Koppelgeschichten - von und mit Pferd

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Ich schluckte. Diese Diskussion führten wir in schöner Regelmäßigkeit bei jeder Dienstreise. Bisher hatte es sich immer um maximal zehn Tage gehandelt. Vier Wochen waren allerdings viel länger.

„Aber wieso meinst du, dass es mit Firlefanz und mir besser klappen sollte? Dein Pferd kennt mich doch gar nicht. Und außerdem habe ich seit einem halben Jahr nichts mehr mit Pferden am Hut. Das kann gar nicht gut gehen“, wehrte ich ab.

Stefan witterte seine Chance. „Klar klappt das. Wir fahren jetzt sofort raus und ich zeige dir, wo alles liegt. Dann haben wir noch drei Tage und bis dahin weißt du wieder, wie alles geht. Reiten oder den Umgang mit Pferden verlernt man einfach nicht!“ Stefan zog mich mit einem strahlenden Lächeln an sich. „Dir vertraue ich einfach. Und du hast keine Turnierambitionen und versuchst bestimmt nicht, meinen Kleinen zu verbiegen. Wirst sehen, es wird toll.“

Keine Ahnung, wieso ich diesmal nachgab! Die verbleibenden drei Tage verbrachten wir fast komplett im Reitstall. Stefan stellte mich allen vor und unterwies mich im Umgang mit dem kleinen quirligen Fuchs. Der freche Kerl hatte schnell raus, dass mir die Übung im Longieren abhandengekommen war. Brav lief er seine Runden, um in einem unaufmerksamen Moment von mir, blitzschnell umzudrehen und mich durch die Halle zu ziehen. Die Zuschauer hatten eine Menge zu lachen - ich definitiv nicht! Am letzten Tag erbarmte sich Horst und bot an, mich in seiner verbleibenden Zeit doch noch zusätzlich unter seine Fittiche zu nehmen. So konnte Stefan beruhigt abfliegen – für sein Pferd war gesorgt!

Die vier Wochen wurden die anstrengendsten in meinem Leben: Der kleine Fuchs war mir so etwas von über! ‚Spazieren gehen‘ ging gar nicht. Trotz Trense, Longe und Gerte zog Firlefanz mich durch den Wald, dass es eine Schau war: für die Kinder und Spaziergänger – nicht für mich! Was hatte Stefan gesagt: ‚Der Bursche hat es faustdick hinter den Ohren. Du musst ihm zeigen, wer der Herr ist, sonst verar… er dich, wo er nur kann.‘ Und Stefan behielt Recht. Ich hatte mit Firlefanz definitiv ein Dominanz-Problem: Das heißt, Firlefanz hatte die Dominanz und ich das Problem!

Longieren machte auch keinen Spaß, denn inzwischen hatte Firlefanz raus, wie er, wenn er nur schnell genug reagierte, mich durch die komplette Halle ziehen konnte. Gelang ihm das nicht, blieb er einfach stehen und bewegte sich kein Stück mehr. Mir war zum Heulen! Meine ‚Unfähigkeit’ hatte sich inzwischen bei den andern Reitern herumgesprochen und ich wurde von guten ‚Ratschlägen‘ schier erschlagen. Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte den Stall nie wieder betreten!

Immer wieder kam ich an den Beritt-Tagen in den Stall und überzeugte mich davon, dass Firlefanz unter Horst brav war, wie ein Lämmchen. Es lag also definitiv an mir!

Horst ritt meist spät am Abend, wenn Ruhe in den Stall eingekehrt war. Am Ende der ersten Woche bat er mich, nach seinem Ritt zu ihm in die Halle zu kommen.

„Weißt du, Mareike. Irgendetwas läuft völlig schief mit euch beiden. Es tut mir leid, dass ich in dieser Woche keine Zeit für dich hatte, aber jetzt wollen wir der Sache doch mal auf den Grund gehen. Firlefanz hat sich schon unter mir ausgetobt und jetzt möchte ich einfach nur sehen, wie du ihn durch die Halle führst.“ Horst drückte mir die Zügel in die Hand und trat von dem Pferd weg.

