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Die Juden

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Neunzehnter Auftritt

Der Reisende (und hernach) Christoph.

Der Reisende. Wo er nur nicht zu hastig mit ihm verfährt! Denn so groß auch der Verdacht ist, so könnte der Mann doch wohl noch unschuldig sein.—Ich bin ganz verlegen.—In der Tat ist es nichts Geringes, einem Herrn seine Untergebnen so verdächtig zu machen. Wenn er sie auch unschuldig befindet, so verliert er doch auf immer das Vertrauen zu ihnen.—Gewiß, wenn ich es recht bedenke, ich hätte schweigen sollen—Wird man nicht Eigennutz und Rache für die Ursachen meines Argwohns halten, wenn man erfährt, daß ich ihm meinen Verlust zugeschrieben habe?—Ich wollte ein Vieles darum schuldig sein, wenn ich die Untersuchung noch hintertreiben könnte-Christoph (kömmt gelacht). Ha! ha! ha! wissen Sie, wer Sie sind, mein Herr?

Der Reisende. Wißt Ihr, daß Ihr ein Narr seid? Was fragt Ihr?

Christoph. Gut! wenn Sie es denn nicht wissen, so will ich es Ihnen sagen. Sie sind einer von Adel. Sie kommen aus Holland. Allda haben Sie Verdrüßlichkeiten und ein Duell gehabt. Sie sind so glücklich gewesen, einen jungen Naseweis zu erstechen. Die Freunde des Entleibten haben Sie heftig verfolgt. Sie haben sich auf die Flucht begeben. Und ich habe die Ehre, Sie auf der Flucht zu begleiten.

Der Reisende. Träumt Ihr, oder raset Ihr?

Christoph. Keines von beiden. Denn für einen Rasenden wäre meine

Rede zu klug, und für einen Träumenden zu toll.

Der Reisende. Wer hat Euch solch unsinniges Zeug weisgemacht?

Christoph. O dafür ist gebeten, daß man mir's weismacht. Allein finden Sie es nicht recht wohl ausgesonnen? In der kurzen Zeit, die man mir zum Lügen ließ, hätte ich gewiß auf nichts Bessers fallen können. So sind Sie doch wenigstens vor weitrer Neugierigkeit sicher!

Der Reisende. Was soll ich mir aber aus alledem nehmen?

Christoph. Nichts mehr, als was Ihnen gefällt; das übrige lassen Sie mir. Hören Sie nur, wie es zuging. Man fragte mich nach Ihrem Namen, Stande, Vaterlande, Verrichtungen; ich ließ mich nicht lange bitten, ich sagte alles, was ich davon wußte; das ist: ich sagte, ich wüßte nichts. Sie können leicht glauben, daß diese Nachricht sehr unzulänglich war, und daß man wenig Ursache hatte, damit zufrieden zu sein. Man drang also weiter in mich; allein umsonst! Ich blieb verschwiegen, weil ich nichts zu verschweigen hatte. Doch endlich brachte mich ein Geschenk, welches man mir anbot, dahin, daß ich mehr sagte, als ich wußte; das ist: ich log.

Der Reisende. Schurke! ich befinde mich, wie ich sehe, bei Euch in feinen Händen.

Christoph. Ich will doch nimmermehr glauben, daß ich von ohngefähr die Wahrheit sollte gelogen haben?

Der Reisende. Unverschämter Lügner, Ihr habt mich in eine Verwirrung gesetzt, aus der—

Christoph. Aus der Sie sich gleich helfen können, sobald Sie das schöne Beiwort, das Sie mir jetzt zu geben beliebten, bekannter machen.

Der Reisende. Werde ich aber alsdenn nicht genötiget sein, mich zu entdecken?

Christoph. Desto besser! so lerne ich Sie bei Gelegenheit auch kennen. —Allein, urteilen Sie einmal selbst, ob ich mir wohl, mit gutem Gewissen, dieser Lügen wegen ein Gewissen machen konnte? (Er zieht die Dose heraus.) Betrachten Sie diese Dose! Hätte ich Sie leichter verdienen können?

Der Reisende. Zeigt mir sie doch!—(Er nimmt sie in die Hand.) Was seh ich?

Christoph. Ha! ha! ha! Das dachte ich, daß Sie erstaunen würden. Nicht wahr, Sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn Sie so eine Dose verdienen könnten.

