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Nathan der Weise: Ein Dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen

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Achter Auftritt

Die Szene: unter den Palmen, in der Nähe des Klosters, wo der



Tempelherr Nathans wartet.





Tempelherr (geht, mit sich selbst kämpfend, auf und ab; bis er

losbricht).

—Hier hält das Opfertier ermüdet still.—

Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen,

Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,

Was vorgehn wird.—Genug, ich bin umsonst

Geflohn! umsonst.—Und weiter konnt' ich doch

Auch nichts, als fliehn!—Nun komm', was kommen soll!—

Ihm auszubeugen, war der Streich zu schnell

Gefallen; unter den zu kommen, ich

So lang und viel mich weigerte.—Sie sehn,

Die ich zu sehn so wenig lüstern war,

Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus

Den Augen nie zu lassen.—Was Entschluß?

Entschluß ist Vorsatz, Tat: und ich, ich litt',

Ich litte bloß.—Sie sehn, und das Gefühl

An sie verstrickt, in sie verwebt zu sein,

War eins.—Bleibt eins.—Von ihr getrennt

Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär'

Mein Tod,—und wo wir immer nach dem Tode

Noch sind, auch da mein Tod.—Ist das nun Liebe:

So—liebt der Tempelritter freilich,—liebt

Der Christ das Judenmädchen freilich.—Hm!

Was tut's?—Ich hab in dem gelobten Lande,—

Und drum auch mir gelobt auf immerdar!—

Der Vorurteile mehr schon abgelegt.—

Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr

Bin tot; war von dem Augenblick ihm tot,

Der mich zu Saladins Gefangnen machte.

Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär'

Mein alter?—Ist ein neuer; der von allem

Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward,

Was jenen band.—Und ist ein beßrer; für

Den väterlichen Himmel mehr gemacht.

Das spür ich ja. Denn erst mit ihm beginn

Ich so zu denken, wie mein Vater hier

Gedacht muß haben; wenn man Märchen nicht

Von ihm mir vorgelegen.—Märchen?—doch

Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie,

Als itzt geschienen, da ich nur Gefahr

Zu straucheln laufe, wo er fiel.—Er fiel?

Ich will mit Männern lieber fallen, als

Mit Kindern stehn.—Sein Beispiel bürget mir

Für seinen Beifall. Und an wessen Beifall

Liegt mir denn sonst?—An Nathans?—O an dessen

Ermuntrung mehr, als Beifall, kann es mir

Noch weniger gebrechen.—Welch ein Jude!—

Und der so ganz nur Jude scheinen will!

Da kömmt er; kömmt mit Hast; glüht heitre Freude.

Wer kam vom Saladin je anders?—He!

He, Nathan!



Neunter Auftritt

Nathan und der Tempelherr.





Nathan. Wie? seid Ihr's?





Tempelherr. Ihr habt

Sehr lang' Euch bei dem Sultan aufgehalten.





Nathan.

So lange nun wohl nicht. Ich ward im Hingehn

Zu viel verweilt.—Ah, wahrlich, Curd; der Mann

Steht seinen Ruhm. Sein Ruhm ist bloß sein Schatten.

Doch laßt vor allen Dingen Euch geschwind

Nur sagen…





Tempelherr. Was?





Nathan. Er will Euch sprechen; will,

Daß ungesäumt Ihr zu ihm kommt. Begleitet

Mich nur nach Hause, wo ich noch für ihn

Erst etwas anders zu verfügen habe:

Und dann, so gehn wir!





Tempelherr. Nathan, Euer Haus

Betret ich wieder eher nicht…





Nathan. So seid

Ihr doch indes schon da gewesen? habt

Indes sie doch gesprochen?—Nun?—Sagt: wie

Gefällt Euch Recha?





Tempelherr. Über allen Ausdruck!

Allein,—sie wiedersehn—das werd ich nie!

Nie! nie!—Ihr müßtet mir zur Stelle denn

Versprechen:—daß ich sie auf immer, immer—

Soll können sehn.





