Mündliches Erzählen als Performance: die Entwicklung narrativer Diskurse im Fremdsprachenunterricht

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4.1.2 Die Erzählperformance als Aufführung

Mithilfe der intermedialen Erzähltheorie (Kap. 3.1) wurden schriftlich-verbale und mündlich-verbale Erzählungen als Realisierungen1 des Narrativen in unterschiedlicher medialer Verfasstheit dargestellt. Mithilfe der Theorie des Performativen (Kap. 4.1.1) kann nunmehr die Präsentationsform ‚mündlich-verbales Erzählen‘ als Erzählperformance aufgefasst und wie folgt definiert werden:

Unter Erzählperformance wird die von einer realen Erzählerin oder einem realen Erzähler bzw. von mehreren realen Erzählenden vor einem Publikum inszenierte und realisierte Präsentation einer Erzählung verstanden. Der Präsentationsmodus ist mündlich-direkt, der Diskursmodus dominant narrativ. Die Erzählperformance stellt somit eine performative Präsentationsform des Narrativen dar.

Die Erzählperformance realisiert das Narrative als Ereignis. Dazu bedient sie sich der Medialität, der Materialität und der Verwandlungsmöglichkeiten der Aufführung und nutzt als Mittel der Bedeutungserzeugung und der ästhetischen Gestaltung das verbale Zeichensystem sowie die performativen Gestaltungsmittel der Aufführung.

Mithilfe der intermedialen Erzähltheorie und der Theorie des Performativen können zwei unterschiedliche, im Rahmen der Studie relevante Hervorbringungen des Narrativen ausgemacht werden: die von Autorinnen und Autoren schriftlich und die von Erzählenden performativ hervorgebrachte Realisierung des Narrativen. Die schriftliche Realisierung führt zum Erzählwerk und zu dessen Deutungen durch die Leserschaft, die performative zum Ereignis der Aufführung und zur Wahrnehmung und Deutung der Erzählperformance durch das Publikum. Beiden Präsentationsformen gemeinsam ist die Realisierung der Erzählung mithilfe des verbalen Systems und ein indirekter, weil durch eine Erzählinstanz vermittelter Diskursmodus. Das Erzeugen von Bedeutung ist jedoch beim performativen Präsentationsmodus nicht auf das verbale Zeichensystem beschränkt, sondern als ereignishafte Hervorbringung definiert. Deshalb ist die performative Realisierung einer schriftlich verfassten Erzählung als ein Transformationsprozess aufzufassen, bei dem das Performative als Realisierungsprinzip, die Aufführung als Realisierungsrahmen und die Erzählperformance als Realisierungsform fungieren.

Die Bedingungen, unter denen Erzählperformances als Aufführungen im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisiert werden können, sowie die Mittel ihrer Realisierung werden im Folgenden (Kap. 4.2 und 4.3) erörtert.

4.2 Erzählen als Performance (2): Medialität und Materialität der Aufführung

Das folgende Kapitel erläutert die Charakteristika der medialen und materiellen Verfasstheit der Aufführung (Kap. 3.5.1).

4.2.1 Mündlichkeit und Körperlichkeit der Erzählperformance – die Nähe zum Theater

Aufführungen finden im Medium der Mündlichkeit statt. Charakteristisch für die Aufführung von Erzählperformances sind deshalb die face-to-face-Kommunikation und weitere, bereits erläuterte Merkmale des Mündlichkeitsmediums (Kap. 3.5.1).

Das Medium der Mündlichkeit ist verbunden mit einer Materialität (Fischer-Lichte 2005a: 18), die im Modus der Aufführung in besonderer Weise zutage tritt und die Grundlage dafür bildet, dass die Aufführung als Ereignis stattfinden kann. Gemeint sind die Körperlichkeit der agierenden Personen, aber auch die des Raumes, in dem sie gemeinsam präsent sind und die Zeit der Aufführung verbringen, sowie die Lautlichkeit, die von der performativen Gestaltung hervorgebracht wird. Die Materialität der Aufführung schafft körperlich wahrnehmbare Hör- und Seh-Räume.

