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IV

Innig mit der lyrischen Begeisterung bei Tegnér vereinigt ist nun die ergänzende Fähigkeit, die ihn witzig im geselligen Verkehr, glücklich im Epigramm und Impromptu, hervorragend als Professor, ausgezeichnet als Briefschreiber, Redner und Prediger macht, und gross vor allem in der versificirten, dichterisch bewegten und geformten Rede; eine Fähigkeit, die nicht ohne Weiteres eine Anlage zur Rhetorik genannt werden kann, aber die ich vorläufig, wenn auch nur undeutlich, als das Geistreiche bei ihm bezeichnen möchte.

Sein Geist war nicht der französische Esprit. Dieser ist in seiner eigenthümlichsten Form bei Voltaire reiner, bildloser Verstand. Der Geist Tegnér's erging sich dagegen fortwährend in Bilder. Er dachte in Bildern, desshalb sprach er in Bildern. Die Gabe des abstracten Denkens fehlte ihm, ja ging ihm so vollständig ab, dass er nicht einmal bei andern an ihre Resultate glaubte: die Metaphysik war ihm ein Greuel als Hirngespinnst, dessen Fäden er nicht zu unterscheiden vermochte, die Dogmatik war sein Schrecken als ein Bündel Absurditäten, aus denen er nichts Verständliches herausfinden könne. Und er hatte einen guten, gesunden, selbstvertrauensvollen Verstand, der instinctiv alle Dunkelheit des Denkens und der Rede verabscheute. Er hatte einen so lebhaften Trieb, sich alles, was er dachte und fühlte, anschaulich zu machen, dass unaufhörlich Bild auf Bild sich bei ihm drängte. Dies war es, was seiner Rede das elektrisch Funkelnde und Blitzende gab, von welchem die Zeitgenossen so stark ergriffen wurden; was seinen Briefstil so unterhaltend machte und unwillige Kritiker veranlasste, seine Dichtungen mit prachtvoll bunten, inhaltslosen Seifenblasen zu vergleichen; dies endlich machte ihn witzig, denn es giebt eine Art von Witz, die auf dem neuen, überraschenden Aufeinanderplatzen der Bilder beruht. Dies Geistreiche möchte ich die Fruchtbarkeit der Form bei ihm nennen. Er hat wenig geschrieben, nie einen poetischen Inhalt erfunden. Aber die Stimmung, in welche die geistige Productivität ihn versetzte, sprosste und blühte jeden Augenblick; sie konnte nur ausnahmsweise grosse, durchgeführte Gestalten oder einfache, von wenigen Hauptlinien geformte Bilder entwerfen, aber sie brachte unaufhörlich Miniaturbilder hervor, die antithetisch oder contrastirend gegen einander standen, in einander überglitten, vereinigt wurden und sich verpflanzten. Revolverartig war sein Gemüth mit Einfällen geladen, und sie folgten sich Schuss auf Schuss gegen denselben Punkt gerichtet, treffend, aber einander verdrängend. Der Gedanke und das Bild waren in seinem Gemüthe nicht getrennt; sie wurden auch nicht zusammengesucht, wie seine Gegner es geglaubt und behauptet haben. Und doch waren sie nicht wie bei den grössten Dichtern ohne weiteres Eins.

