Za darmo

Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.

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Durch den Uebermuth der Buschrähndscher dazu getrieben, dem Unwesen endlich ein Ende zu machen, und die Sicherheit des Eigenthums in der Colonie doch einigermaßen wieder herzustellen, waren in der That, wie schon erwähnt, die äußersten Anstrengungen gemacht worden. Hielten doch diese Nachrichten, wenn sie nach Europa drangen, sonst zum Auswandern vielleicht Gewillte davon ab, ihr Leben und Vermögen einer Colonie anzuvertrauen, wo Beides in solchem Grade gefährdet war, und wie es schien, von den Behörden selber nicht einmal mehr geschützt werden konnte.

Der Oberbefehl war dabei wieder unserem alten Bekannten, Tolmer, übertragen worden, der nicht allein den Busch, sondern auch diesen kecken und gefährlichen Räuber sehr genau kannte. Hatte er ihn doch früher schon einmal als John Mulligan eingeliefert, und jetzt den nachlässigen Behörden zu danken, daß er auf's Neue sein Leben in die Schanze schlagen durfte, den zum Aeußersten getriebenen Verbrecher endlich unschädlich zu machen.

Es bedurfte aber auch eines solchen Führers, das mit dem Busch nur wenig vertraute Militär alle die ihnen entgegen stehenden Schwierigkeiten überwinden zu lassen, denn von den dort angestellten Squattern und Schäfern durften sie auf wenig oder gar keine offene Hülfe und Unterstützung rechnen. Diese fürchteten die Buschrähndscher und deren Rache, wenn das Unternehmen mißglücken sollte, mehr, als sie von dem gegen sie unternommenen Zug erhofften.

Nur zu oft war es nämlich schon vorgekommen, daß sich die Squatter hatten verleiten lassen, den gegen die Strauchdiebe ausgesandten Polizeibeamten thätliche und offene Hülfe zu leisten, ohne daß die Letzteren etwas Wesentliches ausgerichtet hätten. Die Polizei zog sich dann wieder zurück, aber die Squatter blieben auf ihren einzelnen Stationen der Rache der gereizten Verbrecher preisgegeben, die dann auch selten säumten, furchtbare Wiedervergeltungsrache zu üben. Mit solchen Erfahrungen hielten es die auf viele Meilen von einander zerstreut wohnenden Ansiedler viel gerathener, sich bei späteren Expeditionen, wo das nicht ganz im Geheimen geschehen konnte, gar nicht mehr zu betheiligen, ja unterstützten die in ihrer Nachbarschaft ihr Wesen treibenden Buschrähndscher wohl noch gar mit Lebensmitteln und Kleidern, wenn sie deren dringend bedurften, sich ihren guten Willen zu erkaufen und sie abzuhalten, ihre Heerden fort zu treiben oder ihre Stationshäuser in Brand zu stecken.

Tolmer bedurfte ihrer nicht; mit ein paar treuen Schwarzen, die dem am Murray lagernden Stamm ihrer Landsleute feindlich gesinnt waren, hatte er am Abend vorher, ehe der Angriff stattfinden sollte, die Gegend selber ausgekundschaftet, und sich von der Situation des Lagers, wie der ungefähren Stärke des Feindes überzeugt. Wäre diese aber auch doppelt so stark gewesen, Tolmer wußte, daß seine Leute siegen würden, denn wenn auch die Verzweiflung einer solchen Schaar ihre wackere Hülfe im Kampf ist, wog das Bewußtsein ihrer guten Sache das auch doppelt wieder auf. Uebrigens hatte er von dem im Schilf versteckten Boot keine Ahnung, und an die andere Seite des Stromes nur einige Scharfschützen postirt, auf solche der Feinde zu feuern, die etwa in einem der erbärmlichen indianischen Rindenschalen oder durch Schwimmen versuchen sollten, das gegenüberliegende Ufer zu erreichen.