Der Reisende. Und also habt Ihr mir sie entwendet?

Christoph. Wie? was?

Der Reisende. Eure Treulosigkeit ärgert mich nicht so sehr, als der übereilte Verdacht, den ich deswegen einem ehrlichen Mann zugezogen habe. Und Ihr könnt noch so rasend frech sein, mich überreden zu wollen, sie wäre ein,—obgleich beinahe ebenso schimpflich erlangtes, —Geschenk? Geht! kommt mir nicht wieder vor die Augen!

Christoph. Träumen Sie, oder—aus Respekt will ich das andre noch verschweigen. Der Neid bringt Sie doch nicht auf solche Ausschweifungen? Die Dose soll Ihre sein? Ich soll sie Ihnen, salva venia, gestohlen haben? Wenn das wäre; ich müßte ein dummer Teufel sein, daß ich gegen Sie selbst damit prahlen sollte.—Gut, da kömmt Lisette! Hurtig komm Sie; helf Sie mir doch, meinen Herrn wieder zurechte bringen.

Zwanzigster Auftritt

Lisette. Der Reisende. Christoph.

Lisette. O mein Herr, was stiften Sie bei uns für Unruhe! Was hat Ihnen denn unser Vogt getan? Sie haben den Herrn ganz rasend auf ihn gemacht. Man redt von Bärten, von Dosen, von Plündern; der Vogt weint und flucht, daß er unschuldig wäre, daß Sie die Unwahrheit redten. Der Herr ist nicht zu besänftigen, und jetzt hat er sogar nach dem Schulzen und den Gerichten geschickt, ihn schließen zu lassen. Was soll denn das alles heißen?

Christoph. Oh! das ist alles noch nichts, hör Sie nur, hör Sie, was er jetzt gar mit mir vorhat—

Der Reisende. Ja freilich, meine liebe Lisette, ich habe mich übereilt. Der Vogt ist unschuldig. Nur mein gottloser Bedienter hat mich in diese Verdrüßlichkeiten gestürzt. Er ist's, der mir meine Dose entwandt hat, derenwegen ich den Vogt im Verdacht hatte; und der Bart kann allerdings ein Kinderspiel gewesen sein, wie er sagte. Ich geh, ich will ihm Genugtuung geben, ich will meinen Irrtum gestehn, ich will ihm, was er nur verlangen kann—

Christoph. Nein, nein, bleiben Sie! Sie müssen mir erst Genugtuung geben. Zum Henker, so rede Sie doch, Lisette, und sage Sie, wie die Sache ist. Ich wollte, daß Sie mit Ihrer Dose am Galgen wäre! Soll ich mich deswegen zum Diebe machen lassen? Hat Sie mir sie nicht geschenkt?

Lisette. Ja freilich! und sie soll Ihm auch geschenkt bleiben.

Der Reisende. So ist es doch wahr? Die Dose gehört aber mir.

Lisette. Ihnen? das habe ich nicht gewußt.

Der Reisende. Und also hat sie wohl Lisette gefunden? und meine

Unachtsamkeit ist an allen den Verwirrungen schuld? (Zu Christophen.)

Ich habe Euch auch zuviel getan! Verzeiht mir! Ich muß mich schämen, daß ich mich so übereilen können.

Lisette (beiseite). Der Geier! nun werde ich bald klug. Oh! er wird sich nicht übereilt haben.

Der Reisende. Kommt, wir wollen—

Einundzwanzigster Auftritt

Der Baron. Der Reisende. Lisette. Christoph.

Der Baron (kömmt hastig herzu). Den Augenblick, Lisette, stelle dem Herrn seine Dose wieder zu! Es ist alles offenbar; er hat alles gestanden. Und du hast dich nicht geschämt, von so einem Menschen Geschenke anzunehmen? Nun? wo ist die Dose?

Der Reisende. Es ist also doch wahr?—

Lisette. Der Herr hat sie lange wieder. Ich habe geglaubt, von wem.

Sie Dienste annehmen können, von dem könne ich auch Geschenke annehmen.

Ich habe ihn sowenig gekannt, wie Sie.

Christoph. Also ist mein Geschenk zum Teufel? Wie gewonnen, so zerronnen!

