Za darmo

Pfarre und Schule. Zweiter Band.

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Eine Viertelstunde mochte er so gestanden haben, und das Treiben unten, das auch einzelne der kleinen Schluchten mit umschloß, war ziemlich zugezogen, als auf der Straße von Sockwitz her ein anderer Mann im einfach braunen, etwas abgetragenen Ueberrock, den schwarzen alten Filz ebenfalls auf dem Kopf, langsam den Weg niederschritt, und eben grüßend an dem jungen Mann vorübergehen wollte, als dieser, der vorher nur einen flüchtigen Seitenblick nach ihm hinübergeworfen, sich rasch umdrehte, und ihm die Hand entgegenstreckend, ausrief:

»Kraft!«

»Wahlert?« – sagte der Schullehrer, unser alter Bekannter, noch von der Versammlung her, erstaunt. »Sie hier in Horneck? – Was um des Himmels willen hat Sie hergeführt – Ihre Freiheit ist doch nicht mehr bedroht?«

»Nicht mehr hier – was in Berlin der Fall wäre, möchte eine andere Frage sein,« lächelte der junge Mann – »ja ja, lieber Freund, so wechseln die Schicksale, erst wie ein gemeiner Verbrecher von Steckbriefen und Häschern verfolgt, dann nach mir geschossen, wie nach einem wilden, reißenden Thiere – dann gefangen – wieder befreit – der Abgott des Volkes, von Fürsten gesucht, im Rath der erste zur Ministerpräsidentschaft berufen, aus der Nacht mit einmal zum höchsten strahlenden Lichtesglanz emporgeschleudert – und jetzt? – ein flüchtiger, oder doch wenigstens geflüchteter Demagog, ein mißliebiger Republikaner, der mit seinen schönen Träumen endlich wahrscheinlich – auswandern muß, um sie, wenn auch nicht mehr in Deutschland, doch wenigstens in Deutschen realisirt zu finden.«

»Auswandern?« frug Kraft erstaunt – »weshalb denn gerade auswandern?«

»Es wird Nichts in Deutschland,« sagte Wahlert, finster vor sich niederblickend, »jetzt wenigstens noch nicht, bis nicht eine frische Anregung von außen kommt, und die jetzt vorzubereiten, das sei das Werk derer, die wie wir es ehrlich mit dem Vaterlande meinen.«

»Anregung von Außen« wiederholte Kraft, traurig dabei mit dem Kopfe schüttelnd; »ach, lieber Wahlert, so lange wir in Deutschland nicht selber im Inneren reif zu einer Selbstregierung sind, da hilft uns auch keine Anregung von Außen, komme sie, woher sie wolle; sie kann die Ordnung wieder zerstören, die Gesetze umstoßen, das ungebildete Volk reizen, und zum wilden zerstörenden Aufruhr locken, ihm aber die Kraft und Einigkeit und besonders die Einsicht geben, deren es, ach leider so nothwendig bedarf, um seine schlimmsten Feinde zu erkennen, und keinen Unterschied mehr zwischen schleichenden Reaktionairen oder bramarbasirenden Wühlern zu machen, das kann eine Anregung von außen nicht, das muß Fleiß und Ausdauer im Inneren wirken.«

»Reif, reif und immer nur reif,« sagte Wahlert unwillig, »sind auch Sie Einer von denen, die das Wort zum Mantel brauchen, ihre eigene Furcht darunter zu verstecken? – Reif – weshalb soll der Deutsche nicht eben so gut reif zur Freiheit sein, wie ein anderes Volk – weshalb ist er plötzlich reif und ein Republikaner, wenn er über die See und nach Nordamerika kommt? reift ihn etwa die Seeluft oder wird dort ein besonderer chemischer Proceß vorgenommen, der ihn in mistbeetartiger Schnelle die hier noch nicht besessene Reife giebt?«

»Sein Sie nicht böse auf mich, meiner Aeußerung wegen,« sagte Kraft freundlich, »Sie wissen aber noch von früherer Zeit wohl her, wo ich in der Residenz als Lehrer Ihres Vaters Haus besuchte, daß ich frei und derb mit meiner Meinung herauskomme, und nicht ›meine Furcht unter einem Mantel‹ verstecke.«