Zwei Freiwillige hatten sich übrigens seinem Zuge angeschlossen, und zwar zwei alte Bekannte von uns, Bill, der Kutscher der Royal Mail, der dem würdigen Fuhrwerk Valet gesagt, sein Brod auf andere Weise zu verdienen, und jener Squatter, Passagier der geplünderten Postkutsche.

Bill, der auf den Fahrten mit dem lebensgefährlichen Karren seinen Hals wochenlang der Wahrscheinlichkeit ausgesetzt hatte, über kurz oder lang gebrochen zu werden, sah auch in dieser Expedition eben nichts Gefährlicheres, und wollte, weil für den Augenblick ohne bestimmte Beschäftigung, die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den verwünschten Buschrähndscher einmal wieder zu finden und zur Rechenschaft zu fordern für die erlittene Mißhandlung.

Der Squatter kam in einer andern Hoffnung. Gentleman John hatte ihm nämlich nicht allein seine erst theuer erkauften Waffen, sondern in der Brieftasche auch sein ganzes Besitzthum abgenommen, das er erst wenige Tage vorher zu Geld gemacht. Seine Absicht war gewesen, sich in der Nähe von Adelaide niederzulassen, weßhalb er seine Station mit all' seinen Heerden am Nooratberg verkauft. Jetzt, von allen Mitteln entblößt, blieb ihm fast nichts Anderes übrig, als hier einen letzten verzweifelten Versuch zu machen, sein Geld vielleicht wieder zu bekommen, oder doch wenigstens an dem frechen Räuber Rache zu nehmen.

Tolmer hatte indessen seine ihm untergebene Schaar in zwei Haufen getheilt, von denen er den einen in die Flanke gesandt, während er mit dem andern gerade vorrückte. Recht gut wußte er dabei, daß die Buschrändscher an dem dort hohen Ufer des Stromes eine ziemlich gute Stellung eingenommen hatten, und sie, oder wenigstens einen Theil von ihnen, aus derselben herauszulocken, schickte er ein kleines Detachement Militär voraus, das den gemessenen Befehl hatte, einige Schüsse abzufeuern und sich, so wie der Feind gegen sie anrücke, langsam hinter den Schutz der Bäume zurück zu ziehen.

Gentleman John war aber zu schlau, in diese viel zu offen liegende Falle zu gehen, und wie die Soldaten dem scharfen Feuern der Seinen wichen, rief sein Signal die siegesmuthigen Räuber wieder hinter ihre Verschanzungen zurück.

Rothkopf, einer der wenigen Buschrähndscher, auf die er sich am besten glaubte verlassen zu dürfen, hatte indessen die Einschiffung der zu einer langen Fahrt nothwendigsten Gegenstände besorgt, und besonders von den Schwarzen mehrere dazu verwandt, nicht allein die Provisionen in das Boot zu packen, sondern auch noch verschiedene kleine Wasserfässer anzufüllen, da sie das Wasser den Strom weiter hinab seines Salzgehaltes wegen nicht mehr gebrauchen konnten. Dadurch aber war der Verdacht der Eingebornen zur Gewißheit geworden; denn wenn den Weißen nur daran lag, ihr Boot weiter unten am Strom in ein sicheres Versteck zu bringen, so hätten sie dazu nicht des vielen frischen Wassers bedurft. Gingen sie aber wirklich in See, so war ihr Stamm hier der größten Gefahr ausgesetzt, von den Feinden aufgerieben zu werden.

Tolmer wußte allerdings Nichts von dieser Uneinigkeit im Lager der Feinde, er hatte sie aber diesmal zu fest und sicher umstellt, um nicht von einem entschiedenen Angriff seiner ganzen Macht Alles zu hoffen. Ueber den Fluß konnten sie nicht, ohne von seinen Schützen drüben empfangen zu werden, der Weg in den Busch war ihnen durch seine Constabler und berittenen Polizeisoldaten abgeschnitten, und ein Theil der Letzteren mit der kleinen ihm mitgegebenen Abtheilung regulären Militärs mußte sie jetzt entweder aufreiben oder in das Uferschilf des Murray jagen, wo ihnen zuletzt keine andere Wahl blieb, als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.

