Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte

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Z serii: gelbe Buchreihe #156
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Ein solches Neues kommt dann allerdings auch in den Geist eines Volkes, der zu seiner Vollendung und Verwirklichung gekommen ist. Er stirbt nicht bloß natürlichen Todes, denn er ist nicht bloß einzelnes Individuum, sondern geistiges, allgemeines Leben, an ihm erscheint vielmehr der natürliche Tod als Tötung seiner durch sich selbst. Der Grund, warum dies verschieden ist vom einzelnen, natürlichen Individuum, ist, weil der Volksgeist als eine Gattung existiert, daher das Negative seiner in ihm selbst, in seiner Allgemeinheit zur Existenz kommt. Gewaltsamen Todes kann ein Volk nur sterben, wenn es natürlich tot in sich geworden, wie z. B. die deutschen Reichsstädte, die deutsche Reichsverfassung.

Der allgemeine Geist stirbt überhaupt nicht bloß natürlichen Todes, er geht nicht nur in die Gewohnheit seines Lebens ein, sondern insofern er ein Volksgeist ist, welcher der Weltgeschichte angehört, so kommt er auch dazu, zu wissen, was sein Werk ist, und dazu, sich zu denken. Er ist überhaupt nur welthistorisch, insofern in seinem Grundelemente, in seinem Grundzweck ein allgemeines Prinzip gelegen hat; nur insofern ist das Werk, welches ein solcher Geist hervorbringt, eine sittliche, politische Organisation. Sind es Begierden, welche Völker zu Handlungen treiben, so gehen solche Taten spurlos vorüber, oder ihre Spuren sind vielmehr nur Verderben und Zerstörung. So hat zuerst Kronos, die Zeit geherrscht, – das goldene Zeitalter, ohne sittliche Werke, und was erzeugt worden ist, die Kinder dieser Zeit, sind von ihr selbst aufgezehrt worden. Erst Jupiter, der aus seinem Haupt die Minerva geboren, und zu dessen Kreise Apollo nebst den Musen gehört, hat die Zeit bezwungen und ihrem Vergehen ein Ziel gesetzt. Er ist der politische Gott, der ein sittliches Werk, den Staat, hervorgebracht hat.

Im Elemente eines Werks ist selbst die Bestimmung der Allgemeinheit, des Denkens enthalten; ohne den Gedanken hat es keine Objektivität, er ist die Basis. Der höchste Punkt der Bildung eines Volkes ist nun dieser, auch den Gedanken seines Lebens und Zustandes, die Wissenschaft seiner Gesetze, seines Rechts und Sittlichkeit zu fassen; denn in dieser Einheit liegt die innerste Einheit, in der der Geist mit sich sein kann. Es ist ihm in seinem Werke darum zu tun, sich als Gegenstand zu haben; sich aber als Gegenstand in seiner Wesenhaftigkeit hat der Geist nur, indem er sich denkt.

Auf diesem Punkt weiß also der Geist seine Grundsätze, das Allgemeine seiner Handlungen. Dieses Werk des Denkens aber ist als das Allgemeine verschieden zugleich der Form nach von dem wirklichen Werk und von dem wirksamen Leben, wodurch dieses Wert zustande gekommen. Es gibt jetzt ein reales Dasein und ein ideales. Wenn wir die allgemeine Vorstellung und den Gedanken dessen, was die Griechen gewesen sind, gewinnen wollen, so finden wir dies im Sophokles und Aristophanes, im Thukydides und Plato. In diesen Individuen hat der griechische Geist sich selbst vorstellend und denkend gefasst. Dies ist die tiefere Befriedigung; aber sie ist zugleich ideell und unterschieden von der reellen Wirksamkeit.

Wir sehen darum notwendig in solcher Zeit ein Volk eine Befriedigung in der Vorstellung von der Tugend finden, und das Gerede von der Tugend sich teils neben die wirkliche Tugend, teils aber auch an die Stelle von deren Wirklichkeit setzen. Der einfache, allgemeine Gedanke weiß aber, weil er das Allgemeine ist, das Besondre und Unreflektierte, – den Glauben, das Zutrauen, die Sitte –, zur Reflexion über sich und über seine Unmittelbarkeit zu bringen und zeigt dasselbe dem Inhalte nach in seiner Beschränktheit auf, indem er teils Gründe an die Hand gibt, sich von den Pflichten loszusagen, teils überhaupt nach Gründen und nach dem Zusammenhang mit dem allgemeinen Gedanken fragt und solchen nicht findend die Pflicht überhaupt als unbegründet wankend zu machen sucht.

