Das Intrigenlabyrinth

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5

Jens konnte es nicht fassen. Papa, er wurde das vierte Mal Papa und das von einem halben Kind! Ein Vergewaltigungskind – ein Kind der Gewalt! Wie sollte das nur weitergehen. Wie sollte er mit all dem fertigwerden? Es würde ihn eines Tages zermürben – diese Schuld, dieses unglaubliche Gewicht auf seinen Schultern. Es würde der Tag kommen, an dem er unter dieser Last zusammenbrach. Seine Gesundheit würde irgendwann großen Schaden nehmen, das konnte gar nicht anders sein. Zwei Frauen hatten ihn ganz fest in der Hand und er musste sich ihrem Willen beugen. Manchmal wäre es ihm lieber, Joy würde ihm Vorwürfe machen, ihn anschreien oder schlagen. Aber dieses Verhalten, das sie an den Tag legte, war fast unerträglich! Er wüsste zu gern, was in ihrem Kopf vor sich ging. Hatte sie einen Plan oder wollte sie es einfach nur vergessen? Was nun durch die Schwangerschaft fast nicht mehr möglich war!

Jens dachte, er hätte die Spitze des Übels erreicht – aber schlimmer geht immer! Das sollte er schon am nächsten Abend erfahren. Er musste mit Charlene zu einem wichtigen Kundentermin nach Berlin. Der für sie sehr erfolgreich abgeschlossene Vertrag wurde am Abend noch mit den Kunden gefeiert. Auf dem Weg ins Hotelzimmer hakte Charlene sich plötzlich bei Jens unter und er zuckte zusammen. Das tat sie sonst nie, zumindest hatte sie es seit dem Tag der großen Enttäuschung nicht mehr getan. Und wenn Jens dachte, das würde der einzige Schreck für diesen Abend bleiben, hatte er sich sehr getäuscht.

„Ich brauch heute Abend noch so richtig guten Sex, Jens! Komm mit auf mein Zimmer, du musst es mir besorgen, dass mir Sehen und Hören vergeht, ich weiß aus Erfahrung, dass du das kannst!“

Jens verschlug es die Sprache, er dachte an einen üblen Scherz. „Brauchst du wieder mal ein kleines Filmchen? Hast du die Kamera schon richtig positioniert?“, fragte er mit bitterem Unterton.

„Nein, habe ich nicht. Aber wenn du mir nicht vertraust, können wir auch in dein Zimmer gehen“, sagte Charlene mit einem süßen Lächeln. „Ich kann ja verstehen, dass du mir nicht vertraust.“ Sie zog ihn zu seiner Zimmertür und wartete, dass er sie aufschloss.

„Du meinst das doch nicht ernst. Das soll doch nur ein Spaß sein“, stammelte Jens.

„Oh nein, mein Lieber, ich hab unglaubliche Lust auf eine flotte Nummer und du weißt, mein lieber Jens, du musst immer schön brav das tun, was ich möchte – sonst …“

Das konnte doch nur ein ganz böser Traum sein. Jens schloss die Tür auf und Charlene schubste ihn ins Zimmer.

„Zieh deinen Anzug aus – mehr nicht – und leg dich entspannt auf das Bett.“

„Wenn du denkst, dass ich hier mit dir irgendwas hochkriege, dann hast du dich aber getäuscht“, stammelte Jens.

„Lass mich nur machen, mein Lieber.“ Sie schenkte Champagner aus der Minibar in zwei Gläser und versuchte ihm etwas davon einzuflößen. Jens weigerte sich, also half Charlene nach: „Ich möchte dich nicht bei jeder Kleinigkeit daran erinnern, dass ich hier der Boss bin und du das machen musst, was ich möchte. Es sei denn, deine Superfrau und Superfamilie sind dir plötzlich egal!“

Also schlürfte er brav am Champagner und überlegte fieberhaft, wie er aus dieser Notlage entkommen könnte. Dann schaltete Charlene Musik ein und fing an einen gekonnten Strip hinzulegen. Jeder Versuch wegzuschauen wurde von Charlene mit einem „Jens, Schatz, hier spielt die Musik“ unterbunden. Wie tief bin ich gesunken, dachte er. Aber ganz gegen seinen Willen musste er sich eingestehen, dass Charlene einen fantastischen Körper hatte. Wunderschöne, große und unglaublich pralle Brüste mit Brustwarzen, die wie gemalt aussahen. Eine Taille, die absolut harmonisch und zu dem nicht zu kleinen, aber auch sehr durchtrainierten, etwas frech abstehenden Po passte. Die Beine waren ein Traum und gerade richtig lang, um zum Gesamtbild zu passen. Und das Gesicht war sowieso das eines Engels.