Kaum hatte sich deshalb der zum Recognosciren abgeschickte erste Trupp vor dem heftigen Feuer der sich von allen Seiten auf sie werfenden Buschrähndscher zurückgezogen – wobei sie drei Todte auf dem Kampfplatz lassen mußten – als Tolmer das Zeichen zum allgemeinen Angriff gab, und jetzt besonders die reguläre Truppe mit weit mehr Erbitterung über den heißen Empfang als Vorsicht auf die Räuber eindrang. Sie erreichte auch zuerst den Kampfplatz, und die Buschrähndscher, die im Anfang glaubten, daß sie die ganze Macht des Feindes hier vor sich hätten, richteten auf die rothen, leicht zu erkennenden und besonders im Buschkampf höchst unzweckmäßigen Uniformen ihr ganzes tödtliches Feuer. Selbst die an der rechten Flanke postirten Männer schossen ihre Musketen nach jener Richtung ab, und erhoben ein Siegesgeschrei, als sie sahen, welch schlimme Wirkung ihre Kugeln in dem dicht gedrängten kleinen Trupp der Soldaten anrichtete.

Diesen Augenblick, ehe die Räuber im Stande waren, ihre Gewehre wieder zu laden, benutzten die Constabler, denen sich der Squatter und Bill angeschlossen hatten, mit einem lauten Hurrah und bei dem Rasseln einer von den Soldaten geborgten Trommel aus ihrem Hinterhalt zu brechen. Ohne einen Schuß zu feuern, drangen sie bis auf etwa zwanzig Schritte gegen die bestürzten Buschrähndscher vor und hatten, erst jetzt in tödtlicher Nähe, ihre Musketen und Doppelflinten auf sie entladend, im Nu den Verhau gestürmt, der den Räubern bis dahin Schutz gewährt.

Zu diesem Beistand war zwar von Gentleman John der ganze schwarze Stamm bestimmt worden, der mit seinen Speeren einen dort angreifenden Feind in der Flanke fassen sollte. Bukkul aber, nicht gesonnen, das Boot außer Acht zu lassen, hatte seinen Leuten insgeheim Gegenbefehle gegeben, und während die überraschten Buschrähndscher jetzt flüchtig und in panischem Schreck auf den Haupttrupp der Ihren zurückfielen, glitten die Schwarzen, von den Frauen und Kindern gefolgt, der Stelle zu, wo das Boot, nur von einigen überhängenden Bäumen verdeckt, flott im Strome lag.

Gentleman John übersah mit einem Blick die über ihn hereinbrechende Gefahr. Rothkopf, den er zum ersten Lieutenant seiner Schaar gemacht, hatte freilich selbst für diesen von dem schlauen Buschrähndscher vorhergesehenen Fall seine Instruktionen, durfte er aber selbst diesem trauen? – Da antwortete eine Musketensalve vom Boote her seinem ängstlichen Zweifel. Die dort gestörte Schaar hatte, dem Befehl des Führers treu, und auch im eigenen Trieb der Selbsterhaltung, ohne Weiteres auf die befreundeten Schwarzen Feuer gegeben, und laut aufheulend in Schmerz und Wuth wich die dunkle Horde den wohlgezielten Kugeln der Verräther.

Dies plötzliche Feuern im Rücken erfüllte aber den vorderen Trupp der Buschrähndscher, die von solchem Befehl keine Ahnung hatten und sich von allen Seiten umzingelt glaubten, mit Entsetzen. Während daher John, die augenblickliche Verwirrung benutzend, zurück, dem Boote zu, sprang, warfen sich einige von seinen Leuten voller Verzweiflung und Alles verloren glaubend, in den Strom, das gegenüberliegende Ufer durch Schwimmen zu gewinnen, während Andere neben den Feinden hin in das Dickicht zu entkommen suchten.

