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Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen

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3

Die Leute waren über diese Ankündigung, die ihnen Mac Kringo gewissenhaft übersetzte, allerdings etwas bestürzt. Daß sie erst noch einem Gericht der Egis unterworfen werden sollten, hatten sie nicht mehr geglaubt. Wer wußte denn, was diese über sie beschließen würden? und daß ihnen nicht alle Insulaner so freundlich gesinnt und auch nicht so gutmüthig waren, wie der alte Toanonga, hatten sie lange schon gemerkt.

Übrigens wurden sie bald gewahr, wie die Ausführung der Anordnung auf dem Fuße folge; denn kaum hatte der Häuptling sie verlassen, als sich ein junger Bursch ihnen als Begleiter vorstellte, sie nach ihrem vor der Hand einzunehmenden Hause oder Gefängniß abzuführen. Daß sie ihm gehorchen mußten, verstand sich von selbst.

Merkwürdig blieb aber dabei wie sehr sie von den übrigen Eingebornen ignorirt wurden. Man that vollkommen, als ob sie gar nicht auf der Insel seien, und während die Männer, die ihnen auf dem schmalen Pfade begegneten, über sie hinweg in die Wipfel der Cocospalmen starrten, gerade als wenn sie dort in diesem Augenblick etwas höchst Interessantes entdeckt hätten, glitten die Mädchen und Frauen und Kinder, die sie unterwegs trafen, scheu in das Dickicht, drückten sich dort hinter einen Busch oder Stamm und ließen sie ungegrüßt vorüber ziehen.

Alle die frohen und leichtherzigen Hoffnungen, die ihnen das Frühstück gebracht, zerstörte denn auch dieses unheimliche Betragen wieder. Sie kamen sich vor wie Ausgestoßene, Verfehmte, die Jeder mied, und still und schweigend wanderten sie zuletzt ihre Bahn, dem etwa eine halbe Stunde Wegs entfernten Orte ihrer Bestimmung entgegen.

Der Platz dort gefiel ihnen aber gar nicht. Eine schmale, an manchen Stellen kaum zwanzig Schritt breite Landzunge – eigentlich nur ein mit Vegetation bedeckter Corallenstreifen – lief zu dem Platz aus, auf dem eine alte, halb verfallene Bambushütte stand, und wenn die Eingeborenen wirklich etwas Böses gegen sie im Sinne hatten, waren sie dort ohne Waffen, ohne Boot, vollständig in ihre Hände gegeben.

Daran ließ sich aber nichts mehr ändern, der Befehl lautete: sie dort abzuliefern, oder vielmehr sie dort sich selber zu überlassen, und der Erfolg bewies, wie klug der alte Toanonga die Stelle ausgewählt. Eine einzige Schildwacht nämlich, auf den schmalsten Theil der Landzunge postirt, konnte jede ihrer Bewegungen überwachen, und daß sie sich dieser nicht mit Gewalt widersetzen durften, wußten sie recht gut.

So vergingen ihnen acht volle Tage, in denen die Langeweile sie bald umbrachte. Der alte Häuptling hatte ihnen allerdings ein paar hölzerne Harpunen geschickt, um sich ihre Fische selbst damit zu fangen, und ein altes, sehr kleines Canoe war ihnen ebenfalls gegeben worden. Der Raum aber, in dem sie umherfahren konnten, blieb immer sehr beschränkt, da ein bis an die Oberfläche steigender Corallengürtel die ganze Landzunge einfaßte. Übrigens wußten sie mit der leichten Harpune nicht ordentlich umzugehen und fingen wenig oder gar nichts damit.

Nichts desto weniger litten sie keinen Mangel, denn jeden Morgen brachten ihnen ein paar Eingeborene Brotfrucht und Cocosnüsse, mit denen sie sich freilich vor der Hand begnügen mußten. Die aber, die ihnen die Lebensmittel ablieferten, ließen sich auf gar keine Unterhaltung mit den Gefangenen ein. Die von Mac Kringo an sie gerichteten Fragen beantworteten sie kurz oder gar nicht, und nur das eine Wort mawquaw – „wartet!“ hörten sie alle Tage.

Die Eingeborenen hatten allerdings in der Zeit mehr zu thun, als sich mit den gefangenen Europäern einzulassen. Die Verbindung Hua's mit Tai manavachi wurde gefeiert – wie Mac Kringo doch herausbekommen hatte – und das Cava-Trinken beschäftigte sie fast ausschließlich den ganzen Tag. Der Lärm ihrer Tänze und Sänge schallte auch oft, von der Brise getragen, bis zu den armen Gefangenen herüber; das war aber auch alles, was sie von der Feierlichkeit genossen, denn die weißen Tuas24 durften nicht Theil nehmen an einem Feste des ersten Häuptlings.