Wahlert reichte ihm schweigend und das rauhe Wort abbittend, die Hand, der alte Lehrer fuhr aber lächelnd fort:

»Lassen Sie's gut sein, Sie sind ein junger Brausekopf, und ich sehe das lebendige Leben eben so gern in dem jugendlichen Körper, wie den Geist im Champagner und den Uebermuth im jungen Roß, nur einen Irrthum will ich auf ihrer Seite berichtigen, einen Irrthum, der besonders in dem letzten Semester auf eine traurige Weise ausgebeutet worden ist, Unerfahrene zu überrumpeln und einen Beweis für etwas zu liefern, das sich auf eine andere Art eben nicht beweisen ließ. Sie wissen, lieber Wahlert, daß ich, ehe ich in die Residenz zurückkehrte, von wo aus ich gleich, durch des Herrn Generalsuperintendenten Vermittelung und Fürsprache –«

»Weil Sie seinem Sohne aus der Flut das Leben gerettet –«

»– Eher vielleicht, weil er mich passend für die Stellung hielt,« fuhr Kraft fort – »die Stelle in Bachstetten bekam, mich eine Zeit lang in Amerika herumgetrieben hatte. Wir haben oft darüber zusammen gesprochen, und ich suchte Ihnen stets von unseren Landsleuten in Amerika eine so günstige Meinung beizubringen wie nur möglich – ich liebe mein Vaterland und dessen Söhne und wäre der Letzte, der einer ungerechten Beschuldigung gegen sie Worte gäbe, wollen Sie mir aber mit denen beweisen, daß die zurückgebliebenen Bewohner unseres Deutschlands ebenfalls reif wären, so rennen Sie da in einen Irrthum hinein, den Sie nie schmerzlicher einsähen, als wenn Sie selbst nach Amerika kämen.«

»Daß der Deutsche unfähig sei, sich in einer Republik zu regieren, das wolle Gott verhüten, daß ich das behaupte – es hieß, ihm sein gesundes Herz, seine Fähigkeiten absprechen und leugnen, er ist aber eben nur fähig dazu, und wie das Kind, das den künftigen Gelehrten noch im ersten innersten Keime mit sich herum trägt, und nicht einmal lesen kann, ehe es ihm von älteren Leuten gelehrt wurde, so muß auch der Deutsche vor allen Dingen noch lernen, sich selbst zu regieren, ehe er diese schwere Kunst, soll es nicht zu seinem Verderben zu früh geschehn, in Ausführung bringen kann.«

»Aber Amerika – die Amerikaner selber –«

»Sind mir der Beweis dessen, was ich hier gesagt – Amerika schüttelte damals das englische Joch ab, proclamirte die Republik und wurde damals der blühendste Staat der Welt; sind aber dessen damalige Verhältnisse mit den unseren hier in jetziger Zeit auch nur im Entferntesten zu vergleichen? Nein, wahrlich nicht – Amerika war vom ersten Augenblicke an, wo die Separatisten-Colonie in den Schiffen Mayflower und Speedwell zu Plymouth im Jahre 1592 landeten, eine Republik. Schon an Bord des ersten Fahrzeuges entwarfen und unterzeichneten sie ein Instrument, das zur nöthigen Gründung und Bestätigung ihrer künftigen Einrichtungen dienen sollte, und in jenem einfachen Document wurde schon, und zum ersten Male, das große Princip einer freiwilligen Conföderation von unabhängigen Männern ausgesprochen, die einen Staat gründeten, ›nicht der Regierenden, sondern der Regierten wegen‹. Dort begann sie auf einem freien, noch unentweihten Feld ihre staatliche Einrichtung, und wenn auch England sein Scepter darüber hielt, so bestand doch die ganze Botmäßigkeit, die es über seine amerikanischen Colonien ausüben konnte, nur eigentlich in der Einsetzung von englischen Gouverneuren, in dem Vorbehalt, ihm mißliebige Gesetze ändern oder annulliren zu können, und in der Auflage von Steuern und Taxen. Der freien Entwickelung des Volkes konnte vom Mutterland aus nicht entgegengearbeitet werden, die in Amerika Gebornen wuchsen, von heißer Liebe für ihr Vaterland beseelt, und mit nur geringen Sympathien für Alt-England auf, und wie ihnen endlich der Druck von dort her zu beengend und unerträglich wurde, da schüttelten sie eben nur das über das Meer her aufgelegte Joch ab und – waren frei. Sie hatten kaum etwas weiteres zu thun, als in die Stelle der vertriebenen Gouverneure eigene einzusetzen, die Verfassung, die sie sich gaben, wurde nur wenig verändert, in Rhode-Island zum Beispiel fast gänzlich beibehalten und kein Mensch wird hiernach die Amerikaner als ein Volk zum Beispiel aufstellen können, das rasch von der Monarchie zur Republik übergegangen wäre.«

