Das Haus

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Gerd Schmidinger

Das Haus

Drei Kurzgeschichten

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Haus

Das Loch

Nachts leuchten die Sterne

Impressum neobooks

Das Haus

Als ich von einer Bekannten hörte, dass sie ihr Haus in der Bretagne vermietete, setzte ich alles daran, meinen Mann von dieser Reise zu überzeugen. Wir hatten eine schwierige Phase hinter uns, beide sahen wir schlecht aus, und auch die Kinder waren unruhig und verängstigt. Ich weiß bis heute nicht, warum wir uns eigentlich stritten, denn die Kleinigkeiten, um die es damals ging, konnten es doch in Wirklichkeit nicht sein. Oder beginnen Beziehungsprobleme vielleicht doch mit herumliegenden Socken? Ich weiß es nicht.

Dennoch blicke ich jetzt mit Wehmut auf diese Zeit zurück. Wir waren vereint, manchmal im Streit, aber wir hatten einander und wussten, dass wir im Zweifelsfalle aufeinander zählen konnten. Jedenfalls glaubten wir das.

Als ich von dem Haus in der Bretagne erfuhr, hatte ich das sonderbare Gefühl, als müsste es unbedingt sein, dass wir dort hinführen, fast, als hinge unser aller Leben vom Gelingen dieses Ferienplanes ab. Ich ahnte damals nicht, wie recht ich hatte.

So war es mir denn auch ein Leichtes, meinen Mann zu überzeugen; er ist sehr nett, und wenn er merkt, dass mir an etwas sehr gelegen ist, stellt er mir keine Steine in den Weg.

Es war nicht eben leicht, Urlaub zur selben Zeit zu bekommen, aber wir schafften es. Als wir schließlich im Auto saßen, vollgepackt bis zum Rand, Anna und Patrick etwas verloren zwischen den dicken Taschen, neben mir mein Mann, da fiel mir auf, dass wir uns seit mehreren Wochen gar nicht mehr gestritten hatten. Ich blickte Markus an und gab ihm einen langen Kuss, so lange, bis sich die Kinder aufregten und verlangten, ich solle sofort abfahren. Ich lachte, startete und fuhr langsam los, in Richtung Westen. In jenem Augenblick war eine unglaubliche Weite und Freiheit in mir, und mir schien, als läge eine Ära der nicht enden wollenden Freude vor mir.

In der Nähe von Chaumont übernachteten wir in einem billigen Hotel. Wir verbrachten einen wunderschönen Abend, das Hotel lag in einer kleinen unbekannten Stadt ohne Besonderheiten, aber es war eine französische Stadt, und es war Urlaub. Wir aßen in einer Pizzeria, Annas und Patricks Gesichter glühten vor Freude und vor Genuss, und ich hatte das Gefühl, die wunderbarste Familie der Welt zu haben. Nur auf Markus' Gesicht sah ich einen Schatten von Sorge.

Am nächsten Morgen strahlte die Sonne. Ich wollte wieder fahren, und Markus hatte nichts dagegen. Stundenlang fuhr ich dahin, ein unheimliches Glücksgefühl im Herzen, mir schien, als fiel mit der Entfernung zu unserer Wohnung auch alle Last meiner Beziehung von mir ab, als hätten Socken, lästige Schwiegereltern und Erektionsschwierigkeiten alle Macht verloren. - Halt, was habe ich da geschrieben? Vielleicht hätte ich mir doch mehr Gedanken über meine Beziehung machen sollen. Vielleicht waren es nicht nur die Socken. Aber das ändert jetzt alles nichts mehr.

Die junge Sonne tauchte ein weites Land in ihr warmes Licht. Unendlich schien mir die Landschaft so dahinzurauschen, Wälder und Felder, Hecken, Büsche und Dörfer wechselten einander ab. Dann und wann eine kleine Stadt. Paris vermieden wir. Zu Mittag aßen wir selbstgemachte Brote. Markus hätte sich gerne etwas länger in Tours aufgehalten, aber es drängte mich weiter. Auch die Kinder wollten ankommen. Ich versprach ihm, dass wir uns beim Rückweg mehr Zeit lassen würden. Ich werde mein Versprechen wohl nicht einlösen können.

Ich war nun etwas müde, und Markus übernahm das Steuer. Über zwei Stunden habe ich geschlafen, wie er mir anschließend verkündete, mit dem liebevoll-spöttischen Lächeln auf den Lippen, das ich so sehr liebe. Wir waren schon auf der bretonischen Halbinsel, doch ging es noch über zweihundert Kilometer weiter bis zu unserem Haus. Mehrere Male mussten wir uns zusammenreißen, um nicht stehen zu bleiben, denn die Orte waren zauberhaft. Einmal machten wir doch eine Pause. Markus hielt einfach an, ungeachtet meiner Proteste. Aber sehr bald war ich froh darüber, dass wir stehengeblieben waren. Es war wie im Märchen. Gotische Torbögen zogen sich durch die ganze Stadt, und diese selbst war von einer gänzlich intakten, aus schwarzem Stein erbauten Mauer umgeben, gleich dahinter ein gespenstischer Wald. Ein prickelndes Grauen erfasste uns, vor allem, als die Sonne hinter Nebelschleiern verschwand.

