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Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen

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„Legs,“ erwiderte aber Mac Kringo, der sich nicht enthalten konnte, bei dieser Bemerkung einen Blick nach den gebogenen Extremitäten des Seemanns hinunter zu werfen, „es thut mir leid, daß der Alte deine Wünsche nicht berücksichtigen kann. Ob die fragliche Schöne schon versprochen ist, oder ob er vielleicht selber ein Auge auf sie geworfen hat und sie zu seiner zehnten Frau machen will, weiß ich nicht. Er wird dich aber, in Rücksicht deiner Verdienste, entschädigen, und du sollst zwei andere dafür bekommen.“



„Zwei?“ rief Legs erstaunt auffahrend.



„Ja, mein Junge; die beiden Schönheiten da drüben mit der braunen, etwas runzeligen Haut und den Unmassen Blumen und bunten Lappen um sich her gesteckt.“



„Mach keinen dummen Spaß!“ rief Legs ärgerlich, indem er einen halb zornigen, halb scheuen Blick nach den beiden Unholdinnen hinüberwarf.



„Na, wahrhaftig, mein Junge,“ sagte aber Mac Kringo gutmüthig, „es ist dem Alten da drüben grimmiger Ernst, und nach Tisch, so viel ich verstanden habe, werden wir alle zusammengespließt werden. Von uns hat Jeder schon seinen Theil angewiesen bekommen, wie du ja auch gehört hast, und die Beiden sind mit sieben dazu gehörenden Kindern für dich aufgehoben. Na, hoffentlich führt ihr eine recht glückliche Ehe zusammen.“



„Verdammt will ich sein,“ rief aber Legs, in allem Eifer in die Höhe springend, „wenn ich mich solcher Art zum Narren halten lasse. Sollte der alte Holzkopf aber wirklich im Ernst meinen, daß ich mich dazu hergäbe, ein Alt-Weiber-Spittel und eine Klein-Kinder-Bewahr-Anstalt auf der Insel anzulegen, so kannst du ihm nur sagen, Lord Douglas, daß er sich da verwünscht in der Person geirrt hat. Wenn er einen von uns dazu haben wolle, so konnte er Spund nehmen, mich aber soll er ungeschoren lassen, so viel weiß ich.“



„Und was willst du machen?“



„Was ich machen will? dem den Schädel einschlagen, der mir irgendwie zu nahe kommt.“



„Unsinn!“ sagte Mac Kringo ruhig, „du siehst, daß wir Andern uns alle in das Unvermeidliche gefügt haben, und du allein kannst nicht gegen die ganze Insel anspringen. Bietet sich einmal eine günstige Gelegenheit, dann kannst du dich darauf verlassen, daß Keiner von uns säumen wird, sie zu benutzen, und je fester wir dann zusammen halten, desto besser. Bis dahin aber bleibt uns nichts Anderes übrig, als uns denen zu fügen, die für den Augenblick das Heft in Händen halten. Zeigst du dich ihnen widerspänstig, so ist gar nicht abzusehen was sie mit dir anfangen, und wenn sie dich selbst todtschlügen, kann sie kein Mensch daran verhindern und würde sich Niemand später darum kümmern.“



„Und die beiden Vogelscheuchen sollt' ich heirathen?“



„Du kommst in eine ganz anständige Familie,“ lachte Mac Kringo – „aber jetzt paß auf, der Alte entläßt die Versammlung und wird noch Aufträge für mich haben. Halt' dich indessen zu Spund und den Anderen, damit ihr zusammen seid, wenn man uns verlangt.“



Toanonga winkte ihm auch wirklich in diesem Augenblick, denn es galt nichts Geringeres, als die nöthigen Vorbereitungen für die Trauungs-Ceremonie der Fremden zu treffen, die auf den Inseln außerordentlich streng genommen werden. Daß diese alle heidnischer Art waren, versteht sich von selbst; den Weißen konnten sie aber nicht erlassen werden, da nur durch dieselben ihre Ehen geheiligt und gesetzlich wurden.



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Die verschiedenen Bräute hatte man indessen schon entfernt, um sie für die Feierlichkeit anzukleiden, und Toanonga übergab jetzt die Fremden einer Anzahl seiner jungen Leute, sie etwas anständig und passend auszustatten.



