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Der Müller von Angibault

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9. Kapitel.
Ein unerwarteter Freund

Während des kurzen Alleinseins Marcelles gingen ihr tausend Gedanken durch den Kopf und bald ward sie sich bewusst, dass die Liebe sie mit einer Energie ausrüste, deren sie vielleicht ohne diese allmächtige Inspiration nicht fähig gewesen wäre. Beim ersten Anblick hatte ihr das traurige Herrenhaus, welches jetzt die einzige Behausung war, die noch ihr gehörte, beinahe Schrecken eingeflößt. Als sie aber dann bedachte, dass sogar diese Ruine ihr nicht mehr lange zu eigen sein werde, musste sie lächeln, indem sie das Gemach mit einer sehr uneigennützigen Neugierde untersuchte. Das baronliche Wappen ihrer Familie prangte noch unberührt auf dem Mantel des gewaltigen Kamins.

»So ist also alle Verbindung zwischen mir und der Vergangenheit abgebrochen«, sagte sie. »Reichtum und Adel verlöschen heutzutage, wie Herr Bricolin zu sagen pflegt, miteinander. O mein Gott, wie gut bist Du, dass Du für allzeit die Liebe geschaffen, die da unsterblich ist, wie Du selber!«

Susette trat ein und brachte das Reisenecessaire, welches ihre Gebieterin verlangt hatte, um zu schreiben. Indem Marcelle dasselbe öffnete, warf sie zufällig einen Blick auf ihre Zofe und fand das Gesicht derselben, während sie die kahlen Mauern der alten Burg betrachtete, von so seltsamem Ausdruck, dass sie sich des Lachens nicht enthalten konnte. Die Züge Susettes verdüsterten sich und ihre Stimme klang sehr widerwillig, als sie sagte:

»Die gnädige Frau ist also entschlossen, hier zu schlafen?«

»Sie sehen es wohl«, versetzte Marcelle, »und Sie haben da ein Kabinett nebenan mit einer prächtigen Aussicht.«

»Ich bin der gnädigen Frau sehr verbunden, aber die gnädige Frau kann versichert sein, dass ich nicht hier schlafen werde. Ich fürchte mich schon bei Tage entsetzlich, wie würde es erst bei Nacht sein. Man sagt, es geiste hier, und ich glaube es gerne.«

»Sie sind närrisch, Susette. Ich werde Sie gegen die Gespenster verteidigen.«

»Die gnädige Frau wird wohl die Güte haben, eine der Pächtersmägde hier neben sich schlafen zulassen, denn ich wollte lieber dieses abscheuliche Land zu Fuße verlassen —«

»Sie nehmen die Sache also tragisch, Susette? Nun, ich will Sie zu nichts zwingen, Sie mögen schlafen, wo Sie wollen. Indessen muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich, wenn Sie die Gewohnheit annehmen, mir Ihre Dienste verweigern, mich genötigt sehe, mich von Ihnen zu trennen.«

»Wenn die gnädige Frau wirklich längere Zeit in diesem Lande zu bleiben und dieses Haus zu bewohnen gedenkt so —«

»Ich bin in der Tat genötigt, einen Monat und vielleicht noch länger hier zu bleiben. Was wollten Sie sagen?«

»Dass ich die gnädige Frau bitte, mich nach Paris zurückgehen zu lassen oder auf ein anderes Ihrer Güter zu schicken: denn ich würde hier gewiss sterben müssen, ehe drei Tage um.«

»Liebe Susette«, entgegnete Marcelle sehr sanft, »ich besitze kein anderes Gut mehr und werde wohl nie mehr nach Paris zurückkehren, um dort zu wohnen. Ich bin nicht mehr reich, mein Kind, und kann Sie wahrscheinlich nicht mehr lange in meinem Dienste behalten. Da der hiesige Aufenthalt Ihnen verhasst ist, so wäre es unnütz, denselben für einige Tage zu verlängern. Ich will Ihnen Ihren Lohn ausbezahlen und die Reisekosten vergüten. Die Patache, welche uns hergebracht hat, ist noch nicht weggefahren. Ich werde Ihnen gute Empfehlungen mitgeben und meine Schwiegereltern werden Ihnen einen Platz verschaffen.«

»Aber gnädige Frau, wie soll ich allein aus diesem Lande fortkommen! In der Tat, es lohnte sich wohl der Mühe, mich so weit in eine Wildnis mitzunehmen!«

»Ich wusste nicht, dass ich zugrundegerichtet sei, und habe es eben erst erfahren«, erwiderte Marcelle ruhig. »Machen Sie mir also keine Vorwürfe, ich brachte Sie nicht mit Willen in diese schlimme Lage. Übrigens werden Sie nicht allein reisen, sondern Lapierre wird Sie nach Paris begleiten.«

»Die gnädige Frau entlassen Lapierre ebenfalls?« fragte Susette bestürzt.