In seiner Einbildungskraft verhielt sich der Gedanke zum Bilde ungefähr, wie sich die Anfangsbuchstaben in alten Mönchsmanuscripten zu den Miniaturmalereien verhalten, welche mit ihnen verflochten und um sie herum ausgeführt sind. Man denke sich eine Handschrift, in welcher nicht nur einzelne, sondern die überwiegende Mehrzahl von Hauptschriftzeichen auf solche Weise malerisch verziert sind, und man wird eine Art Vorstellung von den Reihen übereinstimmender Ideen- und Bilderassociationen erhalten, welche Tegnér's Gehirn unaufhörlich erzeugte. Oder man erinnere sich einer jener Statuetten aus der beginnenden italienischen Renaissance, wo der Künstler zu seinem Vergnügen am grösseren Standbild kleine Bilder ausgeführt hat, wo er z. B. auf dem von Goliath's Haupt gefallenen Helm, welcher vor den Füssen David's liegt, ein kleines Basrelief von einer Quadriga im Galopp ciselirt hat, das zwar einen Theil des Ganzen bildet, aber durch den losen Zusammenhang damit und durch den selbständigen Anspruch auf Beachtung das Interesse zersplittert. Man denke sich ein dichterisches Gemüth, in welchem die Vorstellungen solche kleine Basreliefs bilden, und einen Vortrag, der diese noch obendrein colorirt, so macht man sich eine annähernd richtige Idee von der Weise Tegnér's, seine dichterischen Motive auszuführen. Sein Stil ist eine Art chromatischer Architektur und Sculptur und hat die anziehenden und abstossenden Eigenschaften derselben. Die farbige Bildhauerkunst kommt in unseren Tagen manchem barbarisch vor, und doch haben die Griechen sie angewandt und nie ganz aufgegeben. Sie kann nicht ungriechisch genannt werden und erscheint doch vielen jetzt Lebenden geschmacklos und veraltet. Die Gedichte und Reden, in welchen Tegnér's eigenthümliche Manier am stärksten und deutlichsten hervortritt, könnte man mit jenen griechischen oder römischen Statuen vergleichen, die eben so wohl durch äussere Pracht wie durch ideelle Schönheit wirkten. Die Göttin hatte goldene Ketten um den Hals, schöne lange Schleier und Ohrringe; sie besass einen völligen Kleidervorrath und einen vollständigen Juwelenschrein. Ebenso haben bei Tegnér der Goldschmied und der Künstler zusammen gearbeitet. Oft mit Erfolg, und das Resultat ist ein anziehendes Ganzes geworden, das nur ein Pedant oder Doctrinär verwerfen könnte. Nicht selten jedoch so, dass das Resultat eine recht starke Uebertreibung geworden ist. Ein Schriftsteller der damaligen Zeit (der witzige Palmär) tadelte dies einmal mit Worten, die in das Gleichniss, das ich eben gebrauchte, hineinpassen: „Grüsse deine Muse“, sagt er, „und bitte sie, sich nicht mit Metaphern zu überlasten, wie sie es pflegt. Diese Juwelen müssen, selbst wenn sie echt sind, mit Mass getragen werden. Lass sie sich die Schmucksachen um den Hals anlegen, in die Ohren und an die Finger, wenn du willst, aber – an die Zehe – pfui Teufel!“

Ich kann mich genauer durch Beispiele erklären. Maria in „Axel“ beschliesst, dem russischen Heere verkleidet als Soldat zu folgen:

 
Ein Kriegerhut
Verbirgt der schwarzen Locken Fluth.
Den Busen eng ein Koller hüllet,
Pulver und Blei den Ränzel füllet,
Und um die Schulter hängt sie her
Des Todes Sehrohr, ein Gewehr.
 

Der Ausdruck „des Todes Sehrohr“ für den Büchsenlauf ist malerisch und insofern nicht übel; aber das Bild gehört nichts desto weniger eigentlich nicht hier her; es hat nicht nur nichts mit Maria's Gestalt zu thun, sondern es entspricht ausserdem nur einem Gewehr im allgemeinen, nicht dem Gewehr, das um ihre Schulter hängt; denn dieses würde kaum einen Schweden tödten. Auf mich wirkt dieses Bild, als sähe ich am Rande des Textes eine sorgfältig ausgeführte Miniatur von dem unheimlichen Gerippe, das mit der Hand, welche die Sense frei gelassen hat, zielend die Büchse an's Auge legt.

In den „Abendmahlskindern“ bittet der alte Pfarrer seine Confirmanden, Gebet und Unschuld zu Führern ihres Lebens zu wählen. Beide werden sofort mit ein paar Strichen personificirt, und dann wird das Bild zu einem kleinen biblischen Relief ausciselirt, der Art wie man sie in Italien an den Broncethüren von Kirchen und Baptisterien sieht:

 
Unschuld, Kinder, sie ist ein Gast aus seligern Welten,
Schön mit der Lilj' in der Hand – auf den brausenden Wellen des Lebens
Schwankt sie getrost, sie bemerket sie nicht, sie schlummert im Schiffe.
 

