Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte

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Z serii: gelbe Buchreihe #156
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Die näheren geographischen Unterschiede sind nunmehr festzuhalten, und zwar als wesentliche des Gedankens gegen das vielfach Zufällige betrachtet. Dieser charakteristischen Unterschiede gibt es namentlich drei:

1. das wasserlose Hochland mit seinen großen Steppen und Ebenen,

2. die Talebenen (das Land des Überganges), welche von großen Strömen durchschnitten und bewässert werden,

3. das Uferland, das in unmittelbarem Verhältnisse mit dem Meere steht.

Diese drei Momente sind die wesentlichen, und nach ihnen werden wir jeden Weltteil sich in drei Teile teilen sehen. Das eine ist das gediegene, indifferente, metallische Hochland, unbildsam in sich abgeschlossen, aber wohl fähig, Impulse von sich auszuschicken. Das zweite bildet Mittelpunkte der Kultur, ist die noch unaufgeschlossene Selbständigkeit. Das dritte hat den Weltzusammenhang darzustellen und zu erhalten.

1. Das Hochland. Wir sehen solches Hochland in dem von den Mongolen (das Wort im allgemeinen Sinne genommen) bewohnten Mittelasien; vom Kaspischen Meere aus ziehen sich solche Steppen nördlich gegen das Schwarze Meer herüber; desgleichen sind hier anzuführen die Wüsten in Arabien, die Wüsten der Berberei in Afrika, in Südamerika um den Orinoko herum und in Paraguay. Das Eigentümliche der Bewohner solchen Hochlandes, das bisweilen nur durch Regen oder durch Austreten eines Flusses (wie die Ebenen des Orinoko) bewässert wird, ist das patriarchalische Leben, das Zerfallen in einzelne Familien. Der Boden, auf dem sie sich befinden, ist unfruchtbar oder nur momentan fruchtbar; die Bewohner haben ihr Vermögen nicht im Acker, aus dem sie nur einen geringen Ertrag ziehen, sondern in den Tieren, die mit ihnen wandern. Eine Zeitlang finden diese ihre Weide in den Ebenen, und wenn diese abgeweidet sind, zieht man in andere Gegenden. Man ist sorglos und sammelt nicht für den Winter, weswegen dann auch oft die Hälfte der Herde zugrunde geht. Unter diesen Bewohnern des Hochlandes gibt es kein Rechtsverhältnis, und es zeigen sich daher bei ihnen die Extreme von Gastfreundschaft und Räuberei, die letztere namentlich, wenn sie von Kulturländern umgeben sind, wie die Araber, die darin von ihren Pferden und Kamelen unterstützt werden. Die Mongolen nähren sich von Pferdemilch, und so ist ihnen das Pferd zugleich Nahrung und Waffe. Wenn dieses die Gestalt ihres patriarchalischen Lebens ist, so geschieht es doch aber oft, dass sie sich in großen Massen zusammenhalten und durch irgendeinen Impuls in eine äußere Bewegung geraten. Früher friedlich gestimmt fallen sie alsdann wie ein verwüstender Strom über Kulturländer, und die Revolution, die jetzt hereinbricht, hat kein anderes Resultat als Zerstörung und Einöde. In solche Bewegung gerieten die Völker unter Tschengiskhan und Tamerlan, sie zertraten alles, verschwanden dann wieder, wie ein verheerender Waldstrom abläuft, weil er kein eigentliches Prinzip der Lebendigkeit besitzt. Von den Hochländern herab geht es in die Engtäler. Da wohnen ruhige Gebirgsvölker, Hirten, die auch nebenbei Ackerbau treiben, wie die Schweizer. Asien hat deren auch, sie sind aber im Ganzen unbedeutender.

2. Die Talebenen. Es sind dieses Ebenen, von Flüssen durchschnitten, die ihre ganze Fruchtbarkeit den Strömen, von denen sie gebildet sind, verdanken. Eine solche Talebene ist China, Indien, welches der Indus und Ganges durchschneiden, Babylonien, wo der Euphrat und Tigris fließt, Ägypten, das der Nil bewässert. In diesen Ländern entstehen große Reiche, und die Stiftung großer Staaten beginnt. Denn der Ackerbau, der hier als erstes Prinzip der Subsistenz der Individuen vorwaltet, ist an die Regelmäßigkeit der Jahreszeit, an die demgemäß geordneten Geschäfte gewiesen: Es beginnt das Grundeigentum und die sich daraus beziehenden Rechtsverhältnisse, das heißt, die Basen und Unterlagen des Staates, der erst in solchen Verhältnissen möglich wird.