»Nein, ich gebe ihn bloß meiner Schwiegermutter zurück, welche mir ihn geliehen und welche diesen alten, treuen Diener mit Vergnügen wieder um sich haben wird. Gehen Sie Susette. Essen Sie zu Mittag und bereiten Sie sich zur Abreise.«

Von der Kaltblütigkeit und der ruhigen Sanftmut ihrer Gebieterin betroffen, brach Susette in Tränen aus, und von ihrer unwirklich wiederkehrenden Anhänglichkeit erfasst, bat sie Marcelle, ihr zu verzeihen und sie bei sich zu behalten.

»Nein, liebes Kind«, entgegnete Marcelle, »Ihr Lohn übersteigt jetzt meine Kräfte. Wir werden zwar einander wohl vermissen, allein es ist dies ein unausweichliches Opfer und wir dürfen uns keiner Schwäche hingeben.«

»Aber was soll aus der gnädigen Frau werden ohne Vermögen, ohne Dienerschaft, mit einem kleinen Kind auf dem Arm in einer solchen Einöde? Der arme kleine Eduard!«

»Betrüben Sie sich nicht. Susette. Sie werden gewiss bei einem meiner Bekannten unterkommen, wir werden uns wiedersehen und Sie werden auch Eduard wiedersehen. Weinen Sie also nicht vor dem Kinde, ich bitte Sie inständig.«

Susette ging hinaus, allein Marcelle hatte kaum die Feder zum Schreiben angesetzt, als der große Mehlhändler hereintrat, Eduard auf dem einen, einen Nachtsack auf dem andern Arm.

»Ah«, sagte Marcelle zu ihm, indem sie ihm den Kleinen abnahm und auf ihren Schoß, setzte, »Sie wollen mich also noch mehr verpflichten, Herr Louis? Recht lieb ist’s mir, dass Sie noch nicht weggegangen, denn ich habe Ihnen meinen Dank noch nicht abgestattet und würde es sehr bedauert haben, wenn ich Ihnen nicht Lebewohl hätte sagen können.«

»Nein, ich bin noch nicht weggegangen«, versetzte der Müller, »und, die Wahrheit zu sagen, es pressiert mir eigentlich nicht sehr mit meinem Weggehen. Aber, gnädige Frau, wenn es Ihnen nichts verschlägt, möchte ich Sie bitten, mich nicht mehr ›Herr‹ zu nennen. Ich bin kein Herr und dieser Titel macht mich verwirrt. Nennen Sie mich Louis glattweg oder großer Louis, wie jedermann.«

»Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, dass dies sehr gegen die Gleichheit verstieße, und nach Ihren Äußerungen von heute Morgen.«

»Heute Morgen war ich ein Dummkopf, ein Pferd und, was noch schlimmer, ein Mühlpferd. Ich hatte Vorurteile, indem ich an den Adel und an Ihren Mann und an was weiß ich dachte. Hätten Sie mich Louis genannt, ich glaube, ich hätte Sie…, wie heißen Sie?«

»Marcelle.«

»Ich habe diesen Namen gern, gnädige Frau Marcelle! Wohl, ich werde Sie jetzt so nennen, das wird mich nicht mehr an den Herrn Baron erinnern.«

»Aber wenn ich Sie nicht mehr Herr tituliere, werden Sie mich denn auch glattweg Marcelle nennen?« fragte Frau von Blanchemont lächelnd.

»Nein, nein, Sie sind eine Frau und .... hol’ mich der Teufel! .... eine Frau, wie es wenige gibt, sehen Sie, ich kann’s gar nicht verbergen, dass ich Sie recht im Herzen trage, besonders seit einem Augenblick.«

»Warum seit einem Augenblick, großer Louis?« fragte Marcelle, welche zu lachen begann und dem Müller nur noch halb zuhörte.

