Za darmo

Aus dem Matrosenleben

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Neunzehntes Capitel.
Das Bivouak

Die beiden Franzosen, so schon durch das ungewohnte Gehen und Klettern, ermüdet und abgemattet waren durch das Hindurcharbeiten durch Dornen und Schlingpflanzen und niedergebrochenes trockenes Holz oder verwachsene Büsche so erschöpft worden, daß sie kaum mehr ihre Glieder regen konnten. Das Bewußtsein sich verirrt zu haben, oder wenigstens nicht mehr genau zu wissen wo man sei – jedenfalls ein geringerer Grad desselben – schien dabei nicht geeignet sie heiterer zu stimmen. Der Wasservorrath den sie mitgenommen, war ebenfalls schon aufgezehrt, die Zunge klebte ihnen fortwährend am Gaumen, und das in den Flaschen warm gewordene Getränk löschte nicht einmal mehr ihren Durst.

Hans wußte zu gleicher Zeit recht gut, daß ein Berathschlagen mit den beiden doch weiter nichts gefruchtet hätte. Ruhig deshalb die Bahn verfolgend, die er für die richtige ansah, hielt er sich jetzt am Ufer einer schmalen Salzwasser-Lagune, die nach Nordosten zulief, und in ihrem inneren Bett etwas offenere Vegetation zeigte, und suchte dabei so rasch als möglich vorwärts zu dringen. Aber es half ihm alles nichts, die Nacht brach an, ehe sie auch nur einen anderen, der See näher scheinenden Ort erreicht hatten, und es blieb ihnen jetzt nichts weiter übrig als da, wo sie sich gerade befanden, ein Lager aufzuschlagen und den dämmernden Tag zu erwarten.

Jean wollte nun freilich auch noch die Nacht benützen, den Strand doch am Ende zu erreichen, da, wie er gehört hatte, die Eingebornen in dunkler Nacht nie gern ihren Lagerplatz verließen. Hans weigerte sich aber entschieden aufs geradewohl noch weiter, besonders im Dunkeln durch die Büsche zu kriechen, und warf nicht mit Unrecht ein, daß sie möglicherweise dadurch immer weiter vom Boote abkämen. Dagegen konnten sie in der Nacht wenn alles ruhig geworden war und besonders der Lärm der wilden Tauben hier im Unterholz aufgehört hatte, ihre Gewehre abschießen und Antwort vom Boot aus bekommen, wonach sie dann die genaue Richtung wußten, in der dasselbe lag.

Diesem fügten sich François und Jean endlich ebenfalls, und bald loderte mitten in einem Pandanusdickicht ein lustiges Feuer auf, um das sie ihre Gewehre jedoch immer schußfertig neben sich lagerten, und von ihren Provisionen ein reichliches Mahl hielten. Der mitgenommene Wein kam ihnen jetzt sehr zu statten, denn sie hatten kein Wasser finden können, und erst nachdem alles still und ruhig um sie her geworden, und nur noch hie und da das Zirpen einer Grille oder das wunderliche Geräusch eines einzelnen »fliegenden Fuchses« die Ruhe der Nacht unterbrach, nahm Hans sein Gewehr, um es nach der Richtung zu, nach der er das Boot vermuthete, abzufeuern.

In dem Augenblick tönte schwach, aber nichtsdestoweniger deutlich, der Schall eines Schusses zu ihnen herüber, und als sie sämmtlich von ihren Sitzen emporfuhren und horchten, hörten sie unverkennbar das zweite Signal.

»Das ist gescheut!« sagte François, während er den Hahn seines eigenen Gewehres spannte – »nun wollen wir« –

»Halt!« unterbrach ihn aber Hans, indem er die Hand auf das Gewehr des Franzosen legte, »Bill erspart uns die Nothwendigkeit, der ganzen Nachbarschaft anzugeben wo wir uns gegenwärtig befinden, und es wäre mehr als thöricht, das jetzt leichtsinnig zu mißbrauchen.«

»Aber sie werden im Boote glauben wir hätten es nicht gehört,« sagte Jean.

»Desto besser,« erwiderte Hans, »dann schießen sie noch einmal, und die Schwarzen hier herum erfahren um so deutlicher, daß auf dem Wasser noch andere Weiße sind, die sich um ihre Landsleute bekümmern.«

Das Zeichen wurde deshalb nicht erwidert, die regelmäßige Wache aber mit jeder nur möglichen Vorsicht gestellt. Hans selber übernahm die Morgenwache, weil diese von den wilden Stämmen fast stets zur Zeit ihrer Angriffe gewählt wird, wenn sie überhaupt etwas Bösartiges und Feindliches im Sinne haben. Die Nacht verging aber, wirklich wider Erwarten, vollkommen ruhig. – Sie hörten das Ku-ih der Wilden wohl nach verschiedenen Richtungen hin in den Büschen, aber Niemand belästigte sie, und mit dem ersten Dämmerschein des jungen Morgens hatte Hans schon seine beiden Cameraden geweckt und munter, jedes Angriffs gewärtig.