Oder man nehme ein Beispiel aus Tegnér's Briefstil. Er eifert (1817) gegen die europäische Reaction: „Blick' auf die Zeichen der Zeit gen Nord und Süd! Weisst du eine Niedrigkeit, eine Barbarei, ein wahnsinniges Vorurtheil, dessen Wiedergeburt sie nicht verheissen? Die Schlange der Zeit häutet sich oft; aber widerwärtiger als jetzt, gerade jetzt, war sie nie, so weit die Geschichte zurückgeht, zischte sie auch lauter Psalme, und wäre ihr Rücken auch mit Bibelsprüchen so übermalt wie ein Grabstein“. Liegt nicht in diesem energischen, aber vollkommen unaffectirten Streben nach Anschaulichkeit etwas, was an chromatische Sculptur erinnert? Erblickt man nicht förmlich die Schlange der Zeit vor sich mit rothen Conturen, und nimmt sich nicht ihr mit wunderlichen Ziffern bedeckter Rücken aus wie das Bild eines mit Hieroglyphen oder Keilinschriften bedeckten Gottes in Thiergestalt an einer ägyptischen oder assyrischen Wand? Und wenn man endlich die Gleichnisse liest, mit welchen Tegnér in „Frithiof“ Frauenschönheit zu malen versucht, versteht man dann nicht, warum ich an den harten Metallglanz der Farben an einem antiken Idol erinnerte?

 
O wie doch Gerda's Wange lacht,
Gleich frischen Schnee in Nordscheinpracht.
Ich kenne Wangen, wenn sie blühen,
Zugleich zwei Morgenröthen glühen.
 

Es wäre ungerecht, diese letzte Strophe als angemessenes Beispiel von Tegnér's malerischem Verfahren anzuführen; aber es liegt auch darin etwas Typisches. Die meisten der Gleichnisse, welche die Phantasie Tegnér's hervorbringt, kommen mir durch ihren, die Natur weit überschreitenden Glanz ungefähr so vor, wie das Bild, das er seine Ingeborg von Frithiof's Falken weben lässt:

 
Ihm auf der Hand
Wirk' ich dich hier in des Teppiches Rand,
Silbern die Schwingen zu schauen,
Golden die Klauen.
 

Etwas Conventionelles und Steifes lässt sich bei einer Vorliebe dieser Art schwerlich vermeiden. Die Neigung, jeden Begriff in ein Bild zu verwandeln, verleitet in nichtinspirirten Augenblicken Tegnér zum gewohnheitsmässigen Benutzen einmal angewandter Gleichnisse, die dann fast stereotyp zurückkehren. So hat er (um nur bei den Vögeln zu bleiben) ein paar Vogelgestalten, welche er unermüdlich anbringt: den Adler, die Nachtigall, die Taube. Sie stehen als Aequivalente für Kraft, Poesie und Frömmigkeit. Der Adler hat, so verwendet, bei Tegnér nicht mehr von der Natur des wirklichen Adlers behalten, als die Adler, welche fürstliche Wappen schmücken; Tegnér's Adler ist ein rein heraldischer. Man kann in seinen Gedichten Zeilen finden wie diese: „Die arme Psyche, wie sie auch fliegt, ist auf der Erde ein Adler mit Schmetterlingsflügeln“, oder Gleichnisse wie folgende von einer schön singenden Dame: „Sie hatte eine Nachtigall im Halse, und eine schneeweisse Taube sass Nacht und Tag in ihrem Herzen“. Ein Adler mit Schmetterlingsflügeln ist ein zu naturwidriges Geschöpf, und wenn die Nachtigall in einem weiblichen Halse fest angebracht wird, trägt sie nicht eben dazu bei, die Anschaulichkeit zu vermehren.