»Was aber nun die Deutschen betrifft, die dort hinüber auswandern, und von denen auch Sie leider, lieber Wahlert, vor wenigen Minuten dieselbe Phrase gebrauchten, die im Munde der sogenannten Republikaner bei den unteren Schichten unserer Gesellschaft so vieles Glück macht, ›ob die Deutschen, die nach Amerika gingen, etwa auf der See Republikaner würden, daß sie es drüben so ganz auf einmal, und hier doch gar nicht gewesen wären‹, so will ich Ihnen nur darauf einfach antworten, ›sie werden es auf der See, und auch selbst drüben nicht, bis sie nicht ihre gehörige Lehrzeit bestanden haben‹. Denn wollen Sie das nur zum Beweis gelten lassen, daß sie wählen, so macht doch wahrlich die Abgabe seiner Stimme den Republikaner noch nicht.«

»Wie aber wollen Sie beweisen, daß die herüber gekommenen Deutschen nicht Republikaner im edlen Sinne des Wortes seien?« frug Wahlert begierig, »sind nicht eben die Deutschen ihres Vaterlandes und ihres ehrlichen, treuen und umsichtigen Charakters wegen, gerade in Nord-Amerika allgemein geachtet und geliebt?«

»Wollte Gott, ich könnte die Frage mit Ja beantworten, dann säße ich nicht hier im Vaterlande und äße das schwere sauere Brod – und eben auch nur Brod, eines Dorfschulmeisters, der sich noch glücklich schätzen muß, durch einen freundlichen Gönner eine der wenigen guten Stellen von – 200 Thaler jährlichen Gehalt bekommen zu haben, und dafür jetzt Aerger und Verdruß, Sorge, Entbehrungen und Beschwerden das ganze geschlagene Jahr in vollem Maße einärntet.«

»Wie soll ich das verstehen?« frug Wahlert erstaunt.