Damit tritt zugleich die Isolierung der Individuen voneinander und vom Ganzen ein, die einbrechende Eigensucht derselben und Eitelkeit, das Suchen des eignen Vorteils und Befriedigung desselben auf Kosten des Ganzen: nämlich jenes sich absondernde Innere ist auch in der Form der Subjektivität, – die Eigensucht und das Verderben in den losgebundenen Leidenschaften und eignen Interessen der Menschen.

So ist denn auch Zeus, der dem Verschlingen der Zeit ein Ziel gesetzt und dies Vorübergehen sistiert hat, indem er ein in sich Festes begründet hat, – Zeus und sein Geschlecht selbst verschlungen worden, und zwar ebenso von dem Erzeugenden, nämlich dem Prinzipe des Gedankens, der Erkenntnis, des Räsonnements, der Einsicht aus Gründen und der Forderung von Gründen.

Die Zeit ist das Negative im Sinnlichen: Der Gedanke ist dieselbe Negativität, aber die innerste, die unendliche Form selbst, in welcher daher alles Seiende überhaupt aufgelöst wird, – zunächst das endliche Sein, die bestimmte Gestalt; aber das Seiende überhaupt ist als Gegenständliches bestimmt, erscheint darum als Gegebenes, Unmittelbares, Autorität, und ist entweder dem Inhalte nach als endlich und beschränkt oder als Schranke für das denkende Subjekt und die unendliche Reflexion desselben in sich.

Zunächst aber ist bemerklich zu machen, wie das Leben, das aus dem Tode hervorgeht, selbst nur wieder ein einzelnes Leben ist, und wenn die Gattung als das Substantielle in diesem Wechsel angesehen wird, so ist der Untergang des einzelnen ein Wiederabfallen der Gattung in die Einzelheit. Die Erhaltung der Gattung ist so nur als die gleichförmige Wiederholung derselben Weise der Existenz. Ferner ist zu bemerken, wie die Erkenntnis, die denkende Auffassung des Seins, die Quelle und Geburtsstätte einer neuen Gestalt ist, und zwar einer höheren Gestalt in einem teils erhaltenden, teils verklärenden Prinzip. Denn der Gedanke ist das Allgemeine, die Gattung, die nicht stirbt, die sich selbst gleichbleibt. Die bestimmte Gestalt des Geistes geht nicht bloß natürlich in der Zeit vorüber, sondern wird in der selbstwirkenden, selbstbewussten Tätigkeit des Selbstbewusstseins aufgehoben. Weil dies Aufheben Tätigkeit des Gedankens ist, ist es zugleich Erhalten und Verklären. – Indem somit der Geist einerseits die Realität, das Bestehen dessen, was er ist, aufhebt, gewinnt er zugleich das Wesen, den Gedanken, das Allgemeine dessen, was er nur war. Sein Prinzip ist nicht mehr dieser unmittelbare Inhalt und Zweck, wie er war, sondern das Wesen desselben.

Das Resultat dieses Ganges ist also, dass der Geist, indem er sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die Bestimmtheit seines Seins zerstört, anderseits das Allgemeine desselben erfasst, und dadurch seinem Prinzip eine neue Bestimmung gibt. Hiermit hat sich die substantielle Bestimmtheit dieses Volksgeistes geändert, d. i. sein Prinzip ist in ein anderes, und zwar höheres Prinzip aufgegangen.

Es ist das Wichtigste im Auffassen und Begreifen der Geschichte, den Gedanken dieses Übergangs zu haben und zu kennen. Ein Individuum durchläuft als Eines verschiedene Bildungsstufen und bleibt dasselbe Individuum; ebenso auch ein Volk, bis zu der Stufe, welche die allgemeine Stufe seines Geistes ist. In diesem Punkt liegt die innere, die Begriffsnotwendigkeit der Veränderung. Das ist die Seele, das Ausgezeichnete in dem philosophischen Auffassen der Geschichte.