»Weil ich vorhin hörte, was Sie mit Ihrem Mädchen sprachen. Ich befand mich mit Ihrem Knaben gerade auf der Treppe, der kleine Schlingel spielte mir tausend Possen, um mich am Vorwärtsgehen zu verhindern, und so hörte ich wider Willen alles, was Sie sagten. Ich bitte Sie um Verzeihung.«

»Das ist überflüssig«, versetzte Marcelle, »meine Lage ist kein Geheimnis, da ich ja Susette damit bekannt machte, und überdies bin ich gewiss, dass ein Geheimnis in Ihren Händen gut aufgehoben sein würde.«

»Ein Geheimnis von Ihnen würde in meinem Herzen ruhen«, sagte der Müller gerührt. »Aber wie, Sie wussten vor Ihrem Hieherkommen nicht, dass Sie zugrundegerichtet seien?«

»Nein, ich wusste es nicht. Herr Bricolin hat mich zuerst davon in Kenntnis gesetzt. Ich erwartete allerdings Verluste, aber keineswegs einen derartigen Ruin.«

»Und Sie sind nicht außer sich darüber?«

Marcelle, welche angefangen hatte, zu schreiben, dachte nicht daran, zu antworten. Nach einer Weile aber erhob sie ihre Augen und sah den großen Louis mit gekreuzten Armen vor sich stehen und sie mit einer Art naiver Begeisterung und leisem Erstaunen betrachten.

»Ist es denn so wundersam«, sagte sie, »jemand zu sehen, der mit seinem Vermögen nicht auch zugleich den Verstand verliert? Zudem bleibt mir ja so viel, dass ich zu leben haben werde.«

»Ich weiß beiläufig, was Ihnen bleibt. Ich kenne Ihre Angelegenheiten vielleicht besser als Sie selbst, denn wenn der Vater Bricolin ein Gläschen getrunken hat, schwatzt er gerne und er hat mir oft den Kopf von dieser Sache vollgemacht, bevor sie mich noch interessierte. Das ist aber einerlei, sehen Sie; ich habe noch nie eine Person gesehen, welche, ohne mit den Augen zu blinzen, ohne außer sich zu kommen in einem Augenblick, ratsch! eine Million da, eine halbe Million dort springen sieht … nein, das hab’ ich noch nie gesehen, und ich kann’s noch nicht recht fassen.«

»Sie werden es noch weniger fassen, wenn ich Ihnen sage, dass es mich, soweit es mich persönlich angeht, äußerst freut.«

»Ah, aber gewiss nicht insoferne es Ihr Kind angeht!« bemerkte der Müller, seine Stimme dämpfend, damit der Kleine, welcher in dem anstoßenden Zimmer spielte, seine Worte nicht vernehmen könne.

»Im ersten Augenblick war ich ein wenig erschrocken«, fuhr Marcelle fort, »dann aber tröstete ich mich bald. Ich sagte mir schon lange, dass es ein Unglück sei, reich geboren und zum Müßiggang, zum Hass der Armen, zum Egoismus und zu der Straflosigkeit, welche der Reichtum sichert, bestimmt zu sein. Ich bedauerte oft, dass ich nicht die Tochter und die Mutter eines Arbeiters sei. Jetzt, Louis, werde ich zum Volk gehören und Männer, wie sie, werden mich nicht mehr mit misstrauischen Augen ansehen.«

»Sie gehören noch nicht zum Volke«, entgegnete der Müller, »denn es bleibt Ihnen noch ein Vermögen, welches einem Mann aus dem Volke als ein unermessliches vorkommen muss. Und überdies hat Ihr Kleiner Großeltern, welche ihn nicht wie ein Kind der Armen erziehen lassen werden. All’ dies ist also bloß ein Roman, den Sie sich vormalen, gnädige Frau Marcelle. Aber, wo zum Teufel haben Sie denn diese Ideen her? Sie müssen wohl eine Heilige sein, hol’ mich der Teufel! Es macht einen eigentümlichen Eindruck auf mich, Sie so sprechen zu hören, da alle andern reichen Leute an nichts denken, als noch reicher zu werden. Sie sind die Erste dieser Art, die ich gesehen. Oder denken die übrigen Reichen und Adeligen zu Paris ebenso, wie Sie?«