»Es ist einfach genug,« sagte Kraft, »und ich will es Ihnen, da es doch genauen Bezug auf unser jetziges Gespräch hat, mit kurzen Worten mittheilen. Auch ich kam damals mit all den schönen Hoffnungen von Deutschthum nach den Vereinigten Staaten, und glaubte in der That, der Name ›ein Deutscher‹ werde dort schon gewissermaßen allein als ein Freipaß zur ehrenvollsten Aufnahme gelten – Großer Gott, wie hatte ich mich getäuscht. Nur kurze Zeit hielt ich mich in Neu-York auf, das ganze Wesen und Treiben der Deutschen dort gefiel mir nicht, auch schien mir eine Art Haß zwischen diesen und den Amerikanern zu bestehen. Nach Cincinnati zog es mich, der ›Königin des Westens‹, dort im Westen, mußte auch der Deutsche, seines Fleißes und sittlichen Betragens wegen, geachtet sein – so dachte ich, und was fand ich? – ›You shall call me a dutchman‹ – ›Du sollst mich einen Deutschen nennen, wenn das und das wahr ist‹, – lautete das Sprichwort der Amerikaner und leider nicht nur der niederen Klassen. God damn the dutch tönte es wohl hundert Mal des Tags in meine Ohren, und das Herz, glaubte ich, sollte mir brechen vor Weh und Scham. – Ich zog in die Wälder, trieb mich viele Jahre in den dünnen Ansiedlungen der weißen Pioneere, – Jahre lang zwischen den halbcivilisirten Indianern herum, und kehrte endlich, eines geselligen Verkehrs bedürftig, nach den Vereinigten Staaten zurück. Und was fand ich dort? – gerade zur Zeit der Wahlkämpfe traf ich in Philadelphia ein – auch Deutsche brauchten ihr Recht, das Recht der freien Wahl, das Recht eines freien Bürgers – und wie brauchten sie es? Kaufen ließen sie sich von Whigs oder Demokraten, nicht wer das meiste bot, denn schlecht waren sie eigentlich nicht, nein, wer das erste bot, wer ihnen zuerst in den Weg kam und sie zu überreden wußte, dem überließen sie sich. Keinen Begriff hatten sie von dem, was die Wahl eigentlich bedeute, was sie für einen Einfluß auf sie selbst, auf das ganze Land, ausüben könne – ›ach was‹ hört ich Viele sagen, ›ob ich den oder den Wisch in den Kasten stecke, darum bleibt Amerika doch stehn und wir kriegen auch nicht mehr Lohn.‹ Anderen machte ich Vorwürfe über ihr schändliches schaamloses Betragen und erhielt die Antwort: ›Geht zum Teufel – wir sind hier freie Amerikaner, und können stimmen wie wir wollen.‹«

 

»Und das waren meine Landsleute, das waren die Männer, die ich mir als ›Republikaner‹ geträumt, für die ich geschwärmt, die ich zum Beispiel für Andere, gerade wie Sie es gethan, aufgestellt hatte. Und von solchen Menschen könnten wir in Deutschland eine Besserung der Zustände erwarten? – Lange kämpfte ich damals mit mir selbst, was ich thun, wie ich handeln sollte, endlich war mein Entschluß bestimmt – nach Deutschland kehrte ich zurück und in Deutschland lag ferner, so lange diese schwachen Kräfte noch ausreichten, mein Wirkungskreis. Das Volk, oder wenigstens den kleinen mir anvertrauten Theil desselben, wollte ich heranziehn nach besten Kräften, wollte Männer aus ihnen machen, Männer, die wissen, was sie sich und ihrem Vaterlande – seien sie nun darin geboren oder aus freier Wahl hervorgezogen – schuldig sind – wollte mit einem Worte würdige Republikaner heranbilden, die ihre Zeit begriffen und verstanden. Was ich dabei unter Republik verstehe, vertrüge sich auch recht gut mit einer constitutionellen Monarchie, wenn diese Form, der Masse wegen, beibehalten werden müßte, aber ein König oder Kaiser würde dann auch nur der Präsident der Staaten sein und die Macht in der Majorität – im Volke ruhen.«

»Das, mein guter Herr Wahlert, ist meine Politik und ob ich recht gehabt, mag die Zeit lehren. Unser – Deutschlands Heil liegt nicht in der Gegenwart, obgleich ich gar nicht leugnen will, daß die letzte Revolution heilsam, ja sogar nöthig war, die starre Rinde erst einmal zu brechen, die uns mit ihren Banden umschlossen hielt – die Freiheit mußte geboren werden, ehe sie überhaupt bestehen konnte, jetzt aber haben wir sie heranzubilden und zu pflegen nach besten Kräften, daß sie in der aufwachsenden, von ihr beseligten Jugend eine starke, einige Stütze finde und nachher, lieber Wahlert, nachher wollen wir wieder von der Abänderung der jetzigen Staatsform sprechen. Ist dann die Majorität des Volks, mit ihrem vollen Bewußtsein für Republik, ei lieber Gott, wer will sie ihr dann vorenthalten können, und ist sie es nicht? Gut, dann wird sie auch wissen weshalb, und sich der Majorität zu fügen, ist selbst Pflicht des Republikaners. – Wenn er nämlich wirklich auch ein Republikaner im Herzen ist, und sich nicht blos in eitlem prahlerischen Dünkel den Namen und die rothe Cokarde beilegt, zugleich aber gegen die Titel und Orden, die doch in dem Fall nur ganz dasselbe sind, in phrasenreichen Reden donnerte. Und Sie schweigen?«