Am neunten Tage Morgens war Alles vorüber, und Tai manavachi führte seine junge Frau auf seiner kleinen Flotte mit hinweg, der eigenen Heimat zu. Die Insulaner gaben ihnen noch eine lange Strecke das Geleit; dann kehrten sie zurück, und es war jetzt plötzlich so still auf Monui geworden, daß die sonst so lebendige Insel fast wie ausgestorben schien.

Um Mittag herum waren die jungen Leute allerdings schon wieder zurückgekehrt, aber bei den Matrosen ließ sich Niemand blicken als ihr gewöhnlicher Bote, der die Lebensmittel brachte.

Spund, vor allen Anderen, war damit nun allerdings vollkommen einverstanden. Er lag den ganzen Tag im Schatten einer mächtigen, unfern von ihrer Hütte wachsenden Cocospalme, seinen Platz nur eben so viel verändernd, wie sich die Sonne drehte. Auch Jonas und Lemon schienen sich in diesem Leben wohl zu fühlen. Mac Kringo dagegen verlangte es nach einer Beschäftigung, und während er die Morgenstunden darauf verwandte, meist verunglückte Versuche im Fischfang zu machen, benutzte er den Nachmittag, ein Kartenspiel aus Holz zu fabriciren. Er hatte nämlich eine Holzart dort gefunden, die sich ziemlich leicht spaltete, und war mit wahrhaft eiserner Geduld daran gegangen, mit seinem Taschenmesser, an dem sich eine kleine Säge befand, einen Stamm abzuschneiden und dünne Scheiben davon herzurichten. Wenn die Sache auch außerordentlich langsam ging, war es für ihn doch eine Beschäftigung und versprach später sogar eine Unterhaltung.

Legs hatte ihm im Anfange aufmerksam zugesehen. So lange er selber nichts zu thun brauchte, war es ihm recht, wenn ein Anderer arbeitete. Endlich aber bekam er auch selbst das Zusehen satt, nahm eine Harpune und schlenderte langsam hinaus, den Strand entlang.

Dort versuchte er allerdings erst eine Weile, ein paar der in dem krystallklaren Wasser umherschwimmenden Fische zu harpuniren; im tiefen Wasser überstach er sie aber jedes Mal, und im seichten stieß er die Harpune so oft und vergebens gegen die harten Corallen, daß er bald die beinernen, überdies nicht sehr dauerhaften Spitzen abgebrochen hatte, das unnütze Holz dann zu Boden und sich selber unter einen breitästigen Pandanusbaum warf, den Sonnen-Untergang hier in aller Ruhe abzuwarten.

Eine halbe Stunde mochte er etwa so gelegen haben, und er fing schon an schläfrig zu werden. Die Augenlider wurden ihm schwer, und er war eben im Begriff, wirklich einzuschlafen, als er unfern von sich und schon halb träumend etwas auf dem Wasser plätschern hörte.

There she blows, murmelte er halblaut vor sich hin, denn im Geist saß er oben im Top vom Vormast auf der Lucy Walker, nach Wallfischen ausschauend, und das Plätschern kam ihm wie das Blasen der Fische vor. Da es sich jedoch wiederholte, wurde er auch endlich wach, schlug die müden Augen auf und sah plötzlich, kaum hundert Schritt von sich entfernt, eines der wunderhübschen Tonga-Mädchen auf den Corallen im Wasser stehen.

Der ganze weibliche Theil der Bevölkerung hatte sich nun bis jetzt – den Befehlen des Häuptlings nach – so fern von den Papalangis gehalten, daß ihnen die ganzen neun Tage hindurch keine einzige nur in Sicht gekommen. Um so mehr wunderte sich jetzt Legs, eine von ihnen so ganz in der Nähe, und zwar auf dem den Weißen angewiesenen Fischgrunde zu sehen.

Das Mädchen erweckte aber auch noch außerdem seine Neugierde, was sie dort eigentlich treibe, denn sie stand in dem seichten Wasser, das ihr bis über die Knie ging, vollkommen ruhig, und schlug nur manchmal mit der rechten, flachen Hand darauf, daß es weit hinausschallte. – Auf solche Art konnte sie doch keine Fische fangen.