Eine halbe Stunde hatten sie so zusammen gesessen und eben ihr Frühstück beendet, um mit vollem Tageslicht zum Aufbruch fertig zu sein. Der Tag war auch nicht mehr fern, denn der östliche Himmel deckte sich schon mit einem rothglühenden Schein. Da hörten sie plötzlich in einem kleinen Pandanusdickicht dicht bei, Schritte, und gleich darauf, die Gewehre im Anschlag und lautlos das Näherkommen des Gegners erwartend, trat keineswegs ein Feind, sondern niemand weiter als ein einzelner, nur mit seinem kurzen Speer und dem Wurfholz bewaffneter Schwarzer aus den nächsten Büschen. Dieser kam aber allem Anschein nach ganz unbekümmert um die Anwesenheit der Weißen, den Blick nur auf das Feuer gerichtet, auf sie zu, und stand wirklich schon zwischen ihnen, dicht vor den glimmenden Kohlen, ehe er nur einmal aufschaute. Die Wirkung aber war auch fabelhaft.

Einen Blick nur warf er umher. Dann aber, als er entdeckte in wessen Nachbarschaft, ja in wessen Gewalt er sich befand, vielleicht zur selben Zeit auch halb seiner Sinne beraubt, in dem einen entsetzlichen Gedanken dem Devil Devil, oder sonst einem anderen Ungethüm seiner Heimath in die Hände gerathen zu sein, lief er, wie es eine Katze unter ähnlichen Umständen gethan haben würde, in fast wunderbarer Schnelle an dem ihm nächsten Gumbaum empor, wo er in dem höchsten Wipfel desselben, und so weit wie ihn das Holz nur tragen konnte, regungslos stehen blieb.

Daß dieser Schwarze nichts Böses gegen sie im Schilde geführt, ja ihre Anwesenheit nicht einmal geahnt, und ihr Feuer für das seines eigenen Stammes oder seiner Bekannten gehalten, war natürlich, und die jungen Leute suchten ihn nun durch Zureden, durch Winken und Schwenken von Büschen zu überzeugen, daß er von ihnen nichts zu fürchten habe, und ruhig und ungehindert herunterkommen möge. Umsonst – wie eine aus schwarzem Marmor gehauene Statue stand er starr und regungslos oben in dem Baumwipfel. Kein Lärm der unten gemacht werden konnte, schien ihn zu bewegen auch nur das geringste Lebenszeichen von sich zu geben, und selbst als Hans jetzt sein Gewehr aufgriff, seine beiden Signalschüsse abzufeuern und Bill zugleich mit dem Boot zum Strand zu rufen, blieb er noch in seiner Stellung da oben, als ob er zu dem Baum gehöre, und mit ihm, als wunderliche Frucht, aus der Erde aufgewachsen sei.

»Hol' den Burschen der Henker,« rief François endlich ungeduldig – »wir wollen ihm doch zeigen daß wir ebenfalls klettern können, und im Stande wären ihn herunterzuholen, wenn wir ihn nur haben wollten« und damit lehnte er sein Gewehr gegen einen umgefallenen Stamm, und fing an den ihm nächsten Baum hinaufzuklimmen. Er war aber noch nicht seine eigene Länge vom Boden auf, als der Wilde plötzlich bewies, er sei weder taub noch stumm. Er schrie und »birrrrte,« ku-ichte und hallote und machte in der That jede Art von Spectakel, die er da oben möglicherweise machen konnte, und das alles mit solcher Energie, daß François erschreckt wieder niederglitt und zu ihm aufschaute.

»Der Bursche wird uns den ganzen Stamm über den Hals ziehen,« fluchte Jean – »ich glaube er schreit Beschwörungsformeln von da oben herunter, daß wir ihn nicht fressen sollen. – Seht nur wie er spuckt und prustet. – Es wird uns nichts übrig bleiben als ihm eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Wer weiß überhaupt, ob er nicht mit zu den Schuften gehört, die gestern Morgen ihr Bestes versuchten uns zu ersäufen, und der Spectakel da oben nur die Folgen seines bösen Gewissens sind.«

»Horch – das war ein Antwortschuß vom Boot!« rief Hans dagegen. – »Kommt, laßt dem armen Teufel Raum vom Baum hinunter und ins Freie zu kommen; er hat Angst genug ausgestanden, und sein Tod könnte uns wenig nützen. Wir sind sicher nicht weit mehr vom Strand entfernt, und können ihm das Vergnügen, sich einmal ordentlich auszuschreien, schon gönnen.«

»Und unter der Zeit brüllt uns der Bursche die ganze Nordküste zusammen,« fluchte Jean.