Unschlüssig schaute ich auf das kleine Pferd. Dann drehte ich mich um und stiefelte los, Firlefanz hinter mir herziehend. Der kleine Fuchs stampfte zwei Schritte mit, dann blieb er stehen und stemmte sich gegen mich. Unsicher ruckte ich an den Zügeln, so wie Stefan es mir gezeigt hatte und schrie Firlefanz an: „Komm jetzt mit!“

Firlefanz war ja nicht blöd. Er merkte meine Unsicherheit und der Ruck mit den Zügeln tat ihm im Maul weh. Ein kurzer sichernder Blick Richtung Horst und Firlefanz setzte sich kurz auf die Hinterhand und stieg. Erschrocken ließ ich die Zügel los, was Firlefanz mit einem erfreuten Buckeln und Quer-durch-die-Halle-rennen quittierte. Entsetzt schaute ich auf die auf dem Boden schleifenden Zügeln. Wenn Firlefanz sich nur nicht verletzte! Mir traten die Tränen in die Augen.

Horsts Blick wanderte zwischen Firlefanz und mir hin und her. Erst als Firlefanz augenscheinlich nach der besten Stelle zum Wälzen suchte, schritt er ein. „Wag es nicht, du Lauser!“ Firlefanz stoppte in seiner Wanderung und schaute unsicher zu Horst hinüber. Der streckte seine Hand aus. „Komm her, kleiner Kerl, dann ziehen wir dich aus und du darfst dich wälzen!

Firlefanz zögerte nur kurz, dann schritt er langsam auf Horst zu und ließ sich von ihm am Zügel nehmen. Horst brachte Firlefanz zu mir.

„Tja, Mareike. Da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns. Jetzt sattel den Kerl mal ab, und während er sich wälzt, machen wir einen Plan, wie es weiter geht.“

Und es ging weiter! Horst erkannte schnell, dass das größte Problem zwischen Firlefanz und mir, meine gespielte Strenge war. Das Pferd spürte den krassen Gegensatz zwischen meiner Haltung und meinen Taten. Die passten einfach nicht zusammen. Einem so widersprüchlichen Menschen konnte ein Pferd einfach nicht vertrauen und deshalb tat Firlefanz das, was er für das Beste hielt: Er ignorierte mich!

Horst lehrte mich, mich wieder auf mein Bauchgefühl zu verlassen – so wie ich es auch bei Topgun getan hatte. Und siehe – es wirkte! Die zweite Woche arbeitete ich jeden Abend, wenn der Stall sich geleert hatte, unter Horsts Anweisung. In der dritten Woche versuchte ich es jeden zweiten Tag allein mit Firlefanz. Ich begann, unser Programm zu variieren. Zum einfachen ‚an der Longe im Kreis herumlaufen‘ gesellte sich Bodenarbeit mit Stangen, Planen und Kegeln. Auch an der Longe verlangte ich Firlefanz mehr Aufmerksamkeit ab: Er lernte, auf meine Körpersignale zu achten und schnellstmöglich darauf zu reagieren. Und ich lernte, meine Körpersignale so einzusetzen, dass Firlefanz sie verstand! Je mehr Abwechselung ich dem Pferd bot und je aufmerksamer es dabei sein musste, desto weniger Unfug ließ es sich einfallen. Wir hatten eine Menge Spaß miteinander!

In der vierten Woche überredete Horst mich, in den Sattel zu steigen.

Stefan freute sich aus der Ferne an unseren Fortschritten. Sein Aufenthalt in China verlängerte sich um noch einmal mindestens zwei Wochen und so war er froh, dass ich mich mit Firlefanz zusammengerauft hatte.

Er gab mir eine Menge Tipps, wie sein Pferd am einfachsten zu reiten wäre und während er mir freudig von seinem bevorstehenden ‚Visumsflug‘ nach Hongkong vorschwärmte, schweiften meine Gedanken immer wieder zu dem kleinen munteren Fuchs.

Mein erster Ritt auf Firlefanz wurde zu genauso einem Desaster, wie das erste Longieren. Fest hatten sich in meinem Kopf die Ratschläge meines Freundes eingegraben: Sei streng, lass ihm nichts durchgehen, reite mit viel Körperspannung. - Bei mir funktionierte nichts davon!

Kaum setzte ich einen dieser Ratschläge um, schon landete ich im Dreck!

„Sag mal, Mareike“, Horst schaute mit hochgezogenen Augenbraunen auf mich hinunter. Firlefanz hatte sich mal wieder mit einem gekonnten Stolperschritt mit anschließendem Buckler meiner entledigt. „Übst du heute nur das Aufsteigen und Herunterfallen oder willst du auch noch Reitunterricht?“

Ich schluckte meine Nervosität hinunter und rieb meine schmerzende Kehrseite. „Was soll ich denn machen? Kaum will ich etwas von Firlefanz, schon wirft er mich ab!“ Missmutig schaute ich auf den aufmüpfigen Fuchs.