Nun war ihnen allerdings streng untersagt worden, mit den Eingeborenen, besonders mit den Frauen, zu verkehren, wenn die aber selber zu ihnen kamen, glaubte Legs auch keiner Verantwortung unterworfen zu sein. Jedenfalls hatten sie die Erlaubniß, dort, wo sich die Dirne befand, zu fischen, und wenn er davon Gebrauch machte und das Mädchen da draußen zufällig fand, war es nicht seine Schuld. Froh auch, etwas gefunden zu haben, die langweiligen Stunden rascher zu vertreiben, griff er die weggeworfene und jetzt vollkommen nutzlose Harpune wieder auf, um die Waffe wenigstens als Beweis seiner Beschäftigung bei sich zu haben, glitt dann unter seinem Baume vor und langsam in das seichte warme Wasser hinein und nahm jetzt eine solche Richtung, daß er dem Mädchen da draußen, wenn sie wieder zum Ufer zurück wollte, leicht den Weg abschneiden konnte. Er glaubte nämlich, daß sie nur hier herausgekommen wäre, weil sie keinen der Fremden in der Nähe vermuthet hätte.

So wenig als möglich Geräusch machend, näherte er sich dabei langsam dem jungen Ding, das viel zu sehr da draußen beschäftigt schien, um auf irgend etwas Anderes zu achten. Der Boden aber, auf dem er ging, war nicht eben. Die Corallen bildeten allerdings hier einen ziemlich festen, bei niederem Wasser etwa zwei Fuß tiefen Grund; hier und da waren aber doch durch ihre Verzweigungen nicht ausgefüllte Löcher geblieben. Legs watete dort hinaus, achtete aber mehr auf das Mädchen als den Grund, auf dem er hinschritt, versah eines von jenen Löchern und schlug so lang – oder vielmehr so kurz er war, aufs Wasser.

 

Etwas bestürzt, raffte er sich allerdings wieder gleich empor und erwartete jetzt nichts Anderes, als die erschreckte Schöne dem Lande zufliehen zu sehen. Das Mädchen aber, das sich nun nach dem Geräusch umgedreht hatte, blieb lachend stehen und schien sich nicht im Geringsten zu fürchten, ja, ihn sogar zu erwarten.

Legs, mit einem Kernfluch über seine eigene Ungeschicklichkeit, ließ sich denn auch nicht lange nöthigen und watete, nur allerdings vorsichtiger geworden, langsam auf die Schöne zu, die indessen ihre wunderliche Beschäftigung ruhig und unbekümmert fortsetzte.

Mit der Sprache der Leute konnte der Matrose nun allerdings noch nicht zu Stande kommen; einzelne Wörter und Benennungen hatte er sich aber doch gemerkt, besonders den Gruß der Insulaner, ihr herzlich klingendes und so oft gehörtes chio do fa, das er auch vor der Hand zur Einleitung für ein weiteres Gespräch verwandte.

Chio do fa, lächelte das hübsche Kind zurück, und Legs, um weitere Vocabeln verlegen, faßte sich endlich ein Herz und fragte auf gut Englisch, was sie da mache.

Das Mädchen, eines der hübschesten der Insel, mit weiter keiner Bekleidung als einer wunderlich geflochtenen, schmalen Matte um die Hüften und einem kurzen Stück Tapa über den Schultern, das die Bewegung ihrer Arme keineswegs beeinträchtigte, schüttelte aber als Antwort nur lachend mit dem Kopf – ein Zeichen, daß sie nicht verstehe, was er sage.

Legs fand jetzt, daß er das Englische aufgeben und sich mehr auf Zeichen beschränken müsse. Deßhalb auf das Wasser deutend und mit der Hand ihre bisherige Bewegung nachahmend, sah er sie dabei so komisch fragend an, daß das junge Ding in fröhlichem Übermuth wieder laut aufjubelte und dabei ein paar Reihen Zähne zeigte, die ihr wie Perlen zwischen den rosigen Lippen lagen. Jedenfalls hatte sie aber verstanden, was er meinte, denn sie nickte ihm freundlich zu und sagte:

Ang-a!

Ang-a – ja wohl,“ brummte Legs vor sich hin – „jetzt bin ich so klug wie vorher. Was ist Ang-a?“

Ang-a!“ wiederholte aber das Mädchen lauter als vorher und wie erstaunt, daß der Fremde nicht wissen solle, was Ang-a sei. Trotzdem schüttelte Legs noch immer bedeutend mit dem Kopf, und da sie wohl merken mußte, daß ihm die so deutlich gegebene Erklärung doch noch immer nicht genüge, setzte sie lächelnd hinzu – „mawquaw!