Da stand sie nun ganz nackt und bewegte sich sehr rhythmisch und aufreizend zu der Musik. Dann fing sie an mit ihrem String äußerst professionell ihre Brüste zu quetschen, hochzuziehen und plötzlich wieder fallen zu lassen. Jens konnte und wollte jetzt nicht mehr wegschauen. Er schämte sich vor sich selbst … Aber was er da geboten bekam! Was war das doch für eine Hexe! Wenn ihm vor einer Stunde jemand gesagt hätte, dass bei ihm sexuelle Gier für Charlene aufkommen würde, hätte er ihn für verrückt erklärt.

Jetzt wurde der String dazu benutzt, ihn zwischen den Beinen hin und her zu reiben, und dabei kam Charlene langsam auf das Bett zu. Dort angelangt, kletterte sie wie eine Katze auf allen vieren an Jens Beinen entlang, während sie diese mit der Zunge fachmännisch bearbeitete. Ihre Hände fuhren ganz langsam an den Oberschenkeln entlang in seine Shorts und spielten neckisch mit seinem besten Stück. Sie kannte den richtigen Griff und alle Tricks, er stand in null Komma nichts absolut stramm.

„Siehst du, mein Liebling – er steht doch!“

Jens schämte sich so sehr. Aber viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht. Ganz erotisch, ohne auch nur eine Sekunde von dem Objekt ihrer Begierde die Hände zu lassen, schaffte sie es, ihm die Unterhose auszuziehen.

„Und jetzt, mein süßer, kleiner Mann – jetzt tust du deinen Job genauso gut, perfekt und zuverlässig wie dein Herrchen!“ Sie schwang sich auf Jens, noch ehe er wusste, wie ihm geschah, und ritt los. Zuerst langsam, dann immer wilder und plötzlich – urplötzlich hörte sie auf und forderte Jens mit einer verwöhnten Kleinmädchenstimme auf: „Jetzt musst du aber auch was tun – saug an meinen Titten, ich steh da so drauf, und benutz deine Zunge richtig!“

„Charlene!“

„Jetzt reicht es mir, vergiss nicht, wer hier das Sagen hat!“

Brav nuckelte er an ihren Brüsten und als sie sich das Gleiche zwischen ihren Beinen wünschte, rutschte er, ohne zu protestieren, mit seinem Kopf dahin und gab sein Bestes. Sie schien zufrieden zu sein, denn sie schnurrte wie ein Kätzchen. Die nächste Aufforderung war dann, in sie einzudringen und kräftig zuzustoßen. „Jetzt will ich es hart, ganz hart, hörst du – hast du mich verstanden? Gib alles! Du weißt, ich muss mit dir zufrieden sein. Das ist für dich sehr, sehr wichtig!“

Er tat, wie ihm geheißen wurde. Er bumste sie mit aller Wut, die er für sie empfand. Es tat ihr aber nicht weh, was er gern gesehen hätte, nein, sie stöhnte vor Lust und Wonne, dass sie wahrscheinlich bis zur Rezeption zu hören war. „Du bist so gut – du bist der beste Ficker, den ich je hatte! Und ich hatte schon viele, glaub mir!“

Als sie gekommen war, schlug sie ihn regelrecht von sich runter, stand auf und begann sich anzuziehen.

„Es ist halt immer Verlass auf Viagra. Klasse warst du, ganz so, wie ich es erwartet habe! Bin sehr zufrieden. Das werden wir jetzt noch sehr oft zusammen machen. Lass dir ein paar Überraschungen für das nächste Mal einfallen. Ich mache alles mit – je dreckiger und abartiger, desto lieber ist es mir. Für das erste Mal war dieses Stinknormalo schon okay. Ach ja, und du wirst dir überlegen, womit du mich in Stimmung bringen wirst. Ich werde nicht der Alleinunterhalter in unserer Beziehung sein.“ Dann streckte Charlene sich, um auf den Schrank zu fassen. „So“, stöhnte sie dann äußerst zufrieden. „Hier haben wir jetzt noch ein Filmchen, das sich sehen lassen kann, produziert. Ja schau nicht so. Mir war doch klar, dass du nicht mit auf mein Zimmer kommen würdest. Deshalb habe ich die Kamera lieber gleich in deinem installiert.“

Jens konnte nicht glauben, was in der letzten halben Stunde passiert war. Er war vergewaltigt worden – nein, schlimmer, er hatte ja mitgemacht. Natürlich unter Druck und mithilfe von Chemie – aber es schien ihm gefallen zu haben. Wie widerlich! Wie hätte er sonst einen Ständer bekommen können? Er war am Ende – was war aus seinem Leben, was war aus ihm geworden?