 

»Nein, sie denken anders, ich muss es gestehen. Aber machen Sie mir aus meiner Denkungsart kein Verdienst, großer Louis. Es wird wohl ein Tag kommen, wo ich Ihnen werde zeigen können, warum ich so bin.«

»Verzeihen Sie, ich muss das bezweifeln.«

»Durchaus nicht.«

»Das sind heikle Geschichten und Sie werden mich für unverschämt halten, dass ich Sie darüber ausfrage. Wenn Sie aber wüssten, dass ich gerade in diesem Kapitel übel daran und also fähig bin, die Leiden anderer zu verstehen, wie denn? Ich werde Ihnen meinen Kummer mitteilen, ich! Ja, der Donner erschlage mich! Nur Sie und meine Mutter werden davon wissen und Sie werden mir ein gütiges Wort sagen und mich wieder zu Verstand bringen.«

»Und wenn ich Ihnen nun sage, dass ich meinerseits es bezweifeln müsse.«

»Sie müssen es bezweifeln? Was gilt die Wette, dass auf der einen Seite die Liebe, auf der andern das Geld bei all’ diesem im Spiele ist?«

»Ich will Ihre Bekenntnisse anhören, großer Louis, aber da kommt der alte Lapierre die Treppe heraufgegangen. Wir werden uns noch sehen, nicht wahr?«

»Ja, es ist nötig«, antwortete der Müller leise, »denn ich habe bezugs Ihrer Geschäfte mit Bricolin noch vieles mit Ihnen zu reden. Ich fürchte, der alte Schelm nimmt Sie ein wenig zu hart mit und, wer weiß? Obgleich ich nur ein Bauer bin, kann ich Ihnen doch vielleicht einigermaßen von Nutzen sein. Wollen Sie mich zum Freunde haben?«

»Gewiss.«

»Und wollen Sie nichts beginnen, ohne es mir zuvor mitzuteilen?«

»Ich verspreche es Ihnen, mein Freund.«

Hier trat der alte Lapierre ein.

»Soll ich gehen?« fragte der Müller.

»Gehen Sie ein wenig mit Eduard beiseite. Ich muss Sie vielleicht noch um Rat fragen, wenn Sie noch einige Minuten Zeit für mich übrig haben.«

»‘S ist ja Sonntag, und überdies verschlüge es nichts, wenn es auch Werktag wäre.«

10. Kapitel.
Briefe

Lapierre trat ein. Er war blass und zitterte. Susette hatte ihm bereits alles gesagt.

Da er bei seinem Alter schwere Dienste nicht mehr leisten konnte, war er für Marcelle nur eine Art Reise-Ehrenwächter. Aber obgleich er es ihr nie ausgesprochen, hatte er doch wahre Anhänglichkeit für sie und trotzdem, dass auch ihm bereits ebenso sehr als Susette das schwarze Tal und das alte Schloss zuwider war, weigerte er sich doch, seine Herrin zu verlassen, und erklärte, dass er ihr dienen wolle für einen so niedrigen Lohn , als sie ihm zu geben für angemessen erachte.

Marcelle war gerührt von seiner edeln Ergebenheit, reichte ihm liebreich die Hand und besiegte sein Widerstreben dadurch, dass sie ihm bewies, wie er ihr weit nützlicher sein könne, wenn er nach Paris zurückkehre, als wenn er in Blanchemont bleibe.

Sie wollte sich ihres kostbaren Mobiliars entledigen und Lapierre war ganz der rechte Mann, diesen Verkauf zu besorgen und mit dem Ertrag die kleinen Rechnungen zu berichtigen, die Frau v. Blanchemont in Paris unbezahlt hatte lassen können.

Lapierre, ein rechtschaffener, einsichtsvoller Mensch, fühlte sich geschmeichelt, gewissermaßen die Rolle eines Geschäftsträgers, eines zuverlässigen, sichern Mannes zu spielen, und derjenigen Dienste zu leisten, von der er sich so ungern trennte. Die Anstalten zur Abreise wurden also gemacht. Bei dieser Gelegenheit rief Marcelle, die an alles Einzelne ihrer Lage mit großer Kaltblütigkeit dachte, den Müller ins Zimmer zurück, und fragte ihn um seine Meinung, ob sie ihren Reisewagen, den sie in *** gelassen, wohl in dieser Gegend verkaufen könne.