Nathan. Wie wollt Ihr, daß ich das

Versteh?





Tempelherr (nach einer kurzen Pause ihm plötzlich um den Hals fallend).

Mein Vater!





Nathan.—Junger Mann!





Tempelherr (ihn ebenso plötzlich wieder lassend).

Nicht Sohn?—

Ich bitt Euch, Nathan!—





Nathan. Lieber junger Mann!





Tempelherr.

Nicht Sohn?—Ich bitt Euch, Nathan!—Ich beschwör

Euch bei den ersten Banden der Natur!—

Zieht ihnen spätre Fesseln doch nicht vor!—

Begnügt Euch doch ein Mensch zu sein!—Stoßt mich

Nicht von Euch!





Nathan. Lieber, lieber Freund!…





Tempelherr. Und Sohn?

Sohn nicht?—Auch dann nicht, dann nicht einmal, wenn

Erkenntlichkeit zum Herzen Eurer Tochter

Der Liebe schon den Weg gebahnet hätte?

Auch dann nicht einmal, wenn in eins zu schmelzen,

Auf Euern Wink nur beide warteten?—

Ihr schweigt?





Nathan. Ihr überrascht mich, junger Ritter.





Tempelherr.

Ich überrasch Euch?—überrasch Euch, Nathan,

Mit Euern eigenen Gedanken?—Ihr

Verkennt sie doch in meinem Munde nicht?—

Ich überrasch Euch?





Nathan. Eh' ich einmal weiß,

Was für ein Stauffen Euer Vater denn

Gewesen ist!





Tempelherr. Was sagt Ihr, Nathan? was?

In diesem Augenblicke fühlt Ihr nichts

Als Neubegier?





Nathan. Denn seht! Ich habe selbst

Wohl einen Stauffen ehedem gekannt,

Der Conrad hieß.





Tempelherr. Nun,—wenn mein Vater denn

Nun ebenso geheißen hätte?





Nathan. Wahrlich?





Tempelherr.

Ich heiße selber ja nach meinem Vater: Curd

Ist Conrad.





Nathan. Nun—so war mein Conrad doch

Nicht Euer Vater. Denn mein Conrad war,

Was Ihr; war Tempelherr; war nie vermählt.





Tempelherr.

O darum!





Nathan. Wie?





Tempelherr. O darum könnt' er doch

Mein Vater wohl gewesen sein.





Nathan. Ihr scherzt.





Tempelherr.

Und Ihr nehmt's wahrlich zu genau!—Was wär's

Denn nun? So was von Bastard oder Bankert!

Der Schlag ist auch nicht zu verachten.—Doch

Entlaßt mich immer meiner Ahnenprobe.

Ich will Euch Eurer wiederum entlassen.

Nicht zwar, als ob ich den geringsten Zweifel

In Euern Stammbaum setzte. Gott behüte!

Ihr könnt ihn Blatt vor Blatt bis Abraham

Hinauf belegen. Und von da so weiter,

Weiß ich ihn selbst; will ich ihn selbst beschwören.





Nathan.

Ihr werdet bitter.—Doch verdien ich's?—Schlug

Ich denn Euch schon was ab?—Ich will Euch ja

Nur bei dem Worte nicht den Augenblick

So fassen.—Weiter nichts.





Tempelherr. Gewiß?—Nichts weiter?

O so vergebt!…





Nathan. Nun kommt nur, kommt!





Tempelherr. Wohin?

Nein!—Mit in Euer Haus?—Das nicht! das nicht!—

Da brennt's!—Ich will Euch hier erwarten. Geht!—

Soll ich sie wiedersehn: so seh ich sie

Noch oft genug. Wo nicht: so sah ich sie

Schon viel zu viel…





Nathan. Ich will mich möglichst eilen.



Zehnter Auftritt

Der Tempelherr und bald darauf Daja.





Tempelherr.