Ihre Kleider waren nämlich durch ihren letzten Unglücksfall so arg mitgenommen worden, daß sie ihre Blöße kaum mehr bedeckten; besonders hingen ihnen die Hemden in Lumpen von den Schultern. Toanonga ließ deshalb Jedem ein Stück Tapa

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  Tapa ist das aus der Rinde verschiedener Bäume ausgeschlagene Zeug, das die Frauen auf allen Südsee-Inseln selber verfertigen.



 reichen, und die Insulaner wiesen sie dabei auf das freundlichste an, wie sie sich mit Blumen und einigen anderen Schlingpflanzen würdig schmücken konnten. Nur Mac Kringo jedoch, der klug genug war, ihnen zu Willen zu sein, und Spund, der dem Frieden noch immer nicht traute und Alles geduldig mit sich geschehen ließ, fügten sich dem Vorschlage. Die Übrigen mit Lemon an der Spitze verweigerten jede solche Aufmerksamkeit für ihre zukünftigen Frauen.



Von den Eingeborenen hatten sie aber in der That nichts mehr zu befürchten, denn von dem Augenblick an, wo Toanonga und das Gericht der Egis ihre Aufnahme erklärt und dadurch geheiligt hatte, betrachteten die Leute sie als Freunde und als ihres Gleichen, und brachten ihnen jetzt sogar von verschiedenen Seiten Lebensmittel herbei, damit sie sich erholen und stärken konnten.



Nach der einfachen Sitte dieser Stämme hatten sie aber auch in der That weit mehr gethan, als irgend ein civilisirtes Volk, sei es noch so fromm und christlich, an ihrer Stelle gethan haben würde. Die Leute, die ihnen, trotz aller empfangenen Wohlthaten und trotz der früheren freundlichen Aufnahme, vorsätzlich Böses zugefügt und im Begriff gewesen waren, dem alten Häuptling der Insel sein liebstes Kind zu stehlen, strafte man nicht allein nicht, als man sie in Händen hatte, sondern man nahm sie sogar als gleichberechtigt mit den übrigen Bewohnern des Landes auf, gestattete ihnen den Besitz von Grund und Boden, und ließ sie unmittelbar in die Familien des Landes eintreten.



Es ist wahr, der erste Antrag einzelner Häuptlinge hatte dahin gelautet, kurzen Prozeß mit ihnen zu machen und die Gefangenen das büßen zu lassen, was der Capitain oder Häuptling derselben verbrochen, wie diese Stämme auch fast immer ihre Kriegsgefangenen tödten. Toanonga aber, neben seiner angeborenen und natürlichen Gutmüthigkeit, war klug genug gewesen, auf einen Ausweg zu sinnen, durch den er die Gefangenen und ihre Kräfte für die Insel verwerthen konnte. Was hätte er oder einer der anderen Insulaner davon gehabt, wenn man die Weißen vor den Kopf schlug oder in die See warf? – gar nichts. Die letzten Kriege hatten ihnen dagegen mehr waffenfähige Männer gekostet, als die kleine Insel entbehren konnte, und jetzt halfen sie sich mit den Fremden so gut, wie sie eben konnten und so weit diese reichten.



Mit dieser Aufnahme in ihren Staats- und Familienkreis war aber auch jeder Haß, jedes Gefühl der Rache oder Feindseligkeit gegen die Fremden aus ihrem Herzen geschwunden. Es waren eben keine Fremden mehr, denn sie gehörten von da an mit zu Monui so gut wie einer der dort Geborenen.



Ähnliches findet man fast unter allen wilden Stämmen, die sehr häufig einzelne aus ihren Kriegsgefangenen, während sie die übrigen mit durchdachter Grausamkeit zu Tode martern, zurückbehalten und mit der größten Herzlichkeit in ihre Familien als Söhne aufnehmen.



Anders betrachteten dieses allerdings die Matrosen, die sich durch solche gezwungene Heirathen auf das schlimmste mißhandelt glaubten. Legs verlangte auch von den Übrigen, als die Eingeborenen ihre Versammlung aufgehoben und die Papalangis sich selber überlassen hatten, daß sie sich gemeinschaftlich solchem Urtheilsspruch widersetzen sollten. Waffen hätten sie dabei wohl auch bekommen können, sobald sie nur in des alten Toanonga Hütte einbrachen. In der ersten Überraschung wäre ihnen das jedenfalls gelungen, und dort wurden, wie sie von früher wußten, eine Anzahl von Beilen und Keulen aufbewahrt.



Hiergegen, als ein ganz wahnsinniges Unternehmen, das jedenfalls den Untergang Aller zur Folge haben mußte, stimmte aber Mac Kringo, von Spund und Jonas unterstützt, auf das entschiedenste, und da Lemon und Pfeife ihren Zustand ebenfalls noch nicht so unerträglich fanden, um gleich zu einem so verzweifelten Mittel zu greifen, so wurde Legs vollständig überstimmt.