»Sie verbrennen also Ihre Schiffe?« antwortete der Müller. »Desto besser für uns! Sie bleiben vielleicht hier, und mir wäre nichts erwünschter, als Sie hier zu behalten. Ich gehe oft in Geschäften und zum Besuch bei einer Schwester, die dort wohnt, nach ***. Ich weiß so ziemlich alles, was in unserer Gegend geschieht, auch bemerk’ ich, dass alle unsre Bürger seit einigen Jahren wie besessen sind auf schöne Wagen, und überhaupt auf alle Luxusgegenstände. Einen weiß ich, der will sich ‘ne Equipage aus Paris kommen lassen; die Ihrige ist an Stell’ und Ort, das erspart ihm die Transportkosten, und wenn man in unserer Gegend auch die allergrößesten Narrheiten begeht, so ist man doch auch sehr auf die kleinen Ersparnisse. Er schien mir schön und gut zu sein, Ihr Wagen. Wie viel macht die Geschichte?«

»Zweitaufend Francs.«

»Soll ich mit Lapierre bis *** geh’n? Ich will ihn mit dem Käufer bekannt machen und er kann das Geld einstreichen, denn bar bezahlt man bei uns nur den Fremden.«

»Wenn’s nicht Ihre Zeit und Gefälligkeit zu sehr in Anspruch nehmen hieße, würd’ ich Sie bitten, diesen Verkauf allein zu besorgen.«

»Ich will mit Vergnügen hingeh’n. Aber sprechen Sie nicht mit Herrn Bricolin davon, denn er könnte sonst vielleicht selbst Lust haben, die Kutsche zu kaufen.«

»Und warum sollte er’s nicht?«

»Ja, weiter fehlte nichts um … um seiner Familie den Kopf zu verdreh’n! Außerdem würde Bricolin Mittel und Wege finden, Ihnen nur die Hälfte von dem zu bezahlen was sie wert ist. Wie gesagt, ich übernehme die Sache.«

»So werden Sie mir das Geld bringen, wenn es möglich ist, denn ich glaubte hier welches zu bekommen zu haben, anstatt dass ich ohne Zweifel noch werde zurückzahlen müssen.«

»Gut also; wir reisen heut’ Abend ab; der Sonntag soll mich dabei nicht scheren; und wenn ich nicht morgen Abend oder übermorgen früh mit 2000 Francs wiederkomme, so heißen Sie mich Prahlhans.«

»Ach, wie gut Sie sind!« sagte Marcelle, indem sie an die Habsucht ihres reichen Pächters denken musste.

»Soll ich nicht auch Ihre Koffer mitbringen, welche Sie in der Stadt zurückgelassen?« fragte der große Louis.

»Wenn Sie ein Fuhrwerk bestellen und mir dieselben schicken wollten…«

»Nein, nein, wozu unnützerweise einen Mann und einen Gaul mieten? Ich werde Sophie an den Karren spannen und ich wette, dass Jungfer Susette lieber auf einem Bund Stroh und mit einem Kutscher wie ich, fahren wird, als mit dem verteufelten Patachon in seinem Weidenkorb. Doch halt, ich muss noch was sagen. Sie müssen eine Magd haben – die des Herrn Bricolin haben ohnehin zu viel zu tun – um morgens und abends mit Ihrem Schelm von Knaben zu spielen. Ja, wenn ich nur Zeit hätte, wir würden ein lustiges Leben mitsammen führen, denn ich bin ein Kindernarr und das Ihrige ist gar ein gescheites Bürschchen. Ich will Ihnen aber die kleine Fanchon, die Magd meiner Mutter herschicken, wir können sie wohl eine Zeit lang entbehren. Das ist ein Mädel, welche für Ihren Kleinen Sorge tragen wird, wie für ihren Augapfel, und alles tun, was Sie ihr befehlen. Sie hat nur einen Fehler, nämlich bei jedem Wort, das man an sie richtet, drei Mal zu sagen: ›Ist’s gefällig?‹ Aber was wollen Sie? Sie bildet sich ein, das gehöre zur Höflichkeit und man würde sie für taub halten, wenn sie es unterließe.«