Die Erzählperformance ist unter medialem und materialem Aspekt und auch im Hinblick auf die ihre Art der Bedeutungserzeugung einer Theateraufführung vergleichbar. Ein Vergleich zwischen Erzählperformance- und Theateraufführung ist aus folgenden Gründen fruchtbar:

 Aus den Gemeinsamkeiten mit dem Theater lassen sich die der Erzählperformance zur Verfügung stehenden non-verbalen Zeichen als performative Gestaltungsmittel herausarbeiten1.

 Aus den Unterschieden und Gemeinsamkeiten mit dem System Theater lassen sich die Besonderheiten der performativen narrativen Kommunikation entwickeln.

 Aus der Nähe zum Theater lässt sich der bereits erwähnte performative Pakt ableiten.

Überträgt man die drei von Fischer-Lichte entwickelten Konstituenten des Systems Theater (Fischer- Lichte 2007: 14ff.) auf die Erzählperformance als Aufführung, so sind einige wesentliche Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede zum Theater feststellbar.

Die erste Konstituente des Theaters, das Transitorische und die absolute Gegenwärtigkeit, stellt auch ein Merkmal der mündlichen Kommunikationssituation dar (Kap. 3.5.1) – mit dem Unterschied, dass das einmalige Ereignis nicht vom Ensemble der Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern von real existierenden mündlich Erzählenden hervorgebracht wird.

Die zweite Konstituente, die Gleichzeitigkeit von Produktion und Rezeption vor Publikum im öffentlichen Raum, gilt ebenfalls für beide mediale Vermittlungsformen.

Die dritte Konstituente, die Form der Darstellung, ist der des Theaters nur bedingt verwandt. Das Theater verfügt über eine eigene Sprache, einen thea­tra­lischen2 Code (Fischer-Lichte 2007: 21), mit dem es Bedeutung erzeugt (Kap. 4.3). Dem mündlichen Erzählen als Performance fehlen die Schauspielerinnen und Schauspieler. Und gerade deren Tätigkeit in Verbindung mit den ihnen zur Verfügung stehenden theatralischen Zeichen macht die Sprache des Theaters aus. Das mündliche Erzählen wird dagegen dominant über die verbale Sprache und im narrativen Diskursmodus realisiert. Seine non-verbalen Ausdrucksformen (Kap. 4.3) entnimmt das mündliche Erzählen dem thea­tralischen Code. Sie werden deshab in der Performanceforschung aus dem System Theater entwickelt3.

4.2.2 Kommunikationsmodell mündlich–fiktionalen Erzählens als Performance

Das folgende – in Anlehnung an Chatman (1989: 151) und O’Sullivan (2000: 121) entwickelte – Modell (Abb. 4) stellt die Kommunikation mündlich-fiktionalen Erzählens als Performance schematisch dar. Aus dem Modell wird ersichtlich, dass in der schriftlichen wie in der performativen bzw. der theatralischen Kommunikation zwischen realen Autorinnen und Autoren und den realen Zuschauerinnen und Zuschauern keine Kommunikation stattfindet.

Abb. 4:

Kommunikationsmodell mündlich-fiktionalen Erzählens als Performance

In der Kommunikationssituation mündlich-fiktionalen Erzählens als Performance kommunizieren real die Erzählenden und die als Publikum versammelte Zuhörerschaft. Die Erzählenden repräsentieren als Personen den fiktiven Erzähler der Narration und übernehmen die Aufgabe, die diegetische Welt in Mündlichkeit zu realisieren. Sie können dies auf vielfältige, multimediale Weise tun: mit ihrer Stimme, mit Gestik und Mimik und unter Einsatz weiterer Medien wie z.B. dem Tanz, dem Gesang, der Musik, der Videoprojektion. Sie haben auch die Möglichkeit, in die Figuren der Diegese zu schlüpfen und ihnen durch theatralische Darstellung Körperlichkeit zu verleihen. In diesem Fall gleichen sie Schauspielerinnen und Schauspielern des Theaters. Was sie allerdings nicht können, das ist, eine theatralische Situation zwischen mehreren auf der Bühne präsenten Akteuren zu erspielen. Sie können aber, um die gegenüber dem Theater eingeschränkten Möglichkeiten zu überspielen, mehrere Figuren im Wechsel darstellen und damit ihre gleichzeitige Präsenz simulieren und das Publikum in den Erzählvorgang einbeziehen.