Schon mehr als g'nug!—Des Menschen Hirn faßt so

Unendlich viel; und ist doch manchmal auch

So plötzlich voll! von einer Kleinigkeit

So plötzlich voll!—Taugt nichts, taugt nichts; es sei

Auch voll wovon es will.—Doch nur Geduld!

Die Seele wirkt den auf gedunsnen Stoff

Bald ineinander, schafft sich Raum, und Licht

Und Ordnung kommen wieder.—Lieb ich denn

Zum ersten Male?—Oder war, was ich

Als Liebe kenne, Liebe nicht?—Ist Liebe

Nur was ich itzt empfinde?…





Daja (die sich von der Seite herbeigeschlichen).

Ritter! Ritter!





Tempelherr.

Wer ruft?—Ha, Daja, Ihr?





Daja. Ich habe mich

Bei ihm vorbeigeschlichen. Aber noch

Könnt' er uns sehn, wo Ihr da steht.—Drum kommt

Doch näher zu mir, hinter diesen Baum.





Tempelherr.

Was gibt's denn?—So geheimnisvoll?—Was ist's?





Daja.

Ja wohl betrifft es ein Geheimnis, was

Mich zu Euch bringt; und zwar ein doppeltes.

Das eine weiß nur ich; das andre wißt

Nur Ihr.—Wie wär' es, wenn wir tauschten?

Vertraut mir Euers: so vertrau ich Euch

Das meine.





Tempelherr. Mit Vergnügen.—Wenn ich nur

Erst weiß, was Ihr für meines achtet. Doch

Das wird aus Euerm wohl erhellen.—Fangt

Nur immer an.





Daja. Ei denkt doch!—Nein, Herr Ritter.

Erst Ihr; ich folge.—Denn versichert, mein

Geheimnis kann Euch gar nichts nutzen, wenn

Ich nicht zuvor das Eure habe.—Nur

Geschwind!—Denn frag ich's Euch erst ab: so habt

Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimnis dann

Bleibt mein Geheimnis; und das Eure seid

Ihr los.—Doch armer Ritter!—Daß Ihr Männer

Ein solch Geheimnis vor uns Weibern haben

Zu können, auch nur glaubt!





Tempelherr. Das wir zu haben

Oft selbst nicht wissen.





Daja. Kann wohl sein. Drum muß

Ich freilich erst, Euch selbst damit bekannt

Zu machen, schon die Freundschaft haben.—Sagt—

Was hieß denn das, daß Ihr so Knall und Fall

Euch aus dem Staube machtet? daß Ihr uns

So sitzenließet?—daß Ihr nun mit Nathan

Nicht wiederkommt?—Hat Recha denn so wenig

Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel?—

So viel! so viel!—Lehrt Ihr des armen Vogels,

Der an der Rute klebt, Geflattre mich

Doch kennen!—Kurz: gesteht es mir nur gleich,

Daß Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und

Ich sag Euch was…





Tempelherr. Zum Unsinn? Wahrlich; Ihr

Versteht Euch trefflich drauf.





Daja. Nun gebt mir nur

Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch

Erlassen.





Tempelherr. Weil er sich von selbst versteht?—

Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben!…





Daja.

Scheint freilich wenig Sinn zu haben.—Doch

Zuweilen ist des Sinns in einer Sache

Auch mehr, als wir vermuten; und es wäre

So unerhört doch nicht, daß uns der Heiland

Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge

Von selbst nicht leicht betreten würde.





Tempelherr. Das

So feierlich?—(Und setz ich statt des Heilands

Die Vorsicht: hat sie denn nicht recht?—) Ihr macht

Mich neubegieriger, als ich wohl sonst

Zu sein gewohnt bin.





Daja. Oh! das ist das Land

Der Wunder!





Tempelherr. (Nun!—des Wunderbaren. Kann

Es auch wohl anders sein? Die ganze Welt

Drängt sich ja hier zusammen.)—Liebe Daja,

Nehmt für gestanden an, was Ihr verlangt:

Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife,

Wie ohne sie ich leben werde; daß…





Daja.