Der Geist ist wesentlich Resultat seiner Tätigkeit: seine Tätigkeit ist Hinausgehen über die Unmittelbarkeit, das Negieren derselben und Rückkehr in sich. Wir können ihn mit dem Samen vergleichen; denn mit diesem fängt die Pflanze an, aber er ist auch Resultat des ganzen Lebens derselben. Die Ohnmacht des Lebens zeigt sich aber darin, dass, was anfängt, und was Resultat ist, auseinanderfallen. So auch im Leben der Individuen und Völker. Das Leben eines Volkes bringt eine Frucht zur Reife; denn seine Tätigkeit geht dahin, sein Prinzip zu vollführen. Diese Frucht fällt aber nicht in den Schoß des Volks zurück, das sie ausgeboren und gezeitigt hat; im Gegenteil sie wird ihm ein bittrer Trank. Lassen kann es nicht von ihm, denn es hat den unendlichen Durst nach demselben, aber das Kosten des Tranks ist seine Vernichtung, doch zugleich das Aufgehen eines neuen Prinzips.

Über den Endzweck dieses Fortschreitens haben wir uns oben erklärt. Die Prinzipien der Volksgeister in einer notwendigen Stufenfolge sind selbst nur Momente des einen allgemeinen Geistes, der durch sie in der Geschichte sich zu einer sich erfassenden Totalität erhebt und abschließt. –

Indem wir es also nur mit der Idee des Geistes zu tun haben und in der Weltgeschichte alles nur als seine Erscheinung betrachten, so haben wir, wenn wir die Vergangenheit, wie groß sie auch immer sei, durchlaufen, es nur mit Gegenwärtigem zu tun; denn die Philosophie, als sich mit dem Wahren beschäftigend, hat es mit ewig Gegenwärtigem zu tun. Alles ist ihr in der Vergangenheit unverloren, denn die Idee ist präsent, der Geist unsterblich d. h. er ist nicht vorbei und ist nicht noch nicht, sondern ist wesentlich jetzt. So ist hiermit schon gesagt, dass die gegenwärtige Gestalt des Geistes alle früheren Stufen in sich begreift. Diese haben sich zwar als selbständig nacheinander ausgebildet; was aber der Geist ist, ist er an sich immer gewesen, der Unterschied ist nur die Entwicklung dieses Ansich. Das Leben des gegenwärtigen Geistes ist ein Kreislauf von Stufen, die einerseits noch nebeneinander bestehen und nur anderseits als vergangen erscheinen. Die Momente, die der Geist hinter sich zu haben scheint, hat er auch in seiner gegenwärtigen Tiefe.

* * *

Geographische Grundlage der Weltgeschichte

Geographische Grundlage der Weltgeschichte

Gegen die Allgemeinheit des sittlichen Ganzen und seine einzelne handelnde Individualität gehalten ist der Naturzusammenhang des Volksgeistes ein Äußerliches, aber insofern wir ihn als Boden, auf welchem sich der Geist bewegt, betrachten müssen, ist er wesentlich und notwendig eine Grundlage. Wir gingen von der Behauptung aus, dass in der Weltgeschichte die Idee des Geistes in der Wirklichkeit als eine Reihe äußerlicher Gestalten erscheint, deren jede sich als wirklich existierendes Volk kundgibt. Die Seite dieser Existenz fällt aber sowohl in die Zeit als in den Raum, in der Weise natürlichen Seins, und das besondere Prinzip, das jedes welthistorische Volk an sich trägt, hat es zugleich als Naturbestimmtheit in sich. Der Geist, der sich in diese Weise der Natürlichkeit kleidet, lässt seine besonderen Gestaltungen auseinanderfallen, denn das Auseinander ist die Form der Natürlichkeit. Diese Naturunterschiede müssen nun zuvörderst auch als besondere Möglichkeiten angesehen werden, aus welchen sich der Geist hervortreibt, und geben so die geographische Grundlage. Es ist uns nicht darum zu tun, den Boden als äußeres Lokal kennen zu lernen, sondern den Naturtypus der Lokalität, welcher genau zusammenhängt mit dem Typus und Charakter des Volkes, das der Sohn solchen Bodens ist. Dieser Charakter ist eben die Art und Weise, wie die Völker in der Weltgeschichte auftreten und Stellung und Platz in derselben einnehmen. – Die Natur darf nicht zu hoch und nicht zu niedrig angeschlagen werden; der milde jonische Himmel hat sicherlich viel zur Anmut der homerischen Gedichte beigetragen, doch kann er allein keine Homere erzeugen; auch erzeugt er sie nicht immer; unter türkischer Botmäßigkeit erhoben sich keine Sänger.