Das Wort verstand Legs. Die vollen neun Tage hindurch hatten sie das jeden Morgen von dem Burschen gehört, der ihnen das Essen brachte – warte ein wenig! – und als er darauf rasch und befriedigt mit dem Kopfe nickte, drehte sich die Kleine von ihm ab und schlug aufs Neue, wie vorher, das stille Wasser mit der flachen Hand.

Er sah jetzt, daß sie im linken Arm ein kleines Bündel mit Stücken gerösteter Brotfrucht und anderen Lebensmitteln trug – aber wozu? – Wollte sie so lange hier draußen im Wasser stehen bleiben, daß sie sich ihr Mittagsessen gleich mit herausgenommen? – Er war dabei näher zu ihr hinan getreten, und der weiche, elastische Körper des Mädchens, so in Arms Bereich von ihm gebracht, schimmerte ihm so verführerisch aus der leichten Umhüllung entgegen, daß er allen Warnungen zum Trotz seinen Arm langsam ausstreckte und um ihre Taille legte.

Die Insulanerin nahm jedoch nicht die geringste Notiz davon, und Legs war selber so erstaunt über den günstigen Erfolg seiner Kühnheit, daß er ein paar Minuten regungslos in dieser Stellung verharrte, ohne sich natürlich weiter um das zu kümmern, was auf dem Wasser vorging.

Gia-hi!“ sagte da plötzlich die braune Schöne, indem sie ein Stück der Brotfrucht nahm und neben sich ins Wasser warf.

Legs konnte nicht umhin, den Kopf nach jener Richtung zu drehen, denn er sah sich dort plötzlich etwas bewegen. Im nächsten Augenblicke erkannte er aber auch zu seinem Entsetzen die Finne eines gar nicht etwa so sehr kleinen Haifisches, der sich in demselben Moment etwas auf die Seite warf und mit dem geöffneten, bis über die Oberfläche reichenden Rachen das Stück Brotfrucht aufschnappte und verschlang. So nahe war ihnen die Bestie gekommen, daß er sie hätte mit der Hand auf den Kopf schlagen können.

Ang-a!“ lachte das Mädchen noch einmal laut auf, indem sie dem Ungethüm einen neuen Leckerbissen zuwarf.

Ang-a hell!“ schrie aber Legs, der im Todesschreck einen Schritt zurückprallte, denn selbst der beherzte Matrose fürchtet nichts mehr auf der Welt als den Hai, seinen ärgsten Feind. „Das ist ein Hai, bei allem, was da schwimmt!“

Unwillkürlich drückte er sich dabei hinter das kecke, wilde Ding, das sich ein solch gefährlich Spielzeug ausgesucht. Die Insulanerin aber, mit einem schelmischen Blick auf den Fremden, dessen Entsetzen ihr nicht entgangen war, ließ das nächste Stück Brotfrucht dicht neben sich und mehr nach rückwärts fallen, so daß der Fisch in seinem nächsten Sprung danach in Wirklichkeit Legs' etwas ausgebogene Extremitäten streifte.

Das war diesem aber außer dem Spaß, denn während der Fisch in die Höhe schnappte, den für ihn hingeworfenen Bissen zu ergreifen, wußte Legs jetzt wirklich nicht, ob der Angriff ihm oder der Brotfrucht galt, stieß einen lauten Schrei aus und that, so weit er springen konnte, einen Satz zurück. Dabei fiel er aber wieder, so lang er war, ins Wasser und schlug jetzt aus Leibeskräften mit Armen und Beinen um sich, um durch lautes Plätschern und Lärmmachen, als einziges Hülfsmittel, den furchtbaren Feind fern von sich zu halten.

Er hörte dabei nicht das laute glockenrein klingende Lachen der jungen Dirne, sah nicht, daß der Hai, durch das ungewohnte Geräusch erschreckt, schon lange wieder hinaus aus der seichten Fluth und durch irgend ein Loch der Corallenwände in tieferes Wasser gefahren war. Nur mit jeder, von ihm selbst aufgeschlagenen Welle, während er sich in aller Hast dem sicheren Ufer zuarbeitete, fürchtete er das gefräßige Ungeheuer dicht hinter sich, das vielleicht nur auf einen günstigen Moment wartete, ihn zu ergreifen, und wälzte sich solcher Art schreiend und mit Armen und Beinen schlagend, bis zum nächsten Landvorsprung hin.