 

Er hat selbst in seiner Antrittsrede als Mitglied der schwedischen Akademie die Bildersprache vertheidigt. Er betont den Zweck der Poesie, der Einbildungskraft Erscheinungen, nicht Begriffe, zu bieten, und das Wesen der Sprache, eine Gallerie verblichener Bilder zu sein, welche der Dichter nothwendig auffrischen muss. Er hat hierin durchaus nicht Unrecht, hätte sich aber zu Herzen nehmen sollen, was die griechische Dichterin Corinna einst zu Pindar sagte, das grundhellenische Wort, „dass man mit der Hand und nicht mit dem Sacke säen solle“. Zum Glück für ihn war der Grundmangel seiner schöpferischen Begabung, die eigenthümliche Mischung von Armuth und Verschwendung so populärer Natur, dass sie in seinem Lande und zu seiner Zeit ihm den Weg zum Ruhm eher ebnete als versperrte.

V

Tegnér wurde um die Mitte von Gustav's III. Regierungszeit geboren. Der Königsmord wurde begangen, als er zehn Jahre alt war; er, der in späteren Jahren sich so gern einen Gustavianer nannte, hatte folglich nur Kindheitserinnerungen von jenem Zeitalter und keine anderen persönlichen Eindrücke von Gustav's Wesen, als die aus zweiter Hand durch eine verschönernde oder idealisirende Legende. Und selbst einer solchen bedurfte es kaum, um jene Periode als eine Glanzzeit erscheinen zu lassen im Vergleich mit der bleiernen Zeit, die ihr folgte. Gustav III. war eine energische Persönlichkeit, mit ausgezeichneten Anlagen, ungewöhnlichen Tugenden und glänzenden Lastern; ein eitler Despot, aber ein aufgeklärter Geist, einer der vielen gekrönten Voltairianer des 18. Jahrhunderts, abergläubisch und freidenkerisch, frivol und geistreich, in kleinen Sachen kleinlich, aber mit Zügen wahrer Grösse, tapfer, grossmüthig, ein Theaterheld mit wirklichem Muth in der Brust. Er zog sein Leben lang durch die Magie seines Geistes alle litterarisch begabten Männer seines Landes an, besonders die Dichter, welche in ihm einen Collegen sahen; keiner von ihnen konnte sich einer so ausgeprägt dramatischen Begabung rühmen, als er sie besass. So kam es, dass er auf lange Zeit den Sitten, den Gesprächsformen, der Litteratur das Gepräge der feingebildeten, leichtfrivolen Bildung aufdrückte, und es ist der Conversationston aus seinen Tagen, der noch unter Karl Johann den Briefen Tegnér's ihre Anmuth und ihren Schwung verleiht. Seine Gestalt war in der Geschichte stehen geblieben, wie eine tüchtige Statue von Bernini; manierirt, coquett, affectirt, wenn man so will, mit windig brausendem Faltenwurf, aber die Haltung war kühn und der Eindruck bedeutend; das konnte man nicht leugnen, wie wenig die Figur auch einem zusagen möchte. Und was war nach ihm gekommen? Zuerst die Vormundsregierung unter dem Bruder Gustav's, dem Herzog von Södermanland, die den Zeitraum von Tegnér's zehntem bis zu seinem vierzehnten Jahre umfasst. Der Regent, ein im Dienste der Venus früh ergrauter Schwachkopf, zur Beute jeder Phryne und jedes Cagliostro geschaffen, wurde von seinem Günstlinge Reuterholm, dem Typus brutaler und unfähiger Herrschsucht, vollständig beherrscht. Nicht aus Freiheitsliebe, sondern um indirekt einen Tadel gegen den ermordeten König auszusprechen, führten diese gedankenlosen Männer Pressfreiheit in Schweden ein, und ohne Vorbereitung oder Uebergang strömten nun alle die Brandschriften der Revolutionszeit in das Land hinein. Auf die lange Unwissenheit über das, was in Frankreich und Europa vor sich ging, folgte jetzt ein empörter und unreifer Freiheitsenthusiasmus. Unter Gustav war das Wort Republikaner noch mit dem Worte Philosoph gleichbedeutend gewesen, und ein Hofmann, wie Rosenstein, konnte noch im Jahre 1789 dem König seinen Neffen mit den Worten empfehlen, dass der junge Mann zwar von der republikanischen Denkart angesteckt sei, dass aber diese, innerhalb der gebührenden Grenzen gehalten, „die Liebe zum König, zum Vaterland und zur Ehre nur steigere“. Jetzt erhielt das Wort, der Erbärmlichkeit auf dem Throne gegenüber, einen genaueren Sinn. Mit Spannung folgte man dem Vertheidigungskriege der französischen Republik; ihr Sieg war für die öffentliche Stimmung entscheidend; die friedlichen Kleinstädter Schwedens sprachen im selben Tone wie die äusserste Linke des französischen Convents.