 

Zunächst ist hier nun auf die Natürlichkeiten Rücksicht zu nehmen, die ein für alle Mal von der weltgeschichtlichen Bewegung auszuschließen wären: in der kalten und in der heißen Zone kann der Boden weltgeschichtlicher Völker nicht sein. Denn das erwachende Bewusstsein ist anfänglich nur in der Natur, und jede Entwicklung desselben ist die Reflexion des Geistes in sich, gegen die natürliche Unmittelbarkeit. In diese Besonderung fällt nun das Moment der Natur mit hinein; sie ist der erste Standpunkt, aus dem der Mensch eine Freiheit in sich gewinnen kann, und diese Befreiung muss nicht durch die natürliche Macht erschwert werden. Die Natur ist gegen den Geist gehalten ein Quantitatives, dessen Gewalt nicht so groß sein muss, sich allein als allmächtig zu setzen. In den äußersten Zonen kann der Mensch zu keiner freien Bewegung kommen, Kälte und Hitze sind hier zu mächtige Gewalten, als dass sie dem Geist erlaubten, für sich eine Welt zu erbauen. Aristoteles sagt schon: wenn die Not des Bedürfnisses befriedigt ist, wendet sich der Mensch zum Allgemeinen und Höheren. Aber in jenem Extrem der Zonen kann die Not wohl nie aufhören und niemals abgewendet werden, der Mensch ist beständig darauf angewiesen, seine Aufmerksamkeit auf die Natur zu richten, auf die glühenden Strahlen der Sonne und den eisigen Frost. Der wahre Schauplatz für die Weltgeschichte ist daher die gemäßigte Zone, und zwar ist es der nördliche Teil derselben, weil die Erde sich hier kontinental verhält und eine breite Brust hat, wie die Griechen sagen. Im Süden dagegen verteilt sie sich und läuft in mannigfache Spitzen auseinander. Dasselbe Moment zeigt sich in den Naturprodukten. Der Norden hat sehr viele Gattungen von Tieren und Pflanzen gemeinschaftlich; im Süden, wo das Land sich in Spitzen teilt, da individualisieren sich auch die Naturgestalten gegeneinander.

Die Welt wird in die Alte und Neue geteilt, und zwar ist der Namen der neuen daher gekommen, weil Amerika und Australien uns erst spät bekannt geworden sind. Aber diese Weltteile sind nicht nur relativ neu, sondern überhaupt neu, in Ansehung ihrer ganzen physischen und geistigen Beschaffenheit. Ihr geologisches Altertum geht uns nichts an. Ich will ihr die Ehre nicht absprechen, dass sie nicht auch gleich bei Erschaffung der Welt dem Meere enthoben worden sei. Doch zeigt das Inselmeer zwischen Südamerika und Asien eine physische Unreife; der größte Teil der Inseln ist so beschaffen, dass sie gleichsam nur eine Erdbedeckung für Felsen sind, die aus der bodenlosen Tiefe heraustauchen und den Charakter eines spät Entstandenen tragen. Eine nicht mindere geographische Unreife zeigt Neuholland (Australien); denn wenn man hier von den Besitzungen der Engländer aus tiefer ins Land geht, so entdeckt man ungeheure Ströme, die noch nicht dazu gekommen sind, sich ein Bett zu graben, sondern in Schilfebenen ausgehen. Von Amerika und seiner Kultur, namentlich in Mexiko und Peru, haben wir zwar Nachrichten, aber bloß die, dass dieselbe eine ganz natürliche war, die untergehen musste, sowie der Geist sich ihr näherte. Physisch und geistig ohnmächtig hat sich Amerika immer gezeigt und zeigt sich noch so. Denn die Eingeborenen sind, nachdem die Europäer in Amerika landeten, allmählich an dem Hauche der europäischen Tätigkeit untergegangen.


In den nordamerikanischen Freistaaten sind alle Bürger europäische Abkömmlinge, mit denen sich die alten Einwohner nicht vermischen konnten, sondern zurückgedrängt wurden.


Einige Künste haben die Eingeborenen allerdings von den Europäern angenommen, unter anderen die des Branntweintrinkens, die eine zerstörende Wirkung auf sie hervorbrachte.


Nordamerikanischer Indianer

Im Süden wurden die Eingeborenen viel gewalttätiger behandelt und zu harten Diensten verwendet, denen ihre Kräfte wenig gewachsen waren. Sanftmut und Trieblosigkeit, Demut und kriechende Unterwürfigkeit gegen einen Kreolen und mehr noch gegen einen Europäer sind dort der Hauptcharakter der Amerikaner, und es wird noch lange dauern, bis die Europäer dahin kommen, einiges Selbstgefühl in sie zu bringen.