»Nun, so laß ihn,« lachte Hans, »sind wir erst auf offenem Strand, wagt sich keiner der schwarzen Burschen an uns. Hier dagegen, wenn wir länger blieben, wären wir allerdings leichter einem Angriff ausgesetzt. Ueberdies wird das Boot jetzt so rasch herankommen, wie es Bills und Timors Ruder bringen können, und je eher wir das erreichen, desto besser.«

Damit waren seine beiden Cameraden ebenfalls einverstanden, und ihre wenigen Sachen zusammenpackend, zogen sie sich vor allen Dingen erst einmal eine kurze Strecke von dem Baum zurück, auf dem der Schwarze noch immer schrie und tobte, und jedenfalls die Genugthuung hatte, daß ihm schon von mehreren Seiten geantwortet wurde. Sie hörten jetzt das Ku-ih der Eingebornen an verschiedenen Stellen im Wald.

Kaum aber sah der so wunderlich Gefangene die friedliche Bewegung der vermutheten Feinde, als er seine Schreiübungen einstellte, und noch hatten ihn diese kaum zwanzig Schritte freigegeben, als er mit Blitzesschnelle, und gänzlicher Mißachtung aller seiner Gliedmaßen, an dem Stamm mehr hinunterschoß wie glitt, und zwei Secunden später auch in dem dichten Gebüsch von Pandanus- und Theebaumgesträuch spurlos verschwunden war.

Das Ku-ihen der Schwarzen kam indeß näher und näher, und so komisch auch wohl der Rückzug des eingeschüchterten Wilden war, durften sie sich doch nicht lange damit aufhalten. Der Richtung also folgend, die sie sich nach dem Schusse gemerkt, und die allerdings von der gestern vermutheten um ein Bedeutendes abwich, durchschritten sie rasch ein hier etwas offenes Terrain von Boxholz und Casuarinen, das seinerseits wieder von Pandanus, Theebaumsträuchen und Cycas, so wie einzelnen Arten von Acazien begränzt war, passirten ein altes Lager der Blacks, neben dem ganze Berge von Muschelschalen lagen, und erreichten, nach einem etwa halbstündigen Marsch, unangefochten von den Schwarzen, aber oft durch ihre jetzt ganz nahen Rufe gewarnt, den Mangrovesumpf und mit diesem, das Ueberklettern über Wurzeln und niedergestürzte Stämme nicht achtend, den freien offenen Strand von glattem hartgeschlagenem Korallensand.

 

»Hurrah!« rief Jean, der mit einem etwas gewagten Satz den letzten Schlammstreifen überflogen hatte, und zuerst wieder festen sicheren Boden betrat – »hurrah – allen Respect vor der Landpartie – mir ist Salzwasser lieber – aber wo ist das Boot?«

Hans war im nächsten Augenblick an seiner Seite und das leichte Fernrohr, das er sich umgehangen als sie das Boot verließen, rasch öffnend und richtend, überflog er zuerst die nächste Nähe der kleinen Insel, wo sie das Boot vermuthen mußten, und dann den Horizont mit dem Glas, ohne das Gesuchte zu finden.

François, der erst noch einmal in ein Schlammloch gerathen war, sich aber wieder herausgearbeitet hatte, stand jetzt ebenfalls an ihrer Seite, und rief, nachdem er einen flüchtigen Blick über die Oberfläche des Wassers geworfen und diesen jetzt auf der Insel wenige Secunden aufmerksam haften ließ –

»Was ist das dort? –«

»Was? – wo?« – frugen Jean und Hans rasch und zu gleicher Zeit, und Hansens Fernrohr haftete auch in demselben Moment, wo er die Richtung von François ausgestrecktem Arm gewahrte, auf der kleinen schon mehrfach besprochenen Insel.

»Dort ist Bill!« rief er aber kaum zwei Secunden später, und das Wort war kaum seinen Lippen entflohen, als der Knall des Gewehres wieder zu ihnen herüberdrang.

