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Fabeln und Erzählungen

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Ein altes Weib kann Eindruck machen;
Zum Weinen bei der Frau, und bei dem Mann zum Lachen.
Zwar ist der Satz nicht allgemein;
Auch Männer können Weiber sein.
Doch diesmal waren sie es nicht.
Die Weiber schienen nur erpicht,
Den teuern Waldseraph zu sehen.
Die Männer aber?—wehrtens nicht,
Und ließen ihre Weiber gehen.
Die Häßlichen und Schönen,
Die ältesten und jüngsten Frauen,
Das arme wie das reiche Weib,—
Kurz jede ging, sich zu erbauen,
Und jede fand erwünschten Zeitvertreib.
 
 
"Was? Zeitvertreib, wo man erbauen will?
Was soll der Widerspruch bedeuten?"
Ein Widerspruch? Das wäre viel!
"Er sprach ja sonst von lauter Seligkeiten!"—
Oh! davon sprach er noch, nur mit dem Unterscheide:
Mit Alten sprach er stets von Tod und Eitelkeit,
Mit Armen von des Himmels Freude,
Mit Häßlichen von Ehrbarkeit,
Nur mit den Schönen allezeit
Vom ersten jeder Christentriebe.
Was ist das? Wer mich fragt, kann der ein Christ wohl sein?
Denn jeder Christ kömmt damit überein,
Es sei die liebe Liebe.
 
 
Der Eremit war jung; das hab ich schon gesagt.
Doch schön? Wer nach der Schönheit fragt,
Der mag ihn hier besehn.
Genug, den Weibern war er schön.
Ein starker, frischer, junger Kerl,
Nicht dicke wie ein Faß, nicht hager wie ein Querl—
"Nun, nun, aus seiner Kost ist jenes leicht zu schließen."
Doch sollte man auch wissen,
Daß Gott dem, den er liebt,
Zu Steinen wohl Gedeihen gibt;
Und das ist doch kein fett Gerichte!
Ein bräunlich männliches Gesichte,
Nicht allzu klein, nicht allzu groß,
Das sich im dichten Barte schloß;
Die Blicke wild, doch sonder Anmut nicht;
Die Nase lang, wie man die Kaisernasen dichtt.
Das ungebundne Haar floß straubicht um das Haupt;
Und wesentlichre Schönheitsstücke
Hat der zerrißne Rock dem Blicke
Nicht ganz entdeckt, nicht ganz geraubt.
Der Waden nur noch zu gedenken:
Sie waren groß, und hart wie Stein.
Das sollen, wie man sagt, nicht schlimme Zeichen sein;
Allein den Grund wird man mir schenken.
 
 
Nun wahrlich, so ein Kerl kann Weiber lüstern machen.
Ich sag es nicht für mich; es sind geschehne Sachen.
"Geschehne Sachen? was?
So ist man gar zur Tat gekommen?"
Mein lieber Simplex, fragt sich das?
Weswegen hätt er denn die Predigt unternommen?
Die süße Lehre süßer Triebe?
Die Liebe heischet Gegenliebe,
Und wer ihr Priester ist, verdienet keinen Haß.
 
 
O Andacht, mußt du doch so manche Sünde decken!
Zwar die Moral ist hier zu scharf,
Weil mancher Mensch sich nicht bespiegeln darf,
Aus Furcht, er möchte vor sich selbst erschrecken.
Drum will ich nur mit meinen Lehren
Ganz still nach Hause wieder kehren.
Kömmt mir einmal der Einfall ein,
Und ein Verleger will für mich so gnädig sein,
Mich in groß Quart in Druck zu nehmen;
So könnt ich mich vielleicht bequemen,
Mit hundert englischen Moralen,
Die ich im Laden sah, zu prahlen,
Exempelschätze, Sittenrichter,
Die alten und die neuen Dichter
Mit witzgen Fingern nachzuschlagen,
Und was die sagen, und nicht sagen,
In einer Note abzuschreiben.
Bringt, sag ich noch einmal, man mich gedruckt an Tag;
Denn in der Handschrift laß ichs bleiben,
Weil ich mich nicht belügen mag.
 
 
Ich fahr in der Erzählung fort—
Doch möcht ich in der Tat gestehn,
Ich hätte manchmal mögen sehn,
Was die und die, die an den Wallfahrtsort
Mit heiligen Gedanken kam,
Für fremde Mienen an sich nahm,
Wenn der verwegne Eremit,
Fein listig, Schritt vor Schritt,
Vom Geist aufs Fleisch zu reden kam.
Ich zweifle nicht, daß die verletzte Scham
Den Zorn nicht ins Gesicht getrieben,
Daß Mund und Hand nicht in Bewegung kam,
Weil beide die Bewegung lieben;
Allein, daß die Versöhnung ausgeblieben,
Glaub ich, und wer die Weiber kennt,
Nicht eher, als kein Stroh mehr brennt.
Denn wird doch wohl ein Löwe zahm.
Und eine Frau ist ohnedem ein Lamm.
"Ein Lamm? du magst die Weiber kennen."
Je nun, man kann sie doch insoweit Lämmer nennen,
Als sie von selbst ins Feuer rennen.
 