Die Inferiorität dieser Individuen in jeder Rücksicht, selbst in Hinsicht der Größe gibt sich in allem zu erkennen; nur die ganz südlichen Stämme in Patagonien sind kräftigere Naturen, aber noch ganz in dem natürlichen Zustande der Rohheit und Wildheit.



Als die Jesuiten und die katholische Geistlichkeit die Indianer an europäische Kultur und Sitten gewöhnen wollten (bekanntlich haben sie einen Staat in Paraguay, Klöster in Mexiko und Kalifornien gegründet), begaben sie sich unter sie und schrieben ihnen, wie Unmündigen, die Geschäfte des Tages vor, die sie sich auch, wie träge sie auch sonst waren, von der Autorität der Väter gefallen ließen. Diese Vorschriften (mitternachts musste eine Glocke sie sogar an ihre ehelichen Pflichten erinnern) haben ganz richtig zunächst zur Erweckung von Bedürfnissen geführt, den Triebfedern der Tätigkeit des Menschen überhaupt. Die Schwäche des amerikanischen Naturells war ein Hauptgrund dazu, die Neger nach Amerika zu bringen, um durch deren Kräfte die Arbeiten verrichten zu lassen; denn die Neger sind weit empfänglicher für europäische Kultur als die Indianer, und ein englischer Reisender hat Beispiele angeführt, dass Neger geschickte Geistliche, Ärzte usw. geworden sind (ein Neger hat zuerst die Anwendung der Chinarinde gefunden), während ihm nur ein einziger Eingeborener bekannt ist, der es dahin brachte, zu studieren, aber bald am Übergenuss des Branntweins gestorben war. Zu der Schwäche der amerikanischen Menschenorganisation gesellt sich dann noch der Mangel der absoluten Organe, wodurch eine gegründete Macht herbeizuführen ist, der Mangel nämlich des Pferdes und des Eisens, Mittel, wodurch besonders die Amerikaner besiegt wurden.

Da nun die ursprüngliche Nation geschwunden oder so gut wie geschwunden ist, so kommt die wirksame Bevölkerung meist von Europa her, und was in Amerika geschieht, geht von Europa aus. Europa warf seinen Überfluss nach Amerika hinüber, ungefähr, wie aus den Reichsstädten, wo das Gewerbe vorherrschend war und sich versteinerte, viele in andere Städte entflohen, die einen solchen Zwang nicht hatten, und wo die Last der Abgaben nicht so schwer war. So entstand neben Hamburg Altona, neben Frankfurt Offenbach, Fürth bei Nürnberg, Carouge neben Genf. In gleicher Weise verhält sich Nordamerika zu Europa. Viele Engländer haben sich daselbst festgesetzt, wo Lasten und Abgaben fortfallen, und wo die Anhäufung europäischer Mittel und europäischer Geschicklichkeit fähig waren, dem großen noch brachliegenden Boden etwas abzugewinnen. In der Tat bietet diese Auswanderung viele Vorteile dar, denn die Auswandernden haben vieles abgestreift, was ihnen in der Heimat beengend sein konnte, und bringen den Schatz des europäischen Selbstgefühls und der Geschicklichkeiten mit; und für die, welche anstrengend arbeiten wollen, und in Europa die Quellen dazu nicht fanden, ist in Amerika allerdings ein Schauplatz eröffnet.

