Mündliches Erzählen als Performance: die Entwicklung narrativer Diskurse im Fremdsprachenunterricht

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4.3.2 Das Zeicheninventar des Theaters

Im Folgenden werden im Rekurs auf die Theatersemiotik Fischer-Lichtes die für das System Theater relevanten Zeichen (Fischer-Lichte 2007: 26-30) zusammengestellt und anschließend – gemeinsam mit den bereits klassifizierten prosodischen Zeichen – auf ihre Verwendung in Erzählperformances untersucht (Kap. 4.3.3). Dabei handelt es sich um Zeichen, die – wie die prosodischen Elemente ‒ in primärer Funktion zur Anwendung kommen, hier jedoch auf den Aufführungszusammenhang bezogen werden. Sie zeigen damit ihr erstes, für den Verwendungszusammenhang wichtiges Charakteristikum: Theatralische Zeichen sind transformierte Zeichen1. Sie bedienen sich der primären Zeichen, verwenden sie jedoch in einem spezifischen Kontext und können ihnen damit spezifische Bedeutungen zuweisen. Die Zusammenstellung macht zwei weitere Charakteristika theatralischer Zeichen deutlich: ihre Heterogenität und ihre Plurimedialität. Von den 14 in der folgenden Übersicht (Tab.5) aufgeführten Zeichen sind vier Zeichen als akustische und zehn als visuelle Zeichen, davon zwei als kinesische Zeichen und ein Zeichen als proxemisches Zeichen ausgewiesen. Sie lassen sich „mit Hilfe der Oppositionspaare ‚akustisch / visuell’, ‚transitorisch / länger andauernd’ und ‚schauspielerbezogen / raumbezogen’“ (Fischer-Lichte 2007: 27) wie folgt klassifizieren2:


Zeichenart Wahrnehmungskanal Einsatz und Bezug
Geräusche akustische Zeichen transitorisch raumbezogen
Musik
linguistische Zeichen schauspielerbezogen
paralinguistische Zeichen
mimische Zeichen kinesische Zeichen visuelle Zeichen
gestische Zeichen
proxemische Zeichen
Maske länger andauernd
Frisur
Kostüm
Raumkonzeption raumbezogen
Dekoration
Requisiten
Beleuchtung

Tab. 5:

Klassifikation theatralischer Zeichen (nach Fischer-Lichte 2007: 28)

4.3.3 Die linguistischen und non-verbalen Zeichen in erzählperformativer Verwendung

Um die spezifischen Funktionen, Verwendungen und Wirkungsweisen linguistischer und non-verbaler Zeichen in den Erzählperformances und damit die Art und Weise, in der sie dort Bedeutung erzeugen, zu erarbeiten, werden die o. g. Zeichen (Kap. 4.3.2) aus ihrer theatralischen in die erzählperformative Verwendung überführt. Dabei folge ich der Systematik Fischer-Lichtes, die aus den Bühlerschen Grundfunktionen der Sprache (Ausdrucks-, Appell- und Darstellungsfunktion) drei Ebenen der Bedeutungserzeugung ableitet (Fischer-Lichte 2007: 33-36):

1 die Objektebene,

2 die Beziehungsebene,

3 die Subjektebene.

Um in dieser Systematik auch die Ebene der ästhetischen Gestaltung und der Inszenierung zu erfassen, füge ich den drei Ebenen im Rekurs auf Jakobsons sprachliche Funktionen (Jakobson 1960: 83-121) eine weitere Ebene hinzu:

1 die poetisch-ästhetische Ebene.

Die Möglichkeit der Bezugnahme auf vier verschiedene Bedeutungsebenen zeigt ein viertes, wichtiges Charakteristikum theatralischer Zeichen: ihre Multifunktionalität.

4.3.3.1 Die Funktionen linguistischer Zeichen in Erzählperformances

Die linguistischen Zeichen übernehmen in der Aufführung von Erzählperformances folgende Funktionen:

1 auf der Objektebene stellen sie Sachverhalte, den Handlungsablauf einer Szene und den Gesamtzusammenhang der Aufführung dar,

2 auf der Beziehungsebene geben sie Hinweise auf die Beziehung von einer Figur zu einer anderen oder für die Rolle, die eine Figur für die andere spielt, oder sie stellen den Kontakt zwischen Erzählenden und Publikum her,

3 auf der Subjektebene können sie als Ausdruck „für beispielsweise Herkunft, Alter, Geschlecht, soziale Stellung, Geisteszustand, Gemütsverfassung, Gefühle, Wünsche, Willen, augenblickliche Stimmung“ der dargestellten Figur (Fischer-Lichte 2007: 34) interpretiert werden,

4 auf der poetisch-ästhetischen Ebene lenken sie die Aufmerksamkeit auf die ästhetische Gestaltung und Inszenierung der Aufführung.