 

Der Squatter sowohl wie Bill, die bei dem siegreichen Flankenangriff betheiligt waren, hatten indessen unter den Räubern beide ihren gemeinsamen Feind erkannt, und ohne sich um die Andern zu kümmern, deren zersprengter Schwarm meist niedergeschossen wurde oder den Constablern in die Hände fiel, sprangen die beiden Männer hinter der flüchtigen Gestalt des Räubers her, mitten in das Lager hinein.

John selber wußte recht gut, daß er keinen Augenblick zu versäumen hatte, sich und einige Wenige der Seinen in dem Boot in Sicherheit zu bringen. Was kümmerten den herzlosen Räuber die Uebrigen, hätten sie doch an seiner Stelle das Nämliche gethan. Jetzt gerade war da auch der günstige Moment, da die Feinde durch das Ausbrechen des überrraschten Vordertrupps vollkommen beschäftigt und aufgehalten wurden. Ohne sich deshalb auch nur nach denen, die er befehligt, umzusehen, und vollkommen gleichgültig dagegen, was aus ihnen würde, umsprang er die nächste, erst kürzlich aufgeworfene Verschanzung, hinter der noch der letzte Rest ihrer Vorräthe aufgeschichtet lag.

Von dort aus konnte er das Boot erkennen. Rothkopf stand im Spiegel desselben, das Steuer in der Hand, sechs oder sieben seiner Schaar hatten theils Ruder, theils Stangen aufgegriffen, das Fahrzeug, so wie der Befehl gegeben wurde, rasch vom Ufer zu stoßen, und zwei Andere waren gerade beschäftigt, eine dünne Ankerkette, die noch am Ufer um einen Baum geschlagen lag, loszuwerfen. Es schien die höchste Zeit, daß er sich seinen Leuten zeigte, fühlte er sich doch nicht ganz sicher, daß selbst Rothkopf auf ihn warten würde, wenn er, Gefahr für sich sehend, das Boot, von allen Hindernissen frei, im Strom erst hatte.

Kaum noch hundert Schritte war er von diesem entfernt, und wollte eben einen im Weg liegenden Gumbaum überspringen, als sich ihm dort die drohende Gestalt seines alten Bekannten, des Squatters, in den Weg warf, der ihm mit auf ihn angelegtem Rohr ein donnerndes »Halt, verdammte Bestie!« entgegen rief. Zu gleicher Zeit hörte er flüchtige Schritte hinter sich, und den Kopf scheu zurückschlagend, erkannte er Bill, den früheren Conducteur und Postillon der Royal Mail, der sein abgeschossenes Gewehr verkehrt in der Hand mit gehobenem Kolben hinter ihm drein sprang.

»Ergib Dich, Canaille,« donnerte ihm dabei der Squatter zu, »oder, beim ewigen Gott, ich schicke Dir eine Ladung Blei durch's Hirn!«

»Schieß und sei verdammt!« knirschte aber der Buschrähndscher durch die Zähne, denn hier lag nur die Wahl für ihn zwischen Tod auf dem Schlachtfelde oder am Galgen, und mit raschem Ansprung wollte er sich auf den Gegner werfen. Da berührte dessen Finger den Drücker, und um John's Leben wäre es geschehen gewesen, hätte sich nicht in diesem Augenblick ein Freund, der einzige vielleicht, den er auf dem weiten Erdenrund so nennen durfte, zu seiner Hülfe an dem Kampf betheiligt.

Es war Lloko, sein schwarzes Weib, das er, mit Allen ihres Stammes, gerade im Begriff gewesen, dem Feind zu überlassen. Wußte er auch, wie sie ihn liebte, wie sie mit all' der hingebenden Treue an ihm hing, deren nur eben ein Frauenherz fähig ist, auch wenn es unter einer dunkleren Hautfarbe schlägt, was kümmerte das ihn, den Gefehmten der Gesetze. Er kannte, liebte nur sich selbst.