»Er will uns zeigen daß er uns gesehen hat,« rief Jean lachend, »mich wunderts nur, wo er die Courage hergenommen seine alte Muskete so oft abzufeuern – er muß sich schon ordentlich daran gewöhnt haben.«

»Dort geht das Boot,« rief François plötzlich, dessen scharfes Auge die dunklen Umrisse des kleinen Fahrzeugs in demselben Moment erspähte, als es hinter der kleinen Insel, die es bis dahin ihren Blicken entzogen, vorschoß.

»Teufel!« schrie aber auch Hans in diesem Augenblick, mit dem Fuße stampfend – »wir sind verloren. – Es ist in der Gewalt der Schwarzen.«

»Der Schwarzen?« stöhnten die beiden Franzosen entsetzt – »das ist ja nicht möglich.«

»Da seht selber,« erwiderte ihnen Hans tonlos, indem er Jean das Glas hinüberreichte – »nun sei uns Gott gnädig in unserer Noth.«

Zwanzigstes Capitel.
Bill's Wacht

Wir müssen jetzt zu unserer Bootsmannschaft, Bill und Timor zurückkehren, die wir verlassen hatten als sie wieder vom Lande abkreuzten, um in sicherer Entfernung das Zeichen ihrer ans Ufer gegangenen Cameraden zu erwarten.

»Hm!« sagte Bill nach einer langen Weile, in der keiner der beiden auch nur ein Wort gesprochen – »eigentlich ärgerts mich, daß ich nicht mit an Land bin. – Ist doch ein anderes Leben, als hier ewig die Knie eingezwängt zu haben zwischen die Bootsdoften, und blaue Luft über sich, blaues Wasser unter sich zu sehen. So eine acht Tage halt ichs immer vortrefflich am Ufer aus, nur nachher wirds langweilig, und ich setze dann allerdings am liebsten wieder Segel – aber eine Weile gefällt mir's doch.«

»Tuwan Bill würde sich hier aber sehr wenig unterhalten,« lachte Timor in seinem gebrochenen Englisch, indem er den eben wieder zugerichteten Fischhaken über Bord warf und nachschleifen ließ. – »Viel Wald hier und viel Busch, und viel böse Wilde – und viel Thiere, und viel nichts zu essen und zu trinken.«

»Viel nichts zu trinken, ah?« sagte Bill und verzog den Mund fast zu einem Lächeln, was aber selten oder nie bei ihm ganz zum Ausbruch kam, »das wäre freilich bös, Timor, herzlich bös, und ein ordentlicher Kerl sollt' es bald satt bekommen. – Aber es wäre doch eine Veränderung, und man könnte jeden Augenblick wieder an Bord kommen.«

»Wenn man nicht im Wald irre läuft,« setzte Timor hinzu – »Wasserleute wissen selten viel mit Wald Bescheid – Wasserleute steuern bald den, bald den Cours in Busch, wenn sie keinen Compaß haben – australische Busch viel schlimm zu laufen.«

»Hm! das wäre ein schöner Spaß,« brummte Bill leise vor sich hin, »wenn unserer Gesellschaft da drin etwas Aehnliches passirte. Hätten wir nur wenigstens ein Rakete, so könnten wir die heut' Abend aufsteigen lassen – das bliebe jedenfalls das sicherste.«

»Tuwan Bill muß heute nach Dunkelwerden zweimal Gewehr abschießen,« argumentirte dagegen der kleine Malaye – »Tuwan Bill …«

»Will verdammt sein, wenn er das verwünschte Schießeisen wieder in die Hand nimmt,« unterbrach ihn der Matrose aber rasch und mürrisch – »ich habe mir einmal die Schulter damit ausgerenkt, und der Knochen sitzt eben nur erst wieder in der Pfanne.«

Der Malaye ließ sich aber nicht so leicht abweisen. Er wollte schon früher einmal in diesem Theil des Landes, den er Marega nannte, und zwar mit seinen Landsleuten von Timor aus, zum Fischen gewesen sein, und konnte die Gegend gar nicht traurig und wasserarm genug beschreiben. Hätten die Wanderer dann auch noch dazu die Richtung verfehlt, so müßten ihnen ein paar Signalschüsse, nachdem der Wald ruhig geworden, von unendlichem Nutzen sein, und wenn Bill sich zu schießen fürchtete – der schlaue kleine Bursche faßte den alten Matrosen beim Ehrgefühl – »so solle er ihm nur die Flinte geben – er wolle sie selber abfeuern.«

Das konnte Bill doch unmöglich zugeben, und that endlich eine halbmürrische Zusage, dem Rathe Folge zu leisten – heißt das mit der vorsichtigen Clausel: nur wenn sie nicht selber noch vor Dunkelwerden wieder etwas von den ihrigen gesehen hätten.