Amerika ist bekanntlich in zwei Teile getrennt, die zwar durch eine Landenge zusammenhängen, doch ohne dass dieses auch einen Zusammenhang des Verkehrs vermittelte. Beide Teile sind vielmehr aufs bestimmteste geschieden. – Nordamerika zeigt uns zuerst längs seiner östlichen Küste einen breiten Küstensaum, hinter dem ein Gebirgszug, – die blauen Gebirge oder die Apalachen, nördlicher die Alleganen –, sich erstreckt. Ströme, die von da ausgehen, bewässern die Küstenländer, welche von der vorteilhaftesten Beschaffenheit sind für die Nordamerikanischen Freistaaten, die sich hier ursprünglich gebildet haben. Hinter jenem Gebirgszug fließt im Zusammenhang mit ungeheuren Seen von Süden nach Norden der Lorenzstrom, an welchem die nördlichen Kolonien von Kanada liegen. Weiter westlich treffen wir auf das Bassin des ungeheuren Mississippi mit den Stromgebieten des Missouri und des Ohio, die er aufnimmt und sich dann in den Mexikanischen Meerbusen ergießt. Auf der westlichen Seite dieses Gebietes ist ebenso wieder ein langer Gebirgszug, der sich durch Mexiko und die Meerenge von Panama hindurchzieht und unter dem Namen der Anden oder Kordilleren die ganze Westseite von Südamerika abscheidet. Der dadurch gebildete Küstensaum ist schmaler und bietet weniger Vorteile dar als jener von Nordamerika. Es liegen da Peru und Chili. Auf der Ostseite fließen gen Osten die ungeheuren Ströme des Orinoko und des Amazonenstromes, sie bilden große Täler, die aber nicht zu Kulturländern geeignet sind, da sie vielmehr nur weite Steppen sind. Gegen Süden fließt der Rio de la Plata, dessen Zuflüsse ihren Ursprung zum Teil in den Kordilleren, zum Teil in dem nördlichen Gebirgsrücken haben, der das Gebiet des Amazonenstromes von dem seinigen scheidet. – Zum Gebiete des Rio de la Plata gehören Brasilien und die spanischen Republiken. Kolumbien ist das nördliche Küstenland von Südamerika, in dessen Westen längs der Anden der Magdalenenstrom sich in das Karaibische Meer ergießt. –

Mit Ausnahme von Brasilien sind in Südamerika allgemein Republiken, wie in Nordamerika, entstanden. Vergleichen wir nun Südamerika, indem wir dazu auch Mexiko rechnen, mit Nordamerika, so werden wir einen erstaunlichen Kontrast wahrnehmen.


(Siehe Band 142 dieser gelben Buchreihe)

In Nordamerika sehen wir das Gedeihen, sowohl durch ein Zunehmen von Industrie und Bevölkerung, durch bürgerliche Ordnung und eine feste Freiheit, die ganze Föderation macht nur einen Staat aus und hat ihre politischen Mittelpunkte. Dagegen beruhen in Südamerika die Republiken nur auf militärischer Gewalt, die ganze Geschichte ist ein fortdauernder Umsturz, föderierte Staaten fallen auseinander, andere verbinden sich wieder, und alle diese Veränderungen werden durch militärische Revolutionen begründet. Die näheren Unterschiede beider Teile Amerikas zeigen uns zwei entgegengesetzte Richtungen: der eine Punkt ist der politische, der andere die Religion. Südamerika, wo die Spanier sich niederließen und die Oberherrschaft behaupteten, ist katholisch, Nordamerika, obgleich ein Land der Sekten überhaupt, doch den Grundzügen nach protestantisch. Eine weitere Abweichung ist die, dass Südamerika erobert, Nordamerika aber kolonisiert worden ist. Die Spanier bemächtigten sich Südamerikas, um zu herrschen und reich, sowohl durch politische Ämter als Erpressungen, zu werden. Von einem sehr entfernten Mutterlande abhängend fand ihre Willkür einen größeren Spielraum, und durch Macht, Geschicklichkeit und Selbstgefühl gewannen sie ein großes Übergewicht über die Indianer. Die nordamerikanischen Freistaaten sind dagegen ganz von Europäern kolonisiert worden. Da in England Puritaner, Episkopalen und Katholiken in beständigem Widerstreit begriffen waren, und bald die einen, bald die andern die Oberhand hatten, wanderten viele aus, um in einem fremden Weltteile die Freiheit der Religion zu suchen. Es waren industriöse Europäer, die sich des Ackerbaues, des Tabak- und Baumwollenbaues usw. befleißigten. Bald trat eine allgemeine Richtung auf die Arbeit ein, und die Substanz des Ganzen waren die Bedürfnisse, die Ruhe, die bürgerliche Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit und ein Gemeinwesen, das von den Atomen der Individuen ausging, so dass der Staat nur ein Äußerliches zum Schutze des Eigentums war. Von der protestantischen Religion ging das Zutrauen der Individuen gegeneinander aus, das Vertrauen auf ihre Gesinnung, denn in der protestantischen Kirche sind die religiösen Werke das ganze Leben, die Tätigkeit desselben überhaupt. Dagegen kann bei den Katholiken die Grundlage eines solchen Zutrauens nicht stattfinden, denn in weltlichen Angelegenheiten herrscht nur die Gewalt und freiwillige Unterworfenheit, und die Formen, die man hier Konstitutionen nennt, sind nur eine Nothilfe und schützen gegen Misstrauen nicht.