4.3.3.2 Die Funktionen non-verbaler Zeichen in Erzählperformances

Die non-verbalen Zeichen gehen mit den linguistischen Zeichen auf allen vier Bedeutungsebenen besondere Beziehungen ein. Sie gliedern den Erzähldiskurs in parasyntaktischer Funktion, sie deuten und illustrieren ihn in parasemantischer, sie regulieren die Kommunikation in parapragmatischer Funktion und sie gestalten die Performance in poetischer Funktion. Sie begleiten damit den Erzähldiskurs je nach Situation, Inszenierungsabsicht, spontaner Eingebung oder alltagssprachlicher Routine. Sie bilden sein ‚performatives Rückgrat‘ und stehen damit im Zentrum der empirischen Analyse der Erzählperformances.

Um die für die Analyse der Erzählperformances notwendigen Instrumente zu gewinnen, werden im Folgenden die für die Erzählperformance relevanten non-verbalen Zeichen aufgelistet und auf ihre Funktionen im erzählperformativen Zusammenhang untersucht. In die Darstellung werden diejenigen Zeichen aufgenommen, die nach der ersten Durchsicht des empirischen Materials rekurrent in verschiedenen Kombinationen und Funktionen der Performanceinszenierungen auftauchen1.

4.3.3.3 Die paralinguistischen Zeichen (P) und ihre Funktionen in Erzählperformances1

Auf der Basis der Klassifizierung theatralischer Zeichen (Kap. 4.2.2) und unter Einbeziehung der von der Sprachwissenschaft kategorisierten prosodischen Zeichen (Kap. 4.2.1) lassen sich die paralinguistischen Zeichen in drei Kategorien einteilen: in die sprachbegleitende, stimmliche Qualität (P1), die sprachbegleitenden Zeichen nicht stimmlicher Art (P2) und die sprachersetzenden Zeichen (P3). Die beiden sprachbegleitenden, paralinguistischen Zeichenarten entsprechen den auf das System Sprache bezogenen suprasegmentalen bzw. prosodischen Elementen2.

Die durchgängig eingesetzte stimmliche Qualität (P1)

Die Kategorie der stimmlichen Qualität wurde bereits (Kap. 4.2.2) in ihrer ‚identifizierenden‘ Funktion aufgeführt (Beispiel 7 der Tabelle 4, Kap. 4.3.1). Diese Funktion übernimmt sie auch im Theater, denn hier „kann der Schauspieler entweder seine eigenen stimmlichen Qualitäten verändern oder aber sie gerade in ihren stimmlichen Qualitäten als bedeutungstragendes Element einsetzen.“ (Fischer-Lichte 2007: 40) Die Qualität der Stimme identifiziert die Figur, z.B. deren Alter, deren Herkunft.

Die transitorisch eingesetzten, nicht stimmlichen Zeichen (P2)

Der zweiten Kategorie gehören alle paralinguistischen Mittel an, d.h. alle bisher aufgeführten prosodischen Elemente – mit Ausnahme der stimmlichen Qualität. Diese Zeichen können in erzählperformativer Verwendung vor allem zur Gliederung des Diskurses, zur Gestaltung der Sprechakte und zur anschaulichen Vermittlung der augenblicklichen Gefühle und Stimmungen der Figuren eingesetzt werden. Sie werden streng transitorisch angewendet.

Sprachersetzende Zeichen (P3)

Zu dieser Kategorie gehören paralinguistische Zeichen wie „Lachen, Weinen, Schreien oder auch ‚hm’“ (Fischer-Lichte 2007: 45). Als Ersatz für linguistische Zeichen können sie zum Ausdruck von Stimmungslagen und zur Gestaltung von Krisensituationen oder Höhepunkten der Geschichte eingesetzt werden.