3. Das Uferland. Der Fluss teilt Landstriche voneinander, noch mehr aber das Meer, und man ist gewohnt, das Wasser als das Trennende anzusehen; besonders hat man in den letzten Zeiten behaupten wollen, dass die Staaten notwendig durch Naturelemente getrennt sein müssten; dagegen ist wesentlich zu sagen, dass nichts so sehr vereinigt als das Wasser, denn die Länder sind nichts als Gebiete von Strömen. So ist Schlesien das Odertal, Böhmen und Sachsen das Elbtal, Ägypten das Niltal.


(Siehe Band 124e in dieser gelben Buchreihe)

Mit dem Meere ist dies nicht minder der Fall, wie dies schon oben angedeutet wurde. Nur Gebirge trennen. So scheiden die Pyrenäen Spanien ganz bestimmt von Frankreich.

Mit Amerika und Ostindien haben die Europäer seit deren Entdeckung in fortwährender Verbindung gestanden, aber ins Innere von Afrika und Asien sind sie kaum eingedrungen, weil das Zusammenkommen zu Land viel schwieriger ist als zu Wasser.


(Siehe Band 154e in dieser gelben Buchreihe)

Nur dadurch, dass es Meer ist, hat das Mittelländische Meer Mittelpunkt zu sein vermocht. Sehen wir jetzt auf den Charakter der Völker dieses dritten Moments.

Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte. Das Meer ladet den Menschen zur Eroberung, zum Raub, aber ebenso zum Gewinn und zum Erwerbe ein; das Land, die Talebene fixiert den Menschen an den Boden; er kommt dadurch in eine unendliche Menge von Abhängigkeiten, aber das Meer führt ihn über diese beschränkten Kreise hinaus. Die das Meer befahren, wollen auch gewinnen, erwerben; aber ihr Mittel ist in der Weise verkehrt, dass sie ihr Eigentum und Leben selbst in Gefahr des Verlustes setzen.


(Siehe Band 133e in dieser gelben Buchreihe)

Das Mittel ist also das Gegenteil dessen, was sie bezwecken. Dies ist es eben, was den Erwerb und das Gewerbe über sich erhebt und ihn zu etwas Tapferem und Edlem macht.


Mut muss nun innerhalb des Gewerbes eintreten, und Tapferkeit ist zugleich mit der Klugheit verbunden. Denn die Tapferkeit gegen das Meer muss zugleich List sein, da sie es mit dem Listigen, dem unsichersten und lügenhaftesten Element, zu tun hat.


Diese unendliche Fläche ist absolut weich, denn sie widersteht keinem Drucke, selbst dem Hauche nicht; sie sieht unendlich unschuldig, nachgebend, freundlich und anschmiegend aus, und gerade diese Nachgiebigkeit ist es, die das Meer in das gefahrvollste und gewaltigste Element verkehrt. Solcher Täuschung und Gewalt setzt der Mensch lediglich ein einfaches Stück Holz entgegen, verlässt sich bloß auf seinen Mut und seine Geistesgegenwart und geht so vom Festen auf ein Haltungsloses über, seinen gemachten Boden selbst mit sich führend.


Das Schiff, dieser Schwan der See, der in behenden und runden Bewegungen die Wellenebene durchschneidet oder Kreise in ihr zieht, ist ein Werkzeug, dessen Erfindung ebenso der Kühnheit des Menschen als seinem Verstande die größte Ehre macht. Dieses Hinaus des Meeres aus der Beschränktheit des Erdbodens fehlt den asiatischen Prachtgebäuden von Staaten, obgleich sie selbst an das Meer angrenzen, wie zum Beispiel China. Für sie ist das Meer nur das Aufhören des Landes, sie haben kein positives Verhältnis zu demselben. Die Tätigkeit, zu welcher das Meer einladet, ist eine ganz eigentümliche: daher findet es sich dann, dass die Küstenländer meist immer von den Binnenländern sich absondern, wenn sie auch durch einen Strom mit diesen zusammenhängen. Holland hat sich so von Deutschland, Portugal von Spanien abgesondert.