Wir kauften uns in einem kleinen Laden eine Jause und fuhren weiter. Trotz der wunderschönen Stadt hatte sich eine leichte Melancholie auf mich gelegt, und ich ärgerte mich über mich selbst. Doch bald lichtete sich der Nebel wieder und wir fuhren durch ein wunderbares Land. Irgendwann, die Sonne stand schon tief am Himmel, sahen wir das Meer. Die Kinder schrien auf, und ich war stumm vor Freude. Markus hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Jetzt ist es nicht mehr weit!“ sagte er und schlug einen sportlicheren Fahrstil ein.

Meine Augen ruhten wie gebannt auf dem Meer. Die unendliche Weite faszinierte mich. Ich fühlte mich, als bräuchte ich nur meine Flügel auszubreiten und davonzusegeln.

Und dann sah ich das Haus. Weit unten lag es auf einer kleinen Halbinsel, und ganz unerwartet tauchte es auf. Wir waren schon seit längerer Zeit auf einem grasbewachsenen Felsplateau unterwegs, das steil zur Küste abfiel, und plötzlich tat sich der Blick auf auf die süße kleine Halbinsel mit dem Haus. Zwei, drei Kurven ging es hinunter, und dann fuhren wir geradeaus an ein paar Büschen und Bäumen vorbei auf unser Haus zu. Fünfhundert Meter waren es vielleicht, nicht mehr, die sich die Halbinsel ins Meer hinaus vorschob, aber sie kam mir jetzt schon vor wie die schönste Halbinsel der Welt.

Vor dem Haus angekommen, stellte Markus den Motor ab und wir taumelten ins Freie. Mir fiel sofort das Rauschen der Brandung auf, das alle anderen Geräusche schluckte. Ich blickte nach oben, da sah man die Kehren der schmalen Straße, das Stück Grünland auf unserer Halbinsel, und auf der anderen Seite das Haus und das Meer. Das war alles. Wir standen am äußersten Punkt des Landes. Jetzt erst bemerkte ich, wie nahe man das Haus an den Rand der Klippen gebaut hatte. Ich umrundete es, machte sechs, sieben Schritte über karges gelbgrünes Gras und schaute ins Leere. Direkt vor mir fiel die Wand zwanzig oder dreißig Meter in die Tiefe. Unten leckten die Wogen am Fels. Doch als ich es wagte, den Blick zu heben, war alle Furcht verschwunden. Die Sonne stand nur noch zwei Finger breit über dem Wasser, und es schien, als stünde der ganze Horizont in Flammen.

Einige Sekunden lang genoss ich das Schauspiel alleine, dann rief ich meine Kinder. Ich hätte auch Markus rufen sollen, aber ich wusste, dass er schon damit beschäftigt war, unsere Sachen ins Haus zu tragen, und dabei wollte ich ihn - wohl mehr aus Eigennutz - nicht stören. Heute bereue ich es, dass ich ihn nicht gerufen habe, ich hätte ihn gern gespürt an meiner Seite, ich hätte gerne einen letzten gemeinsamen Sonnenuntergang mit meinem Liebsten erlebt.

Aber es lässt sich nun nichts ändern. Trotz allem war es ein wunderschöner Abend, und wenn ich keinen Sonnenuntergang mit meinem Mann erlebte, so doch eine aufregende Nacht. Immer, wenn wir in fremden Betten schlafen, scheint sich Markus in einen Tiger zu verwandeln, aber in den liebevollsten und anschmiegsamsten, den ich kenne. Schade, dass wir nicht öfter verreist sind.

Doch bevor wir schlafen gingen, erkundeten wir die Räumlichkeiten des Hauses. Es war sehr gemütlich und aus Stein gebaut, bestand aus einer Küche und einem damit verbundenen Wohnzimmer, Klo, Bad und drei weiteren Zimmern. Wir konnten also den Kindern die Wahl lassen, ob sie im selben Raum oder jedes in einem eigenen Zimmer schlafen wollten. Ich wunderte mich, dass sie sich dafür entschieden, zusammen zu schlafen. Gewöhnlich waren sie sehr auf ihre persönliche Freiheit bedacht.

Aber auch ich war sehr anlehnungsbedürftig in jener Nacht. Vielleicht spürten wir ja alle schon, was uns bevorstand. Rückblickend weiß ich nicht, wen das bessere Los getroffen hat, mich oder meine Familie.

Wir setzten uns am Abend zusammen ins Wohnzimmer, um ein wenig zu plaudern, vor allem darüber, was wir am nächsten Tag alles machen würden. Ich bin Markus jetzt noch dafür dankbar, dass er die Idee hatte, ein Feuer im Kamin zu entfachen. Es war zwar nicht kalt, aber mir tat ein bisschen zusätzliche Wärme gut.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?