Was bringt mir das?

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Existieren versus vegetieren

Die beiden Verben »existieren« und »vegetieren« beleuchten die Bedeutung der Existenz im oben definierten Sinn. Umgangssprachlich wird »vegetieren« für Menschen gebraucht, die irgendwie am Ende sind, die nur noch überleben wollen, wenn überhaupt. Existenzanalytisch bedeutet es »einen Zustand, bei dem man sich nicht mehr über die Bedingungen des Lebens erheben kann, sondern sich ihnen als Opfer ausgeliefert fühlt« (Längle, 2013a, S. 20). Damit lässt sich in Abgrenzung zu »vegetieren« deutlich machen, was eine gute Existenz ist. »Existieren« bedeutet ein Leben führen, in dem man ganz sich selbst sein kann. Der Mensch kann sich eingeben in Themen und Beziehungen, die ihm wichtig sind. Es ist ein aktives und bewusst entschiedenes Engagement für etwas, was einem wichtig ist, oder für einen Menschen, der einem am Herzen liegt.

Vier Prozessschritte zur Existenz

Damit der Mensch zu einem existenziellen Leben kommen kann, braucht es vier Faktoren. Längle (2013a, S. 59) hat damit die Personale Existenzanalyse (PEA) begründet, der wir im Kapitel »Methoden und Instrumente« noch einmal begegnen werden:

1.Die Existenzanalyse bezieht sich zuerst auf die Realität und Sachlichkeit. Alles, was erlebt wird, wird daraufhin überprüft.

2.Zentral ist das Erleben. Es stellt sich immer die Frage, wie etwas erlebt worden ist. Denn darin sind die Werte und damit auch die Emotionen enthalten.

3.Es braucht eine Stellungnahme zur Realität. In einer Stellungnahme bringt der Mensch seine Haltung und Einstellung zu etwas zum Ausdruck. Dabei geht es um das Personale, also das ganz Persönliche. In jeder Situation soll der Mensch seine eigenen Gedanken, Empfindungen, Worte und Handlungen leben können, denn das ist die Grundlage für ein authentisches Leben. Dabei ist der Mensch frei in seiner Entscheidung.

4.Im Handeln übernimmt der Mensch Verantwortung. In der Handlung realisiert er Sinnvolles in der Welt.

Existenzielle Situation und Dialog

Die existenzielle Situation des Menschen ist mit der Tatsache geschaffen, dass wir in dieser Welt sind. Damit sind wir in einer unaufhebbaren Beziehung mit der Welt. Es ist nicht möglich, nicht in Beziehung mit der Welt zu sein. »Zum Wesen des Menschen gehört das Bezogensein auf anderes, das nicht wieder er selbst ist. Menschsein heißt daher, ein Gegenüber zu haben« (Längle, 2005, S. 29). Für ein erfüllendes Leben braucht es mich – aber ich alleine reiche dazu nicht aus. Es braucht auch ein Du. Darin zeigt sich eine der philosophischen Wurzeln der Existenzanalyse. Von Martin Buber stammt der Satz: »Der Mensch wird am Du zum Ich.«

Dieses Bezogensein bezieht sich auf drei Dimensionen:

1.physisch: Wir sind immer an einem Ort, mit Boden und Luft, wir haben unseren Körper.

2.psychisch: Wir sind mit anderen Menschen und mit Objekten emotional verbunden.

3.geistig: Wir beschäftigen uns mit dieser Welt, setzen uns mit Teilen von ihr auseinander und sind mit anderen Menschen verbunden, ohne die wir nicht überleben könnten. (Längle, 2005, S. 29.)

Existieren ist nur im Dialog möglich. Der Mensch steht in ständigem Austausch mit sich und der Welt. Offenheit und Gesprächsbereitschaft fördern eine gelingende Existenz, wogegen Verschlossenheit, Unzugänglichkeit und Isolation der Existenz ihre Grundlage entziehen (Längle, 2013a).