Nach diesen Angaben sind nunmehr die drei Weltteile zu betrachten, und zwar kommen hier die drei Momente auf bedeutendere oder mindere Weise zum Vorschein: Afrika hat zum Hauptprinzip das Hochland, Asien den Gegensatz der Flussgebiete zum Hochland, Europa die Vermischung dieser Unterschiede.

Afrika ist in drei Teile zu unterscheiden: der eine ist der südlich von der Wüste Sahara gelegene, das eigentliche Afrika, das uns fast ganz unbekannte Hochland mit schmalen Küstenstrecken am Meere; der andere ist der nördliche von der Wüste, sozusagen das europäische Afrika, ein Küstenland; der dritte ist das Stromgebiet des Nil, das einzige Talland von Afrika, das sich an Asien anschließt. –

Jenes eigentliche Afrika ist, so weit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewussten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist. Seine Verschlossenheit liegt nicht nur in seiner tropischen Natur, sondern wesentlich in seiner geographischen Beschaffenheit. Das Dreieck desselben, (wenn wir die Westküste, die in dem Meerbusen von Guinea einen sehr stark einwärtsgehenden Winkel macht, für eine Seite nehmen wollen und ebenso die Ostküste bis zum Kap Gardafu für eine andere,) ist von zwei Seiten überall so beschaffen, dass es einen sehr schmalen, an wenigen einzelnen Stellen bewohnbaren Küstenstrich hat. Hierauf folgt nach innen fast ebenso allgemein ein sumpfiger Gürtel von der aller üppigsten Vegetation, die vorzügliche Heimat von reißenden Tieren, Schlangen aller Art, – ein Saum, dessen Atmosphäre für die Europäer giftig ist. Dieser Saum macht den Fuß eines Gürtels von hohen Gebirgen aus, die nur selten von Strömen durchschnitten werden und so, dass auch durch sie kein Zusammenhang mit dem Innern gebildet wird; denn der Durchbruch geschieht nur wenig unter der Oberfläche der Gebirge und nur an einzelnen schmalen Stellen, wo sich häufig unbefahrbare Wasserfälle und wild sich durchkreuzende Strömungen formieren.

 

Über diese Gebirge sind die Europäer seit den drei bis viertehalb Jahrhunderten, dass sie diesen Saum kennen und Stellen desselben in Besitz genommen haben, kaum hie und da und nur aus kurze Zeit gestiegen und haben sich dort nirgends festgesetzt. Das von diesen Gebirgen umschlossene Land ist ein unbekanntes Hochland, von dem ebenso die Neger selten herabgedrungen sind. Im sechzehnten Jahrhundert sind aus dem Innern an mehreren, sehr entfernten Stellen Ausbrüche von gräulichen Scharen erfolgt, die sich auf die ruhigeren Bewohner der Abhänge gestürzt haben.

Ob eine und welche innere Bewegung vorgefallen, welche diesen Sturm veranlasst, ist unbekannt.

Was von diesen Scharen bekannt geworden, ist der Kontrast, dass ihr Benehmen, in diesen Kriegen und Zügen selbst, die gedankenloseste Unmenschlichkeit und ekelhafteste Rohheit bewies, und dass sie nachher, als sie sich ausgetobt hatten, in ruhiger Friedenszeit sich sanftmütig, gutmütig gegen die Europäer, da sie mit ihnen bekannt wurden, zeigten. Das gilt von den Fullahs, von den Mandingos, die in den Gebirgsterrassen des Senegal und Gambia wohnen. – Der zweite Teil von Afrika ist das Stromgebiet des Nils, Ägypten, welches dazu bestimmt war, ein großer Mittelpunkt selbständiger Kultur zu werden, und daher ebenso isoliert und vereinzelt in Afrika dasteht, als Afrika selbst im Verhältnis zu den andern Weltteilen erscheint. – Der nördliche Teil von Afrika, der vorzugsweise der des Ufergebietes genannt werden kann, denn Ägypten ist häufig vom Mittelmeer in sich zurückgedrängt worden, liegt am Mittel- und Atlantischen Meer, ein herrlicher Erdstrich, auf dem einst Karthago lag, wo jetzt Marokko, Algier, Tunis und Tripolis sind. Diesen Teil sollte und musste man zu Europa herüberziehen, wie dies die Franzosen jetzt eben glücklich versucht haben: Er ist wie Vorderasien zu Europa hingewendet; hier haben wechselweise Karthager, Römer und Byzantiner, Muselmänner, Araber gehaust, und die Interessen Europas haben immer hinüberzugreifen gestrebt.