 

Vergleichen wir Nordamerika noch mit Europa, so finden wir dort das perennierende Beispiel einer republikanischen Verfassung. Die subjektive Einheit ist vorhanden, denn es steht ein Präsident an der Spitze des Staates, der zur Sicherheit gegen etwaigen monarchischen Ehrgeiz nur auf vier Jahre gewählt wird. Allgemeiner Schutz des Eigentums und beinahe Abgabenlosigkeit sind Tatsachen, die beständig angepriesen werden. Damit ist zugleich der Grundcharakter angegeben, welcher in der Richtung des Privatmannes auf Erwerb und Gewinn besteht, in dem Überwiegen des partikularen Interesses, das sich dem Allgemeinen nur zum Behufe des eignen Genusses zuwendet. Es finden allerdings rechtliche Zustände, ein formelles Rechtsgesetz statt, aber diese Rechtlichkeit ist ohne Rechtschaffenheit, und so stehen denn die amerikanischen Kaufleute in dem üblen Rufe, durch das Recht geschützt zu betrügen. Wenn einerseits die protestantische Kirche das Wesentliche des Zutrauens hervorruft, wie wir schon gesagt haben, so enthält sie anderseits eben dadurch das Gelten des Gefühlsmoments, das in das mannigfaltigste Belieben übergehen darf.


(Band 144e in dieser gelben Buchreihe)

Jeder, sagt man von diesem Standpunkte, könne eine eigne Weltanschauung, also auch eine eigne Religion haben. Daher das Zerfallen in so viele Sekten, die sich bis zum Extreme der Verrücktheit steigern, und deren viele einen Gottesdienst haben, der sich in Verzückungen und mitunter in den sinnlichsten Ausgelassenheiten kundgibt. Dieses gänzliche Belieben ist so ausgebildet, dass die verschiedenen Gemeinden sich Geistliche annehmen und ebenso wieder fortschicken, wie es ihnen gefällt; denn die Kirche ist nicht ein an und für sich Bestehendes, die eine substantielle Geistigkeit und äußere Einrichtung hätte, sondern das Religiöse wird nach besonderem Gutdünken zurechtgemacht. In Nordamerika herrscht die ungebändigtste Wildheit aller Einbildungen, und es fehlt jene religiöse Einheit, die sich in den europäischen Staaten erhalten hat, wo die Abweichungen sich nur auf wenige Konfessionen beschränken. Was nun das Politische in Nordamerika betrifft, so ist der allgemeine Zweck noch nicht als etwas Festes für sich gesetzt, und das Bedürfnis eines festen Zusammenhaltens ist noch nicht vorhanden, denn ein wirklicher Staat und eine wirkliche Staatsregierung entstehen nur, wenn bereits ein Unterschied der Stände da ist, wenn Reichtum und Armut sehr groß werden und ein solches Verhältnis eintritt, dass eine große Menge ihre Bedürfnisse nicht mehr auf eine Weise, wie sie es gewohnt ist, befriedigen kann. Aber Amerika geht dieser Spannung noch nicht entgegen, denn es hat unaufhörlich den Ausweg der Kolonisation in hohem Grade offen, und es strömen beständig eine Menge Menschen in die Ebenen des Mississippi. Durch dieses Mittel ist die Hauptquelle der Unzufriedenheit geschwunden, und das Fortbestehen des jetzigen bürgerlichen Zustandes wird verbürgt. Eine Vergleichung der nordamerikanischen Freistaaten mit europäischen Ländern ist daher unmöglich, denn in Europa ist ein solcher natürlicher Abfluss der Bevölkerung, trotz aller Auswanderungen, nicht vorhanden: hätten die Wälder Germaniens noch existiert, so wäre freilich die französische Revolution nicht ins Leben getreten. Mit Europa könnte Nordamerika erst verglichen werden, wenn der unermessliche Raum, den dieser Staat darbietet, ausgefüllt und die bürgerliche Gesellschaft in sich zurückgedrängt wäre. Nordamerika ist noch auf dem Standpunkt, das Land anzubauen. Erst wenn wie in Europa die bloße Vermehrung der Ackerbauer gehemmt ist, werden sich die Bewohner, statt hinaus nach Äckern zu drängen, zu städtischen Gewerben und Verkehr in sich hineindrängen, ein kompaktes System bürgerlicher Gesellschaft bilden und zu dem Bedürfnis eines organischen Staates kommen.