»Sie sind meine Vorsehung«, sagte Marcelle, »und ich muss erstaunen, dass sich gerade unter Umständen, welche mir tausenderlei Verlegenheiten bereiten müssen, auf meinem Wege ein vortreffliches Herz fand, das Beistand leistet.«

»Bah, bah, das sind kleine Freundschaftsdienste, welche Sie mir auf andere Weise vergelten können. Sie haben mich auch schon sehr zu Danke verpflichtet, seit Sie hier sind, ohne dass Sie vielleicht daran dachten.«

»Wieso?«

»Ah, wir werden hierüber später reden«, entgegnete der Müller mit einer geheimnisvollen Miene und mit einem Lächeln, in welchem der Ernst seiner Neigung mit der Munterkeit seines Charakters seltsam kontrastierten. Die Abreise des Müllers und der beiden Diener wurde also durch eine gemeinschaftliche Übereinkunft auf den Abend oder, wie der große Louis sich ausdrückte, auf die Zeit der Kühle festgesetzt, und da Marcelle vor dem Essen nur noch wenige Minuten übrig hatte, schrieb sie eiligst folgende zwei Briefe.

Erster Brief.
Die Baronin Marcelle von Blanchemont an die Gräfin von Blanchemont, ihre Schwiegermutter

›Liebe Mutter! Ich wende mich an Sie, als an die mutigste der Frauen und als an das beste Familienhaupt, um Ihnen eine Neuigkeit mitzuteilen und Sie um die Mitteilung derselben an den Herrn Grafen und an unsere übrigen Verwandten zu ersuchen, eine Neuigkeit, welche, wie ich gewiss bin, Sie stärker aufregen wird, als mich. Sie haben mich zu oft an Ihren Besorgnissen teilnehmen lassen, wir haben zu oft über die Sache gesprochen, welche mich jetzt beschäftigt, als dass Sie mich nicht sogleich verständen. Eduard hat kein Vermögen mehr, ganz und gar keines mehr. Was das meinige betrifft, so bleiben mir davon noch zweimalhundertundfünfzigtausend oder dreimalhunderttausend Francs. Ich kenne meine Lage nur erst durch einen Mann, dessen Interesse es verlangt, dass er das Unglück übertreibe, im Falle dies möglich, allein er ist zu klug, um einen Versuch zu machen, mich zu betrügen, und schon morgen oder übermorgen werde ich mich mit eigenen Augen von der ganzen Sachlage überzeugen. Ich sende Ihnen Lapierre zurück und habe nicht nötig, Sie zu bitten, ihn wieder bei Ihnen aufzunehmen. Sie haben mir ihn einst geliehen, um ein wenig Ordnung und Sparsamkeit in die Haushaltung zu bringen. Er tat auch redlich sein Möglichstes, allein von welcher Bedeutung konnte die Sparsamkeit eines Dieners in einem Hause sein, wo die Verschwendung des Herrn ohne alle Kontrolle und grenzenlos war? Gründe, welche er Ihnen auseinandersetzen wird, bestimmen mich, ihn so schnell nach Paris zurückzuschicken. Ich schreibe Ihnen hier nur das Hauptsächlichste, weil ich noch nicht in die Einzelnheiten eintreten kann, bevor ich sie selbst kenne. Ein ausführlicher Brief soll bald folgen. Ich rechne darauf, dass Lapierre Sie allein sehen und Ihnen dieses Schreiben übergeben wird, damit Sie einige Stunden oder einige Tage Zeit gewinnen, um den Grafen auf diese Neuigkeiten vorzubereiten. Sie werden den Eindruck derselben dadurch mildern, dass Sie ihm oft wiederholen, ich sei, wie Sie ja wissen, gegen die Freuden des Reichtums sehr gleichgültig, ja sogar imstande, es zu verwünschen, dass ich jemals reich gewesen. Wie gerne wollte ich dem verzeihen, welcher das Unglück gehabt hat, nicht lange genug zu leben, um alles gutmachen zu können! Gewiss, liebe Mutter, wird sein Andenken in Ihrem und meinem Herzen leicht und gänzlich Verzeihung erhalten! Jetzt noch ein Wort über Eduard und mich, die wir in dieser Prüfung des Schicksals nur eins ausmachen. Es wird mir, hoffe ich, so viel bleiben, um für seine Erziehung und seine Bedürfnisse alles Nötige tun zu können. Er ist noch nicht in dem Alter, sich über einen Verlust zu betrüben, den