Der eigentümlich afrikanische Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mitunter läuft, die Kategorie der Allgemeinheit.

Bei den Negern ist nämlich das Charakteristische gerade, dass ihr Bewusstsein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner als des Einzelnen und seiner wesentlichen Allgemeinheit ist der Afrikaner in seiner unterschiedslosen, gedrungenen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein anderes, höheres gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar: Von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muss man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will; es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden. Die weitläufigen Berichte der Missionare bestätigen dieses vollkommen, und nur der Mohammedanismus scheint das einzige zu sein, was die Neger noch einigermaßen der Bildung annähert.


Die Mohammedaner verstehen es auch besser wie die Europäer, ins Innere des Landes einzudringen. Diese Stufe der Kultur lässt sich dann auch näher in der Religion erkennen. Das erste, was mir uns bei dieser vorstellen, ist das Bewusstsein des Menschen von einer höheren Macht, (wenn diese auch nur als Naturmacht gefasst wird,) gegen die der Mensch sich als ein Schwächeres, Niedrigeres stellt. Die Religion beginnt mit dem Bewusstsein, dass es etwas Höheres gebe als der Mensch. Die Neger aber hat schon Herodot Zauberer genannt; in der Zauberei liegt nun nicht die Vorstellung von einem Gott, von einem sittlichen Glauben, sondern sie stellt dar, dass der Mensch die höchste Macht ist, dass er sich allein befehlend gegen die Naturmacht verhält. Es ist also nicht von einer geistigen Verehrung Gottes noch von einem Reiche des Rechts die Rede. Gott donnert und wird nicht erkannt: Für den Geist des Menschen muss Gott mehr als ein Donnerer sein, bei den Negern aber ist dies nicht der Fall. Obgleich sie sich der Abhängigkeit vom Natürlichen bewusst sein müssen, denn sie bedürfen des Gewitters, des Regens, des Aufhörens der Regenzeit, so führt sie dieses doch nicht zum Bewusstsein eines Höheren; sie sind es, die den Elementen Befehle erteilen, und dies eben nennt man Zauberei. Die Könige haben eine Klasse von Ministern, durch welche sie die Naturveränderungen anbefehlen lassen, und jeder Ort besitzt auf eben diese Weise seine Zauberer, die besondere Zeremonien, mit allerhand Bewegungen, Tänzen, Lärm und Geschrei ausführen und inmitten dieser Betäubung ihre Anordnungen treffen.

Das zweite Moment ihrer Religion ist alsdann, dass sie sich diese ihre Macht zur Anschauung bringen, sich äußerlich setzen und sich Bilder davon machen. Das, was sie sich als ihre Macht vorstellen, ist somit nichts Objektives, in sich Festes und von ihnen Verschiedenes, sondern ganz gleichgültig der erste beste Gegenstand, den sie zum Genius erheben, sei es ein Tier, ein Baum, ein Stein, ein Bild von Holz. Dies ist der Fetisch, ein Wort, welches die Portugiesen zuerst in Umlauf gebracht, und welches von feitizo, Zauberei, abstammt. Hier im Fetische scheint nun zwar die Selbständigkeit gegen die Willkür des Individuums aufzutreten, aber da eben diese Gegenständlichkeit nichts anderes ist als die zur Selbstanschauung sich bringende individuelle Willkür, so bleibt diese auch Meister ihres Bildes. Begegnet nämlich etwas Unangenehmes, was der Fetisch nicht abgewendet hat, bleibt der Regen aus, entsteht Misswuchs, so binden und prügeln sie ihn oder zerstören ihn und schaffen ihn ab, indem sie sich zugleich einen andern kreieren; sie haben ihn also in ihrer Gewalt. Es hat ein solcher Fetisch weder die religiöse Selbständigkeit, noch weniger die künstlerische; er bleibt lediglich ein Geschöpf, das die Willkür des Schaffenden ausdrückt, und das immer in seinen Händen verharrt. Kurz, es ist kein Verhältnis der Abhängigkeit in dieser Religion. Was aber auf etwas Höheres bei den Negern hinweist, ist der Totendienst, in welchem ihre verstorbenen Voreltern und ihre Vorfahren ihnen als eine Macht gegen die Lebendigen gelten. Sie haben dabei die Vorstellung, dass diese sich rächen und dem Menschen dieses oder jenes Unheil zufügen könnten, in eben dem Sinne, wie dies im Mittelalter von den Hexen geglaubt wurde; doch ist die Macht der Toten nicht über die der Lebendigen geachtet, denn die Neger befehlen ihren Toten und bezaubern sie.