6

Lars’ Wutausbruch auf dem Schulhof tat Joy dann doch weh: „Du blöde Schlampe – du bist noch nicht so weit! Nein, du warst schon viel weiter! Nur nicht mit mir. Mir Blödmann hast du die Unschuld vom Lande vorgespielt. Dabei hast du dich im Beine-breit-Machen schon bestens ausgekannt. Was hat dich denn an mir gestört? Egal, scheißegal, inzwischen habe ich erkannt, wer die Richtige für mich ist. Das hätte ich von Anfang an merken müssen, aber du hast mich geblendet! Magdalena ist einfach super – ein Klassemädel.“

Das hatte gesessen! Magdalena – wieso Magdalena? Der lügt doch! Magdalena hätte ihr doch was gesagt! Wann trafen die beiden sich überhaupt? In der Schule hatte sie nichts, aber auch gar nichts bemerkt. Sie verbrachte viel Zeit mit Magdalena – aber eben nicht die ganze! Wie feige, wie unglaublich falsch Magdalena war. Das verwöhnte Ding bekam irgendwann immer, was es wollte! Mama hatte recht! Das Minus-Konto der Dornbachs hatte sich schon wieder gewaltig gefüllt. Joy fühlte sich für ihre Vorhaben immer mehr berechtigt – sie hatte das Recht auf ihrer Seite, da war sie sich nun hundertprozentig sicher! Sie brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben! Niemals! Es konnte nicht schlimm genug werden für diese traumhafte Familie Dornbach!

Endlich kam der Tag, auf den Joy so sehnsüchtig gewartet hatte. Für die große Schulparty der Oberstufenklassen war eine komplette Disco gemietet worden. Die Stimmung war von Anfang an gigantisch und die Schüler schafften es trotz Alkoholverbot, genug davon einzuschleusen. Auch Magdalena war wahnsinnig ausgelassen und freute sich des Lebens. Sie genoss die Liebe mit Lars jetzt öffentlich und schamlos, nachdem Joy sie zur Rede gestellt hatte und wegen der Geheimniskrämerei erst einmal beleidigt gewesen war. Joy hatte sich tagelang Honig um den Bart schmieren lassen, ehe sie wieder zugänglich war. Aber Magdalena strengte sich so süß an! Joy hatte die Kriecherei richtig genossen. „Ich wusste ja nicht, ob ich dich damit verletzen würde … Ich wollte dir nicht wehtun … Du bist doch meine beste Freundin … Du bist mir doch sooo wichtig … Blablabla!“ Magdalena war goldig. Und jetzt beobachtete Joy sie, wie sie sich amüsierte.

 

Da kam Magdalena auch schon atemlos auf sie zugerannt, packte sie am Arm und versuchte sie auf die Tanzfläche zu zerren. „Komm, Süße, was bist du heute für eine Spaßbremse … Oder ist es immer noch wegen Lars? Du hast doch gesagt, dass es dir egal ist! Warum ziehst du so eine Schnute?“

Also ging Joy mit ihr tanzen und tat so, als ob sie wahnsinnig viel Spaß hätte.

„Jetzt bist du endlich wieder meine Joy! Wir zwei haben doch immer viel Spaß zusammen und es wird auch niemals ein Junge zwischen uns stehen, oder?“

„Nee, meine allerbeste Freundin, es wird niemals ein männliches Wesen zwischen uns stehen, versprochen!“

Magdalena drehte noch mehr auf, sie hyperventilierte fast vor Glück, als Lars dazukam und auch Joy anlächelte. Diese schaffte es irgendwie zurückzulächeln, dabei hätte sie sich viel lieber erbrochen. Euch wird das Lachen demnächst vergehen, ihr zwei Turteltäubchen. Schade eigentlich … so ein hübsches Pärchen!