Aus der Zusammenstellung der Zeichen wird ersichtlich, dass die paralinguistischen Zeichen (P1, P2, P3) in erzählperformativer Verwendung eine enge Verbindung mit den linguistischen Zeichen eingehen. Sie bedienen deren Bedeutungsebenen in folgenden vier Funktionen:

 die Objektebene in parasyntaktisch-gliedernder Funktion „so dass eine bestimmte Weise, [die Erzählerrede] zu verstehen, nahe gelegt wird“ (Fischer-Lichte 2007: 43),

 

 die Beziehungsebene in parapragmatisch-hinweisender Funktion, so dass hör-und sichtbar gemacht wird, wie die Kommunikation zwischen den Figuren der Erzählung verläuft und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen,

 die Subjektebene in parasemantisch-emotiver Funktion, so dass „eine gewisse Kenntnis über die inneren Vorgänge der Rollenfigur“ (a.a.O.) vermittelt wird,

 die poetische Ebene in gestaltender Funktion, indem sie die Art des Diskurses, das mündliche Erzählen als Erzählperformance, tragen und verdeutlichen.

Die bereits (in Kapitel 4.3.1) aufgeführten acht Funktionen der prosodischen Elemente können in die auf Erzählperformances bezogenen vier Funktionen integriert werden. Die folgende Übersicht (Tab. 6) fasst diese Funktionen paralinguistischer Zeichen und ihre Beziehung zu den linguistischen Zeichen wie folgt zusammen:


Funktionen paralinguistischer Zeichen Bedeutungsebenen Funktionen linguistischer Zeichen
Fonction distinctive Fonction contrastive Fonction démarcative den Erzähldiskurs parasyntaktischgliedernd Objektebene Darstellung der Sachverhalte, des Handlungsverlaufs, des Gesamtzusammenhangs
Fonction modale Fonction communicative auf die Kommunikation parapragmatisch verweisend Beziehungsebene Hinweis auf die Beziehungen zwischen den Figuren, auf deren Rolle in der Handlung
Fonction identificatrice Fonction expressive den Ausdruck von Emotionen parasemantisch mittragend Subjektebene Ausdruck der Herkunft, der Gemütsverfassung, der Gefühle von Figuren
Fonction discursive die Diskursgestaltung leitend poetische Ebene Ausrichtung auf die erzählperformative Gestaltung

Tab. 6:

Die Funktionen paralinguistischer Zeichen und ihre Beziehung zu den linguistischen Zeichen in erzählperformativer Verwendung

4.3.3.4 Die kinesischen Zeichen (K) und ihre Funktionen in Erzählperformances

Die kinesischen Zeichen, d.h. alle Gesichtsbewegungen (mimische Zeichen) und Körperbewegungen (gestische Zeichen), lassen sich wie die paralinguistischen in sprachbegleitende und sprachersetzende Zeichen einteilen.

Mimische Zeichen (M)

Nach der von Fischer-Lichte im Rekurs auf den Ekmanschen Emotionskatalog vorgeschlagenen Kategorisierung lassen sich die mimischen Zeichen grob in sieben Grundemotionen einteilen, die sich insgesamt auf die Subjektebene beziehen: Glück, Überraschung, Angst, Traurigkeit, Ärger, Ekel/Verachtung, Interesse (Fischer-Lichte 2007: 49). Die mimischen Zeichen kann das Publikum als Ausdruck der Gefühle der Figuren interpretieren, weil von einer allgemeingültigen „Verbindung zwischen Gesichtsausdruck und Emotion“ (a.a.O.: 56) ausgegangen werden kann. Dies muss allerdings unter Beachtung der gesellschaftlich-kulturell tradierten Regeln der Anwendung der Zeichen geschehen: durch Übertreibung und ihr Gegenteil, ferner die Neutralisierung und die „Maskierung einer Emotion durch einen Gesichtsausdruck, der eine andere Emotion bedeutet.“ (a.a.O.: 52)

Interessant für die Analyse der Erzählperformances ist sowohl die Auswahl, die die Erzählenden treffen, als auch die Art und Weise, in der sie die Mimik einsetzen: Welche Gefühle welcher Figuren werden visualisiert und ggf. gegeneinander abgesetzt? In welchen Momenten, welchen Szenen? Wie wird die Mimik eingesetzt: übertrieben, punktuell, durchgehend, sich steigernd?