Gewiß? gewiß?—So schwört mir, Ritter, sie

Zur Eurigen zu machen; sie zu retten:

Sie zeitlich hier, sie ewig dort zu retten.





Tempelherr.

Und wie?—Wie kann ich?—Kann ich schwören, was

In meiner Macht nicht steht?





Daja. In Eurer Macht

Steht es. Ich bring es durch ein einzig Wort

In Eure Macht.





Tempelherr. Daß selbst der Vater nichts

Dawider hätte?





Daja. Ei, was Vater! Vater!

Der Vater soll schon müssen.





Tempelherr. Müssen, Daja?—

Noch ist er unter Räuber nicht gefallen.

Er muß nicht müssen.





Daja. Nun, so muß er wollen;

Muß gern am Ende wollen.





Tempelherr. Muß und gern!—

Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, daß

Ich selber diese Sait' ihm anzuschlagen

Bereits versucht?





Daja. Was? und er fiel nicht ein?





Tempelherr.

Er fiel mit einem Mißlaut ein, der mich—

Beleidigte.





Daja. Was sagt Ihr?—Wie? Ihr hättet

Den Schatten eines Wunsches nur nach Recha

Ihm blicken lassen: und er wär' vor Freuden

Nicht aufgesprungen? hätte frostig sich

Zurückgezogen? hätte Schwierigkeiten

Gemacht?





Tempelherr. So ungefähr.





Daja. So will ich denn

Mich länger keinen Augenblick bedenken.





(Pause.)





Tempelherr.

Und Ihr bedenkt Euch doch?





Daja. Der Mann ist sonst

So gut!—Ich selber bin so viel ihm schuldig!—

Daß er doch gar nicht hören will!—Gott weiß,

Das Herze blutet mir, ihn so zu zwingen.





Tempelherr.

Ich bitt Euch, Daja, setzt mich kurz und gut

Aus dieser Ungewißheit. Seid Ihr aber

Noch selber ungewiß; ob, was Ihr vorhabt,

Gut oder böse, schändlich oder löblich

Zu nennen:—schweigt!—Ich will vergessen, daß

Ihr etwas zu verschweigen habt.





Daja. Das spornt,

Anstatt zu halten. Nun; so wißt denn: Recha

Ist keine Jüdin; ist—ist eine Christin.





Tempelherr (kalt).

So? Wünsch Euch Glück! Hat's schwer gehalten? Laßt

Euch nicht die Wehen schrecken!—Fahret ja

Mit Eifer fort, den Himmel zu bevölkern:

Wenn Ihr die Erde nicht mehr könnt!





Daja. Wie, Ritter?

Verdienet meine Nachricht diesen Spott?

Daß Recha eine Christin ist: das freuet

Euch, einen Christen, einen Tempelherrn,

Der Ihr sie liebt, nicht mehr?





Tempelherr. Besonders, da

Sie eine Christin ist von Eurer Mache.





Daja.

Ah! so versteht Ihr's? So mag's gelten!—Nein!

Den will ich sehn, der die bekehren soll!

Ihr Glück ist, längst zu sein, was sie zu werden

Verdorben ist.





Tempelherr. Erklärt Euch, oder—geht!





Daja.

Sie ist ein Christenkind, von Christeneltern

Geboren; ist getauft…





Tempelherr (hastig). Und Nathan?





Daja. Nicht

Ihr Vater!





Tempelherr. Nathan nicht ihr Vater?—Wißt

Ihr, was Ihr sagt?





Daja. Die Wahrheit, die so oft

Mich blut'ge Tränen weinen machen.—Nein,

Er ist ihr Vater nicht…





Tempelherr. Und hätte sie

Als seine Tochter nur erzogen? hätte

Das Christenkind als eine Jüdin sich

Erzogen?





Daja. Ganz gewiß.





Tempelherr. Sie wüßte nicht,

Was sie geboren sei?—Sie hätt' es nie

Von ihm erfahren, daß sie eine Christin

Geboren sei, und keine Jüdin?





Daja. Nie!





Tempelherr.