Die Ceremonie nahm indessen ihren Anfang und wurde, trotzdem, daß man mit den Fremden nicht eben viel Umstände nöthig glaubte, doch ziemlich feierlich betrieben.



Hier zeigte sich auch wieder die Gutmüthigkeit der Insulaner. Diese wußten natürlich, daß die Weißen als Schiffbrüchige an ihre Insel gekommen waren und gar nichts zum Leben Nöthiges gerettet hatten, und brachten ihnen jetzt eine Menge Geschenke, um sie zu ihrem neu zu errichtenden Haushalt auszustatten: Tapa zum Kleiden und starke Matten zum Schlafen, Fischer-Geräthschaften und sogar Waffen, wie Keulen und Bogen und Pfeile, um bei einem möglichen Angriff eines Feindes in die Reihen der Krieger mit eintreten zu können.



Als die Fremden nun mit allem ausgerüstet waren, was sie zu ihrem anständigen Erscheinen unter den Insulanern gebrauchten, denn um ihre Lebensbedürfnisse durften sie keine Sorgen haben, versammelten sich, wie es schien, fast alle Bewohner der Insel, um an der Festlichkeit Theil zu nehmen. Die sieben Bräute waren schon in das für die Trauung bestimmte Haus abgeholt, und Toanonga, an der Spitze seiner Egis, winkte die Fremden heran und überlieferte ihnen, mit einigen mahnenden Worten, sich gut zu betragen und ihrem neuen Vaterlande Ehre zu machen, ihre künftigen Frauen, die sich dann aber augenblicklich wieder in ihre verschiedenen Wohnungen zurückzogen. Den Fremden dagegen wurde bedeutet, zurückzubleiben, um an einem

Cava

-Fest – der Hauptsache bei der ganzen Feierlichkeit – Theil zu nehmen.



Diese

Cava

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  Die

Cava

 ist die Wurzel einer pfefferartigen Pflanze (auf den übrigen Inseln Ava genannt), aus der ein gährendes und besonders bei festlichen Gelegenheiten benutztes Getränk bereitet wird. Nur die Art der Zubereitung ist für den nicht daran Gewöhnten widerlich und abschreckend, indem die Wurzeln von den daran Theil nehmenden Eingeborenen gekaut und dann in eine Schüssel gelegt werden, wo man sie nachher mit Wasser übergießt. Dieses Wasser, nachdem es den Saft aus den Wurzeln gezogen hat, wird als eine Delicatesse getrunken.



-Partie schien auch erst die vorhergegangene einfache Formalität der Heirath zu bestätigen und zu kräftigen; denn dadurch, daß die Häuptlinge es der Mühe werth hielten, eine solche anzuordnen und die Fremden daran Theil nehmen zu lassen, heiligten sie den eben geschlossenen Bund, der jetzt ohne Toanonga's Bewilligung nicht wieder gelöst werden konnte.

 



Einen schweren Stand hatten die Seeleute aber erst noch bei dem

Cava

-Fest, denn die Bereitung dieses Trankes kannte Keiner von ihnen, nicht einmal Mac Kringo. Pfeife besonders, als er merkte, was dort vorging, wurde steinübel, und Legs wollte schon aufspringen und hinauslaufen. Der Schotte aber, der sich leicht denken konnte, daß etwas Derartiges von den jetzt nur freundlich gesinnten Eingeborenen als die größte Beleidigung angesehen werden würde, bewog sie mit großer Mühe, sitzen zu bleiben und auch dieses noch über sich ergehen zu lassen. Später konnten sie ja solchen Einladungen schon weit eher ausweichen. Spund stimmte ihm darin auch vollkommen bei, und während die Anderen, als die Schale an sie kam, nur so thaten, als ob sie schluckten, nahm er, seinen Willen und Gehorsam zu zeigen, einen langen und herzhaften Schluck.



Das sollte er aber schwer büßen. Kaum hatte er die Mischung hinunter, als sich ihm der Magen gewaltsam umdrehte, und er mußte, unter dem Gelächter der Eingeborenen, von seinen Kameraden hinausgeschafft werden.