Irgendwann sagte Magdalena endlich, dass sie auf die Toilette müsse. Plötzlich musste auch Lars ganz dringend, nur um mit Joy nicht allein dazustehen. Dass die beiden zusammen verschwanden, gehörte allerdings zu ihrem Plan. „Ich bestelle so lange was zum Trinken“, rief sie den beiden hinterher.

„Ich hab doch noch was“, rief Magdalena zurück.

Als die beiden zurückkamen, hielt sie Magdalena ein Glas hin, das sie auch sofort dankbar nahm und austrank. „Tut das gut! Ich hab mich schon wie auf einem Wüstentrip gefühlt“, lachte Magdalena.

Nach ein paar Minuten fragte Joy Magdalena, ob sie kurz mit ihr rausgehen würde. „Mir ist ganz schwindlig und viel zu warm. Ich habe Angst umzukippen!“

„Na klar! Lars, ich gehe mit Joy kurz raus, es geht ihr nicht gut“, rief sie Lars dann zu, der in ein Gespräch verwickelt war.

„Lass uns bitte ein Stück laufen.“

„Ja, aber nicht allzu weit weg, es ist spät und dunkel und diese Gegend hat nicht gerade den besten Ruf.“

Joy lief sehr langsam und machte einen geplagten Eindruck. Magdalena schmolz dahin vor Mitleid. „Arme Maus, du tust mir so leid. Die ersten drei Monate sind die schlimmsten und du hast sie ja bald überstanden.“

Aber dein Leiden, liebe Magdalena, fängt erst an! Endlich begann Magdalena zu schwanken.

„Was ist jetzt los, ich bin sicher nicht schwanger“, kicherte sie los. „Oh, mir wird so schlecht“, und dann knickte sie ein. Joy sorgte dafür, dass sie es noch bis auf die Fahrbahn schaffte, dann ließ sie Magdalena zu Boden sinken.

Schnell rannte sie zurück in die Disco und mischte sich unter das Volk. Lars sah immer wieder zu ihr herüber, aber er getraute sich wohl nicht sie anzusprechen. Irgendwann schien er es nicht mehr auszuhalten und kam zögerlich auf sie zu. „Weißt du, wo Magdalena ist?“

„Wir sind ein Stück zusammen gelaufen und als wir wieder reingehen wollten, hat sie gesagt, sie würde gerne noch kurz an der frischen Luft bleiben. Mich hat sie reingeschickt, weil es mich gefröstelt hat.“ Dann verwickelte Joy ihn in ein Gespräch, was Lars sehr überraschte. „Ich möchte, dass du weißt, dass es für mich völlig in Ordnung ist. Ich gönne euch euer Glück. Dass ich nicht mit dir schlafen wollte, hatte nichts mit dir zu tun, und ich wollte dich auch nicht betrügen, Lars. Ich hatte dich wirklich von ganzem Herzen lieb. Ich kann dir nicht sagen, wie und was passiert ist, aber es ist mir wichtig, dass du nicht mehr schlecht über mich denkst. Immerhin verbindet uns jetzt ein Mensch, den wir beide sehr mögen.“

„Ist okay, Joy“, stotterte Lars, der immer noch völlig platt war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn ansprechen würde, schon gar nicht mit diesem Thema.

Dennoch war das jetzt genug Small Talk. Lars machte sich auf den Weg nach draußen, dann sah Joy ihn wieder reinkommen und eine Runde drehen. Er sah sich suchend um, stellte sich eine Weile vor die Toilette und kam dann wieder auf Joy zu. „Magdalena ist nirgendwo. Ich mache mir langsam Sorgen. Habt ihr gestritten?“

„Nein, überhaupt nicht. Wir haben uns über dich unterhalten. Es war ein harmonisches Gespräch, deshalb hatte ich so das Bedürfnis, auch mit dir zu sprechen.“

Hektisches Treiben lenkte die Blicke der beiden auf die gegenüberliegende Seite der Tanzfläche. Dort war ein Mädchen zusammengebrochen und alle schrien nach einem Sanitäter. Lars zog Joy mit sich, weil er natürlich sofort dachte, es handele sich um Magdalena. Sie war es aber nicht. Sofort kamen zwei Sanis mit einer Trage und nahmen Sarah mit.