„Was du machen sollst? Herrgott Sakrament, zuhören sollst du!“ Horst wirkte richtig sauer. „Reiten ist Teamsport. Das bedeutet, ihr zwei müsst zu einem Team werden. In einem Team arbeitet man zusammen, aber du gibst Firlefanz ja gar keine Chance! Kaum nimmst du die Zügel auf, versuchst du schon, ihm deinen Willen aufzuzwingen. So etwas kann Stefan machen. Der hat auch die Kraft, seinen Willen durchzusetzen. Aber du bist nicht Stefan – und du kannst mir auch nicht erzählen, dass du früher deinen Topgun so geritten bist.

Bitte Firlefanz um seine Mitarbeit, sag ihm mit deinem Körper, mit allen ‚Hilfen‘, was du von ihm willst und er wird versuchen, dir zu gefallen. Firlefanz ist so ein Pferd. Er will es ja richtig machen, er verträgt nur keinen Zwang.“

Horsts Ansage brachte mich zum Grübeln. Topgun, ja, ihn hatte ich zu nichts zwingen müssen. Ihm hatte ich nur angedeutet, was ich wollte, und er hatte es getan. Firlefanz war ganz anders. Er reagierte viel schneller und sensibler als Topgun. Kaum kam eine Hilfe nicht richtig, schon lag ich im Dreck. Topgun hätte so etwas nie getan, er hätte versucht herauszufinden, was ich von ihm wollte.

Horst hatte in der Zwischenzeit Firlefanz eingefangen und hielt mir den Steigbügel gegen. Resignierend schwang ich mich wieder in den Sattel.

Horst hielt mich fest. „Bevor du jetzt los reitest, schließ deine Augen und hör auf meine Stimme. Verlass dich auf Firlefanz. Es kann ja nichts passieren. Wir sind in der Halle und hier kann er nicht weglaufen!“

Ergeben schloss ich die Augen und ließ Firlefanz antreten. Deutlich spürte ich die Anspannung des Pferdes und mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass nicht nur ich unsicher war. Auch Firlefanz wusste nicht, was auf ihn zukam. Langsam drang Horsts Stimme zu mir durch. „Du sollst über seinen Hals streichen, hab ich gesagt. Ja, so ist es richtig. Fühl das Pferd: mit den Händen, mit den Beinen – mit deinem ganzen Körper. Lass dich einfach tragen und vertrau ihm.“

Mit jedem Schritt fühlte ich mehr, wie die Anspannung von Firlefanz und mir abfiel. Gut, wir wurden nicht an diesem ersten Tag zu einem Team, aber im Laufe der Wochen rauften wir uns mehr und mehr zusammen.

Firlefanz würde nie ein Topgun werden – und das war gut so. Mit Firlefanz war jeder Ritt ein kleines Abenteuer. Der kleine Fuchs hatte es faustdick hinter den Ohren und war immer für eine Überraschung gut. Aber wenn man ihn zu nehmen wusste, dann konnte man auch mit ihm ‚tanzen‘!

 

Stefan war damals insgesamt über ein Vierteljahr in China. Die Heimreise, die ihm zwischendrin zugestanden hätte, nutzte er, um mich zu sich zu holen. So verbrachen wir eine Woche zusammen in diesem für mich sehr fremden Land. Stefan gefiel das Land, das Leben, die Menschen – mich zog es zurück zu seinem Pferd!

Eine Woche bevor Stefan zurückkam, machte es dann ‚Klick‘ bei Firlefanz und mir. Ich weiß bis heute nicht, was der Auslöser war. Ich stieg auf und irgendetwas war anders. Firlefanz konnte meine Gedanken lesen!

War die Dressur mit Topgun schon ein Genuss, ein ‚Tanz mit dem Pferd‘, so wurde sie mit Firlefanz zur Kür. Dieses Pferd versuchte, sich selbst zu übertreffen. Manchmal so übereifrig, dass es schon komisch anmutete.

Am Montag schien mir das Ganze ein Zufall zu sein. So etwas wie: Pferd und Reiter haben gleichzeitig ihren guten Tag oder so. Am Dienstag wiederholte es sich aber wieder: Reiten, das einfach nur Spaß machte!