Das grundlegende Kriterium für erfüllende Existenz: Zustimmung zum eigenen Handeln auf der Grundlage dialogischen Austausches mit dem anderen. Alfried Längle [2]

Der innere Dialog – das innere Gespräch[3]

Bisher haben wir vor allem vom Dialog nach außen gesprochen. In der Existenzanalyse ist indessen der innere Dialog genauso wichtig. Der Ansatz dazu ist die Person, die in uns spricht (zum Person-Verständnis der Existenzanalyse vgl. den entsprechenden Abschnitt, hier). Darum soll das, was in uns spricht, aus uns herausgeholt werden.

In uns zeigen sich durch den Tag viele Gedanken und Gefühle. Fast ständig meldet sich in uns etwas. Etliches davon kommt aus unserem innersten Wesen – aus der Person (anderes kommt aus dem Ich und dem Über-Ich). Aus diesem innersten Wesen kommen ganz wesentliche Impulse, die für ein existenziell erfülltes Leben grundlegend wichtig sind. Darum werde ich zu einem Gegenüber von mir selbst. Ich bin mir selbst ein guter Freund, der das in Empfang nimmt, was da aus meinem Innersten kommt. Was erlebe ich gerade? Wie geht es mir dabei? Wie möchte ich darauf reagieren?

Dazu habe ich eine grundsätzlich wertschätzende Haltung mir gegenüber. Denn das, was sich aus mir heraus zeigen kann, kann auch widersprüchlich sein, kann mich in innere Konflikte geraten lassen. Da ist ein Impuls, der in diese Richtung zieht, aber etwas anderes in mir zeigt in die entgegengesetzte Richtung. Mit dem inneren Dialog bringe ich diese beiden Teile ins Gespräch miteinander. Ganz wichtig dabei ist das Bewusstsein, dass alles, was sich in mir meldet, seine Gründe hat. Dazu ist eben die Wertschätzung und Respekt mir gegenüber wichtig. Es mag Dinge geben, die sich da melden, die ich zuerst nicht verstehe. Denn mein innerstes Wesen kann mir überraschende, fremde, ungewohnte Dinge mitteilen. Mit dem inneren Gespräch kann ich mir selbst auf die Spur kommen.

Folgerungen für die Praxis

Jede Lernsituation ist für die Lernenden eine existenzielle Situation, in der sie aufgefordert sind, eine Antwort zu geben, zu reagieren. Dabei ist es von großer Bedeutung, mit innerer Zustimmung reagieren zu können und nicht als Getriebene aufgrund von äußerem Druck.

Die Grundlage für die Beziehung zwischen Lehrperson und Lernenden ist der Dialog und nicht etwa das Fachwissen oder das Expertentum. Lehrpersonen suchen aktiv den Dialog mit den Lernenden.

Es sollen solche Lernformen gewählt und Lerngefäße zur Verfügung gestellt werden, mit denen die Lernenden regelmäßig untereinander in einen Dialog kommen, in denen sie sich miteinander austauschen können. Ein mögliches Lerngefäß sind Transfergruppen. Damit erhalten die Lernenden Gelegenheit, die Inhalte und Themen auf Praxistauglichkeit hin zu untersuchen und in ihr Umfeld zu adaptieren.

Mit Anregungen zur Reflexion soll der innere Dialog der Lernenden gefördert werden. Die Überlegung, welche Inhalte welche persönliche oder transferorientierte Bedeutung haben, ist eine Grundvoraussetzung, damit sich überhaupt eine emotionale Beziehung zu den Lerninhalten entwickeln kann. Dabei können die Lernenden erkennen, was für sie wichtig ist.

Lebenshaltung: Wunsch oder Antwort?

Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Haltungen im Leben: die Antwort- oder die Wunschhaltung.

Indem wir ständig mit neuen Situationen in dieser Welt konfrontiert werden, sind wir aufgefordert, darauf zu reagieren. Existenzanalytisch ist jede Situation eine Anfrage an den Menschen, wie er darauf reagieren will. Das ist existenzielle Dynamik: Wir werden von der Welt, vom Leben immerzu befragt und sind aufgefordert, Antwort zu geben.