Einen solchen furchtbaren Lärm hatte er dabei gemacht, daß seine Kameraden erschreckt aufsprangen und der Richtung zueilten, von der sie die Hülferufe gehört. Nicht wenig erstaunt waren sie aber, Legs in solcher Aufregung ankommen und das Mädchen draußen im Wasser so herzlich lachen zu sehen, ohne daß sie auch nur die geringste Ursache für Eines oder das Andere erkennen konnten.

Von den Eingeborenen waren indessen ebenfalls Einige durch den Lärm herbeigerufen worden. Diese erriethen übrigens, wie es schien, was da draußen vorgefallen, denn sie amüsirten sich unter einander vortrefflich, ohne jedoch den Weißen dabei zu nahe zu kommen.

Jedenfalls verhinderte sie ein strenges Verbot ihres Häuptlings, sie würden diese Gelegenheit sonst gewiß nicht versäumt haben, sich nach Herzenslust über den Fremden lustig zu machen.

Legs behielt deshalb auch volle Freiheit, sein Abenteuer den Kameraden nach seiner eigenen Art zu erzählen, und demnach war er draußen beim Fischen von einem furchtbar großen Hai angegriffen und verfolgt worden und nur durch seine Geistesgegenwart der Gefahr entgangen, von dem Ungeheuer erfaßt und unter Wasser gezogen zu werden. Mac Kringo schüttelte freilich dazu den Kopf und fragte, wie es denn käme, daß der Hai nicht das Mädchen da draußen angegriffen, und warum die Dirne so entsetzlich gelacht hätte. Legs jedoch meinte, die Braunfelle hätten gut lachen; an die ginge ein Hai gar nicht, und da sie sich selber sicher wüßten, so wäre es keine Kunst, sich über einen Anderen lustig zu machen.

Die Aufmerksamkeit der Matrosen sollte aber bald auf etwas Anderes gerichtet werden, denn ein Bote von Toanonga kam gegen Abend, ihnen anzuzeigen, daß sie sich am nächsten Morgen bereit halten sollten, zu der Rathsversammlung der Häuptlinge abgeholt zu werden.

Weiteres war nun aus dem Burschen nicht heraus zu bekommen. Entweder wußte er selber nicht mehr, oder durfte nicht mehr sagen. Den Seeleuten war aber bei der ganzen Sache nicht wohl zu Muthe, denn die Vorladung, wie die ganze Versammlung wurde gar so feierlich gehalten.

Was wollten sie denn eigentlich noch mit ihnen? Daß sie an dem Raub der Häuptlingstochter unschuldig waren, wußte der alte Toanonga so gut wie sie selber, und konnte man sie also deshalb noch bestrafen? – Wenn man sie also nicht bestrafen wollte, wozu dann eine Rathsversammlung halten?

Jonas schlug jetzt vor, daß sie suchen sollten, sich in der Nacht eines Canoes zu bemächtigen und damit aufs Gerathewohl in See zu gehen. Inseln lägen doch noch mehrere dort herum, und eine oder die andere würden sie schon finden, wenn sie nicht gar unterwegs ein Schiff anträfen, das sie aufnehmen könnte. Das war aber ein verzweifelter Plan; denn erstens wußten sie, daß sie streng bewacht wurden, dann hatten sie gar keine Waffen, um sich, wenn angegriffen, zu vertheidigen, und ohne Provision und Instrumente in See zu gehen, wo ihnen der nächste Sturm außerdem verderblich werden mußte, wäre mehr als Tollkühnheit, es wäre einfach Wahnsinn gewesen.

Mac Kringo, der überhaupt als Dolmetscher ein gewisses Ansehen bei den Kameraden gewonnen hatte, stimmte gleich dagegen und erklärte, daß er auf keinen Fall sich bei einem solchen verzweifelten Unternehmen betheiligen würde. Hätten sie jetzt die ganze lange Zeit nutzlos verstreichen lassen, so bliebe ihnen nun auch weiter nichts übrig, als das Letzte abzuwarten, und daß sie nichts dabei für ihr Leben zu fürchten hätten, glaube er ihnen mit Bestimmtheit versichern zu können. Die Eingeborenen seien viel zu gutmüthig, ihnen mit vorbedachter Grausamkeit etwas zu Leide zu thun, und seiner Meinung nach wäre die ganze Geschichte weiter nichts, als eine Idee des alten Toanonga, der sich, den Europäern gegenüber, gern ein wenig wichtig machen wolle. Das Ganze würde darauf hinaus laufen, daß man ihnen vorhalte, wie gut und großmüthig die Bewohner von Tonga, und wie schlecht die Papalangis seien, und zuletzt würde man sie auf der Insel ruhig gewähren lassen, zu treiben was ihnen gerade beliebe.