Am Mittwoch zur Springstunde trat ich wie immer mit gemischten Gefühlen an. Firlefanz pflegt mit mir in einem Wahnsinnstempo über die Stangen zu fegen. Ich bestimmte die Richtung, er die Geschwindigkeit. Doch dieser Mittwoch war anders: Kaum spürte ich Firlefanz Bewegung unter mir, wusste ich es: Firlefanz reagierte auf jedes meiner Körpersignale. Zügel, pah, wofür braucht man die! Am leicht durchhängenden Zügel ging es durch den Parcours. Ich ignorierte Horsts Anweisungen, denn ich fühlte, das Einzige was Firlefanz jetzt brauchte, waren die Signale von meinem Körper. Es war gigantisch. Noch nie war Firlefanz so gesetzt und kontrolliert gesprungen. Nach dem letzten Sprung strahlte ich über das ganze Gesicht. Horst einziger Kommentar war: „Zusammengerauft!“

Ja, Firlefanz und ich hatten uns gefunden. Elf lange Wochen hatte es gedauert, aber jetzt war der kleine Fuchs bereit, alles für mich zu tun.

Und dann kam Stefan zurück …

Ich holte ihn früh morgens vom Flughafen ab und freute mich riesig, nicht mehr allein zu sein. Nach einer ausgiebigen Begrüßung und einem Schläfchen bis in den Nachmittag hinein ging es zum Stall. Firlefanz begrüßte mich mit lautem fordernden Wiehern, kaum dass er meine Stimme hörte. Damit hatte er schon vier Wochen nach unserem ersten Kennenlernen begonnen und ich freute mich über diese Art des Willkommens. Wenn sie wohl auch eher der mitgebrachten Möhre als mir galt. Stefans Stirnrunzeln entging mir. Auch das Herumschmusen zur Begrüßung war nicht in Stefans Sinn. ‚Ich würde sein Pferd ja total verhätscheln‘ war sein Kommentar. Ausgelassen hat er seinen Unmut dann an Firlefanz. Er sattelte ihn gröber als nötig und ich stand untätig daneben. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, dass Firlefanz mich Hilfe suchend anschaute.

Das Reiten wurde zum Desaster. Stefan versuchte Firlefanz zum Gehorsam zu zwingen und Firlefanz lehnte sich dagegen auf. Stefan war stocksauer!

Jetzt war nicht mehr die Rede davon, dass ich ihm sein Pferd ab und an mal abnehmen solle. Nein, im Gegenteil, er verbot mir kategorisch, je wieder auf Firlefanz zu steigen. Longieren, Bodenarbeit, ok – aber nie wieder reiten. Ich hätte sein Pferd schließlich total ‚verkorkst‘.

Unsere Freundschaft bekam einen mächtigen Knacks! Es tat mir in der Seele weh, die beiden kämpfen zu sehen. Wusste ich doch inzwischen, wie viel der kleine Wallach zu ‚verschenken‘ hatte.

Auch Horst schaute dem Treiben zwischen Firlefanz und Stefan mit gemischten Gefühlen zu. Firlefanz war schließlich Stefans Pferd und er hatte die Aufgabe, die beiden zusammen auszubilden. Aber Stefan war nicht bereit, auf Horst zu hören.

Zum Eklat kam es dann während einer Springstunde. Mit Firlefanz war meine Freude am Reiten zurückgekehrt. Wenn nicht Firlefanz, so wollte ich doch wenigsten auf einem anderen Pferd weiter reiten. Horst überließ mir eines seiner Sportpferde. Etwas, was Stefan noch mehr verärgerte. Ritt ich in seinen Augen doch so schlecht, dass man mir nie und nimmer ein wertvolles Turnierpferd anvertrauen durfte!

Titus, ein Springpferd, wie es im Buche steht, hatte starke Ähnlichkeit mit Topgun. Stangen in der Reitbahn hießen: Springen. Der Reiter gab Richtung und Geschwindigkeit vor und bestimmte im besten Fall auch noch den Absprung. Diskussionen gab es keine. Wenn ich alles richtig machte, war eine Runde ohne Abwürfe garantiert. Während ich also in aller Ruhe mit Titus Hindernis um Hindernis hinter mir ließ, kämpfte Firlefanz mit Stefan um die Vorherrschaft – und diesmal gewann Firlefanz! Kaum hatte ich den letzten Sprung überwunden, fetzte der kleine Fuchs los! Stefan war machtlos. Aber anstatt zu versuchen, den kleinen Kerl in einer Ecke auszubremsen, ließ Stefan zu, dass sie über die Sprünge gingen. Die ersten zwei gingen noch gut, aber am Dritten waren sie viel zu schnell. Firlefanz rutschten in der Kurve die Hufe weg und so schlitterten sie in das Hindernis. Firlefanz Versuch, in letzter Sekunde noch abzuspringen, machte die Sache noch schlimmer. Unter unserem vielstimmigen Aufschrei ging das Hindernis zu Bruch und wir alle atmeten auf, als Stefan und Firlefanz wieder auf die Beine kamen. Stefan fluchte lauthals und ‚Schei..gaul‘ war einer der harmlosesten Ausdrücke. Firlefanz flüchtete in die weit entfernteste Ecke der Halle.