Damit war indessen auch jedem Anspruch, den die Egis noch an sie machen konnten, Genüge geleistet. Während die Insulaner noch bei ihrer Cava-Partie blieben, deren Freuden sie sich oft bis in später Nacht hingeben, wurden die Seeleute, jetzt jeder Aufsicht und Überwachung enthoben, von jungen Leuten in die ihnen zugewiesenen Wohnungen abgeführt und durften sich von dem Augenblick an als Bürger von Monui betrachten.



Der Schooner

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Die Brotfrucht war zum zweiten Male gereift, und die Bäume standen mit diesem wunderbaren Geschenk beladen, das ein gütiger Himmel den glücklichen Bewohnern jener Inseln gespendet. Überall auf Monui herrschte Überfluß, und die leichtherzigen Eingeborenen hätten jeden Tag als Fest feiern können. Das rege, thätige Leben auf der Insel galt aber einem andern Zweck, und nicht zu Lust und Frieden sammelten sich die Männer in häufigen Berathungen und suchten aus allen Ecken die fast vergessenen Waffen wieder hervor.



Was hilft den Menschen ein Paradies, wenn sie darin nicht ihre Leidenschaft zähmen können! Was hilft ihnen der Überfluß an allem zum Leben Nöthigen, wenn sie sich mit dem, womit Gott sie in so reichem Maaße überschüttet, nicht begnügen können oder wollen! Die Südsee-Inseln sind uns darin ein lebendiges Beispiel. Hier bringt die Natur alles hervor, was der Mensch zum Leben braucht. Ohne Arbeit, ohne Anstrengung, von einer wundervollen Scenerie umgeben, in ihrem Familienleben glücklich, von Krankheiten wenig heimgesucht, könnten diese Menschen ein wahrhaft glückliches Dasein führen – wenn sie eben den Anderen das gönnten, was sie selber so reichlich besitzen. Selbst in diesem reizenden Lande schlummern aber die Leidenschaften nicht, und Herrschsucht, Ehrgeiz und Aberglauben lassen sie das nicht friedlich genießen, wonach sie in ihrer unmittelbaren Umgebung nur die Hand auszustrecken brauchten, um es zu erreichen.



So hatten auch die Bewohner von Monui fast zwei Jahre in Frieden mit den Nachbar-Inseln gelebt. Kaum aber waren die Wunden der letzten Kämpfe oberflächlich verharrscht, als sie des ruhigen Lebens schon wieder überdrüssig wurden.



Von Hapai aus war ihnen bis jetzt nämlich, einem alten Abkommen nach, ein jährlicher, höchst unbedeutender Tribut von Gnatu

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  Das aus einer Art Baumrinde bereitete und gedruckte Zeug. Das ungedruckte heißt Tapa.



 und Cava-Wurzeln bezahlt worden, und das Ganze mehr eine Form gewesen, als daß sie je einen wirklichen Nutzen davon gehabt. Diesen Tribut hatten die Hapai-Insulaner in diesem Jahre nicht bezahlt, und auf eine Mahnung deshalb die Bewohner von Monui wissen lassen, sie hielten sich nicht mehr für daran gebunden. Das Ganze betraf auch in der That nur eine religiöse Ceremonie, die auf Monui schon lange abgeschafft worden. Wie das aber mit alten Verpflichtungen manchmal so geht, waren diese Geschenke noch eine Zeit lang beibehalten, bis es die Hapai-Leute selber müde wurden.



Monui allein hätte mit ihnen auch keinen Krieg anfangen können, das wußten sie recht gut; jetzt aber, da der tapfere

Tai manavachi

 Toanonga's Schwiegersohn geworden war, beschlossen die Egis oder Häuptlinge, dessen Hülfe in Anspruch zu nehmen und mit Speer und Keule das einzutreiben, zu dessen Besitz sie sich berechtigt glaubten. Ihrer Meinung nach war es ihnen zur Ehrensache geworden, die paar Kleinigkeiten nicht aufzugeben; was kümmerte es sie, daß sie um ein paar Stück Gnatu und einen Korb voll Wurzeln den Frieden ihres Landes und ihr Familienglück in die Schanze schlugen!



Möglich ist dabei, daß sie durch die Verstärkung der sechs Papalangis auf ihrer Insel noch mehr in ihrem kriegerischen Entschluß bestärkt wurden. Von einem Wallfischfänger, der vor einigen Monaten bei ihnen angelegt, hatte Toanonga zugleich mit einigem Handwerkszeug auch mehrere Musketen und Munition dazu eingehandelt, und allerdings konnten ihm da die Weißen, die mit solchen Waffen ordentlich umzugehen wußten, eine wichtige Hülfe leisten. Als jenes Schiff anlegte, wußte der alte schlaue Häuptling, außer dem Schotten, alle seine Gefangenen fern davon zu halten. Er ließ auch gar kein Boot ans Ufer, sondern trieb den Tauschhandel, nur von Mac Kringo begleitet, durch seine Canoes.