Ob er nun das Richtige getroffen oder nicht, blieb sich gleich; darin hatte er jedenfalls Recht, daß ein Fluchtversuch jetzt im letzten Augenblick Wahnsinn gewesen wäre, und die Bootsmannschaft entschloß sich denn auch endlich, das Resultat, wie es auch ausfallen möge, geduldig abzuwarten.

4

Der nächste Morgen kam, und die Leute versuchten, soweit ihnen das irgend möglich war, Toilette zu machen. Damit sah es aber entsetzlich windig aus, denn bei ihrer Flucht von Bord hatten sie nur das Nothwendigste mitnehmen können, und bei dem Sinken des Bootes auch selbst das noch verloren. Nur Mac Kringo und Legs besaßen Hüte, nur Spund und Jonas Jacken, und ihre Schuhe waren von dem scharfen Corallenboden, auf dem sie ohne Schuhe gar nicht gehen konnten, schon so mitgenommen worden, daß sie kaum noch zusammen hielten.

Die einzige Verbesserung, die sie mit sich vornehmen konnten, war die, daß sie ihre Hemden auswuschen, um wenigstens mit reiner Wäsche vor den Häuptlingen zu erscheinen, und was eine Kopfbedeckung betraf, so hatten die, welche mit einer solchen nicht mehr versehen waren, darin die Mode der Eingeborenen nachgeahmt und sich eine Art Kopfschutz aus den Blättern der Cocospalme gefertigt, der die Augen wenigstens gegen das blendende Sonnenlicht schirmte.

Nur Pfeife, einer gewissen Phantasie dabei folgend, war daran gegangen, einen wirklichen Hut zu flechten – was die Matrosen meist verstehen und sich oft ihre Strohhüte selber machen. Das Cocosblatt zeigte sich aber nicht geschmeidig genug dazu, und wenn er auch wirklich eine Art Hut zusammen brachte, so hatte derselbe doch eine so wunderliche Form bekommen, daß selbst Lemon lachte, als er ihn zum ersten Male sah.

Die ersten Morgenstunden vergingen übrigens, ohne daß sie zu der erwarteten Zusammenkunft wären abgerufen worden. Nur ihr Frühstück erhielten sie wie gewöhnlich, dann war Alles still – nicht einmal ein Fischer-Canoe sahen sie in dem Binnenwasser der Riffe, so hatte die heute gehaltene Rathsversammlung das Interesse der Insulaner in Anspruch genommen.

Endlich kam der, eines Theils gefürchtete, andern Theils aber auch wieder sehnlichst erwartete Bote; denn selbst die schlimmste Wirklichkeit kann in manchen Fällen oft weniger peinlich sein, als diese ewig zögernde Ungewißheit, in der sich des Menschen Herz in solchem Falle verzehrt.

Ein junger Bursch, der auf der Insel Constabel-Dienste versah, sich sonst aber in nichts von den Übrigen auszeichnete, als wo möglich noch fauler als der Rest zu sein, kam endlich und meldete den Papalangis, daß Toanonga und die Versammlung der Egis sie erwarte.

 

Mac Kringo theilte den Übrigen die Botschaft mit, und Lemon brummte halblaut vor sich hin: Die Egis sollen verdammt sein!

Das nahm der Botschafter aber entsetzlich übel; denn wenn er auch kein Englisch verstand, hatten die Eingeborenen jenes Wort „verdammt“ doch so oft von dort landenden Fremden gehört, um zu wissen, daß es etwas sehr Böses und Häßliches bedeute. Er hielt deshalb auch dem kleinen sauertöpfischen Burschen eine lange und heftige Strafpredigt, die dieser jedoch mit weiter nichts als einem noch viel mürrischeren „Geh zum Teufel“ erwiderte.

Mac Kringo gab sich freilich alle Mühe, den Frieden wieder herzustellen und den Eingeborenen zu besänftigen, indem er ihn zu überzeugen suchte, daß er den Papalangi ganz falsch verstanden habe. Der Bursche wußte aber recht gut, was er selber gehört hatte, und der Zug setzte sich endlich, von ihm angeführt, langsam in Bewegung.