(Siehe Band 152e in dieser gelben Buchreihe)

Auf diese Weise bleibt das Substantielle immer in der Gewalt des Subjekts. Der Tod selbst ist den Negern kein allgemeines Naturgesetz; auch dieser, meinen sie, komme von übelgestimmten Zauberern her. Es liegt allerdings darin die Hoheit des Menschen über die Natur; ebenso, dass der zufällige Wille des Menschen höher steht als das Natürliche, dass er dieses als das Mittel ansieht, dem er nicht die Ehre antut, es nach seiner Weise zu behandeln, sondern dem er befiehlt. S. Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion I, 284 u. 289. 2. Aufl. [1. Ausg.: ib. 1. Aufl. I, 226.]

Daraus aber, dass der Mensch als das Höchste gesetzt ist, folgt, dass er keine Achtung vor sich selber hat, denn erst mit dem Bewusstsein eines höheren Wesens erlangt der Mensch einen Standpunkt, der ihm eine wahre Achtung gewährt. Denn wenn die Willkür das Absolute ist, die einzige feste Objektivität, die zur Anschauung kommt, so kann der Geist auf dieser Stufe von keiner Allgemeinheit wissen. Die Neger besitzen daher diese vollkommene Verachtung der Menschen, welche eigentlich nach der Seite des Rechts und der Sittlichkeit hin die Grundbestimmung bildet. Es ist auch kein Wissen von Unsterblichkeit der Seele vorhanden, obwohl Totengespenster vorkommen. Die Wertlosigkeit der Menschen geht ins Unglaubliche; die Tyrannei gilt für kein Unrecht, und es ist als etwas ganz Verbreitetes und Erlaubtes betrachtet, Menschenfleisch zu essen. Bei uns hält der Instinkt davon ab, wenn man überhaupt beim Menschen vom Instinkte sprechen kann. Aber bei dem Neger ist dies nicht der Fall, und den Menschen zu verzehren hängt mit dem afrikanischen Prinzip überhaupt zusammen; für den sinnlichen Neger ist das Menschenfleisch nur Sinnliches, Fleisch überhaupt. Bei dem Tode eines Königs werden wohl Hunderte geschlachtet und verzehrt; Gefangene werden gemordet und ihr Fleisch auf den Märkten verkauft; der Sieger frisst in der Regel das Herz des getöteten Feindes. Bei den Zaubereien geschieht es gar häufig, dass der Zauberer den ersten besten ermordet und ihn zum Fraße an die Menge verteilt. Etwas anderes Charakteristisches in der Betrachtung der Neger ist die Sklaverei. Die Neger werden von den Europäern in die Sklaverei geführt und nach Amerika hin verkauft. Trotzdem ist ihr Los im eignen Lande fast noch schlimmer, wo ebenso absolute Sklaverei vorhanden ist; denn es ist die Grundlage der Sklaverei überhaupt, dass der Mensch das Bewusstsein seiner Freiheit noch nicht hat und somit zu einer Sache, zu einem Wertlosen herabsinkt. Bei den Negern sind aber die sittlichen Empfindungen vollkommen schwach, oder besser gesagt, gar nicht vorhanden. Die Eltern verkaufen ihre Kinder und umgekehrt ebenso diese jene, je nachdem man einander habhaft werden kann. Durch das Durchgreifende der Sklaverei sind alle Bande sittlicher Achtung, die wir voreinander haben, geschwunden, und es fällt den Negern nicht ein, sich zuzumuten, was wir voneinander fordern dürfen. Die Polygamie der Neger hat häufig den Zweck, viel Kinder zu erzielen, die samt und sonders zu Sklaven verkauft werden könnten, und sehr oft hört man naive Klagen, wie z. B. die eines Negers in London, der darüber wehklagte, dass er nun ein ganz armer Mensch sei, weil er alle seine Verwandten bereits verkauft habe. In der Menschenverachtung der Neger ist es nicht sowohl die Verachtung des Todes als die Nichtachtung des Lebens, die das Charakteristische ausmacht. Dieser Nichtachtung des Lebens ist auch die große von ungeheurer Körperstärke unterstützte Tapferkeit der Neger zuzuschreiben, die sich zu Tausenden niederschießen lassen im Kriege gegen die Europäer. Das Leben hat nämlich nur da einen Wert, wo es ein Würdiges zu seinem Zwecke hat.