Gestern Abend – und sie hatten den Tag über dicht hinter der kleinen Insel gelegen, hatte Timor die »Wacht zur Coje,« d. h. konnte schlafen, während Bill »an Deck« munter bleiben mußte. Als Timor endlich die Augen wieder aufschlug, denn der kleine Bursche schien ordentlich zu fühlen, wie ihre beiderseitige Sicherheit mehr von seiner eigenen Wachsamkeit, als der seines älteren Gefährten abhänge, saß Bill im Heck vom Boot und nähte, ohne nur einen Blick links oder rechts hinauszuwerfen, eifrig an einem kleinen viereckigen Säckchen, das er eben beendet und mit etwas Heu aus einer der Flaschenkisten gestopft hatte. Er war gerade damit fertig, und jetzt dabei, eine Strippe daran zu befestigen. Timor, nachdem er im Boot aufgestiegen und sich rings umgeschaut hatte, sah ihm eine Weile neugierig zu und sagte endlich, ganz verwundert der sonderbaren Verrichtung zuschauend:

»Aber Tuwan Bill, was das? – macht kleine Polster für Boot? – hier nicht Felsen und nicht neue Schiff.«

»Für Boot?« knurrte aber Bill zwischen den Zähnen durch, indem er seiner Hände Werk wohlgefällig betrachtete, und auf dem Knie vorn eindrückte und weich machte, »Boot soll verdammt sein; nein, meine eigenen Schultern will ich mir nicht schamfielen.7 Wenn ich denn doch einmal die blutige Donnerbüchse wieder abbrennen soll, hab' ich mir hier das Kissen gemacht, zum Unterlegen. Aber was giebt's nun wieder? – heh? was hast du zu gucken, Braunfisch. – Sind die schwarzen Canaillen wieder im Ansegeln?«

»Was der weiße Punkt da, Tuwan Bill?« sagte aber Timor, der auf eine der Doften gesprungen war, und sich so viel als möglich auf die Fußspitzen hebend, nach Osten, wo die »Barrier Riffe« lagen, hinüberzeigte – »da drüben, da weiter links – gerade über die kleine Sandbank dort.«

»Hm, das sieht wahrhaftig wie ein Segel aus,« sagte Bill nach einer Weile, in der er sich bemüht hatte den von dem schärferen Auge des Knaben bezeichneten Punkt zu finden – »aber ausmachen kann ich's doch noch nicht recht. Es kann auch ein Wasservogel oder ein weißes Riff, oder Gott weiß was sonst, in diesem verwünschten Fahrwasser sein, wo ein ordentlicher Seemann eigentlich gar nichts drin zu verlieren haben sollte. Wo sonst eine Klippe oder Sandbank in der Karte angegeben ist, giebt man ihr gewöhnlich fünf bis sechs und mehr Meilen Seeraum und ist froh wenn man sie gar nicht, oder doch nur wenigstens von den Marsen aus zu sehen kriegt, und hier jagt man mit dem Schiff gerade mitten hinein, als ob man im Nothfall auch ein paar Räder oder Kufen drunter schrauben, und damit über alle möglichen Steine und Korallen und Sandbänke wegfahren könnte. Nun meinetwegen,« setzte er hinzu, während er wieder von der Bank herunterstieg und seinen vorigen Platz einnahm, »laß es auch ein Segel sein; desto früher kommen wir vielleicht von hier fort.

Weit kann es heute Abend nicht mehr gehen, ehe es Anker werfen muß, und dann wirds morgen Nachmittag etwa gerade in Zeit hier eintreffen, unsere ganze Gesellschaft wieder bei einander zu finden.«

Timor hätte sich nun freilich gern noch besser von der Identität des Segels überzeugt, aber mit dem sinkenden Abend legte sich ein leichter Dunst über die Oberfläche des Wassers, der die entfernteren Gegenstände bald umhüllte, und jede weitere Beobachtung unmöglich machte. Der Nebel zwang sie aber auch zu noch weit größerer Vorsicht und Aufmerksamkeit, denn unter seinem Schutz, wenn er nur etwas dichter wurde, hätten sich ihnen selbst Canoes nähern können, wie viel mehr denn einzelne Wilde mit ihren so einfachen, und doch so gefährlichen Waffen.