Das ist zunächst eine ungewöhnliche Sicht auf die Dinge. Denn in unserer Gesellschaft ist eine Anspruchs- oder Wunschhaltung weit verbreitet und wird durch eine verwöhnende Erziehung gefördert. Die sogenannten Helikopter-Eltern stehen sinnbildlich für diese Tendenz. Das sind Eltern, die ständig über den Kindern kreisen und sie vor aller Unbill des Lebens bewahren wollen. Durch Überbehütung, Verwöhnung und Überidentifikation wird den Kindern bis ins Erwachsenenalter hinein möglichst alles abgenommen (Kraus, 2013). Selbst Universitäten haben damit zu kämpfen,[4] und die Bildungsforscherin Margrit Stamm berichtet in ihrem Blog, dass auch Arbeitgeber unter den Folgen leiden (Stamm, 2012).

Menschen, die im Leben grundsätzlich eine Wunschhaltung haben, stellen Forderungen an die Umwelt. Damit verbunden ist eine passive Erwartungshaltung. Jemand soll kommen und die Wünsche erfüllen, die Probleme lösen, Antworten bereithalten und die Arbeit abnehmen. In Weiterbildungssituationen zeigt sich eine solche Haltung oft so: Ich habe ja schließlich bezahlt, und jetzt sollen die da vorne mal liefern. Solche Menschen warten darauf, dass ihre Wünsche vom Leben oder von jemand anderem erfüllt werden. Damit verhalten sie sich gegenüber dem Leben passiv und geraten in eine Abhängigkeit. »In ihrer Wunschhaltung sind sie dem Leben, der Welt ausgeliefert« (Waibel, 2011, S. 58). Damit verlieren sie einen Teil ihrer Freiheit. Die Folge von Nicht-Erfüllung der Wünsche ist Frustration. Vor allem stellt sich auch kein Gefühl der Befriedigung ein, wenn man keine echte Eigenleistung vollbracht hat. Die Gewissheit, selbst eine Leistung vollbracht zu haben, ist wiederum entscheidend für Selbstwert und Selbstbewusstsein.

Die andere Haltung ist eben die Antworthaltung. Bei Frankl ist das Mensch-Sein ein ständiges Infrage-stehen. Frankl hat hier eine Umkehrung vorgenommen: Als Mensch frage ich nicht, was ich vom Leben erwarten kann, sondern ich frage, was die Situation, das Leben von mir erwartet und welche Antwort ich darauf geben will. Was erwartet die Arbeit, die Lernsituation, die Situation in einer Beziehung von mir? Ich fordere nicht vom Leben, sondern ich gebe dem Leben etwas: meine Antwort. (»Antwort« ist hier nicht nur sprachlich, sondern vor allem im Sinne von »Tat« gemeint.) Dazu hat Frankl den Dichter Hebbel zitiert: »Das Leben ist nicht etwas – es ist die Gelegenheit zu etwas« (Frankl, 1985, S. 101). Im Gegensatz zur Wunschhaltung ist der Mensch in der Antworthaltung frei. Der Mensch ist nicht frei, eine Antwort zu geben, aber er ist frei, welche Antwort er gibt (Längle, 2013a, S. 43). Der Mensch kann sehr bewusst antworten oder auch im Vorbeigehen. Auch keine Antwort ist eine Form von Antwort, allerdings gibt der Mensch damit die Selbststeuerung auf.

 

Diese Umkehr der Fragestellung nannte Frankl die »existenzielle Wende«.


Menschsein heißt infrage stehen, Leben heißt Antwort geben. Alfried Längle [5]

Aus der Antworthaltung heraus leben ist in der Existenzanalyse die existenzielle Lebenshaltung. Das wesentliche Kennzeichen dieser Haltung ist eine Aktivität, die von der Abhängigkeit in mehr Unabhängigkeit führt. Daraus resultiert auch mehr Eigenständigkeit und weniger Nach-den-Vorgaben-und-Normen-von-anderen-Leben. Der Mensch in der Antworthaltung kann das Antwortgeben nicht delegieren, sondern muss die Antworten selbst geben. Diese Haltung kann anstrengend sein. Ein Leben in Freiheit bedeutet auch Arbeit. Es braucht immer wieder dialogische Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Umwelt.