So wurden denn jetzt auf Monui die Kriegsrüstungen mit möglichstem Eifer betrieben, und ein Canoe war schon an

Tai manavachi

 abgeschickt worden, ihn zu einer bestimmten Zeit nach Hapai zu bestellen, auf welche Insel sie ihre Angriffe vereint machen wollten. Die sechs Europäer hatten indeß ihre Wohnungen auf Monui so zerstreut angewiesen bekommen, daß sie einander nur selten zu sehen bekamen. Mac Kringo und Lemon behielt Toanonga jedoch, wie schon früher erwähnt, in seiner Nähe. Mac Kringo lebte überhaupt dabei am unabhängigsten, da er sich wohlweislich für einen Egi seines Schiffes ausgegeben.



In der That hätte er auch mit dem neulich dort angelaufenen Wallfischfänger wieder in See gehen können; denn so bald er es verlangt, würde ihn der Capitain schwerlich ausgeliefert haben. Einesteils mochte er aber die Kameraden nicht im Stich lassen, und anderntheils war ihm das bequeme, müßige Leben am Lande noch viel zu neu, um es gleich wieder mit der harten Arbeit am Bord eines Wallfischfängers zu vertauschen. In den letzten Monaten aber, und besonders seit er erfahren, daß sie sich alle mit an einem Kriegszuge betheiligen sollten, bei dem sie nicht das mindeste Interesse hatten und ihr Leben um nichts aufs Spiel setzen mußten, fing er doch an, sich wieder hier fort zu sehnen, und bereute schon, die letztgebotene Gelegenheit nicht benutzt zu haben.



Alle Matrosen machen es so, besonders die in der Südsee kreuzenden. So lange sie an Bord sind, verwünschen sie ihr Schicksal, fühlen eine ungeheure Sehnsucht nach festem Lande und benutzen regelmäßig die erste, beste Gelegenheit, zu desertiren. So wie sie aber eine Weile auf dem festen Lande gelebt haben, auf das sie sich vorher so sehr gewünscht, wird ihnen die Sache langweilig, und sie ruhen nicht, bis sie wieder das Deck eines Fahrzeuges unter den Füßen fühlen.



Mac Kringo besonders hatte sich in der letzten Zeit viel mit allerlei Planen zu ihrer Flucht beschäftigt, die aber jetzt viel schwieriger auszuführen schienen, als je. Da die Insulaner nämlich einen Überfall auf Hapai beabsichtigten, und die Drohung, den Tribut von dort gewaltsam einzufordern, schon hinüber gesandt hatten, mußten sie auch von daher ein Gleiches fürchten, und bewachten deshalb alle Landungsplätze Tag und Nacht auf das Sorgfältigste. Wie sollte da ein Canoe unbemerkt, unverfolgt entkommen?



Der Schotte gab übrigens deshalb die Hoffnung nicht auf, und war ziemlich fest entschlossen, die erste passende Gelegenheit zu benutzen. So schlenderte er eines Tages durch die Berge der nicht sehr großen aber wunderschönen Insel, und zwar in der Absicht, den höchsten Gipfel ihrer Anhöhen zu besteigen und von dort aus zu schauen, ob er nicht in irgend einer Richtung hin eine andere Insel erkennen könne. Gelang es ihnen nur, auf eine solche zu entkommen, wo sie nicht mehr als gekaufte Gefangene betrachtet wurden, so durften sie von dort auch weit eher hoffen, entweder von einem Schiff erlöst zu werden oder vielleicht in einem Canoe Neuseeland oder Australien zu erreichen.



Der Schotte konnte seinen Weg ziemlich ungehindert verfolgen, denn Monui war noch nicht so durch die aus Brasilien nach diesen Inseln gebrachten Guiaven-Büsche überwuchert worden, wie es einige der Gesellschafts-Inseln sind. Die schlanken Palmen und andere hochstämmige Waldbäume hielten hier das kleine Holz noch ziemlich unter, und die Wälder in der Nähe des Strandes waren verhältnißmäßig licht. Erst auf den Höhen wurden die Büsche dichter, und als Mac Kringo einmal die verschiedenen Anpflanzungen von süßen Kartoffeln und Yams im Rücken hatte, mußte er sich schon sorgfältiger seinen Weg suchen.