Er hätt' in diesem Wahne nicht das Kind

Bloß auferzogen? ließ das Mädchen noch

In diesem Wahne?





Daja. Leider!





Tempelherr. Nathan—Wie?

Der weise gute Nathan hätte sich

Erlaubt, die Stimme der Natur so zu

Verfälschen?—Die Ergießung eines Herzens

So zu verrenken, die, sich selbst gelassen,

Ganz andre Wege nehmen würde?—Daja,

Ihr habt mir allerdings etwas vertraut—

Von Wichtigkeit,—was Folgen haben kann,—

Was mich verwirrt,—worauf ich gleich nicht weiß,

Was mir zu tun.—Drum laßt mir Zeit.—Drum geht!

Er kömmt hier wiederum vorbei. Er möcht'

Uns überfallen. Geht!





Daja. Ich wär' des Todes!





Tempelherr.

Ich bin ihn itzt zu sprechen ganz und gar

Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, sagt

Ihm nur, daß wir einander bei dem Sultan

Schon finden würden.





Daja. Aber laßt Euch ja

Nichts merken gegen ihn.—Das soll nur so

Den letzten Druck dem Dinge geben; soll

Euch, Rechas wegen, alle Skrupel nur

Benehmen!—Wenn Ihr aber dann sie nach

Europa führt: so laßt Ihr doch mich nicht

Zurück?





Tempelherr. Das wird sich finden. Geht nur, geht!



Vierter Aufzug

Erster Auftritt

(Szene: in den Kreuzgängen des Klosters.)

 



Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr.





Klosterbruder.

Ja, ja! er hat schon recht, der Patriarch!

Es hat mir freilich noch von alledem

Nicht viel gelingen wollen, was er mir

So aufgetragen.—Warum trägt er mir

Auch lauter solche Sachen auf?—Ich mag

Nicht fein sein; mag nicht überreden; mag

Mein Näschen nicht in alles stecken; mag

Mein Händchen nicht in allem haben.—Bin

Ich darum aus der Welt geschieden, ich

Für mich; um mich für andre mit der Welt

Noch erst recht zu verwickeln?





Tempelherr (mit Hast auf ihn zukommend).

Guter Bruder!

Da seid Ihr ja. Ich hab Euch lange schon

Gesucht.





Klosterbruder. Mich, Herr?





Tempelherr. Ihr kennt mich schon nicht mehr?





Klosterbruder.

Doch, doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn

In meinem Leben wieder nie zu sehn

Bekommen würde. Denn ich hofft' es zu

Dem lieben Gott.—Der liebe Gott, der weiß,

Wie sauer mir der Antrag ward, den ich

Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß,

Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch

Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut,

Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund

Das alles, ohne viel Bedenken, von

Euch wies't, was einem Ritter nicht geziemt.—

Nun kommt Ihr doch; nun hat's doch nachgewirkt!





Tempelherr.

Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum

Weiß ich es selbst.





Klosterbruder. Ihr habt's nun überlegt;

Habt nun gefunden, daß der Patriarch

So unrecht doch nicht hat; daß Ehr' und Geld

Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß

Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel

Auch siebenmal gewesen wäre. Das,

Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen,

Und kommt, und tragt Euch wieder an.—Ach Gott!





Tempelherr.

Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden.

Deswegen komm ich nicht; deswegen will

Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,

Noch denk ich über jenen Punkt, wie ich

Gedacht, und wollt' um alles in der Welt

Die gute Meinung nicht verlieren, deren

Mich ein so grader, frommer, lieber Mann

Einmal gewürdiget.—Ich komme bloß,

Den Patriarchen über eine Sache

Um Rat zu fragen…





Klosterbruder. Ihr den Patriarchen?

Ein Ritter, einen—Pfaffen?

(Sich schüchtern umsehend.)





Tempelherr. Ja;—die Sach'

Ist ziemlich pfäffisch.





Klosterbruder. Gleichwohl fragt der Pfaffe

Den Ritter nie, die Sache sei auch noch

So ritterlich.