Wahlert stand, den linken Fuß auf den Stein gehoben, den linken Ellbogen auf das Knie, in die Hand den Kopf und die rechte auf seinen Stock gestützt, still und schweigend wohl mehrere Minuten da und sagte endlich leise:

»Manchmal, in recht trüben, schweren Stunden, haben mich ähnliche Gedanken überkommen, und ich zweifelte dann, wenn ich mich hie und da einmal in meinen Hoffnungen getäuscht, in meinen liebsten Plänen verlassen sah, an der Ausführung des hohen herrlichen Ziels. Aber nein, nein, es kann, es darf nicht sein,« rief er, sich plötzlich hoch und freudig emporrichtend – »nur ängstliches Alpdrücken ist das, was uns jetzt Herz und Seele manchmal beengt, noch nicht hineinfinden können wir uns in den Gedanken an so Göttliches. – Es ist wahr, in der Volksversammlung jauchzt die Menge nur dem Redner zu, der ihm die schwülstigsten Phrasen, die gröbsten Schmeicheleien in den Bart wirft – mit Mismuth und Aerger hab' ich beobachtet, wie in den Versammlungen der Demokraten besonders, wo leider am wenigsten die Intelligenz vertreten war, einige Wenige die Debatte leiteten und die Masse nur dazu da zu sein schien, beim Abstimmen ihrer Führer Meinung zum Beschluß zu erheben – aber das sind einzelne Misgriffe, die von selber in ihr Nichts zurückfallen werden. Das Volk selbst, das heißt der Kern des Volks, der Landmann, der Bürger weiß was er will und das einzige was wir jetzt zu thun haben ist, ihn dazu anzutreiben, daß er auch will, was er weiß.«

»Gut« sagte Kraft ernst – »so gehn Sie denn hier im Lande herum und betrachten Sie sich das, was sie den Kern desselben nennen – kommen Sie zu dem Bauer, Gärtner, Häusler, zu dem Knecht und Tagelöhner, gehen Sie selbst zu den bemittelteren Bewohnern in Horneck und Bachstetten und wie die umliegenden Ortschaften alle heißen, und dann sagen Sie mir wieder, ob das Republikaner sind, die Sie da finden, ob Sie sich getrauen, mit dem Volk eine Republik zu gründen. Sie wissen selbst am Besten, wie Sie hier von den ›Arbeitern,‹ weil Sie denn einmal den Titel wollen, förmlich einem wilden Thiere gleich gehetzt wurden. – Ja ich weiß schon, damals konnten die Leute es Ihnen noch nicht ansehn, daß Sie Ihr Leben und Vermögen blos seinem Wohl geopfert und Alles verlassen hatten was den Menschen an die Heimath fesseln kann, nur um die Undankbaren von ihren Fesseln zu befreien und – glücklich zu machen. Aber jetzt – jetzt wissen sie das Vorgegangene, jetzt wissen sie, daß man Sie damals nur verfolgte, weil Sie Ihre Meinung zu frei geäußert und die Massen versucht hatten, zur Erkenntniß ihrer selbst zu bringen. Jetzt wissen sie, daß kein Verbrechen auf Ihnen lastet, jetzt wissen sie, daß Sie nur stets des armen Mannes Bestes gewollt und erstrebt, und blind folgte Ihnen die Schaar, wohin Sie die Fahne trügen. Treten Sie ihr aber einmal mit festem Wort entgegen, versuchen Sie den Strom zu dämmen, der im Begriff ist, sein Ufer zu überschwemmen, und Alles ist vergessen, was früher geschehn, gethan, – ›Reaktionair!‹ brüllt die Menge, und einmal verdächtigt, könnten Sie selbst die besten heiligsten Motive vor ihrem Fluch nicht schützen. Die eigenen Führer sind die ersten, die von den siegestrunkenen Republikanern, wollten sie die Republik jetzt proklamiren und nachher dem Mord und der Plünderung Einhalt thun, an die Laternenpfähle geknüpft würden. –«