Allerdings muss von Seiten der Zuhörerschaft die Bereitschaft bestehen bzw. entwickelt werden, die so dargebotene Performance zu akzeptieren bzw. sich auf diese Kommunikation einzulassen. Aus diesem Grund werde ich denjenigen Raum, in dem die Kommunikation zwischen realen Kommunikationspartnern stattfindet, als ‚performativen Raum‘ (s. auch Fischer-Lichte 2005a: 19) auffassen, wobei mit dem Begriff ‚Raum‘ nicht nur der Ort, sondern der Ereignisraum der Aufführung erfasst werden soll. In diesem Raum kann – in Analogie zum fiktionalen Pakt (Kap. 3.3) – ein ‚performativer Pakt‘ zwischen Erzählenden und Publikum geschlossen werden. Mit diesem Pakt wird ein Einverständnis hergestellt darüber, dass die narrative Kommunikation als ‚performatives (Theater-)Spiel‘ angesehen wird, bei dem die Rollen in Erzählende und (evtl. mitwirkendes) Publikum verteilt sind.

Das Kommunikationsmodell verdeutlicht, dass das mündlich-fiktionale Erzählen als Performance den performativen Künsten zuzurechnen ist, aber kein eigenes semiotisches System darstellt. Als performative Kunst gehört es den direkten Präsentationsmodi an und kann sich in einer Aufführung realisieren. Als Kunst des Erzählens mit einer ‚doppelten‘ Erzählinstanz (dem realen und dem fiktionalen Erzähler) gehört es dem narrativen Diskursmodus an. Das mündlich-fiktionale Erzählen nimmt unter kommunikationstheoretischen Gesichtspunkten eine Stellung zwischen vermittelter und unvermittelter Darstellung ein, unter ästhetisch-performativen Gesichtspunkten besteht eine Nähe-Beziehung zwischen der Erzählperformance und dem Theater. Diese Beziehung kann deshalb als eine graduelle angesehen werden, wobei der Grad der Nähe von den zum Einsatz kommenden theatralischen und grenzüberschreitenden Mitteln der Darstellung abhängt.

Die Nähe zum Theater liefert dem Einsatz der Erzählperformance im Fremdsprachenunterricht ein flexibles Gestaltungsinstrument, mit dessen Hilfe die Aufführung inszeniert und die Performance sich zwischen Tradition und Experiment positionieren kann. Zur weiteren Erkundung dieses Gestaltungspotenzials werden die Darstellungsmittel des theatralischen Codes im folgenden Kapitel (Kap. 4.3) dargestellt.

 

4.3 Erzählen als Performance (3): die Herstellung von Bedeutung in der Aufführung

In diesem Kapitel (4.3) geht es darum, das dritte Charakteristikum der Aufführung, deren spezifische Semiotizität, zu erläutern und damit diejenigen Gestaltungsmittel vorzustellen, die auch die Erzählperformance zu ihrer Inszenierung einsetzen kann: das Zeichenrepertoire des Theaters und daraus abgeleitet die für die Gestaltung von Erzählperformances relevanten, im Folgenden von mir mit dem Begriff ‚erzählperformativ‘ gefassten Zeichen. Wie bei den theatralischen Zeichen handelt es sich auch bei den erzählperformativen Zeichen um transformierte Zeichen, um „Zeichen von Zeichen“ (Fischer-Lichte 2005c: 300), die erst durch ihre Verwendung im theatralischem bzw. erzählperformativen Zusammenhang zu theatralischen bzw. erzählperformativen Zeichen werden (a. a. O). Sie können dieselbe Bedeutung haben wie die entsprechenden primären Zeichen, durch ihre Verwendung in der Erzählperformance sind sie jedoch auf den Erzählzusammenhang der Geschichte, auf die Handlung, die Figuren, deren Gefühle und Beziehungen und auf den Erzählvorgang selbst bezogen.