Tempelherr. Weil er das Vorrecht hat,

Sich zu vergehn; das unsereiner ihm

Nicht sehr beneidet.—Freilich, wenn ich nur

Für mich zu handeln hätte; freilich, wenn

Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte:

Was braucht' ich Euers Patriarchen? Aber

Gewisse Dinge will ich lieber schlecht,

Nach andrer Willen, machen; als allein

Nach meinem, gut.—Zudem, ich seh nun wohl,

Religion ist auch Partei; und wer

Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt,

Hält, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner

Die Stange. Weil das einmal nun so ist:

Wird's so wohl recht sein.





Klosterbruder. Dazu schweig ich lieber.

Denn ich versteh den Herrn nicht recht.





Tempelherr. Und doch!—

(Laß sehn, warum mir eigentlich zu tun!

Um Machtspruch oder Rat?—Um lautern, oder

Gelehrten Rat?)—Ich dank Euch, Bruder; dank

Euch für den guten Wink.—Was Patriarch?—

Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch

Den Christen mehr im Patriarchen, als

Den Patriarchen in dem Christen fragen.—

Die Sach' ist die…





Klosterbruder. Nicht weiter, Herr, nicht weiter!

Wozu?—Der Herr verkennt mich.—Wer viel weiß,

Hat viel zu sorgen; und ich habe ja

Mich einer Sorge nur gelobt.—O gut!

Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst.

Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt.



Zweiter Auftritt

Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den einen Kreuzgang heraufkommt, und die Vorigen.





Tempelherr.

Ich wich' ihm lieber aus.—Wär' nicht mein Mann!

Ein dicker, roter, freundlicher Prälat!

Und welcher Prunk!





Klosterbruder. Ihr solltet ihn erst sehn

Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt

Er nur von einem Kranken.





Tempelherr. Wie sich da

Nicht Saladin wird schämen müssen!





Patriarch (indem er näherkommt, winkt dem Bruder). Hier!—

Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will

Er?





Klosterbruder. Weiß nicht.





Patriarch (auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge

zurücktreten).

Nun, Herr Ritter!—Sehr erfreut,

Den braven jungen Mann zu sehn!—Ei, noch

So gar jung!—Nun, mit Gottes Hilfe, daraus

Kann etwas werden.





Tempelherr. Mehr, ehrwürd'ger Herr,

Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch,

Was weniger.





Patriarch. Ich wünsche wenigstens,

Daß so ein frommer Ritter lange noch

Der lieben Christenheit, der Sache Gottes

Zu Ehr' und Frommen blühn und grünen möge!

Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein

Die junge Tapferkeit dem reifen Rate

Des Alters folgen will!—Womit wär' sonst

Dem Herrn zu dienen?





Tempelherr. Mit dem nämlichen,

Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat.





Patriarch.

Recht gern!—Nur ist der Rat auch anzunehmen.





Tempelherr.

Doch blindlings nicht?





Patriarch. Wer sagt denn das?—Ei freilich

Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab,

Zu brauchen unterlassen,—wo sie hin-

Gehört.—Gehört sie aber überall

Denn hin?—O nein!—Zum Beispiel: wenn uns Gott

Durch einen seiner Engel,—ist zu sagen,

Durch einen Diener seines Worts,—ein Mittel

Bekannt zu machen würdiget, das Wohl

Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche,

Auf irgendeine ganz besondre Weise

Zu fördern, zu befestigen: wer darf

Sich da noch unterstehn, die Willkür des,

Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft

Zu untersuchen? und das ewige

Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach

Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre

Zu prüfen?—Doch hiervon genug.—Was ist

Es denn, worüber unsern Rat für itzt

Der Herr verlangt?





Tempelherr. Gesetzt, ehrwürd'ger Vater,

Ein Jude hätt' ein einzig Kind,—es sei

Ein Mädchen,—das er mit der größten Sorgfalt

Zu allem Guten auferzogen, das

Er liebe mehr als seine Seele, das

Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe.