Inzwischen hatte Stefan mich als Ursache allen Übels ausgemacht und fiel lauthals über mich her. ‚Sein Pferd hätte ich auf dem Gewissen, unreitbar sei der Gaul jetzt‘ und, und, und … Ich weiß nur noch, dass ich sehr froh war, auf Titus hoch über Stefan zu sitzen. In diesem Moment hätte ich ihm nicht gegenüberstehen wollen. Nicht so Horst. Der war stinksauer und ging seinerseits auf Stefan los.

Ich weiß nicht mehr, was die beiden sich alles geheißen haben. Aber als sich zum Schluss die Stimmung etwas beruhigte, saß ich auf Firlefanz und Stefan auf Titus.

Firlefanz hatte sich bei dem Sturz nicht verletzt. Fast hatte ich das Gefühl, der Kleine atmete auf, als ich in seinen Sattel stieg. Vorsichtig ritt ich ihn in alle drei Gangarten - und es machte wieder ‚Klick‘. Wieder dieses herrliche Gefühl, dass man ‚eins‘ wird. Ich glaube, ich lächelte wie ein Honigkuchenpferd, als Firlefanz mit mir über die Sprünge ging. Es war ein traumhaftes Gefühl!

Als ich nach dem letzten Sprung strahlend in Stefans Richtung blickte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Stefan freute sich nicht mit mir, nein, er hasste mich!

Stefan hat mir die Freundschaft zu seinem Pferd nie verziehen. Wir trennten uns noch an diesem Abend. Stefan verließ mit Firlefanz den Stall. Aber Horst hatte genügend Bekannte. Über ihn erfuhr ich, dass Stefan Firlefanz bei einem Händler gegen ein anderes Pferd getauscht hatte – und mit der Unterstützung meiner Eltern konnte ich Firlefanz kaufen.

Seitdem sind wir unzertrennlich!

***

Mareike atmet tief durch und nimmt einen großen Schluck aus ihrem Wasserglas. „So, jetzt wisst ihr, wie ich zu meinem kleinen Lauser gekommen bin. Von Stefan habe ich übrigens nichts mehr gehört.“ Mareike blickt nachdenklich in die Ferne. „Schon merkwürdig, wie Menschen sich auseinander leben können.“ Sie schüttelt den Kopf und wechselt das Thema. „Jetzt ist aber einer von euch dran: Was ist mit dir Petra, was ist Calimeros Geschichte?“

„Was mit meinem kleinen Braunen ist, willst du wissen? Mal überlegen, was ich euch da erzählen kann. Aber halt, wieso ich – lassen wir doch Calimero selbst berichten! Und bevor sich jemand von euch aufregt“, Petras Blick fällt betont auf Martina, die Turnierreiterin des Stalles, „dies ist die Geschichte, so wie ich denke, dass Calimero sie erlebt hat. Hier darf jeder anderer Ansicht sein – nur lasst mir auch die meine!“

Calimero

Unten auf der Koppel hebt Calimero seinen Kopf und lässt kauend den Blick über seine Herdenfreunde gleiten. Direkt in seiner Nähe grast Peter. Etwas weiter entfernt teilen sich Ilias und Don Rubico eine besonders saftige Stelle. Firlefanz entledigt sich durch heftiges Wälzen den Resten seines Winterfells. Die anderen grasen weiter entfernt.

Die Sonne spiegelt sich in Calimeros glattem Fell. Er ist seine Winterwolle dieses Jahr schnell los geworden. Seine großen wachen Augen blicken frech unter dem schwarzen Schopf hervor. Sein Blick fällt auf den nahe gelegenen Springplatz. Calimero verharrt in seiner Bewegung, sein Blick bekommt etwas Sehnsüchtiges.

„Springen!“ Calimero schluckt und starrt auf die bunten Stangen. „Endlich wieder über Stangen fliegen! Wieso lässt mein Frauchen mich nicht, sie muss doch wissen, wie gern ich es tue!“

„Menschen, als ob die immer wissen, was wir mögen!“, mischt sich Gipsy von der benachbarten Koppel ein. „Obwohl, was ich bisher so gesehen habe, scheinst du es mit deinem Menschen gar nicht so schlecht getroffen zu haben.“

„Ja, meine Menschin, Petra nennen die anderen sie, ist schon ganz ok. Und mein Mensch, dieser Philipp, der ist ganz toll. Mit dem darf ich springen!“ Calimeros Augen leuchten und er schnaubt begeistert.