Lloko dagegen, mit keinem Gedanken von Mißtrauen im Herzen gegen den Mann, dem sie sich einmal zu eigen gegeben, sah trotz den Kugeln, die aus den Büchsen der verrätherischen Weißen die Reihen ihres Stammes lichteten, und Freunde und Brüder an ihrer Seite nieder warfen, nur die Gefahr des Gatten, sah ihn, der ihre Seele war, bedroht vom Feinde, und mit der kurzen Kriegskeule in der Hand, die sie zu ihrer eigenen Vertheidigung aufgegriffen, schmetterte sie in demselben Augenblick das drohend auf ihn gerichtete Rohr zur Seite, als es seine tödtliche Ladung gegen ihn entsandte. Der zweite blitzschnell dem ersten folgende Schlag war gegen das Haupt des Weißen selber gerichtet, und der ehrliche Squatter brach, von dem harten Holz getroffen, bewußtlos wo er stand zusammen.

John, der sich jetzt nur noch von einem und zwar dem wenigst gefährlichen Gegner bedroht sah, schöpfte wieder neue Hoffnung.

»Brav, Lloko!« rief er, indem er geschickt dem von Bill nach ihm mit bestem Willen geführten Kolbenschlag auswich; »Du verstehst es viel besser, als der Tölpel hier.« In gleichem Moment unterlief er den im Buschkampf weniger geübten Roßlenker, und Bill fühlte nur noch ein paar unbestimmte dumpfe Schläge, die ihm der geübte Boxer auf Stirn und Schläfe gab, als er, wie von einem Schmiedehammer getroffen, zusammenknickte.

Drei, vier Schüsse wurden jetzt von Einzelnen der Constabler, die den Kampf aus der Ferne gesehen, herübergefeuert, und die Kugeln schlugen links und rechts in die Bäume ein. Unversehrt aber sprang John jetzt, von Lloko dicht gefolgt, dem Boote zu, das in diesem Augenblick seine Kette freibekommen hatte.

»Höchste Zeit, daß Ihr kommt, Johnny!« rief diesen Rothkopf entgegen, »Teufel noch einmal, es wird Zeit, daß wir abschieben – an Bord, sag' ich – an Bord, oder wir haben die Rothjacken am Hals, ehe wir's denken. – Soll denn die Schwarze mit?«

John blickte, noch selber zweifelhaft, nach seiner Frau hinüber, Lloko aber, ohne auf die Frage zu achten, warf sich in den Strom, schwamm zu dem Boot hinüber und kletterte an Bord. Zeit zum Ueberlegen blieb überhaupt nicht, und Gentleman John mußte ihrem Beispiel folgen, wollte er nicht selber zurückgelassen werden. Seine Brieftasche zwischen den Zähnen, stieg er in den Strom, und hatte kaum eine ihm zugereichte Stange ergriffen, sich leichter hinüber ziehen zu lassen, als die Ersten der Feinde schon auf der Uferbank erschienen, und daran hinnrannten, das Boot am Abfahren zu verhindern. In wenigen Sekunden war der Führer der Buschrähndscher aber an Bord, und mit Stangen und Rudern arbeitete die kleine Schaar, die Mitte des hier ziemlich breiten und tiefen Stromes zu gewinnen.

Durch das Geschrei der Constabler angelockt, eilte jetzt auch ein kleiner Trupp der bis zum verlassenen Hauptlager vorgedrungenen Soldaten herbei, und diese feuerten, als sie das Boot im Wasser sahen, ihre Gewehre darauf. Zwei der Buschrähndscher wurden getödtet, und selbst John erhielt eine Streifwunde an der Schulter. Das schilfige Ufer verhinderte hier aber, daß ihnen die Feinde so rasch folgen konnten, und ehe diese wieder geladen hatten, waren sie aus dem Bereiche ihrer Kugeln.

Schweren Stand würden die flüchtigen Räuber freilich trotzdem gehabt haben; denn Tolmer führte einen Theil seiner Leute auf einem ihm bekannten Pfad den Strom eine Strecke hinab, wo sie, wenn sie vor dem Fahrzeug eintrafen, den gerade an dieser Stelle wohl sehr tiefen aber nicht breiten Strom sehr leicht überschießen konnten. Ein scharf einsetzender Nordwestwind begünstigte aber die Verbrecher. Nachdem sie die beiden Leichen der getödteten Kameraden ohne weitere Ceremonie über Bord geworfen und ihr kleines Boot dadurch wesentlich erweitert hatten, setzten sie das schon bereit liegende Segel, und glitten jetzt, weit rascher als ihnen das mit Rudern möglich gewesen wäre, den leicht gekräuselten Strom hinab.