Zur Vorstellung der theatralischen und erzählperformativen Zeichen werden in einem ersten Schritt die prosodischen Elemente in ihrer primären Verwendung mithilfe der Phonologie präsentiert, weil sie in dieser Verwendung für den Fremdsprachenunterricht besonders relevant sind. In einem zweiten Schritt werden sie gemeinsam mit den weiteren akustischen, verbalen, visuellen Zeichen mithilfe der Theatersemiotik als erzählperformative Zeichen kategorisiert. Ihre Funktionen und ihre Möglichkeiten der Bedeutungserzeugung (Kap.4.3.3 und 4.3.4) in Erzählperformances werden erläutert. Die Frage nach dem Potenzial der Gestaltungsmittel wird in die Erörterung einbezogen.

4.3.1 Die prosodischen Elemente, ihre Art und ihre Funktionen in primärer Verwendung

Suprasegmentalia wie z.B. Intonation und Akzent werden in der Sprachwissenschaft als prosodische Elemente (Sokol 2001: 73-74, Pompino-Marschall 2003: 237-252, 2010a: 24-25, 2010b: 539, Willi 2004: 482-484) definiert, die über die phonetische Segmentierung hinausreichen und Resultate lautlicher Aktionen darstellen1:

Als prosodische Elemente oder Suprasegmentalia werden die lautlichen Gegebenheiten bezeichnet, die sich über den Einzellaut (Phonem, Allophon) und die Silbenstruktur hinaus artikuliert finden. Hierzu gehören die Resultate unterschiedlicher Intonationsstrategien wie Akzent (Betonung), Tonhöhe (Melodie), Längung und Intensität (Lautstärke). (Sokol 2001: 73)

Die prosodischen Elemente übernehmen in den Intonationssprachen pragmatische Funktionen (Stark 1997: 115, Sokol 2001: 73)2. Sie dienen den Sprecherinnen und Sprechern zur Variation ihrer Rede und bieten den Kommunikationspartnerinnen und -partnern Verstehenshilfen. Sie sind aus diesem Grund besonders wichtig für das mündliche Erzählen im Fremdsprachenunterricht.

Die Anzahl der pragmatischen Funktionen wird unterschiedlich angegeben. Champagne-Muzar / Bourdages (1998) gehen von einer großen Diversität der prosodischen Funktionen aus und identifizieren folgende acht Funktionen (1998: 31), denen sie jeweils eine bestimmte Hilfeleistung zuordnen3.

1 In der fonction distinctive geben prosodische Elemente Hilfestellung bei der Unterscheidung von Lauten.

2 In der fonction contrastive heben sie – wie z.B. eine Akzentsetzung – Elemente des Satzes hervor und unterstreichen damit meist das Rhema des Satzes.

3 In der fonction démarcative markieren sie zusammengehörende Syntagmen und gliedern damit die Rede.

4 In der fonction modale wird der Modus des Satzes (déclaratif, interrogatif, jussif, appellatif) determiniert.

5 In der fonction identificatrice werden Hinweise auf die Person der Spre­chenden, auf ihr Geschlecht, ihr Alter, ihre soziale Herkunft usw. gegeben.

6 In der fonction expressive zeigt die Prosodie Stimmungen, Gemütszustände etc. der Sprechenden an.

7 In der fonction discursive gibt die Prosodie Hinweise auf die Art des Diskurses. Sie zeigt z.B. an, ob es sich um eine Erzählung oder einen wissenschaftlichen Vortrag handelt.

