dunkelheit hinein schimmernde Chaussee brachte.

Dort an einem Kirschbaum stand ein ungesatteltes Pferd angebunden, weiter aber war Niemand zu sehen, und der kleine Junge sagte lachend:

»So – nu setzt üch uff, un immer grad naus, un denn kennt är nich fählen.«

»Aber wem ist das Pferd?« frug Wahlert erstaunt.

»S'is vun der Herrschaft,« kicherte der Kleine, »aber das macht nischt; wenn er an's Thor kimmt, läßt er'n Rappen widder loofen un vor Morgen is der lange im Stall.«

Es war augenscheinlich eines der Pferde, die ihn seinem Kerker hatten entgegenführen sollen, und jetzt stand es hier, bestimmt, ihn zu Freiheit und Ehre zu tragen – der Wechsel schien überraschend und Wahlert konnte, besonders nach der letzten Versicherung des Knaben, daß das Pferd seinem Eigenthümer keinesfalls verloren gehen würde, der Versuchung nicht widerstehen. Als ein gewandter Reiter schwang er sich rasch auf des geduldigen Thieres Rücken, dem Knaben ein kleines Geldstück zuwerfend, drückte er seinem Gaul die Schenkel in die Flanken, und fort klapperten in luftiger Schnelle über die harte stubengleiche Chaussee die Hufe des munteren Renners, als er den kühnen nächtlichen Reiter seinem Ziele entgegentrug.

In Horneck verlief sich indessen die Menge nicht sogleich, als es nach dem ersten Eindruck der Rede wohl den Anschein hatte; die Gemüther waren zu erregt, um sobald in das alte Bett ruhigen Gleichmuths zurückzukehren; aber der unbändige Zorn, der ihren Geist noch vor wenigen Minuten zu wilder, gefährlicher That getrieben, war beschworen – der Ruf an ihr Ehrgefühl hatte seine segensreiche Wirkung nicht verfehlt. Aber Luft mußte die Stimmung haben, Luft auf eine oder die andere Art – war's nicht im Bösen, so doch im Guten, und Krautsch selbst, dem der starke Trank jetzt mehr und mehr den Sinn verwirrte, brachte das erste gemüthliche Lebehoch auf Herrn von Gaulitz aus.

Einmal im Zug und die Bahn schien leicht gefunden – an demselben Abend bekamen noch – zu seinem nicht geringen Schrecken – der Pastor, der Schulze, der Wirth und die mißhandelten Flurschützen, die man in ihre Wohnungen geschafft hatte, jeder eine unbestimmte Anzahl von Vivats, ja selbst auf die Jäger hätte sich dieses Wohlwollen ausgedehnt; das Haus derselben lag aber leider am anderen Ufer der Rausche und der Fluß selbst zu weit von der Schenke ab, nach der sich die jetzt vollkommen harmlose Schaar in später Nachtstunde noch zurückzog, dort einen sogenannten »Schlaftrunk« nahm, und dann, höchst zufrieden mit dem genossenen Abend, die eigene Heimath – so gut das eben ging – aufsuchte.