Plötzlich wurde die Musik abgestellt und es folgte die Durchsage eines Lehrers: „Ich habe eine schreckliche Mitteilung zu machen. Eine Mitschülerin ist draußen verunglückt. Sie wurde von einem Auto angefahren und ist schwer verletzt.“

Lars packte Joy am Arm. „Ich hab es gespürt – es ist Magdalena. Ich hab gespürt, dass etwas nicht stimmt. Schon als ihr rausgegangen seid.“

„Hiermit beenden wir die Party. Bitte ruft eure Eltern an und versucht eure Abholung zu organisieren. Vielleicht ist es möglich, auch Mitschüler nach Hause zu bringen, die nicht abgeholt werden können.“

Lars zog Joy mit sich zum DJ-Pult. „Wer ist verunglückt?“, schrie Lars den Lehrer an.

„Es tut mir leid, Lars, es ist eure Freundin Magdalena“, sagte der Lehrer und sah vor allem Joy voller Mitleid an.

Pflichtgemäß fing sie an zu heulen und zu schreien: „Ich will zu ihr, ich will zu Magdalena!“

„Wir dürfen die Rettungsarbeiten nicht behindern. Ich werde mich erkundigen, in welches Krankenhaus Magdalena gebracht wird, und wenn ihr es mit euren Eltern besprochen habt und es ihnen recht ist, bringe ich euch dorthin.“

Auf dem Weg ins Krankenhaus war Joy sehr still – vor allem machte sie sich Gedanken darüber, ob Magdalena ausreichend verletzt war. Ihr Einsatz sollte den Dornbachs für eine Weile Sorgen bereiten. Sie wollte sie leiden sehen. Lars saß neben ihr und zitterte – Joy schniefte in regelmäßigen Abständen und war froh, dass keiner ein Wort sagte. Sie würde sich noch früh genug zu ihrem Spaziergang mit Magdalena äußern müssen, vor allem hoffte Joy inständig, dass sie nichts mehr wusste. Aber sie hatte sich ausreichend über die K.-o.-Tropfen informiert, für die sie sich dann entschieden hatte. Es hatte wirklich alles auf die Sekunde geklappt. Die Tropfen waren sehr zuverlässig.

Im Krankenhaus angekommen, setzten sie sich auf die zugewiesenen Bänke mit dem Hinweis, dass es sehr lange dauern konnte, bis Magdalenas Zustand geklärt war. Bald darauf trafen alle Dornbachs tränenüberströmt und aufgeregt ein. Sie redeten alle durcheinander auf Joy und Lars ein, um zu erfahren, was passiert war.

„Zuerst war mir schlecht und warm. Magdalena wollte unbedingt mit mir raus, weil sie mich nicht alleine lassen wollte. Nach einer Weile“, schniefte Joy theatralisch und ließ ein Rucken durch ihren Körper gehen, „war mir kalt und ich wollte wieder rein. Magdalena sagte, ich solle ruhig reingehen, sie bleibe noch ein paar Minuten. Die frische Luft tue ihr gut, ihr sei nämlich auch ganz schwindelig. Ich wollte sie nicht alleine lassen, aber sie hat richtig mit mir geschimpft, dass ich jetzt gut auf mich aufpassen müsse und für das Kleine die Verantwortung trage. Wäre ich nur bei ihr geblieben. Warum habe ich auf sie gehört? Ich habe so ein schlechtes Gewissen.“

Alle versuchten sie zu trösten und ihr klarzumachen, dass sie doch wirklich nichts dafür konnte. Wenn die wüssten …

Es dauerte tatsächlich ewig, bis endlich ein Arzt auftauchte. „Sind Sie die Angehörigen von Magdalena Dornbach?“

„Ja!“, schrie Jens fast. „Was ist mit ihr?“

„Abschließend kann ich noch nichts sagen. Nur über die ersten Befunde kann ich Sie in Kenntnis setzen. Sie hat innere Verletzungen und wurde deswegen operiert. Ich würde sagen, dass wir das ganz gut hinbekommen haben und sie außer Lebensgefahr ist. Aber ihre Wirbelsäule macht uns Sorgen. Da hat sie schlimme Verletzungen davongetragen. Wir müssen leider davon ausgehen, dass es bleibende Schäden sein können.“

„Sie meinen Lähmungen?“, fragte Celine mit großen, nassen Augen. Sie war so bleich und sah so elend aus, dass Joy fast, aber nur fast, so was wie Mitleid verspürte. Das konnte sie aber selbstverständlich nicht zulassen. Die hatten das so verdient und basta!