Kaum war das Unglück geschehen, als das ein halbes Jahr früher mit so viel falschem Pathos erlassene Pressfreiheitsgesetz aufgehoben, und durch ganz Schweden Jagd auf den Jacobinismus gemacht wurde; selbst die loyale schwedische Akademie wurde, weil sie den völlig ungebildeten Günstling des Regenten bei der Wahl überging, als Jacobinerclub behandelt und geschlossen.

Eine Niedrigkeit der schlimmsten Art liess die Verachtung ihren höchsten Grad erreichen. Die Verschwörung Armfelt's, des schwedischen Alkibiades, war entdeckt worden, und der Herzog-Regent versuchte bei dieser Gelegenheit das junge schöne Fräulein Rudenskjöld, eine der Zierden des Hofes, für die Hartnäckigkeit grausam büssen zu lassen, mit welcher sie die galanten Anträge des bejahrten, verheiratheten Lüstlings abgewiesen hatte. Aufgefangene Briefe lieferten den Beweis, dass sie Armfelt's Geliebte gewesen, sie wurde verhaftet und der Mitschuld angeklagt; als aber der Herzog durch seinen Kanzler gerichtlich beanspruchte, dass sie wegen Unsittlichkeit auf öffentlichem Markte gepeitscht werden sollte, drückte ihm die Erbitterung des Volkes ein so tiefes Brandmal auf, dass weder die Zeit es tilgen, noch die weissen Haare des Alters es decken, ja nicht einmal die, aus Klugheit sohnliche, Haltung Bernadotte's dem späteren Carl XIII. gegenüber, es in Vergessenheit bringen konnte.

Während all' dieses sich ereignete, war Tegnér noch zu jung, um es miterleben oder verstehen zu können. Aber die Nachwirkungen in seinem Gemüthe waren tief und stark. Kein entlegener Winkel auf dem Lande lag so fern, dass nicht Funken vom Revolutionskrater dahin stoben; kein aufgeweckter Junge ging in dem Masse in seine Lectionen auf, dass er nicht Ausbrüche von Verachtung über Hof und Regierung hörte und sich das Seine dabei dachte. Die verfolgte „Aufklärung“ wurde ein magisches, ein theures Wort für den Jüngling. Die schwedische Akademie, die unter anderen Umständen leicht ein Gegenstand seines Unwillens hätte werden können, schon als Akademie, als officielle und altmodische Vergoldungsanstalt der Mittelmässigkeit, erschien ihm früh ehrwürdig schön, als eine Ritterwacht des Lichts, die einmal ihre Probe bestanden hatte. Der herrschende Revolutionsgeist, der Tegnér's harmonische Seele nicht hinzureissen vermochte, leitete ihn zum bedingten Royalismus, der sich überall in seinen Schriften kundgibt. Er war königlich gesinnt, wenn der König des Thrones würdig war, sonst nicht.