Folgerungen für die Praxis

Folgerungen haben diese Erkenntnisse bereits beim Marketing eines Bildungsanbieters. Die »Marketinghaltung« will es dem Kunden möglichst angenehm machen, damit er sich für den Erwerb eines Produktes oder einer Dienstleistung entscheidet. Den Kunden soll möglichst viel abgenommen werden. Im Bereich der Bildung ist diese Haltung indessen fatal, wenn sie eine Wirkung in den Unterricht hinein hat. Lernen hat sehr viel mit einer Eigenleistung der Lernenden zu tun. Je mehr sie selbst erarbeiten, experimentieren und erfahren, desto besser für die Behaltensquote und die Nachhaltigkeit. In dem Moment, in dem die Weiterbildung beginnt, werden aus Kunden und Kundinnen Lernende, die etwas dafür leisten müssen, um die in der Ausschreibung versprochenen Lernziele oder Kompetenzen zu erlangen. Das Produkt »Bildung« entsteht in der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Lernenden. Mit der Marketinghaltung wird die allfällig vorhandene Wunschhaltung weiter gefördert. Zum Selbstverständnis eines Bildungsanbieters sollte daher gehören, dass in den Lernräumen nicht Kunden und Kundinnen sitzen, sondern Lernende, die eine Leistung erbringen müssen, um zum Ziel zu gelangen. Jede Lernsituation ist eine Anfragesituation für die Lernenden, in der sie nicht nicht reagieren bzw. keine Antwort geben können. Sie müssen auf irgendeine Weise reagieren.

Ob in einer Lernkultur eine Wunsch- oder Antworthaltung gepflegt wird, hängt auch vom Lehr- und Lernverständnis der Lehrperson ab. Dieses Verständnis zeigt sich in den konkreten Lehrhandlungen. Wenn der Unterricht zum größten Teil von Referaten und PowerPoint-Präsentationen geprägt ist, dann könnte das Lernverständnis dahinter sein, dass die Lernenden vor allem übers Zuhören und mit Visualisierungen lernen. Das ist das »Oberkellner-Syndrom«:[6] Die Lehrperson serviert den Lernenden alles auf dem Silbertablett. Damit wird die Wunschhaltung gefördert. Ein Lernverständnis hingegen, das auf der Überzeugung fußt, Lernen geschehe vor allem aktiv und selbsttätig, zeigt sich in der Schulstube an Methoden und Sozialformen, in denen die Lernenden im Mittelpunkt stehen. Damit wird die Antworthaltung wesentlich mehr gefördert.

Die Reflexion zum Lehr- und Lernverständnis ist daher sehr wichtig. Damit sich die Lernenden auf den Unterrichtsstil der Lehrperson besser einstellen können, soll dieser offen deklariert werden. Noch besser ist es, mit den Lernenden eine biografische Reflexion zu ihren Lernerfahrungen zu machen.[7] Damit können sie ihre ganz spezifischen und in der Regel vagen Erwartungen an die Lehrperson in ihr Bewusstsein heben, womit eine Grundlage für Veränderungen geschaffen wird. Im Dialog zwischen Lehrperson und Lernenden kann dann eine Vereinbarung zur Lernkultur im Unterricht getroffen werden.

Wenn die Lehrperson ein Lernverständnis hat, in dem Eigenaktivität der Lernenden eine große Rolle spielt, sie es dann aber mit Lernenden zu tun hat, die sich eine eher passive Lernkultur gewohnt sind, lohnt sich das Gespräch über die Lernkultur erst recht. Sonst muss mit Widerstand gerechnet werden.