Da hörte er plötzlich, in nicht gar weiter Entfernung von sich, die regelmäßigen Schläge eines Beils, denen er eine Weile horchte, denn er hatte keine besondere Lust, hier mit einem Eingeborenen zusammen zu treffen. Das anhaltende Arbeiten des Holzhackenden überzeugte ihn aber bald, daß das kein Indianer sei, und ziemlich erfreut, einen seiner Kameraden da zu finden, drängte er sich rasch durch das Gebüsch der Richtung zu, von der das Geräusch herüber tönte.



Er hatte sich auch nicht geirrt; denn vorsichtig aus einem kleinen Dickicht herausschauend, erkannte er bald seinen früheren Kameraden Jonas, und zwar emsig beschäftigt, einen starken, hochstämmigen Baum zu fällen.



„Hallo! Jonas!“ rief er ihn endlich an, nachdem er dem Eifrigen eine kleine Weile zugeschaut, „du arbeitest ja, als wenn du die Geschichte im Accord hättest.“



„Lord Douglas! so wahr ich lebe!“ rief der Matrose erfreut, indem er seinen alten Kameraden erkannte. „Wo kommst du her, mein Bursche? Es ist eine halbe Ewigkeit, daß wir einander nicht gesehen haben, und es thut dem Auge ordentlich wohl, eine weiße Haut unter diesen Rothfellen zu treffen. Jetzt kann man doch wieder einmal ein vernünftiges Wort Englisch sprechen, denn die Zunge habe ich mir schon fast mit dem Radebrechen ihrer vermaledeiten Sprache abgedreht.“



„Aber du siehst gut aus!“ rief ihm der Schotte entgegen. „Das Leben als glücklicher Familienvater scheint dir vortrefflich zu bekommen! Wie befinden sich die jungen Jonasse?“



Der Matrose antwortete mit einem lästerlichen Fluche.



„Da kannst du auch noch lachen?“ setzte er dann hinzu, „aber es ist wahrhaftig ein Scandal, einem ehrlichen Christenmenschen eine solche dunkelbraune Ehehälfte und ein Nest voll junger Heiden aufzuhängen. Verdammt will ich sein, wenn ich das diesem alten, wackeligen Toanonga nicht gedenke.“



„Hast du nichts von Legs gehört?“ fragte der Schotte.



Jonas lachte.



„Das ist das Einzige, was mich noch tröstet,“ schmunzelte er mit einem breiten Grinsen über das Gesicht: „der großmäulige kleine Bursche ist noch schlimmer angekommen als wir.“



„Und wie verträgt er sich mit seinen Frauen? Er muß ja doch in deiner Nähe wohnen?“



„Ja wohl, unsere beiden Häuser stehen kaum fünfhundert Schritt aus einander,“ lachte Jonas, „und ich habe in der ersten Zeit immer ganz genau hören können, wenn er sich mit seiner Familie unterhielt.“



„Und jetzt nicht mehr?“



„Jetzt haben sie ihn unter. Die ersten Wochen prügelte er seine Frauen abwechselnd, und, wie ich glaube, nach jeder Mahlzeit, wahrscheinlich um sich etwas Bewegung zu machen. Das bekamen sie aber bald satt, und nahmen sich Hülfstruppen ins Haus. Ein ganzer Schwarm Vettern und Basen, und was weiß ich, wer sonst noch! quartierte sich bei ihm ein und zehrte von ihm, und als er die eines schönen Morgens hinauswerfen wollte, fielen sie über ihn her und prügelten ihn, von den beiden Frauen redlich dabei unterstützt, windelweich. Ich hörte den Lärm und lief hinüber; da man sich aber nicht in fremde Familienstreitigkeiten mischen soll, störte ich sie auch nicht in ihrem Vergnügen und ging wieder zu Hause. – Was macht denn Lemon?“

 



„Lemon,“ sagte der Schotte, „kommt aus dem grimmigsten Ärger gar nicht heraus, aber nur deshalb, weil es ihm so gut geht, und er gar nicht weiß, worüber er vernünftiger Weise schimpfen könnte. Er hat mir noch heute Morgens versichert: er wollte lieber auf dem schmierigsten Wallfischfänger Tag und Nacht Thran auskochen, ehe er noch acht Tage auf der Insel bliebe.“



„Und wenn wir heute wieder an Bord säßen, wäre er der Erste, der sich fortwünschte. Weißt du nichts von Pfeife?“