»Doch ich predige da tauben Ohren und es ist mit der Politik, wie mit der Religion; zwei, die verschiedener Meinung sind, kommen zusammen, zanken und disputiren sich Stunden lang, gerathen in Eifer, werden oft bittere Feinde und wissen doch voraus, daß sie nie des Anderen Meinung ändern können. – Dort unten scheint indeß das Treiben zusammengekommen zu sein; wie die armen Hasen springen, und selbst noch mit zerschossenen Läufen ihren Feinden, den Hunden, und den noch weit ärgeren, den Menschen zu entgehn suchen – arme Thiere, Ihr seid eingekesselt, und ringsherum rücken die todtbringenden Rohre zusammen – wählt Euch einen sicheren Schützen zum letzten Sprung, der es bald mit Euch vorüber macht, mit zerschossenen Gliedern die kalte Nacht im Felde zu liegen und dann nicht sterben zu können, muß gar traurig sein.«

»Haben Sie einen besonderen Zweck, der Sie heute nach Horneck führt, lieber Kraft?« frug Wahlert endlich nach ziemlich langer Pause, »daß ich hier sei, konnten Sie doch kaum wissen, und schienen auch erstaunt mich zu sehn.«

»Allerdings« erwiederte der Lehrer »mein Besuch gilt auch eigentlich nur dem armen alten Kleinholz, der vor längerer Zeit schon emeritirt wurde und jetzt in fürchterlichster Noth, sich an das Ministerium um Zulage gewandt hat. Er wollte aber dabei meinem Rath nicht folgen und sich direkt an den Minister wenden, sondern zog den Weg durch den Pastor und zwar mit dessen Bevorwortung vor, Pastor Scheidler meinte er, oder der ›Herr Pastor Scheidler,‹ wie er sagte, hätte ihm schon in früherer Zeit versprochen, Alles aufzubieten, was in seinen Kräften stünde, ihn in der Noth zu unterstützen und auf dessen Bericht hin, der in dem gewöhnlichen steifen amtlichen Styl gehalten wird, kann ich mir nicht denken, daß das Ministerium viel thun wird – es kommen zu viel derartige Eingaben. Doch es ist ja möglich, und ich wollte nur einmal sehn ob es dem armen alten Mann etwas besser geht, und ich ihm vielleicht einige Unterstützung bringen kann.«

»Steht sich der alte Schullehrer hier im Orte so schlecht?« frug Wahlert, »es ist doch ein so großer Ort, und sollte sicherlich gerade den Mann hegen und pflegen, der all seine Bewohner vielleicht groß, und viele zu braven wackeren Menschen herangezogen hat.«

»Du lieber Gott, darüber ließe sich so Manches sagen« erwiederte ihm Kraft seufzend. »Mit funfzig Thalern soll der Mann auskommen, sieben gesunde Kinder ernähren – und nicht betteln gehn, – es ist lächerlich – aber recht traurig. Doch leben Sie wohl, lieber Wahlert – ich habe geschwatzt und geschwatzt und die schöne Zeit damit versäumt, Wasser in die Rausche zu tragen. – Gott bessere es – vielleicht sehn wir uns heut' Abend im Dorfe wieder, ich werde in der Schenke übernachten und erst morgen früh nach Bachstetten zurückkehren.«

Und einen herzlichen Händedruck mit dem jungen Manne wechselnd, schritt er rasch auf dem breiten, mit gelbem Kies überworfenen Weg entlang, dem Dorf zu, das er in kurzer Zeit gerade da erreichte, wo der kleine Fußpfad nach Schule und Kirche hinüber und zwischen Sturz- und Stoppelfeldern hin, rechts abführte.