„Hört einmal, Kameraden,“ sagte da Mac Kringo als sie schon unterwegs waren, indem er sich gegen die kleine Schaar wandte, „ich habe euch schon versichert, daß ich nicht glaube, wir hätten irgend etwas von dem rothen Gesindel zu fürchten. Sollten sie uns aber doch zu Leib wollen, und es ist immer gut, auch auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, dann wollen wir uns auch nicht wie die Schafe zur Schlachtbank führen lassen, sondern lieber wie englische Matrosen sterben und noch so vielen der rothen Brotfruchtfresser, wie möglich, die Schädel einschlagen. Seid ihr damit einverstanden?“

„Gewiß,“ rief Pfeife für die Übrigen; „irgend etwas wird man ja dort schon finden, womit man zuschlagen kann, und wenn das nicht wäre, so hat jeder seine Fäuste und sein Messer bei der Hand, die lumpigen Schufte nach Herzenslust zu bearbeiten.“

„Gut,“ sagte Mac Kringo. „In dem Falle liegt unsere einzige Aussicht auf Erfolg aber nur darin, daß wir uns nicht trennen lassen, sondern fest zusammen halten. Sechs handfeste Burschen wie wir können es dann auch schon mit einem Schock solchen weichlichen Gesindels aufnehmen, und im schlimmsten Falle arbeiten wir uns zu einem Canoe durch, plündern einen Brotfruchtbaum und ein paar Cocospalmen und gehen in See.“

„Das sind schöne Aussichten!“ seufzte Spund, „und bedenkt nur dabei, daß wir sie durch Widersetzlichkeit immer noch erbitterter machen!“

„Wenn du dich willst fressen lassen,“ kreischte Pfeife, „so hat natürlich Niemand was dawider. Ich danke aber dafür, und wenn sie uns wirklich einmal zu Leib wollen, so liegt nachher verwünscht wenig daran, ob wir sie dabei in guter oder böser Laune behalten.“

„Pst – da sind sie!“ flüsterte aber in diesem Augenblicke Mac Kringo, der durch die Büsche hin die hellen buntfarbigen Kleider der Eingeborenen schon erkannt hatte. „Jetzt haltet euch ruhig, und im Nothfalle fest zusammen. Unsere Messer haben wir doch wenigstens alle im Gürtel, und was sie auch vorhaben, sie sollen uns wenigstens nicht unvorbereitet finden.“

Weiteres Gespräch war jetzt auch unmöglich geworden, denn wie sie den nächsten Busch umschritten, sahen sie sich plötzlich der ganzen Versammlung gegenüber, die sie sich allerdings nicht so zahlreich gedacht. Die Einwohnerschaft der ganzen Insel schien aber hier versammelt und der große weite Raum vor Toanonga's Hütte, in dem die Egis den Mittelpunkt bildeten, schwärmte ordentlich von braunen lebendigen Gestalten beiderlei Geschlechts.

Inmitten des Platzes stand ein riesiger Tamarindenbaum, um den herum neun hochstämmige Cocospalmen angepflanzt schienen. Dadurch erhielten sie dem Platz den Schatten, die Sonne mochte stehen, wo sie wollte25, und konnten ihre Versammlungen zu jeder beliebigen Tageszeit halten.

Dort waren feine Matten ausgebreitet, welche die Bewohner aller der Südsee-Inseln so trefflich zu flechten verstehen, und die Egis von Monui bildeten, mit Toanonga in der Reihe sitzend, einen vollkommenen Kreis.

In demselben nahmen die verschiedenen Häuptlinge ihre Plätze ein, aber keineswegs nach Gutdünken, sondern sie waren ihnen vorher von dem Ceremonienmeister angewiesen worden. Toanonga behauptete den Ehrenplatz und saß, den Rücken seinem Hause zugedreht, mit dem Gesicht der reizenden Bai zugewandt, die hier durch rechts und links auslaufende Landzungen gebildet wurde. Zu beiden Seiten dann von ihm ab kamen ihm zunächst die Angesehendsten und vom edelsten Blut, bis sich mit den geringeren Häuptlingen der Kreis ihm gegenüber wieder schloß.

Um die Egis aber her, und zwar so gedrängt, daß sie fast deren Rücken berührten, saßen26 die übrigen Eingeborenen, Männer und Frauen, bunt durch einander, und wer dem Kreise nicht so nahe kommen konnte, zu hören was da verhandelt wurde, ließ es sich wenigstens von den näher Sitzenden mittheilen.