„Keine Silbe. Seit sechs Monaten, glaube ich, habe ich den mit keinem Auge gesehen.“



„Und wo steckt Spund?“



„Spund wohnt auch eine Strecke von uns entfernt, kommt aber doch manchmal hinauf, da er für den Alten zu arbeiten hat. Er beschäftigt sich übrigens jetzt eifrig mit der Bekehrung seiner Familie, die er absolut zu Christen machen will, und behauptet: der liebe Gott hätte ihn nur zu dem Zweck auf die Insel gesetzt, den Heiden das Evangelium zu bringen. Auch mit dem alten Toanonga hat er schon ein paar Versuche gemacht, der ist aber so zäh wie Leder und läßt sich auf nichts ein. Wie das Schiff neulich da war, ruhte Spund sogar nicht eher, als bis ich ihm eine Bibel von Bord mitbrachte.“



„Ein Schiff war da?“ rief Jonas erstaunt, „und davon haben wir kein Wort erfahren?“



„Ja, der Alte hat sich wohl gehütet, daß Ihr's gewahr wurdet!“ lachte der Schotte. „Die Boote durften nicht einmal an's Land, womit der Capitain auch vollkommen einverstanden schien; denn er fürchtete wahrscheinlich, daß ihm welche von seinen Leuten durchbrennen würden. Lemon ist übrigens mit dem Schiff der schlimmste Streich passirt, denn er hat Schmiedewerkzeug gekriegt, und soll nun arbeiten und kann nicht. Das Einzige, was er mit Mühe und Noth fertig bringt, sind Pfeilspitzen, die er gar kläglich aus Nägeln zurecht hämmert.“



„Hör' einmal, Lord Douglas,“ sagte er da, nachdem er eine Weile stillschweigend vor sich hingesehen, „ich glaube doch beinahe, daß wir damals mit dem – mit dem Feuer, du weißt schon – einen dummen Streich gemacht!“



„Je weniger wir dann davon reden, desto besser ist's,“ meinte der Schotte, „denn geschehene Dinge sind nun einmal nicht zu ändern. Was hatten wir denn auf dem blutigen Blubberkasten, daß wir nicht, wenn wir's hier einmal satt bekommen, auf jedem anderen Schiffe eben so gut wiederfinden?“



„Das ist schon wahr, und wenn wir's hätten haben können, wie wir's uns im Anfang gedacht, wär' ich der Letzte, der die Veränderung bereute; aber gleich als Versorger von einer Frau und vier Kindern hingestellt zu werden, das heißt die Häuslichkeit doch ein Bißchen übertreiben. Wer steht uns außerdem dafür, daß wir nicht, wenn ihnen hier wieder ein halb Dutzend Ehemänner wegsterben, vielleicht noch Jeder ein oder zwei Frauen zugelegt bekommen, und dann sieh Legs an, wie's dem jetzt geht! – Hast du denn schon von dem neuen Kriegszug gehört?“



„Gewiß; sie rüsten schon mit aller Macht, und die Geschichte wird nächstens losgehen.“



„Na, ja,“ sagte Jonas, „und wir sollen auch dabei sein und unsere Haut zu Markte tragen; das ist aber gegen den Contrakt, und ich müßte mich sehr irren, wenn ich nicht gerade in der Zeit sterbenskrank würde.“



„Hallo! ein Segel!“ rief da Mac Kringo plötzlich, der, während Jonas sprach, durch die Büsche hin auf das Meer hinausgesehen hatte. „Das Weiße dort drüben muß ein Segel sein!“



„Gewiß ist das ein Segel!“ bestätigte Jonas, nachdem er eine Weile – seine Augen mit der Hand gegen die Sonne schützend – nach der angedeuteten Richtung hinausgeschaut hatte.



„Das muß aber noch weit sein, denn es kommt mir so klein vor. Kannst du ausmachen, nach welcher Richtung es steht?“



„Spitz jedenfalls, und am Ende nach uns zu, denn wenn es hier vorbeigesegelt wäre, hätten wir es schon früher sehen müssen. – Das kann auch kein Wallfischfänger sein, man kann ja den ganzen Rumpf erkennen, und doch zeigt er nicht viel Segel.“



„Am Ende ist das einer der kleinen Schooner,“ sagte der Schotte, „die zwischen den Inseln herumkreuzen und Cocosöl und Perlmutterschalen eintauschen. Das wäre am Ende eine Gelegenheit, von hier fortzukommen.“