Gestische Zeichen (G)

Im Gegensatz zu den mimischen können die gestischen Zeichen unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Eine geballte Faust kann z.B. als Gruß oder als Ausdruck von Wut oder als Drohung (Fischer-Lichte 2007: 65) eingesetzt werden. Gestische Zeichen sind deshalb nur aus dem Kontext, aus den ablau­fenden Kommunikations- oder Interaktionsprozessen zu deuten. Sie lassen sich fünf Kategorien1 zuordnen, denen unterschiedliche Funktionen entsprechen. Dies sind:

Sprachbegleitende gestische Zeichen in parasyntaktischer Funktion (G1) : Interpunktion und Illustration

Sprachbegleitende gestische Zeichen können in engem Zusammenhang mit den linguistischen Zeichen zur Interpunktion und Illustration des Erzähldiskurses dienen.

Bei der Interpunktions-Gruppe handelt es sich um „akzentuierende bzw. gliedernde Gesten, die auf der Ebene der linguistischen Zeichen das jeweils Wichtige hervorheben, verdeutlichen und unterstreichen“ (Fischer-Lichte 2007: 66), z.B. durch Heben der Augenbrauen für eine fragende / tadelnde / erstaunte Haltung. Diese Zeichen erhöhen wie die prosodische Akzentuierung die Verständlichkeit der Rede.

Die Gruppe der Illustratoren spielt beim mündlichen Erzählen im Fremdsprachenunterricht ebenfalls eine große Rolle, denn sie sorgt für die Veranschaulichung der Rede:

Die der Illustration der Rede dienenden gestischen Zeichen können die Richtung der Gedanken anzeigen, eine räumliche Beziehung bedeuten, auf anwesende Subjekte zeigen, körperliche Handlungen bezeichnen oder ein Bild dessen ‚malen’, was die linguistischen Zeichen denotieren. Auch diese gestischen Zeichen, die Illustratoren, treten zu den linguistischen Zeichen in ein enges Wechselverhältnis; so werden beispielsweise die Worte ‚Er ist schon so groß’ von einer entsprechenden Handbewegung ergänzt. (Fischer-Lichte 2007: 67)

Interpunktionen und Illustratoren (G1) sind geeignet, Darstellungsfunktionen wahrzunehmen, d.h. auf der Objektebene der linguistischen Zeichen zu wirken. Wichtig für die Gestaltung von Erzählperformances ist die Möglichkeit, mit ihrer Hilfe die Verständlichkeit der Rede visuell zu unterstützen.

Sprachbegleitende und ersetzende gestische Zeichen in parasemantischer Funktion: Indices (G2)

Neben der Darstellungsfunktion können Gesten auch Ausdrucksfunktionen übernehmen und damit auf der Subjektebene als Indices wirken. Diese Art der Gestik lässt z.B. auf Alter, Geschlecht, sozialen Status, körperliche Verfassung und Stimmungen des Sprechers schließen. Auch kann die Art der Ausführung, z.B. eine besonders hektische oder besonders langsame Gestik, auf die Emotion des Sprechers verweisen. Indices können in den Erzählperformances verbale und mimische Zeichen verstärken, begleiten oder ersetzen, z.B. wenn Trauer oder Ärger über einen Verlust durch Senken des Kopfes oder Verstecken des Kopfes in den Händen angezeigt wird (Kap. 9.2.6).

Sprachersetzende Zeichen in parasemantischer Funktion: Ikonen (G3)

Die ikonischen Gesten in ihrer ‚reinen‘ Gestalt werden konsequent sprachersetzend verwendet. Als Ausdrucksmittel der Pantomime sind sie ein Sonderfall theatralisch-parasemantischer Verwendung. Sie

[…] geben ein Bild des von ihnen gemeinten Gegenstandes, sie stellen z.B. ein ‚Haus’ durch die Andeutung von Giebeldach und Seitenwänden dar, eine ‚Kirche’ durch Hinzufügung eines Kreuzes zum Zeichen des Hauses, ‚Rauch’ durch eine spiralige Drehung des Zeigefingers von unten nach oben, ‚sprechen’ durch nachahmende Lippenbewegungen, ‚verbergen’ durch Verstecken der rechten Hand unter der Kleidung der linken Seite u.a.m. (Fischer-Lichte 2007: 68)

Im Unterschied zu den Illustratoren stellen die ikonischen Gesten Umrisse oder Bewegungen eines Gegenstandes bildlich-nachahmend dar. Während Illustratoren eher stilisierend vorgehen, nehmen ikonische Gesten Einzelheiten des nachzuahmenden Objekts oder der Bewegung in die Darstellung auf, so dass diese Gesten detaillierter veranschaulichen als dies Illustratoren tun. Ikonische Gesten in ‚reiner‘, sprachersetzenden Form kommen in den Erzählperformances der Studie nicht vor. Stattdessen nähern sich einige parasyntaktisch verwendete Illustratoren aufgrund ihrer detaillierten Ausführung einer ikonischen Gestaltung an. Sie werden deshalb als Mischformen (G1/3) in diese Übersicht aufgenommen.