Außerhalb dieses fast dicht geschlossenen Kreises hatten die Kinder ihren Tummelplatz gewählt, sich haschend und überschlagend, und mit den nackten Füßen auf dem scharfen Corallensande allerlei wilde Lust treibend.

Die Berathung war indessen nicht gleich von Anfang an so öffentlich – wenn auch im Freien – verhandelt worden. Bis die Egis unter sich einig geworden, hatte man das Volk in ehrerbietiger Ferne gehalten, und erst als die Hauptsache vorüber war, ließ man die Neugierigen hinzu. Wollte jedoch der alte Toanonga die Galerieen wieder geräumt haben, so brauchte er nur ein Zeichen zu geben, und Keiner hätte daran gedacht, sich dem Befehle zu widersetzen.

Jetzt übrigens, da die gefangenen Fremden in Sicht kamen, wurde eine andere Ordnung nöthig, um sie würdig zu empfangen, und einer der als Constabel agirenden Burschen schrie deshalb den Zuhörern zu, Raum zu geben. Diese mußten auch schon wissen, um was es sich handle, denn sie wichen nach rechts und links zurück, die Fronte gegen die Bai offen lassend, während die mit dem Rücken nach dem Wasser zu sitzenden Häuptlinge ebenfalls aufstanden.

Geschäftige Hände ergriffen dabei rasch ihre Matten, und trugen sie hinter Toanonga und die ihm zunächst sitzenden Häuptlinge, wo sie mit ihnen eine zweite Reihe bildeten. Dadurch war der Raum vor dem alten Häuptling frei geworden, an beiden Seiten aber kauerte die Einwohnerschaft von Monui.

„Mate,“ sagte da Legs, indem er seinen Hosenbund etwas höher über die Hüften heraufzog und aus alter Gewohnheit – denn Tabak hatte schon lange Keiner von ihnen mehr – auf die Erde spuckte – „die Geschichte wird feierlich – was sagest du dazu.“

„Mein Leben lang will ich keine Schiffsplanke betreten,“ murmelte Pfeife zwischen den Zähnen durch, „wenn ich nicht wünsche, daß ich hier fort wäre. Da stehen ein paar Hundert breitschulterige Kerle herum, mit den Waffen vielleicht hinter den nächsten Büschen versteckt, was sollen wir Sechs gegen die ausrichten?“

„Bah, so viel für die ganze Band',“ brummte der, fast um einen Kopf kleinere Matrose. „Meinen Hals setz' ich zum Pfand, daß die Kerle nicht einmal die Courage haben, uns etwas am Zeuge zu flicken. Ja, wenn wir Einer oder Zwei wären, aber einer ganzen Bootsmannschaft – wenn auch unserem Harpunier und Bootsteuerer der Hals voll Wasser gelaufen ist – kommen sie schon nicht zu nah.“

„Du, der Alte fängt an,“ flüsterte da Pfeife, indem er den Kameraden in die Seite stieß, „jetzt bin ich neugierig.“

Toanonga hatte indessen – die Hände in voller Ruhe auf seinem Bauch gefaltet – die ankommenden Papalangis Einen nach dem Andern aufmerksam gemustert. Als sie aber auf Anordnung eines der Leute vor ihm niedergesessen oder vielmehr gekauert waren, und sich halb schüchtern im Gefühl der sie umgebenden Menschenmenge, halb wieder trotzig und im schlimmsten Falle zum Äußersten entschlossen, im Kreise umsahen, nickte er ihnen mit seinem gutmüthigen Lächeln zu und sagte:

Chio do fa, Papalangis – chio do fa!

24Tuas werden die zur niedrigsten Classe gehörigen Bewohner der Insel genannt. Überhaupt besteht auf den Tonga-Inseln – wenn man es nicht gerade Kastengeist nennen will – eine strenge Absonderung der verschiedenen Gesellschaftsschichten, die kaum schroffer in dem alten durch und durch civilisirten Europa sein kann. Mesalliancen kommen äußerst selten vor, und bei jedem Festmahl wird die Rangordnung durch besondere Ceremonienmeister unerbittlich aufrecht erhalten.
25Die Tonga-Inseln liegen, wie bekannt, innerhalb der Wendekreise S. Br. Die größte Zeit im Jahre haben sie also die Sonne um Mittag im Norden, einen kleinen Theil des Jahres aber, etwa um März, im Süden.
26In der Nähe der Häuptlinge gilt es nicht für schicklich, zu stehen.