Gehen wir nun zu den Grundzügen der Verfassung über, so geht eigentlich aus der Natur des Ganzen hervor, dass es keine solche geben kann. Der Standpunkt dieser Stufe ist sinnliche Willkür mit Energie des Willens; denn die allgemeinen Bestimmungen des Geistes, z. B. Familiensittlichkeit, können hier noch keine Geltung gewinnen, da alle Allgemeinheit hier nur als Innerlichkeit der Willkür ist. Der politische Zusammenhalt kann daher auch nicht den Charakter haben, dass freie Gesetze den Staat zusammenfassen. Es gibt überhaupt kein Band, keine Fessel für diese Willkür. Was den Staat einen Augenblick bestehen lassen kann, ist daher lediglich die äußere Gewalt. Es steht ein Herr an der Spitze; denn sinnliche Rohheit kann nur durch despotische Gewalt gebändigt werden. Weil nun aber die Untergebenen Menschen von ebenso wildem Sinne sind, so halten sie den Herrn wiederum in Schranken. Unter dem Häuptling stehen viele andere Häuptlinge, mit denen sich der erste, den wir König nennen wollen, beratet, und er muss, will er einen Krieg unternehmen oder einen Tribut auferlegen, ihre Einwilligung zu gewinnen suchen. Dabei kann er mehr oder weniger Autorität entwickeln und diesen oder jenen Häuptling bei Gelegenheit mit List oder Gewalt aus dem Wege schaffen. Außerdem besitzen die Könige noch gewisse Vorrechte. Bei den Aschantees erbt der König alles hinterlassene Gut seiner Untertanen, in andern Orten gehören alle Mädchen dem König, und wer eine Frau haben will, muss sie demselben abkaufen. Sind die Neger mit ihrem König unzufrieden, so setzen sie ihn ab und bringen ihn um. In Dahomey ist die Sitte, dass die Neger, wenn sie nicht mehr zufrieden sind, ihrem Könige Papageieneier zuschicken, was ein Zeichen ihres Überdrusses an seiner Regierung ist. Bisweilen wird ihm auch eine Deputation zugefertigt, welche ihm sagt: Die Last der Regierung müsse ihn sehr beschwert haben, er möge ein wenig ausruhen. Der König dankt dann den Untertanen, geht in seine Gemächer und lässt sich von den Weibern erdrosseln. In früherer Zeit hat sich ein Weiberstaat besonders durch seine Eroberungen berühmt gemacht: Es war ein Staat, an dessen Spitze eine Frau stand. Sie hat ihren eignen Sohn in einem Mörser zerstoßen, sich mit dem Blute bestrichen und veranstaltet, dass das Blut zerstampfter Kinder stets vorrätig sei. Die Männer hat sie verjagt oder umgebracht und befohlen, alle männlichen Kinder zu töten. Diese Furien zerstörten alles in der Nachbarschaft und waren, weil sie das Land nicht bauten, zu steten Plünderungen getrieben. Die Kriegsgefangenen wurden als Männer gebraucht, die schwangeren Frauen mussten sich außerhalb des Lagers begeben und, hatten sie einen Sohn geboren, diesen entfernen. Dieser berüchtigte Staat hat sich späterhin verloren. Neben dem König befindet sich in den Negerstaaten beständig der Scharfrichter, dessen Amt für höchst wichtig gehalten wird, und durch welchen der König ebenso sehr die Verdächtigen aus dem Wege räumen lässt, als er selbst wiederum von ihm umgebracht werden kann, wenn die Großen es verlangen.