Interaktive Gesten (G4) in parapragmatischer Funktion

Mithilfe der interaktiven1 Gesten (Fischer-Lichte 2007: 76-82) können die Erzählenden einerseits die Interaktion mit dem Publikum regulieren, weshalb diese Gesten auch als „Regulatoren“ (Fischer-Lichte 2009: 117) bezeichnet werden. Andererseits können sie Hinweise auf die Interaktion zwischen den Figuren der Erzählung geben. Zu den Regulatoren gehören Zeichen zur Eröffnung, zur Aufrechterhaltung und zur Beendigung der Kommunikation.

Interaktive Gesten zur Regulierung des Kontakts zum Publikum

In der Eröffnungs- und Beendigungsphase einer Erzählperformance können interaktive gestische Zeichen zur Gestaltung des Übergangs vom Klassenraumdiskurs in die Aufführung und wieder zurück in den Unterrichtsdiskurs eingesetzt werden. Hierzu gehören gestische Zeichen der Zuwendung und der Kontaktaufnahme (Fischer-Lichte 2007: 78), die darauf ausgerichtet sind, Konsens über das (erwünschte) Verhalten der Teilnehmer zu erzielen.

In der Verlaufsphase können Gesten angewandt werden, die das Arrangement des Sprechens und Zuhörens regeln. Dazu gehören z.B. eine dem Publikum zugewandte, offene Körperhaltung, das Heben des Kopfes zur Initiierung von Fragen u.a.m.

Interaktive Gesten zum Hinweis auf die Stimmung zwischen den Figuren

Zum Hinweis auf die in einer Szene herrschende Stimmung zwischen den Figuren der Erzählung werden interaktive Gesten meist in Kombination mit paralinguistischen und mimischen Zeichen eingesetzt – z.B. ein akzentuiertes «Non!» (P2) in Verbindung mit hochgezogenen Augenbrauen (M) und heftigem Kopfschütteln (G4) als Zeichen der Zurückweisung. Diese Zeichenart steht der zweiten Kategorie, der Geste zum Ausdruck von Emotionen (G2) sehr nahe. Aber während diese parasemantisch verwendete Gesten (G2) im Hinblick auf die Subjektebene wirken, verweisen die interaktiven Gesten auf die Beziehungsebene und verlangen vom Gesprächspartner eine Reaktion. Beide Aspekte, der Ausdruck von Gefühlen der Figuren und die Interaktion zwischen den Figuren, sind für die Rezeption der prototypischen inhaltlichen Narreme (Kap. 3.6) relevant, weshalb diese Zeichenverwendung eine tragende Rolle in den Erzählperformances spielt.

Gesten zur Darstellung einer Handlung mit einem Objekt (G5)

Zu dieser Kategorie rechne ich Gesten, mit deren Hilfe ein Gegenstand gebraucht (Fischer-Lichte 2007: 85) bzw. eine Handlung mit einem Gegenstand durchgeführt wird, wobei der Gegenstand real existiert oder gemimt wird. Diese gestischen Handlungen können auf allen Bedeutungsebenen in allen Funktionen verwendet werden. Je nachdem, ob der Gegenstand als Requisit vorhanden ist oder nicht, liegt ein Spiel mit einem Gegenstand oder eine Pantomime vor. In den Erzählperformances kommt diese Art von Gesten zum Einsatz, wenn länger andauernde Handlungen mit einfachen gestischen Mitteln zu einer kurzen Szene ausgestaltet werden.

Proxemische Zeichen der Fortbewegung und des Abstandes zwischen den Interaktionspartnerinnen und -partnern (Fischer-Lichte 2007: 87) spielen in den Erzählperformances eine untergeordnete Rolle ‒ ebenso wie die nicht zu den kinesischen Zeichen zugehörigen Kostüme und Dekorationen. Eine wichtige Rolle spielen in den Erzählstunden jedoch Gegenstände, Bilder, Zeichnungen, die im erzählperformativen Zusammenhang die Rolle von Requisiten übernehmen (Kap. 9.2.2.3, Kap. 11.2.4).