er nicht kennt und welchen man ihm am besten verbirgt, bis er imstande sein wird, denselben würdigen zu können. Ist es nicht ein Glück für ihn, dass diese Veränderung seiner Vermögensumstände sich ereignete, bevor er noch das Bedürfnis kennengelernt, in Reichtum zu leben? Wenn es ein Unglück ist, ich meinesteils halte es für keines, auf das Notwendige beschränkt zu sein, so wird er es nicht empfinden und sich, an eine mäßige Lebensweise gewohnt, für reich genug halten. Da ihn das Schicksal in eine bescheidene Stellung versetzen wollte, so ist es noch gütig von der Vorsehung, dass sie ihm diese Lektion in einem Alter gegeben, wo ihm dieselbe nicht bitter, sondern nur nützlich sein kann. Sie werden mir sagen, dass ihn ja noch andere Erbteile erwarten. Allein ich rechne nicht darauf und will in keiner Weise daraus Vorteil ziehen. Ich müsste die Opfer, welche sich etwa die Familie auferlegen wollte, um mir das zu verschaffen, was man die vornehme Lebensweise heißt, wie eine Beleidigung zurückweisen. In der Vorahnung dessen, was jetzt geschehen ist, habe ich mir schon meinen Lebensplan vorgezeichnet und mich so darin befestigt, dass mich nichts davon abbringen wird. Ich bin entschlossen, mich in der Provinz niederzulassen, tief in dem Lande, wo ich in den ersten Jahren meinen Sohn an ein arbeitsames und einfaches Leben gewöhnen werde und wo weder der Anblick noch die Berührung des Reichtums die guten Wirkungen meines Unterrichts und meines Beispiels zuschanden machen kann. Ich hege dabei die Hoffnung, dass ich Sie einige Mal mit ihm besuchen und Ihnen das Vergnügen bereiten können werde, anstatt des schwächlichen und träumerischen Geschöpfes, für dessen Leben wir fortwährend zittern mussten, Ihnen einen starken und muntern Knaben zu zeigen. Ich kenne die Rechte, welche Sie auf das Kind haben, und die Achtung, welche ich Ihrem Willen und Ihren Ratschlägen schuldig bin, aber ich lebe auch der Hoffnung, dass Sie mein Vorhaben nicht hintertreiben und mich mein Kind erziehen lassen werden, so lange die beständige Sorgfalt der Mutter und die heilsamen Einflüsse des Landlebens ihm nützlicher sind, als die überflüssigen Lektionen eines teuer bezahlten Hofmeisters, die Übungen aufs der Reitbahn oder die Spazierfahrten im Boulogner Wäldchen. Was mich angeht, so brauchen Sie sich meiner wegen ganz und gar nicht zu beunruhigen; denn ich bedaure den Verlust meines vormaligen sorglosen und müßiggängerischen Lebens keineswegs, liebe zudem das Landleben leidenschaftlich und werde die vielen Stunden, welche mir gesellschaftliche Eitelkeiten vordem raubten, auf den Unterricht meines Sohnes verwenden. Sie haben bis jetzt einiges Vertrauen zu mir gehabt, wohlan, jetzt ist der Augenblick da, wo Sie es bewähren können. Ich wage darauf zu rechnen, weil ich wohl weiß, dass Sie nur Ihr energisches Gemüt und tiefmütterliches Herz zu befragen brauchen, um meinen Vorsätzen und Absichten beizustimmen. Alles dies wird vielleicht in den Vorstellungen der Familie einigem Widerstand begegnen, allein sobald Sie sagen, dass ich Recht hätte, wird jedermann Ihrer Ansicht sein. Ich lege daher unsere Gegenwart und Zukunft in Ihre Hand und bin mit Aufrichtigkeit, Liebe und Achtung für das ganze Leben Ihre

 
Marcelle.‹

Ein Postskript berichtete über Susette und enthielt die Bitte, den Geschäftsträger der Familie nach dem Blanc zu senden, um sich über den Zustand des dortigen Gutes vollkommen Kenntnis zu verschaffen und sogleich die Liquidation einzuleiten. Was ihre persönlichen Angelegenheiten betraf, so wollte und konnte Marcelle sie mit Hilfe von einsichtsvollen Leuten aus der Umgegend selber in Ordnung bringen.

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