„Nu halt mal den Ball flach.“ Peters Stimme klingt etwas nuschelnd. Ein riesiger Löwenzahn hängt dem alten Rappen aus dem Maul und er kaut genüsslich darauf herum. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du vor drei Wochen kaum den Kopf hochbekommen. Hast richtig jämmerlich ausgesehen. Schon vergessen?“

„Wie soll ich das vergessen?“ Missmutig rupft Calimero ein Büschel Gras aus. „Ist mir ja schon das zweite Mal passiert! Und was macht meine Menschin! Ruft den Tierarzt, der eine dicke Nadel in mich hineinsticht! Tat sauweh!“ Calimero prustet empört. „Und dann geben sie mir noch etwas, damit ich mich nicht mehr wehren kann. Richtig müde macht das Zeug.“

„Und wie du danach geduftet hast!“ Peter kaut genießerisch auf dem Büschel. „Gestunken hast du, drei Meilen gegen den Wind. Aber es hat dir geholfen!“

„Und kaum kann er sich wieder etwas bewegen, schon denkt er ans Springen!“ Ilias schüttelt verständnislos den Kopf. „Sei doch froh, dass dein Mensch dich schont. Macht auch nicht jeder.“

„Wie bist du überhaupt an so eine nette Menschin gekommen?“ Gipsy nähert sich dem Koppelzaun und streckt die Nase zu den Wallachen hinüber. „Du hast es in deinem Leben echt gut getroffen.“

„Ja, da hast du Recht. Wenngleich, am Anfang war es schon etwas holperig.“ Calimeros Blick gleitet in die Ferne.

***

An meine Kindheit kann ich mich nur noch dunkel erinnern. Geboren bin ich in Rottweil, wo ich auch die ersten Monate meines Lebens verbracht habe. Wir hatten zwar nur ein kleines Einzimmerappartment, dafür aber einen riesigen Garten.

Meine Mama war eine echt tolle. Hat mir gezeigt, wo es die süßesten Gräser gibt. Bei ihr konnte ich mich nach dem Toben immer ausruhen – und einige Freunde in meinem Alter hatte ich auch dort.

Meine Mama und mein Papa lebten zu der Zeit schon getrennt. Alles, was ein kleines Pferd wissen muss, habe ich von meiner Mama gelernt.

Sie hat mir auch beigebracht, keine Angst vor diesen komischen Wesen zu haben, die auf zwei Beinen herumlaufen, komisch riechen und jeden Tag ein anderes Fell haben.

"Das sind Menschen", sagte sie zu mir. "Wir halten sie als unser Personal, und zu unserer Unterhaltung. Sie sorgen dafür, dass wir regelmäßig unser Essen bekommen, sie kümmern sich um unseren Garten und sorgen für unsere Unterhaltung, damit uns nicht langweilig wird.

Ach ja, und der komische Geruch, der nennt sich Seife."

Meinen Papa habe ich leider nie kennen gelernt.

Mama hat aber erzählt, dass er ein berühmtes Springpferd ist. Springpferd? Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, was das war. Aber es klang so aufregend! Das wollte ich auch werden. Vielleicht würde ich dann meinen Papa treffen!!!

Eines Tages kam eines dieser Menschen-Wesen und brachte mich zu einer komischen kleinen Box auf Rädern. Meine Mama hatte mir gesagt, ich könne diesen Menschen vertrauen, aber ab und an kommen mir Zweifel! An dem Tag, an dem ich vertrauensvoll hinter dem Menschen in die kleine Box stieg, sah ich meine Mutter zum letzten Mal!

Ich kam in ein neues Zuhause. Dort wohnten bereits zwei Artgenossen. Sie waren klein, weiß und rund.

"Ah, du bist bestimmt unser neuer Kollege", begrüßte mich der Erste freundlich.

"Wie heißt du", fragte der andere.

"Was meinst du?" entgegnete ich.

 

"Na, dein Name. Du musst doch einen Namen haben."

„Was ist ein Name?“

"Das ist etwas, was Menschen einem geben. Das Wort, das sie am häufigsten zu dir sagen, ist dein Name. Mein Kollege hier heißt 'Lassdas' und ich bin 'Fresssack'."