Die Lernenden können nicht zu einer Haltung verpflichtet werden. Am Ende braucht es einen in Freiheit getroffenen Entscheid. Die Lehrperson kann mit den Lernenden in einen Dialog treten und die eigene Haltung offenlegen. Dann gilt es, darauf zu vertrauen, dass die Lernenden auf das Gesprächsangebot einsteigen und dass bewusst eine gemeinsame Lernkultur entwickelt werden kann.

Zustimmung[8]

Die wichtigste Voraussetzung zur Zufriedenheit ist, dass ein Mensch das, was er ist, auch sein will. Erasmus von Rotterdam

Für eine erfüllte Existenz ist die innere Zustimmung von zentraler Bedeutung (Längle, 2013a). Befriedigung in einer Situation kann es nur geben, wenn ich mich in Freiheit zu etwas entschieden habe.

Folgendes beinhaltet der Begriff »Zustimmung«:

Etwas wird als stimmig erlebt. Es wird als gut erlebt. »Stimmig« und »gut« kann durchaus mit schwierigen Entscheidungen verbunden sein. Zustimmung hat nichts mit Angstfreiheit zu tun. Ich kann mich für Dinge entscheiden und dabei sowohl Angst als auch Stimmigkeit empfinden.

Der Entscheid geht in Richtung zu etwas. Zustimmung ist aktiv-agierend.

In mir klingt etwas an, da ist ein Klang, und ich bin im Einklang mit meiner Entscheidung.

Eine innere Stimme unterstützt mich in dem, was ich tue. Da ist etwas, das mir sagt, was ich spüre und fühle.

Ich treffe eine Wahl, und zwar in Freiheit.

Es ist eine Wahl von etwas, was ich jetzt als besser betrachte als andere zur Disposition stehende Möglichkeiten. Ganz vieles ausschließen heißt noch nicht, dass ich mich für etwas entschieden habe. Es braucht noch die eigentliche Zustimmung.

Folgende Auswirkungen treten auf, wenn etwas mit Zustimmung getan wird:

Ich nehme mir für die Sache Zeit, weil sie mir jetzt wichtig ist.

Ich lasse mich ein (auf das Thema, auf die Person, auf ein Erleben).

Damit wende ich mich der Sache oder der Person zu, gebe Zuwendung.

Ich bin gestaltend und selbstbestimmt.

Damit übernehme ich auch Verantwortung.

Auch wenn die Zustimmung zu etwas Schwerem gemacht wurde, kann das befreiend wirken.

Dadurch bin ich nicht nur freier, sondern auch ruhiger und lebendiger.

Schwierige Situationen können besser ertragen werden, wenn ich eine Zustimmung gegeben habe.

Gelassenheit: Ich finde eine innere Richtung und kann durchatmen.

Es schafft etwas Ordnung in mir, ich bin der Klarheit in einer Sache oder Beziehung einen Schritt näher gekommen.

Zustimmung darf nicht mit Folgendem verwechselt werden:

Anpassung.

Um des Friedens willen nachgeben.

Das machen, was von mir verlangt wird, um nachher meine Ruhe zu haben.

Mitlaufen und nur reagieren.

Resignation.

»Es ist, wie es ist.«

Funktionieren.

Dienst nach Vorschrift.

Das tun, was andere von mir verlangen, ohne zu überprüfen, ob es mich wirklich etwas angeht/betrifft/berührt/bewegt.

Gedankenloser oder nicht reflektierter Gehorsam.

Zustimmung als Basis für die Hingabe

In der Existenzanalyse wird zwischen Hingabe und Hergabe als Grunddispositionen im Leben unterschieden (Längle, 2013a). Eine Folge von Zustimmung kann die Hingabe sein, bzw. die Nicht-Zustimmung kann eine Hergabe mit sich bringen. Denn die Sache, zu der ich Ja gesagt, der ich meine Zustimmung geben habe, der kann ich mich hingeben. Vielleicht wird der Begriff »Hingabe« mit einem religiösen Kontext assoziiert, der auch etwas mit Selbstaufgabe zu tun hat. Bei der existenzanalytischen Hingabe ist das Gegenteil der Fall. Bei dieser Art von Hingabe geht es um das Finden dessen, was ganz und gar meiner Person entspricht und im besten Sinn Selbstverwirklichung ist.