Timor drang auch deshalb darauf, daß sie von der Insel ablegten, und weiter draußen Anker würfen. Bill sah auch endlich selber ein daß das nöthig sein würde, wollte sich aber später, als er nach Dunkelwerden die beiden Signalschüsse, und zwar diesmal ohne schlimme Folgen abgefeuert hatte, unter keiner Bedingung dazu verstehen den Ankerplatz noch einmal zu verändern, um etwa lauernde Schwarze irre zu führen. Der Nebel legte sich nämlich gleich nach Dunkelwerden in dicken Schwaden auf das Wasser, und Bill hielt es für unnöthig, sich Mühe und Arbeit zu machen, wo bei solchem Wetter selbst ein Indianer sein kleines, vor einem leichten Wurfanker liegendes Boot nicht hätte finden können.

Um Mitternacht erhob sich übrigens eine leichte östliche Brise, und trieb die Schwaden nach Westen und Nordwesten hinüber. Die Sterne leuchteten hell und klar von dem dunkelblauen Firmament hernieder, und die See funkelte und blitzte in der leisen Bewegung ihren Glanz tausend und tausendfach wieder.

Bill war ganz damit einverstanden die erste Wacht von sechs bis zwölf zu nehmen, und die zweite dem Malayen zu überlassen. Dieser streckte sich denn auch ziemlich sicher, daß sie um diese Zeit wenig von einem Angriff zu fürchten hätten, in seiner wollenen Decke im Bug des kleinen Fahrzeugs aus, und war bald sanft und süß eingeschlafen. Bill indeß, in dem doppelten Genuß einer guten Pfeife Tabak und eines vorzüglichen Glases Portwein, welchen beiden er ohne den mindesten Rückhalt zusprach, theilte seine Aufmerksamkeit gewissenhaft zwischen diesen und dem dann und wann über das Wasser tönenden Geräusch von Fischen oder Seevögeln.

Er war jedoch weit davon entfernt der Flasche mehr zuzusprechen als er vertragen konnte, denn er wußte recht gut von welchen Gefahren sie, wenn auch nicht wirklich umgeben, doch jedenfalls erreicht werden konnten, und wie nöthig es in einer solchen Lage sei seine Sinne vollständig beisammen zu haben.

Ein paarmal aber nur wurde er wirklich beunruhigt, indem ein wunderliches Gurren und Schnalzen, wahrscheinlich von auf dem Wasser schlafenden oder träumenden Seevögeln seine Lebensgeister zu voller Thätigkeit weckte und anspannte. Einmal stand er sogar im Begriff Timor zu wecken, denn die Laute kamen weit näher als ihm lieb war, und doch konnte er nicht das mindeste über dem Wasser erkennen. Mit einem derben und ziemlich lauten Fluche sich Luft machend, nahm er sein Gewehr auf die Knie, dem ersten sich zeigenden und verdächtigen Gegenstand erst vor allen Dingen einmal eins aufzubrennen. Von dem Moment an war aber wieder alles ruhig, und selbst die Töne ließen sich nur erst später in einiger Entfernung zum zweitenmal hören.

So kam Mitternacht heran. Der Nebel zog sich fort und Timor, dem Bill von den wunderlichen Lauten um das Boot her, erzählt hatte, legte sich vergebens flach in das Boot, und nur mit dem Kopf über den Rand desselben auf die Lauer, irgend weiter etwas Verdächtiges zu erspähen. Bis gegen Morgen blieb alles ruhig, und nur ein einzigesmal glaubte er in der Richtung nach der kleinen Insel zu, neben der sie den Tag über gelegen, etwas zu hören, das nicht, weder von einem Bewohner der Tiefe noch der Luft herzurühren schien. Es kam dem von Bill erwähnten Laut nah, klang aber anders als er beschrieben worden, und schien von zwei verschiedenen Seiten beantwortet zu werden.

 

Timor lauschte den Tönen auf das aufmerksamste, bis er den vollen Klang derselben begriffen hatte, und ahmte jetzt denselben erst leise, dann laut und zuversichtlich nach. In demselben Moment schon hatte er auch die Genugthuung sich beantwortet zu hören, und zehn Minuten später etwa glaubte er in dem bewegten und sternblitzenden Wasser etwas heranschwimmen zu sehen. Was es aber auch gewesen, es verschwand in Sicht von dem Boot, und ein gleich darauf ganz in der Nähe des vermutheten Gegenstands aufsteigender großer dunkler Seevogel, der mit flappenden Schwingen über die Oberfläche der See eine Strecke lang schwerfällig hinflog, bis seine Flügel die Luft ordentlich faßten und ihn nach oben trugen, beruhigte ihn über die Ursache der gehörten, scheinbar verdächtigen Laute.