"Oh, nein, einen Namen habe ich nicht."

"Naja, wird schon noch kommen. Wir zeigen dir erstmal dein neues Zuhause."

Meine neue Heimat war auf dem ersten Blick gar nicht so schlecht. Es gab eine große Weide, Berge von Heu und jede Menge interessantes Spielzeug.

Doch oh Schreck: Wo war meine Wohnung????

Ich schaute mich um, aber alles, was ich entdecken konnte, war eine Art Unterstand, an dem die vordere Wand fehlte.

DAS sollte mein neues Zuhause sein?

Wohin sollte ich bei schlechtem Wetter? Was, wenn es gar anfing zu regnen?

Trotzdem hatte ich eine schöne Zeit. Lassdas und Fresssack waren immer sehr freundlich zu mir.

Naja, fast immer. Bei Regen hatten wir regelmäßig Streit. Die beiden wollten einfach nicht verstehen, dass jemand mit meinem dünnen Fell unbedingt den Unterstand braucht. Da war dann nun mal kein Platz mehr für die beiden.

Aber eines fehlte: Ich hätte so gerne einen eigenen Menschen gehabt. Einen Menschen, der mir einen Namen gab! Vielleicht sogar einen Menschen, der aus mir ein Springpferd machte. Wobei ich leider immer noch nicht wusste, was das war. Auch Lassdas und Fresssack konnten mir da nicht weiterhelfen.

Sie hatten beide einen eignen Menschen. Lassdas hatte ein Männchen und Fresssack ein Weibchen. Wenn die beiden mit ihren Menschen loszogen, blieb ich fast immer allein zurück oder trottete als 5. Rad am Wagen hinter der kleinen Gruppe her. Mit der Zeit zog ich es dann vor, zuhause zu bleiben und mich mit Bastel- und Renovierungsarbeiten am Stall zu beschäftigen.

So vergingen einige Sommer und Winter. Aber dann, eines Tages, stand wieder so eine Box auf Rädern an der Weide. Lassdas Männchen zog mir ein Halfter an und brachte mich zu dieser Box. Erwartungsvoll stieg ich ein. Bestimmt durfte ich zurück zu meiner Mutter und bekam meinen eigenen Menschen!

***

Calimero atmet tief durch und schnaubt. „Pferd, war ich damals naiv!“

***

In meiner nächsten Heimat wartete eine kleine eigene Wohnung auf mich. Ganz nett eigentlich, aber die Kollegen dort waren etwas komisch.

"Howdy", begrüßte mich ein bunt geschecktes Pferd. "Du bist also der neue Azubi?"

Howdy? Azubi? Ich verstand rein gar nichts! Geduldig erklärte mir mein Wohnungsnachbar die Gepflogenheiten der Menschen auf diesem Hof. ‚Western reiten‘ nannten die Menschen das, was sie hier taten. Reiten, ok, das sagte mir schon etwas. Dazu kletterten die Menschen auf unsere Rücken und ließen sich herumtragen. Aber was war mit ‚Western‘ gemeint?

Ich sollte es bald kennen lernen. Zuerst ließ ein Mensch mich in einer runden Box frei. Mir gefiel es da ganz gut. Der Boden war weich, nur zu fressen gab es nichts. Dann begann dieser Mensch, mich mit einem Strick zu jagen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Immer wieder scheuchte der Mensch mich im Kreis herum – wie langweilig! Sobald er aufhörte und sich von mir wegdrehte, trabte ich auf ihn zu. Vielleicht hatte der Mensch ja etwas zu fressen?

Der Mensch war darüber schier aus dem Häuschen und geizte nicht mit kleinen Leckereien. Ich würde prima auf das ‚Join-up‘ reagieren, erzählte er später allen, die es hören oder auch nicht hören wollten.

Mir war das egal. Das Spiel war langweilig, aber es gab etwas zu fressen. Von daher – von mir aus!

Nach ein paar Tagen kam dieser Menschen-Mann mit einem riesigen, unförmigen Leder-Dings an. An jeder Seite baumelten zwei Lederriemen mit komischen Schlaufen am Ende. Unter dem Leder-Dings war noch ein buntes Etwas aus Stoff befestigt.

Die wollten dieses Dings doch nicht etwa auf meinen Rücken ...? Doch, wollten sie.

Das Ding, Sattel nannte es der Menschen-Mann, war schwer und drückte unangenehm. Ich wollte ausweichen, aber der Menschen-Mann wies mich grob zurecht. Das gefiel mir gar nicht. Dann ging es wieder in diese kreisrunde Riesenbox. Die Menschen nannten sie ‚Roundpen‘.