Als die Verfolger den vorerwähnten Platz erreichten, konnten sie eben noch in der Ferne, gerade dort, wo der Murray breit und sumpfig in den Victoria-See einmündet, das lichte Segel der Räuber erkennen, und an ein weiteres Nachsetzen ohne Boote war nicht zu denken.

Zwar wurden solche so rasch als möglich vom Ufer des Sees her requirirt, und der Anführer der Polizei hatte immer noch die Hoffnung, die flüchtigen Feinde wieder aufzuspüren, die, wie er glaubte, es nicht wagen würden, die gefährliche Einfahrt in die Encounterbay und offene See zu forciren.

Was aber blieb den zur Verzweiflung getriebenen Männern anders übrig, als jetzt, mit den Mitteln ausgestattet, das Land ihrer Knechtschaft, das für sie entsetzliche Australien, zu verlassen, auch das Aeußerste dafür zu wagen. Sie Alle wußten, daß sie, einmal in die Hände des Gerichts gefallen, der Strick des Henkers rettungslos erwarte, und was war dagegen die tosende Brandung, die ihnen am nächsten Abend ihren weißen Kamm entgegenwälzte.

Rothkopf, ein alter Matrose, der früher wegen versuchter und wahrscheinlich auch schon ehedem ausgeführter Seeräuberei deportirt worden, übernahm hier die Führung des kleinen Fahrzeugs, von dem aus er erst eine Zeit lang den Gang der Brandung beobachtete. Dabei fand er bald, daß sie sich in ziemlich hohen und gefährlichen Sturzwellen gegen die einzige Ausfahrt heran wälzte. Zwischen den verschiedenen Sturzwellen aber, und regelmäßig nach der dritten, trat eine kurze Ruhe mit stillem Wasser ein, die ihnen die Möglichkeit ließ, hindurch zu kommen. Der Wind war ihnen günstig, und benutzten sie ihre Zeit kaltblütig und geschickt, so war, das sah er bald die Ausfahrt möglich.

Ohne Zögern wurden deshalb die nöthigen Vorbereitungen getroffen. Mit dem scharfen Bug glitt das kleine schwanke Fahrzeug zitternd der Fluth entgegen, als ob es selber erbebe vor der nahenden Gefahr. Rothkopf aber handhabte das schmucke Boot mit sicherem Blick. Das Segel war, als sie die Brandung fast erreicht, eingenommen, und nur die ausgehende Ebbe führte sie jetzt mit starker Strömung der furchtbaren Stelle zu. – Ein Rückgehen war schon nicht mehr möglich – vor ihnen bäumten sich die gläsernen Mauern und schüttelten ihnen die weißen, sonneblitzenden Mähnen drohend entgegen – es war die dritte Brandungswelle, die fast über ihren Häuptern hing. Jetzt schmolz sie wie ein Hauch in sich zusammen, und rechts und links vom Boot zischte und tanzte der silberblinkende, wirbelnde, kochende Schaum.

»Euer Segel auf!«

Im Nu faßte es der Wind und riß das Boot durch den gährenden Strudel hin. – Schon hob sich die neue Woge wieder bäumend auf, und hinter dem Spiegel des kleinen Fahrzeugs selber quoll es empor in riesenhafter Majestät – noch wenige Sekunden, und es hätte dem Schiff den Wind entzogen und es hineingezogen in den Wasserberg – aber die Ebbe half den Räubern über die Gefahr. Zischend schoß das schlank und trefflich gebaute Boot der offenen Fluth, der freien See, entgegen, und jauchzend, jubelnd begrüßten die Geretteten das Meer!