 

Der Fanatismus, der überhaupt unter den Negern, trotz ihrer sonstigen Sanftmütigkeit, rege gemacht werden kann, übersteigt allen Glauben. Ein englischer Reisender erzählt: Wenn in Aschantee ein Krieg beschlossen ist, so werden erst feierliche Zeremonien vorausgeschickt; zu diesen gehört, dass die Gebeine der Mutter des Königs mit Menschenblut abgewaschen werden. Als Vorspiel des Krieges beschließt der König einen Ausfall auf seine eigne Hauptstadt, um sich gleichsam in Wut zu setzen. Der König ließ dem Engländer Hutchinson sagen: „Christ, hab' acht und wache über deine Familie. Der Bote des Todes hat sein Schwert gezogen und wird den Nacken vieler Aschantees treffen; wenn die Trommel gerührt wird, so ist es das Todessignal für viele. Komm zum Könige, wenn du kannst, und fürchte nichts für dich.“ Die Trommel ward geschlagen, und ein furchtbares Blutbad begann: Alles, was den durch die Straßen wütenden Negern aufstieß, wurde durchbohrt. Bei solchen Gelegenheiten lässt nun der König alles ermorden, was ihm verdächtig ist, und diese Tat nimmt alsdann noch den Charakter einer heiligen Handlung an. Jede Vorstellung, die in die Neger geworfen wird, wird mit der ganzen Energie des Willens ergriffen und verwirklicht, alles aber zugleich in dieser Verwirklichung zertrümmert. Diese Völker sind lange Zeit ruhig, aber plötzlich gären sie auf, und dann sind sie ganz außer sich gesetzt. Die Zertrümmerung, welche eine Folge ihres Aufbrausens ist, hat darin ihren Grund, dass es kein Inhalt und kein Gedanke ist, der diese Bewegungen hervorruft, sondern mehr ein physischer als ein geistiger Fanatismus.

Wenn der König stirbt in Dahomey, so sind gleich die Bande der Gesellschaft zerrissen; in seinem Palaste fängt die allgemeine Zerstörung und Auflösung an: Sämtliche Weiber des Königs (in Dahomey ist ihre bestimmte Zahl 3.333) werden ermordet, und in der ganzen Stadt beginnt nun eine allgemeine Plünderung und ein durchgängiges Gemetzel. Die Weiber des Königs sehen in diesem ihrem Tode eine Notwendigkeit, denn sie gehen geschmückt zu demselben. Die hohen Beamten müssen sich aufs höchste beeilen, den neuen Regenten auszurufen, damit nur den Metzeleien ein Ende gemacht werde.

Aus allen diesen verschiedentlich angeführten Zügen geht hervor, dass es die Unbändigkeit ist, welche den Charakter der Neger bezeichnet. Dieser Zustand ist keiner Entwicklung und Bildung fähig, und wie wir sie heute sehen, so sind sie immer gewesen. Der einzige wesentliche Zusammenhang, den die Neger mit den Europäern gehabt haben und noch haben, ist der der Sklaverei. In dieser sehen die Neger nichts ihnen Unangemessenes, und gerade die Engländer, welche das meiste zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei getan haben, werden von ihnen selbst als Feinde behandelt. Denn es ist ein Hauptmoment für die Könige, ihre gefangenen Feinde oder auch ihre eignen Untertanen zu verkaufen, und die Sklaverei hat insofern mehr Menschliches unter den Negern geweckt. Die Lehre, die wir aus diesem Zustand der Sklaverei bei den Negern ziehen, und welche die allein für uns interessante Seite ausmacht, ist die, welche wir aus der Idee kennen, dass der Naturzustand selbst der Zustand absoluten und durchgängigen Unrechts ist. Jede Zwischenstufe zwischen ihm und der Wirklichkeit des vernünftigen Staates hat ebenso noch Momente und Seiten der Ungerechtigkeit; daher finden wir Sklaverei selbst im griechischen und römischen Staate, wie Leibeigenschaft bis auf die neuesten Zeiten hinein. So aber als im Staate vorhanden, ist sie selbst ein Moment des Fortschreitens von der bloß vereinzelten, sinnlichen Existenz, ein Moment der Erziehung, eine Weise des Teilhaftigwerdens höherer Sittlichkeit und mit ihr zusammenhängender Bildung. Die Sklaverei ist an und für sich Unrecht, denn das Wesen des Menschen ist die Freiheit, doch zu dieser muss er erst reif werden. Es ist also die allmähliche Abschaffung der Sklaverei etwas Angemesseneres und Richtigeres als ihre plötzliche Aufhebung.