8 In der fonction communicative können prosodische Elemente Kommunikationsabsichten signalisieren, z.B. Unmut deutlich machen, Neugier wecken, die Kommunikationspartnerinnen und -partner zum Eingreifen bewegen.

Die von Champagne-Muzar / Bourdages genannten Funktionen werden zur Analyse der Erzählperformances herangezogen, weil auf dieser Grundlage sowohl die kommunikative als auch die ästhetische Inszenierung von Erzählperformances erfasst werden kann. Die ersten vier Funktionen geben vor allem Auskunft über die bedeutungsunterstützende Rolle der Prosodie, die fünfte, sechste und siebte Funktion über die Rolle der Prosodie als performatives und die achte als interaktives Gestaltungselement.

Die folgende Übersicht (Tab. 4) listet die prosodischen Elemente, ihre Erscheinungsformen und Funktionen auf und illustriert diese anhand von Beispielen aus Erzähldiskursen so, dass sie einerseits in ihrer primären Funktion gelesen werden können und andererseits einen ersten Einblick in ihre erzählperformative Rolle geben4. Die Beispiele werden in der Transkriptionsfassung der Videografie (s. „Transkriptionsregeln in den Videografien“ in Anhang 1) wiedergegeben.


Erscheinungsformen mögliche Funktionen
1) Akzent mit Lautstärke, Druck, Längung, Tonhöhe:
1a) « En haut de ce fagot↗ (VT-EZ / 1, 4) accent tonique fonction démarcative
1b) il y a deux oiseaux rouges↘. » (a. a. O.) accent d‘insistance fonction contrastive hier zur Hervorhebung einer Besonderheit
1c) « HE↗, que faites-vous ↺ ? » (VT-EZ / 1 : 10) accent d’insistance (auf HE↗) HE↗ : fonction communicative zum Ausdruck von Gefühlen gegenüber anderen
2) Intonation mit Tonhöhe: « Tu n’aimes pas l’eau↺? » (VT-EZ / 1 : 9) Die Intonation zeigt den Verlauf der Sprachmelodie über die Äußerung hinweg. fonction modale zur Angabe des Satzmodus Frage:↺; Ausruf: ; Befehl:↴
3) Pause « Je l’ai changée (.) contre↺ (5 Sek) contre (.) un oiseau rouge. » (VT-EZ / 1 : 13) stille Pause kurz (.) stille Pause länger (5 Sek) (inkl. einem accent d’insistance) fonction communicative Die Pause ist zu verstehen als Aufforderung an das Publikum zum Mitsprechen.
4) Dauer, Dehnung mit Intensität, Tempo: « J’ai une faim de loup. » (EZ / 1 : 4) Zerdehnung der Wortgruppe, wobei jede Silbe betont, die Sprechgeschwindigkeit verlangsamt wird fonction expressive zum Ausdruck von Stimmungen, Gefühlen des Sprechenden
5) Lautstärke mit Tempo, Intensität, Dehnung: «Lauter: DONNE-NOUS↗ ton oiseau rouge! » (VT-EZ / 1 : 5) lautes und / oder leises Sprechen von Redeanteilen. Die pragmatische Gewichtung der Lautstärke wird im Transkript verbal angegeben. fonction expressive
6) Sprechgeschwindigkeit mit Lautstärke, Pausen, Dauer: « MOI↗, schneller, lauter: je garde mon oiseau, je vais l’é-chan-ger. » Verlangsamung vs. Beschleunigung der Dauer von Lauten, Wortketten, Sprechanteilen Das Tempo wird verbal angegeben. fonction expressive und communicative
7) Stimmqualität mit Tonhöhe, Lautstärke, Artikulationsweise - helle vs. dunkle Stimme, - hohe vs. tiefe Stimme Artikulation, Stimmfärbung fonction identificatrice Die Stimmqualität verweist auf Charakteristika der Figur wie Alter, Herkunft.
Rhythmus mit Akzentuierung, Tonhöhe, Dehnung, Geschwindigkeit, Pause rhythmisierend: « Rends-moi le sac de sel que j’ai changé contre le panier↗ que j’ai changé contre le couteau↗[…] » Der Wechsel von betonten und unbetonten Silben in bestimmten Abständen ergibt den spezifischen Rhythmus der Rede / des Redeabschnitts. Der Rhythmus wird verbal angegeben. fonction discursive Die Rhythmisierung bringt den liedhaften Charakter des Reims zum Tragen und verweist auf das Märchenhafte des Diskurses.