Im Jahre 1796 war die vormundschaftliche Regierung zu Ende, und von da bis 1809 (d. h. von Tegnér's vierzehntem bis zu seinem siebenundzwanzigsten Jahre) folgte als König Gustav IV. Adolf. Pedantisch-ehrbar, steif-ernst, streng-sparsam, wie er war, musste er bei seinem ersten Auftreten einen wohlthuenden Gegensatz zu seinem Oheim bilden. Aber bald zeigte es sich, dass diese junge Erscheinung völlig unnational war. Es war eher eine spanische, als eine schwedische Physiognomie. Gustav IV. hat einen hohen Grad von Aehnlichkeit mit dem Typus spanischer Decadence-Regenten, deren Wesen sich nach dem grossen, traurigen Schatten Philipp's II. formte, der so lange nach seinem Tode noch immer Madrid beherrschte. Dasselbe kleinliche Hangen an der Etiquette, derselbe düstere Hochmuth, dieselbe linkische Steifheit, die gleiche melancholische Religiosität unter fanatischem Glauben an das Königthum von Gottes Gnaden. Der Hof, der zehn Jahre früher sich wie ein festliches Gemälde von Watteau ausgenommen hatte, war nun so still und ceremoniell, wie der spanische unter Carl II., und der grosse Philipp selbst konnte ein Vergehen gegen die Majestät nicht strenger bestrafen, als Gustav die Schuld, auf der Strasse den Hut nicht vor ihm abgezogen zu haben. Er hatte an Rosenstein einen freisinnigen und vortrefflichen Erzieher gehabt. Gustav III. liess den ehrenhaften Lehrer walten. „Rosenstein“, sagte er, „mag immerhin meinen Sohn zum Philosophen erziehen; er wird schon Royalist, sobald er König wird“. Der Vater that selbstverständlich nichts dafür, ihm den hartnäckigen Offenbarungsglauben beizubringen, der ihn Prophezeiungen über sein Schicksal in der Apokalypse lesen liess. Aber die Reaction, die bei dem Wechsel des Jahrhunderts überall in der Luft lag, kam wie auf Schleichwegen und umspannte das Gemüth des Kronprinzen. Die Frivolität des Vaters hat wohl abschreckend gewirkt und den ersten Stoss nach rückwärts gegeben; die Ermordung des Vaters gab den zweiten. Bald ging er in majestätischem Selbstgefühl weiter, als irgend ein Bourbon. Er verbot den Zeitungen das Pronomen „Wir“ in solchen Wendungen zu gebrauchen wie: „Wir erwarten mit Ungeduld Nachrichten, wir haben hier strengen Winter“, weil dieses ihm wie ein Eingriff vorkam in jenes königliche Prärogativ, welches „Pluralis majestatis“ genannt wird. Er liess alle erscheinenden Schriften auf's genaueste untersuchen und hegte persönlich einen so grossen Abscheu vor Büchern, dass er seine Freude äusserte, wenn er hörte, dass eine Buchdruckerei eingegangen war. Selbst las er niemals anderes, als die Bibel und das Exercirreglement.

So war der König beschaffen, der in seinem thörichten Krieg gegen Napoleon nicht rastete, bis er Stralsund und Rügen verloren hatte, und dessen wahnsinniger Krieg gegen Russland dazu führte, dass ein russisches Heer (1808) definitiv ganz Finnland eroberte. Runeberg hat in seinem Gedichte „Der König“ in „Fänrik Stal“ ihm das Denkmal gesetzt, das er verdiente. 1809 zwangen ihn ein paar beherzte Officiere, dem Thron zu entsagen. Der Herzog von Södermanland folgte ihm als Carl XIII., und als dessen Adoptivsohn bald hernach starb, geschah es, dass die unrichtige Vorstellung, Napoleon zum Gefallen zu handeln, und die illusorische Hoffnung, dadurch Finnland zurückzugewinnen, die französische Partei in Schweden Bernadotte zum Kronprinzen wählen liess. Seine Gestalt trat aus dem dunklen Hintergrund der Schatten seiner Vorgänger mit Glanz hervor. Während eines Zeitraums von dreiunddreissig Jahren leitete der kluge Gascogner Schwedens Politik, und dieser König, dessen Regierungszeit mit den kräftigsten Jahren Tegnér's zusammenfällt, theilt mit ihm die Ehre, der Generation, die er beherrschte, den Namen gegeben zu haben. Der Zeitraum von 1810 bis 1840 gehört Carl Johann und Tegnér.

Dies sind die Bilder der Regenten, welche damals nach einander Schweden ihre Physiognomien aufdrückten und deren Profile auf die Münzen geprägt wurden, welche durch die Finger Tegnér's glitten, während er Kind, Schreiber, Student und Magister war.