„Es ist gut möglich, Frau Dornbach. Sie müssen damit rechnen. Ja, was ich noch sagen kann, ist, dass es höchstwahrscheinlich deshalb zu dem Unfall gekommen ist, weil Magdalena K.-o.-Tropfen zugeführt wurden.“

„K.-o.-Tropfen? Aber das war doch eine Schulveranstaltung unter Aufsicht von Lehrern“, stammelte Celine wieder kaum in der Lage zu sprechen.

„Frau Dornbach, das ist doch kein wirklicher Schutz vor solchen Übergriffen. Was denken Sie, wie viele Jugendliche wegen K.-o.-Tropfen in der Blutbahn eingeliefert werden – auch direkt aus dem Schulgebäude.“

„Lars, da ist doch noch ein Mädchen auf der Tanzfläche umgekippt!“

„Stimmt“, sagte Lars, „Sarah. Die ist bestimmt auch hier.“

„Ich werde mich erkundigen“, sagte der Doktor. „Sie können jetzt kurz zu Magdalena, aber sie wird von uns noch für einige Stunden mit Medikamenten ruhiggestellt – sie ist im künstlichen Koma, weil es jetzt wichtig ist, dass sie sich nicht bewegt und nicht aufregt. Am besten wäre es, Sie gehen dann nach Hause, versuchen etwas zu schlafen und kommen morgen gegen Mittag wieder. Ich schicke gleich eine Krankenschwester, die noch ein paar Daten von Ihnen notieren wird. Bis morgen.“

Der Arzt ging und alle standen wie unter Drogen da. Einer sah schlimmer aus als der andere. Joy schaute genüsslich in die Runde. Was war aus diesem fröhlichen Haufen nur geworden? Joy wollte nichts von dem Elend verpassen und bat darum, bei den Dornbachs schlafen und gleich wieder mit ins Krankenhaus zu dürfen.

„Klar, Joy“, sagte Celine mit weinerlicher Stimme, „du gehörst doch zur Familie, das weißt du doch!“

Oh, wie süß, dachte Joy – allerliebst. Es war noch viel besser, als sie es sich vorgestellt hatte, der reinste Genuss. „Aber ich möchte nicht in Magdalenas Zimmer schlafen, das schaffe ich nicht“, jammerte Joy.

„Bitte, bitte schlaf bei mir, Joy“, bot Marilena an. „Ich möchte jetzt auch nicht alleine sein.“

„Danke, Marilena, du bist lieb.“ Dann kann ich dich wenigstens noch ein bisschen weinen hören … Musik in meinen Ohren.

Am Morgen dauerte es ziemlich lange, bis alle aus ihren Betten gekrochen waren. Nicht, weil sie so lange geschlafen hatten, sondern weil jeder noch seinen Gedanken nachhängen wollte und keine Lust zu reden hatte. Das Telefon war still geblieben.

Weil sie ihre Mama, die jetzt nach der Nachtschicht bestimmt schlief, nicht stören wollte, schrieb Joy ihr eine kurze Nachricht und teilte ihr mit, was passiert war. Sie solle sich keine Sorgen machen, denn sie wisse noch nicht, wann sie heimkommen werde. Sie werde mit ins Krankenhaus gehen. In die Schule könne sie auf keinen Fall.

Langsam versammelten sich alle in der Wohnküche und versuchten etwas zu frühstücken. Joy hatte einen Riesenhunger und auch Appetit, aber sie musste sich zügeln, weil die anderen so gut wie nichts essen wollten. Einer sah schlimmer aus als der andere. Sie schienen alle kein Auge zugemacht zu haben.

Kurze Zeit später machten sie sich auf den Weg ins Krankenhaus. Nacheinander durften sie dann zu Magdalena und Joy erschrak sehr, als sie sie so daliegen sah – weiß Gott, wie viele Schläuche in oder aus ihrem Körper führten, der Kopf dick verpackt, an Überwachungsgeräte angeschlossen und das, was von Magdalena sichtbar war, war entweder verbunden oder blutverkrustet. Das war wahrlich kein schönes Bild. Joy spürte doch so etwas wie Gewissensbisse – aber sofort korrigierte sie ihr Denken: So haben es die Dornbachs verdient! Nur kein Mitleid!