Jetzt wurde ich mit diesem unförmigen Teil im Kreis gejagt. Die hintere Kante drückte auf meine empfindlichen Nieren. Es tat weh, es war unangenehm und ich bockte, was das Zeug hielt. Aber der Sattel blieb. Völlig erschöpft stand ich mit gespreizten Beinen in der Bahn. Ich hatte keine Kraft mehr, das Spiel wie gewohnt zu beenden und zu dem Menschen in die Mitte zu gehen. Daher gab es diesmal auch nur einen ganz kleinen Leckerbissen.

In der Nacht schlief ich schlecht. Mir taten alle Knochen weh und ich verstand meinen Wohnungsnachbar nicht, der so begeistert von der Arbeit mit den Menschen und den Rindern erzählte.

In den nächsten Tagen wiederholte sich das miese Spiel. Zuerst das Ungetüm von Sattel, dann das Herumscheuchen im Roundpen. Das Leben machte nicht mehr wirklich Spaß! Sehnsüchtig dachte ich an meine Kumpel Lassdas und Fresssack. Die hatten nette Menschen. So einen musste es doch auch für mich geben!

Dann kam der Tag, an dem mir mein Menschen-Mann eine Eisenstange in das Maul schob. Das Teil war groß und drückte mindestens genauso wie der Sattel. Jede Bewegung dieser Stange im Maul war unangenehm. Ich hasste es!

Mit dem Sattel auf dem Rücken und der Stange im Maul musste ich meinen Menschen-Mann folgen. Er setzte sich auf ein anderes Pferd und zog mich hinter sich her.

Das Pferd war schon älter und nicht sehr gesprächig. Es schimpfte nur immer, wenn ich nicht schnell genug hinterher kam. Es gab doch so viel zu sehen! Aber fürs Umherschauen blieb keine Zeit. Sofort gab es einen hässlichen Ruck im Maul.

Unser Ziel war eine Weide mit bunt gescheckten Tieren. Ich hatte solche Tiere noch nie gesehen und erstarrte – worauf leider wieder ein schmerzhafter Ruck im Maul folgte. Das ältere Pferd verstand meine Aufregung gar nicht. ‚Rinder‘ wären das und unsere Aufgabe wäre es, sie zusammenzutreiben.

Ich verstand kein Wort. Aber ich sollte noch sehen, was damit gemeint war. Der Mensch stieg ab und band mich mit den Zügeln an dem Weidezaun fest. Dann stieg er wieder auf sein Pferd und ritt zu diesen merkwürdigen Tieren.

Ich schaute mit großen Augen zu und bewunderte das andere Pferd. Wie es da so ohne Furcht durch die Herde dieser merkwürdigen Tiere schritt! Ich zitterte am ganzen Körper. Mir machten diese Tiere Angst.

Der Mensch galoppierte mit dem Pferd quer durch die Herde, sonderte mal ein Tier ab, dann trieb er sie wieder zusammen. Ich verstand den Sinn des Ganzen nicht, aber der Mensch schrie immer wieder begeistert. Ihm schien es Spaß zu machen!

Und dann passierte das Ungeheuerliche! Die ganze Tiermasse bewegte sich plötzlich auf mich zu!!!

Ich tat das einzig Sinnvolle. Mit einem riesigen Ruck riss ich mich vom Zaun los und ergriff die Flucht nachhause. Dass dabei das Teil mit der Eisenstange am Zaun zurückblieb, war mir nur recht.

Der Mensch war über meine Flucht nicht so glücklich. Er lobte mich gar nicht, als er mich brav wartend vor meiner Wohnung fand. Er murmelte etwas von ‚Mistvieh‘ und das klang nicht sehr nett. Ich hoffte nur, dass dies nicht mein Name sein sollte!

Am nächsten Tag schmerzte mein Genick. Beim Losreißen vom Zaun musste ich mich dort verletzt haben. Leider bemerkte es mein Mensch nicht. Er brachte eine neue Stange für mein Maul und wieder den Sattel.

Hörte das denn nie auf?

Diesmal hatte er sich etwas Neues ausgedacht. Er führte mich in den Roundpen und scheuchte mich wieder im Kreis. Dieses Spiel wurde durch dauernde Wiederholungen auch nicht eben interessanter, aber wenn der Mensch unbedingt wollte, spielte ich halt mit. Vielleicht kam ich auf diesem Weg auch irgendwann zu einem eigenen (freundlichen) Menschen.

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