 
"Fährst du in der Erzählung fort?
Und bleibst mit deinem Kritisieren
Doch ewig an demselben Ort?"
So kann das Nützliche den Dichter auch verführen.
Nun gut, ich fahre fort,
Und sag, um wirklich fortzufahren,
Daß nach fünf Vierteljahren
Die Schelmereien ruchbar waren.
"Erst nach fünf Vierteljahren? Nu;
Der Eremit hat wacker ausgehalten.
So viel trau ich mir doch nicht zu;
Ich möchte nicht sein Amt ein Vierteljahr verwalten.
Allein, wie ward es ewig kund?
Hat es ein schlauer Mann erfahren?
Verriet es einer Frau waschhafter Mund?
Wie? oder daß den Hochverrat
Ein alt neugierig Weib, aus Neid, begangen hat?"
O nein; hier muß man besser raten,
Zwei muntre Mädchen hatten schuld,
Die voller frommen Ungeduld
Das taten, was die Mütter taten;
Und dennoch wollten sich die Mütter nicht bequemen,
Die guten Kinder mitzunehmen.
"Sie merkten also wohl den Braten?"—
Und haben ihn gar dem Papa verraten.
"Die Töchter sagtens dem Papa?
Wo blieb die Liebe zur Mama?"
Oh! die kann nichts darunter leiden;
Denn wenn ein Mädchen auch die Mutter liebt,
Daß es der Mutter in der Not
Den letzten Bissen Brot
Aus seinem Munde gibt;
So kann das Mädchen doch die Mutter hier beneiden,
Hier, wo so Lieb als Klugheit spricht:
Ihr Schönen, trotz der Kinderpflicht,
Vergeßt euch selber nicht!
Kurz, durch die Mädchen kams ans Licht,
Daß er, der Eremit, beinah die ganze Stadt
Zu Schwägern oder Kindern hat.
 
 
Oh! der verfluchte Schelm! Wer hätte das gedacht!
Die ganze Stadt ward aufgebracht,
Und jeder Ehmann schwur, daß in der ersten Nacht,
Er und sein Mitgenoß der Hain,
Des Feuers Beute müsse sein.
Schon rotteten sich ganze Scharen,
Die zu der Rache fertig waren.
Doch ein hochweiser Magistrat
Besetzt das Tor, und sperrt die Stadt,
Der Eigenrache vorzukommen,
Und schicket alsobald
Die Schergen in den Wald,
Die ihn vom Kreuze weg, und in Verhaft genommen.
Man redte schon von Galgen und von Rad,
So sehr schien sein Verbrechen häßlich;
Und keine Strafe war so gräßlich,
Die, wie man sagt, er nicht verdienet hat.
Und nur ein Hagestolz, ein schlauer Advokat,
Sprach: "Oh! dem kömmt man nicht ans Leben,
Der es Unzähligen zu geben,
So rühmlich sich beflissen hat."
 
 
Der Eremite, der die Nacht
Im Kerker ungewiß und sorgend durchgemacht,
Ward morgen ins Verhör gebracht.
Der Richter war ein schalkscher Mann,
Der jeden mit Vergnügen schraubte,
Und doch—(wie man sich irren kann!)
Von seiner Frau das beste glaubte.
"Sie ist ein Ausbund aller Frommen,
Und nur einmal in Wald gekommen,
Den Pater Eremit zu sehn.
Einmal! Was kann da viel geschehn?"
So denkt der gütige Herr Richter.
Denk immer so, zu deiner Ruh,
Lacht gleich die Wahrheit und der Dichter,
Und deine fromme Frau dazu.
 
 
Nun tritt der Eremit vor ihn.
"Mein Freund, wollt Ihr von selbst die nennen,
Die—die Ihr kennt, und die Euch kennen:
So könnt Ihr der Tortur entfliehn.
Doch"—"Darum laß ich mich nicht plagen.
Ich will sie alle sagen.
Herr Richter, schreib Er nur!" Und wie?
Der Eremit entdecket sie?
Ein Eremite kann nicht schweigen?
Sonst ist das Plaudern nur den Stutzern eigen.
Der Richter schrieb. "Die erste war
Kamilla"—"Wer? Kamilla?" "Ja fürwahr!
Die andern sind: Sophia, Laura, Doris,
Angelika, Korinna, Chloris"—
"Der Henker mag sie alle fassen,
Gemach! und eine nach der andern fein!
Denn eine nur vorbei zu lassen"—
"Wird wohl kein großer Schade sein",
Fiel jeder Ratsherr ihm ins Wort.
"Hört", schrieen sie, "erzählt nur fort!"
Weil jeder Ratsherr in Gefahr,
Sein eigen Weib zu hören war.
"Ihr Herren", schrie der Richter, "nein!
Die Wahrheit muß am Tage sein;
Was können wir sonst für ein Urteil fassen?"
"Ihn", schrieen alle, "gehn zu lassen."
"Nein, die Gerechtigkeit"—und kurz der Delinquent
Hat jede noch einmal genennt,
Und jeder hing der Richter dann
Ein loses Wort für ihren Hahnrei an.
Das Hundert war schon mehr als voll;
Der Eremit, der mehr gestehen soll,
Stockt, weigert sich, scheut sich zu sprechen—