Die nordamerikanischen Freistaaten haben keinen Nachbarstaat, gegen den sie in einem Verhältnis wären, wie es die europäischen Staaten unter sich sind, den sie mit Misstrauen zu beobachten, und gegen welchen sie ein stehendes Heer zu halten hätten.


Kanada und Mexiko sind für das selbige nicht furchtbar, und England hat seit fünfzig Jahren in Erfahrung gebracht, dass das freie Amerika ihm nützlicher ist als das abhängige. Die Milizen des nordamerikanischen Freistaates haben sich allerdings im Befreiungskriege so tapfer erwiesen als die Holländer unter Philipp II., aber überall, wo nicht die zu erringende Selbständigkeit auf dem Spiele ist, zeigt sich weniger Kraft, und so haben im Jahre 1814 die Milizen schlecht gegen die Engländer bestanden.

Amerika ist somit das Land der Zukunft, in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten, etwa im Streite von Nord- und Südamerika die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die, welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt. Napoleon soll gesagt haben: Cette vieille Europe m'ennuie. Amerika hat von dem Boden auszuscheiden, auf welchem sich bis heute die Weltgeschichte begab. Was bis jetzt sich hier ereignet, ist nur der Widerhall der Alten Welt und der Ausdruck fremder Lebendigkeit, und als ein Land der Zukunft geht es uns überhaupt hier nichts an; denn wir haben es nach der Seite der Geschichte mit dem zu tun, was gewesen ist und mit dem, was ist, – in der Philosophie aber mit dem, was weder nur gewesen ist, noch erst nur sein wird, sondern mit dem, was ist und ewig ist, – mit der Vernunft, und damit haben wir zur Genüge zu tun. –

Nachdem wir die Neue Welt und die Träume, die sich an sie knüpfen können, abgetan, gehen wir nun zur Alten Welt über, das heißt, zum Schauplatze der Weltgeschichte, und haben zuvörderst auf die Naturmomente und die Naturbestimmungen aufmerksam zu machen. Amerika ist in zwei Teile geteilt, welche zwar durch eine Landenge zusammenhängen, die aber nur einen ganz äußerlichen Zusammenhang bildet. Die Alte Welt dagegen, welche Amerika gegenüberliegt und von demselben durch den Atlantischen Ozean getrennt ist, ist durch eine tiefe Bucht, das Mittelländische Meer, durchbrochen. Die drei Weltteile derselben haben ein wesentliches Verhältnis zueinander und machen eine Totalität aus. Ihr Ausgezeichnetes ist, dass sie um das Meer herumgelagert sind und darum ein leichtes Mittel der Kommunikation haben. Denn Ströme und Meere sind nicht als dirimierend zu betrachten, sondern als vereinend. England und Bretagne, Norwegen und Dänemark, Schweden und Livland waren verbunden. Für die drei Weltteile ist also das Mittelmeer das Vereinigende und der Mittelpunkt der Weltgeschichte. Griechenland liegt hier, der Lichtpunkt in der Geschichte. Dann in Syrien ist Jerusalem der Mittelpunkt des Judentums und des Christentums, südöstlich davon liegt Mekka und Medina, der Ursitz des muselmännischen Glaubens, gegen Westen liegt Delphi, Athen, und westlicher noch Rom; dann liegen noch am Mittelländischen Meere Alexandria und Karthago. Das Mittelmeer ist so das Herz der Alten Welt, denn es ist das Bedingende und Belebende derselben. Ohne dasselbe ließe sich die Weltgeschichte nicht vorstellen, sie wäre wie das alte Rom oder Athen ohne das Forum, wo alles zusammenkam. – Das weite östliche Asien ist vom Prozesse der Weltgeschichte entfernt und greift nicht in dieselbige ein; ebenso das nördliche Europa, welches erst später in die Weltgeschichte eintrat und im Altertume keinen Anteil an derselben hatte; denn dieses beschränkte sich durchaus auf die um das Mittelländische Meer herumliegenden Länder. Julius Cäsars Überschreiten der Alpen, die Eroberung Galliens und die Beziehung, in welche die Germanen dadurch mit dem römischen Reiche kamen, macht daher Epoche in der Weltgeschichte, denn hiermit überschreitet dieselbe nunmehr auch die Alpen. Das östliche Asien und das jenseitige Alpenland sind die Extreme jener bewegten Mitte um das Mittelmeer, – Anfang und Ende der Weltgeschichte, ihr Aufgang und Niedergang.