Natürlich spielte sie erstklassig die Entsetzte und heulte wie ein Schlosshund. Lars bombardierte sie mit Nachrichten. Er war auch zu Hause geblieben und wollte Magdalena besuchen, was aber von der Familie abgelehnt wurde. Nur die engsten Familienmitglieder dürften zu ihr, hatte der Familienrat beschlossen. Margot war auch schon informiert und auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Ärzte erklärten, dass sie Magdalena noch mindestens drei bis vielleicht sogar fünf Tage im künstlichen Koma belassen wollten und es wenig Sinn hätte, wenn sich die ganze Familie so lange im Krankenhaus aufhielte. Also besprachen Jens und Celine, dass sie sich abwechseln und die Kinder nach Hause bringen würden. Margot würde ja bald da sein. Mal schauen, ob Omi so lustig sein wird, so wie sie es sonst immer war, kicherte Joy innerlich.

 

Die Warterei, bis Magdalena aus dem Koma geweckt wurde, war die Hölle, weil es natürlich zum einen sehr aufregend war, ob das auch gut und unkompliziert funktionieren würde, und dann noch die ganz große Frage, wie viel Magdalena von ihrem Körper spüren und bewegen konnte!

Joy hatte schon am Morgen nach dem Unfall gedacht, wie übel alle aussahen. Dass das noch um einiges schlimmer ging, konnte sie jeden Tag feststellen. Es war, als ob sie alle in sich zusammenfielen – sie schrumpften regelrecht. Aus diesen stolzen, fröhlichen und sehr aufrecht stehenden Menschen wurden richtige kleine Häufchen Elend. Die Anspannung war so groß, es wurde kaum noch geredet und wenn doch, war es mehr ein Flüstern. Wie laut war es sonst in diesem Haus zugegangen? Es war manchmal ohrenbetäubend gewesen. Selbst Max lag nur auf seiner Decke, als könne er verstehen, was passiert war. Für Jens war Max aber wie ein Trostpflaster. Die beiden gingen stundenlang spazieren und wenn Jens irgendwo saß, war Max sofort bei ihm und kuschelte sich eng an sein Herrchen.

Dann kam endlich der Tag, an dem Magdalena langsam aus dem künstlichen Koma geweckt wurde. Es wurden Tests gemacht und das Ergebnis war erschütternd. Geistig war so weit alles okay, vor allem konnte sie sich, zumindest nicht auf Anhieb, an den Unfall erinnern. Das beruhigte Joy ungemein. Dann kam aber die niederschmetternde Diagnose – sie war die Hüfte abwärts gelähmt. Weitere Untersuchungen ergaben eindeutig, dass es keine Heilung geben würde.

„Es ist sicher ein hartes Schicksal, aber seien Sie dankbar, dass Magdalena noch lebt und auch geistig vollkommen fit ist. Wir hatten da so unsere Zweifel, bei den Verletzungen. Sie ist, so blöd es sich auch anhört, mit einem blauen Auge davongekommen. Auch im Rollstuhl kann man heutzutage ein recht normales Leben führen. Die meisten Einrichtungen sind auf Rollstuhlfahrer eingestellt und sie kann mit etwas Übung so selbständig werden, dass sie in einer eigenen Wohnung leben kann. Einen Beruf zu erlernen, ist für Rollstuhlfahrer auch kein Problem. Es gibt wirklich eine sehr große Auswahl.“ Der Arzt sagte das, als ob Magdalena nur minimal eingeschränkt sein würde – kaum spürbar für sie und ihre Familie.

Aber so wurde es selbstverständlich nicht! Es dauerte sehr lange, viele Wochen bis Magdalena endlich wieder Lebensmut fasste. Erst dann konnte die Familie zu planen beginnen. Wie sollten sie das Haus umbauen, damit Magdalena sich barrierefrei bewegen konnte? Das übernahm selbstverständlich Celine, die den Anschein machte, sehr froh über diese Beschäftigung zu sein. Dann versuchten sie mit Magdalena über die Schule zu sprechen, die das Thema aber sofort beendete. „Ich geh doch nicht als Krüppel in die Schule. Was meint ihr, wie die mich alle anstarren werden. Niemals!“

„Lass dir Zeit, meine Süße“, beruhigte Jens seinen Schatz. „Dieses Schuljahr wirst du sowieso wiederholen müssen.“