„Aber wer weiß, wie wir es nachher finden?“ meinte Jonas, „und solche kleine Fahrzeuge haben auch selten viel Platz an Bord. Ja, wenn man wüßte, daß man damit nach Australien könnte! Dort soll ein tüchtiger Arbeiter in ein paar Jahren ein reicher Mann werden.“



„Auf einen Wallfischfänger gehe ich nicht wieder, so viel weiß ich,“ sagte der Schotte; „hol' der Teufel das Hundeleben, die Pferdearbeit, und die Capitaine, die wahrhaftig gar nicht wissen, wie sie einen armen Teufel von Matrosen nur genug quälen und schinden sollen!“



„Wahrhaftig, das Schiff hält gerade auf uns zu!“ rief jetzt Jonas, der indessen keinen Blick von dem fernen Segel verwandt hatte. „Hinunter möchte ich doch jedenfalls, wenn es vielleicht ein Boot ans Land schickte.“



„Hör einmal, Jonas, ich will dir was sagen,“ meinte der Schotte, nachdem beide eine Weile schweigend das ansegelnde Fahrzeug betrachtet hatten. „Wozu ich selber Lust habe, weiß ich in dem Augenblicke selbst noch nicht, und um zu einem Entschluß zu kommen, muß man natürlich doch erst wissen, was das für ein Fahrzeug ist und wohin es geht. Jedenfalls wollen wir aber unten in der Nähe sein, wenn es wirklich landet oder wenigstens ein Boot herüberschickt; denn in die Corallenriffe wird es sich keinesfalls hereingetrauen. Wann glaubst du, daß es heran sein kann?“



„Heute Abend kaum mehr,“ sagte Jonas, „der Wind ist fast ganz eingeschlafen, und es kann nur langsam vorwärtsrücken. Hat es übrigens Lust, Monui anzulaufen, so können wir uns fest darauf verlassen, daß es morgen früh mit Tagesanbruch vor den Riffen liegt.“



„Gut, dann sei du morgen, gleich nach Tagesanbruch, unten bei Toanonga; eine Ausrede wirst du schon finden; bringe aber Legs mit, denn es ist am Ende besser, daß wir so viel als möglich von uns beisammen sind.“



„Wenn wir nur wüßten, wo Pfeife steckt!“



„Den hat der Alte jedenfalls in die Nähe der Canoes gesetzt,“ sagte Mac Kringo, „das Segelwerk derselben in Ordnung zu bringen, und Spund wird dort wohl mit ihm zusammengekommen sein. Spund sehe ich aber jedenfalls heute Abend, denn Toanonga hat ihn hinbestellt, etwas mit ihm zu besprechen.“



„Verstehen sie denn einander?“



„Vortrefflich! Spund, in der festen Überzeugung, daß er die Leute hier bekehren muß, hat das Unglaubliche geleistet und spricht die Sprache schon fast so gut wie ich; dem Alten wird er aber langweilig, weil er ihn nie zufrieden läßt.“



„Seit wann ist denn da die Frömmigkeit bei ihm zum Durchbruch gekommen?“



„Ach, du weißt ja,“ lachte der Schotte, „daß er uns schon immer am Bord Predigten gehalten hat; es ist einmal seine schwache Seite. Aber ich will machen, daß ich wieder hinunter komme, denn er möchte früher dort sein, und ich finde ihn nachher nicht mehr.“



„Wird aber der Alte nichts merken, wenn wir dort alle zusammentreffen?“ fragte Jonas.



„Hm!“ meinte der Schotte, „besser ist es freilich, wir lassen uns nicht gleich alle zusammen sehen, wenn wir nur in der Nähe sind. Legs mag deshalb auf die Landspitze hinaus gehen, wo wir damals die Woche gesessen haben, und dorthin soll Spund auch Pfeife schicken, wenn er ihn auftreiben kann. Wir Übrigen müssen dann sehen, wie wir uns am besten in der Nähe halten. Wirst du übrigens fortgeschickt, so widersprich nicht, sondern geh' in den Wald hinein, als ob du nach Hause wolltest, und sieh dann zu, daß du ebenfalls unbemerkt zu den Andern auf die Landspitze kommst.“



„Und sollen wir Waffen mitbringen?“



„Wenn es heimlich geschehen kann, ja! Man weiß nie, was vorfällt; die Eingeborenen gehen ja auch jetzt alle schwer bewaffnet umher; aber je weniger ihr euch damit sehen laßt, desto besser ist es.“



„Gut, das wäre also abgemacht. Auf Wiedersehen morgen! Hol's der Teufel! e