Hergabe bedeutet:

Sich benutzen lassen.

Opfercharakter, in der Opferhaltung ist Selbstbestimmung nicht möglich.

Aufgabe der Selbstbestimmung und Selbstachtung.

Sich selbst aus der Hand geben.

Über sich bestimmen lassen.

Fremdbestimmung.

Wenn ich das lange mit mir machen lasse, dann ist es nicht mehr mein Leben. Mein Leben leert sich (Burn-out-Gefahr).

Hingabe bedeutet:

Ich gebe mich in etwas hinein, das für mich einen Wert darstellt.

Ich habe mich dafür entschieden.

Dieses Etwas gibt mir Freude, Energie, ich vergesse die Zeit, habe Glücksgefühle dabei.

Ich kann mich auch etwas Schwierigem hingeben.

Ich bin ganz fest darin und vergesse fast alles darum herum.

Ich erlebe eine ganz intensive Dichte.

Das Leben in diesem Moment wird als erfüllt erlebt. Hingabe und Erfüllung finden zeitgleich statt.

Es gibt immer wieder Momente, in denen die Lernenden einen desinteressierten Eindruck machen, ständig Seitengespräche geführt werden, die Resultate aus Gruppenarbeiten mehr als dürftig sind. Alle gefühlten dreißig Sekunden schauen sie auf die Uhr oder spielen mit dem Handy. So könnte der Hergabe-Modus sein. Und dann gibt es wieder die Momente, in denen die ganze Gruppe total im Flow ist, sich für ein Thema begeistert, und die Resultate gehen weit über die Erwartungen hinaus. Das ist dann, wenn Lernende sagen: Was, die Zeit ist schon um? Ich habe gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. So könnte der Hingabe-Modus aussehen.

Für das Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung ist Zustimmung, das heißt Ja zu einem Thema, einem Inhalt oder auch einem methodischen Vorgehen zu sagen, ein Kernpunkt für die Motivation. Für Lehrpersonen bedeutet dies, didaktische Planungen vorzunehmen und Instrumente einzusetzen, mit denen die Lernenden ihre Zustimmung finden können. Es braucht Wege und Mittel, welche die Reflexion anregen und ein Nachdenken über sich selbst in Gang setzen, mit dem Ziel, die Relevanz des momentanen Themas für sich persönlich herauszufinden. Dann ist die Chance größer, mit interessierten und aufmerksamen Lernenden zusammenarbeiten zu können.

Folgerungen für die Praxis

Die Lernenden machen etwas bewusst für sich und nicht, weil die Lehrperson es von ihnen verlangt.

Die Lernenden können Ja zu dem sagen, was ansteht. Es gibt viele positive Emotionen, wenn etwas mit einem klaren Ja, also mit innerer Zustimmung getan wird.

Wir stellen uns bewusst die Frage, ob wir zu dem, was wir tun, auch wirklich Ja sagen können.

Wenn die Lernenden etwas tun sollen, sollen sie es mit innerer Zustimmung machen können.

Wir halten zuweilen inne und geben den Lernenden Zeit, herauszufinden, was für sie Relevanz hat.

Wir bieten individualisierte Lehr- und Lernformen an, zum Beispiel Werkstattunterricht.

Meine Haltung als Lehrperson ist, dass ich in Bezug auf die Lernbedürfnisse der Lernenden nicht mehr weiß als die Lernenden selbst.

Als Lehrperson suche ich mit den Lernenden gemeinsam Lernwege. Dabei spielt der Dialog eine zentrale Rolle.

Als Lehrperson habe ich keine Konstrukte darüber, was die Lernenden brauchen, keine Interpretationen, stattdessen versuche ich, gemeinsam mit ihnen den nächsten Schritt herauszufinden.

 

Ich begegne mit Offenheit dem, was sich zeigt.

Ich bin bereit zu Ergebnistoleranz. Die Lernenden bringen vielleicht Gedanken und Resultate, die ich selbst noch nie angedacht hatte.