„Hörst du schlecht, ich werde nie wieder in die Schule gehen!“

Der Ton im Hause Dornbach war nun oft gereizt und unfreundlich, auf jeden Fall nie mehr fröhlich. Auch die große Liebe zwischen Jens und Celine bekam unter diesen Umständen einen langen Riss. Wobei Celine schon vor Magdalenas Unfall erhebliche negative Veränderungen an Jens festgestellt hatte. Joy hatte so manche Gespräche genüsslich mitverfolgt. Jens selbst fand nicht, dass er sich verändert hatte. Er meinte, seine Rolle perfekt zu spielen. Celine hatte aber recht, wenn sie sagte: „Du bist so in dich gekehrt, so still, du lachst nur noch ganz selten und auch das wirkt sehr unecht. Du bist den Kindern gegenüber sehr ungeduldig – auch deine Unternehmungslust ist dir komplett abhandengekommen. Du lässt wirklich nur noch den Hund an dich ran! Du bist einfach erschreckend anders geworden. Ich kann dir auch genau sagen, ab wann, und zwar seit du den langersehnten Job an Charlene abgegeben hast. Du bist unglücklich über diese Entscheidung, ich spüre es ganz deutlich. Und wenn du tausendmal versuchst mir das Gegenteil zu erklären.“ Respekt, Celine, dachte Joy. Den Zeitpunkt hast du ganz korrekt festgelegt – aber der Grund ist nicht ganz der richtige. Vielleicht kommt ja noch der Tag, an dem du auch diesen richtig definierst.

Nach unglaublich schwierigen Monaten mit Magdalena stand die Geburt bei Joy an. Alle waren sehr aufgeregt und sogar Magdalena zeigte endlich wieder so etwas wie einen Funken Lebensfreude. Es war nicht zu fassen, nach der richtig schweren Geburt, bei der Magdalena unbedingt dabei sein musste – weil Joy es sich so sehr wünschte –, veränderte Magdalena sich so positiv, dass man fast sagen konnte: „Wie die Alte!“

Na ja, ganz so war es nicht, es gab immer noch sehr oft verzweifelte Momente, aber es wurde wieder fröhlicher im Hause der Dornbachs. Margot war in der Zwischenzeit ganz zu ihnen gezogen, um Celine bei der Pflege zu unterstützen. Alle wussten, dass Margot die Entscheidung, ihr eigenes Zuhause aufzugeben, sehr schwergefallen sein musste. Margot lebte schon seit Celines Auszug alleine, weil ihr Mann schon sehr jung bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Es gab immer wieder Männer in ihrem Leben, aber keiner konnte ihrer großen Liebe das Wasser reichen. „Lieber keinen als nur einen Notnagel“, sagte sie immer wieder lachend, wenn wieder einmal eine Beziehung zu Ende war.

Sie genoss ihr Singledasein sehr. Sie konnte machen, was sie wollte, musste keine Rechenschaft ablegen, hatte einen sehr großen Freundeskreis, reiste sehr oft und sie fand jahrelang große Erfüllung in ihrem Job. Hinzu kam noch der sehr liebevolle Kontakt zu ihrem einzigen Kind und ihrer wunderbaren Familie. Alle glaubten Margot, ohne zu zweifeln, wenn sie sagte: „Ich bin der glücklichste Single der Welt.“

Celine wusste nicht, wie sie ihrer Mutter jemals danken konnte, dass sie ihre geliebte Selbstständigkeit für ihre Familie aufgegeben hatte. Wenn Celine versuchte mit Margot darüber zu reden, wurde sie regelmäßig in ihre Schranken gewiesen. „Was ist das für eine Liebe, die nur in schönen und guten Zeiten zum Tragen kommt? Celine, ihr – das Allerwichtigste, was ich auf dieser Welt habe – seid in großer Not. Es ist für mich selbstverständlich, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, um euch das Leben zu erleichtern. Mein eigener Spaßfaktor spielt momentan nicht die geringste Rolle. Es kommen wieder bessere Zeiten und dann lass ich es wieder krachen, Mädel“, sagte sie augenzwinkernd und ließ kein weiteres Aber zu.

Margots Einzug bei den Dornbachs tat allen gut, weil sie nach anfänglichem Schock versuchte mit Humor das Beste aus der Sache zu machen. Joy fand es unpassend, weil es das Leid der Familie linderte und genau das wollte sie nicht. Sie hatte auch Lars ganz zu Anfang klargemacht, dass es besser wäre, Magdalena in Ruhe zu lassen und auch ihre Geschwister nicht mehr auf das Thema anzusprechen. Dabei war Joy sich sicher, dass Lars Magdalena sehr gut hätte zur Seite stehen können. Er hätte ihr sicherlich gutgetan. Aber das sollte ja nicht sein!

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