Und nun würd' unsereinem hinterbracht,

Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht;

Er hab' es in der Kindheit aufgelesen,

Gekauft, gestohlen,—was Ihr wollt; man wisse,

Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei

Getauft; der Jude hab' es nur als Jüdin

Erzogen; lass' es nur als Jüdin und

Als seine Tochter so verharren:—sagt,

Ehrwürd'ger Vater, was wär' hierbei wohl

Zu tun?





Patriarch. Mich schaudert!—Doch zu allererst

Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall

Ein Faktum oder eine Hypothes'.

Das ist zu sagen: ob der Herr sich das

Nur bloß so dichtet, oder ob's geschehn,

Und fortfährt zu geschehn.





Tempelherr. Ich, glaubte, das

Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung

Bloß zu vernehmen.





Patriarch. Eins?—Da seh' der Herr

Wie sich die stolze menschliche Vernunft

Im Geistlichen doch irren kann.—Mitnichten!

Denn ist der vorgetragne Fall nur so

Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich

Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken.

Ich will den Herrn damit auf das Theater

Verwiesen haben, wo dergleichen pro

Et contra sich mit vielem Beifall könnte

Behandeln lassen.—Hat der Herr mich aber

Nicht bloß mit einer theatral'schen Schnurre

Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt'

Er sich wohl gar in unsrer Diözes',

In unsrer lieben Stadt Jerusalem

Ereignet:—ja alsdann—





Tempelherr. Und was alsdann?





Patriarch.

Dann wäre an dem Juden fördersamst

Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches

Und kaiserliches Recht so einem Frevel,

So einer Lastertat bestimmen.





Tempelherr. So?





Patriarch.

Und zwar bestimmen obbesagte Rechte

Dem Juden, welcher einen Christen zur

Apostasie verführt,—den Scheiterhaufen,

Den Holzstoß—





Tempelherr. So?





Patriarch. Und wieviel mehr dem Juden,

Der mit Gewalt ein armes Christenkind

Dem Bunde seiner Tauf' entreißt! Denn ist

Nicht alles, was man Kindern tut, Gewalt?—

Zu sagen:—ausgenommen, was die Kirch'

An Kindern tut.





Tempelherr. Wenn aber nun das Kind,

Erbarmte seiner sich der Jude nicht,

Vielleicht im Elend umgekommen wäre?





Patriarch.

Tut nichts! der Jude wird verbrannt!—Denn besser,

Es wäre hier im Elend umgekommen,

Als daß zu seinem ewigen Verderben

Es so gerettet ward.—Zudem, was hat

Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott

Kann, wen er retten will, schon ohn' ihn retten.





Tempelherr.

Auch trotz ihm, sollt' ich meinen,—selig machen.





Patriarch.

Tut nichts! der Jude wird verbrannt.





Tempelherr. Das geht

Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe

Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als

Vielmehr in keinem Glauben auferzogen,

Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger

Gelehrt, als der Vernunft genügt.





Patriarch. Tut nichts!

Der Jude wird verbrannt… Ja, wär' allein

Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt

Zu werden!—Was? ein Kind ohn' allen Glauben

Erwachsen lassen?—Wie? die große Pflicht,

Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren?

Das ist zu arg! Mich wundert sehr, Herr Ritter,

Euch selbst…





Tempelherr. Ehrwürd'ger Herr, das übrige,

Wenn Gott will, in der Beichte. (Will gehn.)





Patriarch. Was? mir nun

Nicht einmal Rede stehn?—Den Bösewicht,

Den Juden mir nicht nennen?—mir ihn nicht

Zur Stelle schaffen?—O da weiß ich Rat!

Ich geh sogleich zum Sultan.—Saladin,

Vermöge der Kapitulation,

Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen;

Bei allen Rechten, allen Lehren schützen,

Die wir zu unsrer Allerheiligsten

Religion nur immer rechnen dürfen!

Gottlob! wir haben das Original.

Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir!—

Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie

Gefährlich selber für den Staat es ist,

Nichts glauben! Alle bürgerliche Ban