Tab. 4:

Prosodische Elemente und ihre Funktionen

Die prosodischen Elemente der Akzentuierung und Intonation übernehmen bei der lautlichen Realisierung der Rede durch die Sprechenden und der Dekodierung durch die Hörerinnen und Hörer in der fremdsprachlichen Kommunikation und speziell auch in den Erzählperformances eine wichtige Aufgabe. Realisierung und Wirkungsweise dieser beiden Elemente werden deshalb kurz dargestellt.

Die Akzentuierung des Französischen stellt für Französischlernende eine besondere Herausforderung dar:

Das auffälligste Kennzeichen der französischen Intonation ist, daß Wortgrenzen, anders als etwa im Deutschen, nicht hörbar sind, sondern Sinn- und Satzeinheiten zusammengefasst artikuliert werden (sog. mot phonétique oder phonique ). Der Hauptakzent liegt auf der letzten Silbe des zusammenhängend intonierten mot phonique. (Sokol 2001: 73f.)

 

Hilfe kommt für die Lernenden, wenn die Sprecherinnen und Sprecher von der Möglichkeit der pragmatischen Gewichtung Gebrauch machen, denn sie können entscheiden, wie stark der Hauptakzent – der sog. accent tonique – hörbar gemacht werden soll7. Sie können die Akzentuierung mithilfe der Tonhöhenabstufung (s. Bsp. 1b, c in Tab. 4), Längung, Pause verstärken und dadurch bestimmte Einheiten besonders hervorheben oder von anderen abgrenzen. Auf diese Weise bedienen sie die fonction démarcative, contrastive, expressive und communicative. Die pragmatisch gewichteten Akzente werden im Unterschied zum Hauptakzent als accents d’insistance (Zollna 1999: 37, Champagne-Muzar / Bourdages 1998: 30, Sokol 2001: 74) bezeichnet.

Da es in meiner Studie um pädagogische und ästhetische Gestaltung der Performances geht, interessieren besonders die pragmatischen Gewichtungen der Erzählenden. Deshalb werden nicht alle im Redefluss auftretenden Akzentuierungen analysiert, sondern nur die offensichtlich als Gestaltungsmittel eingesetzten oder der Verstärkungen dienenden8. Dies betrifft besonders die accents d’insistance, die in den Erzählperformances häufig eingesetzt und deshalb in der Videografie markiert und in die Analyse der Performances einbezogen werden. Da auch die jeweiligen Funktionen der accents d’insistance für die Analyse von Bedeutung sind, werden sie ebenfalls markiert (Tab. 4)9.

Die Intonation als „Klangestalt bzw. Kontur von Äußerungen / Sätzen“ (Levandowski 1994: 491) und als melodische, die Äußerung begleitende Bewegung (Mordellet 1998: 30) ist für die fremdsprachliche Kommunikation zur Verdeutlichung der Rede und der Redeabsicht der Sprechenden von entscheidender Bedeutung.

En simplifiant, on peut dire que, en français, l’intonation sert à différencier les différentes phrases énonciatives, interrogatives et impératives. (Mordellet 1998 : 32)

Auch in der Erzählperformance übernimmt die Intonation in ihrer fonction modale eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe können die Erzählenden die Figurenrede modellieren (z.B. durch ansteigende und fallende Tonhöhe) und die Kommunikation mit dem Publikum regulieren. Steigende und fallende Intonation wird deshalb in der Videotranskription (s. Tab. 4) ebenfalls angezeigt.