Nichtsdestoweniger wußte er, selbst ein Kind des Waldes, viel zu gut, wie nöthig in der Nähe feindlicher Stämme stete und unausgesetzte Wachsamkeit sei, und verwandte, während der Stunden seiner Wacht kein Auge von dem nur leise durch die leichte Brise bewegten Wasserspiegel.

Im Osten dämmerte endlich der Tag. Dem kleinen Burschen hatte aber lange keine Nacht so wirklich endlos geschienen, und um gerade in dieser gefährlichsten Stunde keine Vorsicht zu versäumen, weckte er jetzt auch noch seinen Cameraden. Der Seemann war rasch munter gebracht; aber mehr Mühe kostete es, Bill zu bewegen die beiden Signalschüsse zu geben. Er entschloß sich auch erst dazu, als dieselben wirklich vom Lande her abgefeuert waren, und er die Antwort nicht schuldig bleiben durfte. Dies Signal sollte ihnen den doppelten Vortheil gewähren, den Freunden die genaue Richtung in der das Boot lag anzuzeigen, als auch ihren Feinden zu verstehen zu geben, wie sie gerüstet wären und gute Wache hielten.

Den ersten Schuß that Bill auch, bekam aber, da er im Dunklen am vorigen Abend geladen, und wahrscheinlich zu viel Pulver genommen hatte, trotz des »Schamfiel-Kissens« wieder einen so fürchterlichen Stoß, daß er durch keine Ueberredung von Seiten Timors bewogen werden konnte, seinen rechten Schulterknochen noch einmal in Gefahr zu bringen. Ja er wollte im Anfang nicht einmal wieder laden, und verstand sich erst nach langer Weigerung dazu, dem so gefährlichen Rohr noch eine »Hand voll Pulver« anzuvertrauen.

Mit der aufgehenden Sonne, die den Meeresspiegel um sie her rings beleuchtete und nicht das geringste Verdächtige erkennen ließ, schien aber auch die Gefahr eines Angriffs, für jetzt wenigstens, vollkommen verschwunden, und Bill beschloß seinen Anker zu lichten und nach der kleinen Insel, von der sie nur eine kurze Strecke entfernt waren, zurückzukehren. Dort gedachte er zum Frühstück einige Fische zu braten, die Timor in der Nacht auf seiner Wacht gefangen hatte.

Der Anker war rasch gehoben, und da sie am vorigen Abend absichtlich nach windwärts aufgegangen waren, brauchten sie fast nur mit der Strömung wieder niederzutreiben, um die Insel gerade anzulaufen. Um vier Uhr Morgens etwa war es vollkommen windstill geworden – kein Hauch hatte gegen Morgen die spiegelglatte Fläche dieses »Binnensees im Ocean« bewegt, und erst jetzt hob sich wieder eine leichte Brise, und schien zu wachsen, je höher die Sonne über die Meeresfläche emporstieg.

»Was nur aus dem Segel von gestern geworden sein mag,« sagte Timor jetzt, der sich vergebens Mühe gegeben hatte den weißen Punkt von gestern Abend zwischen den verschiedenen, dort umhergestreuten Inseln wieder herauszufinden. – »Sie müssen doch jetzt bei der Brise schon wieder Segel gesetzt haben.«

»Segel können sie immer gesetzt haben,« meinte Bill, »ob wir sie aber jetzt gerade sehen können, ist die Frage, denn sie scheinen heute Morgen nicht so hell als gestern Abend. Gestern leuchtete nämlich die Sonne im Westen gerade gegen die helle Leinwand, während sie heute dahinter aufgeht, und wir dadurch nur die Schattenseite zu sehen bekommen. – Aber geh nach vorn, Timor,« setzte er dann hinzu, »nimm das Segel wieder nieder und steh bei dem Tau, daß du gleich an Land springen kannst. Wir wollen keine Zeit verlieren, damit wir unser Frühstück wenigstens verzehrt haben, ehe uns Hans und Jean vom Ufer aus das Zeichen geben.«

»Tuwan Bill,« sagte aber Timor jetzt, der jedoch den ersten Befehl, das Segel niederzulassen, rasch befolgt hatte – »ich weiß nicht ob gut ist, so rasch auf Insel zu treiben – viel dichtes Buschwerk auf kleinen Inseln. Lieber erst einmal hineinschießen mit Gewehr – ist besser.«

»Was du immer so verdammt rasch mit deinem Gewehrschießen bei der Hand, bist, du verwetterter kleiner brauner Hallunke,« fluchte aber Bill, »wenn du deine Schulter dagegen halten solltest, würdest du das Mittel sparsamer verschreiben, denk' ich. – Wer ist nun wieder todt, daß ich schon wieder Pulver verplatzen soll?«