Wir verlassen hiermit Afrika, um späterhin seiner keine Erwähnung mehr zu tun. Denn es ist kein geschichtlicher Weltteil, er hat keine Bewegung und Entwicklung aufzuweisen, und was etwa in ihm, das heißt, in seinem Norden geschehen ist, gehört der asiatischen und europäischen Welt zu. Karthago war dort ein wichtiges und vorübergehendes Moment, aber als phönizische Kolonie fällt es Asien zu.


Ägypten wird im Übergange des Menschengeistes von Osten nach Westen betrachtet werden, aber es ist nicht dem afrikanischen Geiste zugehörig. Was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist, und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden musste.

Wir befinden uns jetzt erst, nachdem wir dieses von uns geschoben haben, auf dem wirklichen Theater der Weltgeschichte. Es bleibt uns nur noch übrig, die geographische Grundlage Asiens und Europas vorläufig anzugeben. Asien ist der Weltteil des Aufgangs überhaupt. Es ist zwar ein Westen für Amerika; aber wie Europa überhaupt das Zentrum und das Ende der Alten Welt ist und absolut der Westen ist, so Asien absolut der Osten.

In Asien ist das Licht des Geistes und damit die Weltgeschichte aufgegangen.

Es sind nun die verschiedenen Lokalitäten von Asien zu betrachten. Die physische Beschaffenheit desselben stellt schlechthin Gegensätze auf und die wesentliche Beziehung dieser Gegensätze. Die verschiedenen geographischen Prinzipien sind in sich entwickelte und ausgebildete Gestaltungen.

Zuerst ist die nördliche Abdachung, Sibirien, wegzuschneiden. Diese Abdachung vom Altaischen Gebirgszuge aus mit ihren schönen Strömen, die sich in den nördlichen Ozean ergießen, geht uns hier überhaupt nichts an; weil die nördliche Zone, wie schon gesagt, außerhalb der Geschichte liegt. – Aber das übrige schließt drei schlechthin interessante Lokalitäten in sich. Die erste ist, wie in Afrika, gediegenes Hochland, mit einem Gebirgsgurt, der die höchsten Gebirge in der Welt enthält. Begrenzt ist dieses Hochland im Süden und Südosten durch den Mustag oder Imaus, mit dem dann weiter südlich das Himmalajagebirge parallel läuft. Gegen Osten scheidet eine von Süden nach Norden gehende Gebirgskette das Bassin des Amur ab. Im Norden liegt das Altaische und Songarische Gebirge; im Zusammenhange mit dem letzteren im Nordwesten der Mussart und im Westen der Belurtag, welcher durch das Hindukuhgebirge wieder mit dem Mustag verbunden ist.

Dieser hohe Gebirgsgurt ist durchbrochen durch Ströme, welche eingedämmt sind und große Talebenen bilden. Diese, mehr oder weniger überschwemmt, geben Mittelpunkte ungeheurer Üppigkeit und Fruchtbarkeit ab und unterscheiden sich von den europäischen Stromgebieten auf die Weise, dass sie nicht wie diese eigentliche Täler mit Verzweigungen von Tälern formieren, sondern Stromebenen. Dergleichen sind nun: die chinesische Talebene, gebildet durch den Hoang-Ho und Jang-tse-kiang, den gelben und blauen Strom; dann die von Indien durch den Ganges; weniger bedeutend ist der Indus, der im Norden das Land des Penjab bestimmt und im Süden durch Sandebenen fließt; ferner die Länder des Tigris und Euphrat, die aus Armenien herkommen und längs der persischen Gebirge strömen. Das kaspische Meer hat im Osten und Westen dergleichen Flusstäler, im Osten durch den Oxus und Jaxartes (Gihon und Sihon), die sich in den Aralsee ergießen, im Westen durch den Cyrus und Araxes (Kur und Aras). – Das Hochland und die Ebenen sind voneinander zu unterscheiden; das dritte ist ihre Vermischung, welche in Vorderasien auftritt. Dazu gehört Arabien, das Land der Wüste, das Hochland der Fläche, das Reich des Fanatismus; dazu gehört Syrien und Kleinasien, das mit dem Meere in Verbindung ist und in immerwährendem Zusammenhang mit Europa sich befindet.