»Todt?« frug der kleine Bursche verwundert, der die Redweise des Matrosen noch nicht so recht verstand. – »Niemand todt, glaub' ich, aber vielleicht Lebendige da drin, und ist besser ein Bißchen Feuer hineinmachen.«

»Darin hast du recht,« lachte aber jetzt Bill – »Feuer wollen wir auch hineinmachen, und das so rasch als möglich, aber nicht um mir die Glieder auseinanderzuschlagen, sondern unsere Fische zu braten. – Und so mach daß wir hinankommen; was hast du in einen fort zu gucken und dir den Hals halb auszurenken? – Wenn die schwarzen Schufte da drin stäken, würden sie sich auch ein Feuer anmachen und ihre paar Lebensmittel kochen oder braten, gerade wie andere Christenmenschen. – Leben wollen wir alle, und sein Frühstück versäumt niemand gern – ich am allerwenigsten.«

Timor lachte bei dem Gedanken leise vor sich hin, daß im Hinterhalt liegende Eingeborne ein Feuer anmachen sollten, ihr Frühstück zu braten. Aber der kleine Bursche hatte auch dabei eine unbestimmte Ahnung, welchen Gefahren sie ausgesetzt sein konnten. Während sie also jetzt von der Strömung gerade auf die kleine Insel zugetrieben wurden, die mit der wachsenden Fluth noch kaum etwa 20 bis 25 Fuß aus dem Wasser lag, stand er vorn auf der niederen Back oder dem Vorboot, und betrachtete aufmerksam und mißtrauisch das dichte Gebüsch, das von der Fluth hier auf der obersten Kuppe zusammengedrängt schien, und aus dem nur drei oder vier kleine Stämme mit knorrigen Aesten dürftig hervorragten.

Fast dicht an die nächste Korallenbank, die sich rings um den schmalen Erdhügel hinzog, hinangekomnen, stieg Bill ebenfalls auf eine der Doften oder Bänke. Von hier aus einen Blick über den Horizont werfend, was die Matrosen aus alter Gewohnheit selten oder nie unterlassen wenn sie nach oben gehen, oder auch nur einen etwas höheren Punkt besteigen, haftete sein Auge plötzlich auf einer gar nicht weit entfernten anderen, etwas längeren und höher bewachsenen Insel, die nach Osten zu lag und, wie es von hier aus schien, theilweis von einer breiten Sandbank umschlossen war.

»Hallo, Timor,« rief er dabei – »ich glaube wahrhaftig gleich hinter den Büschen dort liegt das Fahrzeug, das wir gestern Abend gesehen haben – mir war's wenigstens als ob der weiße Fleck da, der auch jetzt noch wie ein Segel aussieht, eben aufgezogen wurde als ich darnach hinsah. – Die müssen die halbe Nacht gefahren sein.«

Timor folgte der angewiesenen Richtung mit den Augen, und glaubte auch einen weißen Schein hinter den Büschen zu erkennen, stand aber zu niedrig oder war zu klein es genau unterscheiden zu können, und hatte auch in der That seine Aufmerksamkeit viel zu sehr der Insel vor ihnen zugewandt, um sich mehr, als ein flüchtiger Blick erforderte, mit dem Segel zu beschäftigen. Das lag jedenfalls noch eine Strecke hinter ihnen, und mußte seiner Zeit schon von selber sichtbar werden.

Bill dagegen interessirte sich weit mehr für das fremde Fahrzeug, wenn es wirklich ein solches und nicht vielleicht ein Streifen Sand war, der so hell da herüber blinkte. Wies es sich jedoch wirklich als ein Segel aus, so mußten sie vor allen Dingen darauf zufahren, und es zu bewegen suchen daß es beilege, bis seine drei Schiffscameraden abgeholt werden konnten. Der Gedanke an ihre hier mögliche und baldige Rettung beschäftigte ihn dabei so, daß er darüber wirklich sogar sein Frühstück vergaß. Nur in aller Geschwindigkeit schob er sich rasch ein frisches Priemchen Kautaback in den Mund, und seinen Hut dann in die Stirn drückend nahm er den einen Riemen auf; legte ihn hinten ein und begann das Boot nach der Insel zuzuwricken.8

7Durch Reiben beschädigen oder abnützen.
8Wricken heißt, mit einem einzelnen, hinten ausgelegten und herüber und hinüber gedrehten Ruder ein Boot vorwärts treiben.