Der Baron. Wie aber soll ich, teuerster Freund, mich gegen Sie erkenntlich erzeigen? Sie reißen mich zum zweitenmal aus einer gleich großen Gefahr. Ich bin Ihnen mein Leben schuldig. Nimmermehr würde ich, ohne Sie, mein so nahes Unglück entdeckt haben. Der Schulze, ein Mann, den ich für den ehrlichsten auf allen meinen Gütern hielt, ist sein gottloser Gehilfe gewesen. Bedenken Sie also, ob ich jemals dies hätte vermuten können! Wären Sie heute von mir gereiset—

Der Reisende. Es ist wahr—so wäre die Hilfe, die ich Ihnen gestern zu erweisen glaubte, sehr unvollkommen geblieben. Ich schätze mich also höchst glücklich, daß mich der Himmel zu dieser unvermuteten Entdeckung ausersehen hat; und ich freue mich jetzt so sehr, als ich vorher, aus Furcht zu irren, zitterte.

Der Baron. Ich bewundre Ihre Menschenliebe, wie Ihre Großmut. O möchte es wahr sein, was mir Lisette berichtet hat!

Zweiundzwanzigster Auftritt

Das Fräulein und die Vorigen.

Lisette. Nun, warum sollte es nicht wahr sein?

Der Baron. Komm, meine Tochter, komm! Verbinde deine Bitte mit der meinigen: ersuche meinen Erretter, deine Hand, und mit deiner Hand mein Vermögen anzunehmen. Was kann ihm meine Dankbarkeit Kostbarers schenken, als dich, die ich ebensosehr liebe, als ihn? Wundern Sie sich nur nicht, wie ich Ihnen so einen Antrag tun könne. Ihr Bedienter hat uns entdeckt, wer Sie sind. Gönnen Sie mir das unschätzbare Vergnügen, erkenntlich zu sein! Mein Vermögen ist meinem Stande, und dieser dem Ihrigen gleich. Hier sind Sie vor Ihren Feinden sicher und kommen unter Freunde, die Sie anbeten werden. Allein Sie werden niedergeschlagen? Was soll ich denken?

Das Fräulein. Sind Sie etwa meinetwegen in Sorgen? Ich versichere Sie, ich werde dem Papa mit Vergnügen gehorchen.

Der Reisende. Ihre Großmut setzt mich in Erstaunen. Aus der Größe der Vergeltung, die Sie mir anbieten, erkenne ich erst, wie klein meine Wohltat ist. Allein, was soll ich Ihnen antworten? Mein Bedienter hat die Unwahrheit gered't, und ich—

Der Baron. Wollte der Himmel, daß Sie das nicht einmal wären, wofür er Sie ausgibt! Wollte der Himmel, Ihr Stand wäre geringer, als der meinige! So würde doch meine Vergeltung etwas kostbarer, und Sie würden vielleicht weniger ungeneigt sein, meine Bitte stattfinden zu lassen.

Der Reisende (beiseite). Warum entdecke ich mich auch nicht?—Mein Herr, Ihre Edelmütigkeit durchdringet meine ganze Seele. Allein schreiben Sie es dem Schicksale, nicht mir zu, daß Ihr Anerbieten vergebens ist. Ich bin—Der Baron. Vielleicht schon verheiratet?

Der Reisende. Nein—

Der Baron. Nun? was?

Der Reisende. Ich bin ein Jude.

Der Baron. Ein Jude? grausamer Zufall!

Christoph. Ein Jude?

Lisette. Ein Jude?

Das Fräulein. Ei, was tut das?

Lisette. St! Fräulein, st! ich will es Ihnen hernach sagen, was das tut.

Der Baron. So gibt es denn Fälle, wo uns der Himmel selbst verhindert, dankbar zu sein?

 

Der Reisende. Sie sind es überflüssig dadurch, daß Sie es sein wollen.

Der Baron. So will ich wenigstens soviel tun, als mir das Schicksal zu tun erlaubt. Nehmen Sie mein ganzes Vermögen. Ich will lieber arm und dankbar, als reich und undankbar sein.

Der Reisende. Auch dieses Anerbieten ist bei mir umsonst, da mir der Gott meiner Väter mehr gegeben hat, als ich brauche. Zu aller Vergeltung bitte ich nichts, als daß Sie künftig von meinem Volke etwas gelinder und weniger allgemein urteilen. Ich habe mich nicht vor Ihnen verborgen, weil ich mich meiner Religion schäme. Nein! Ich sahe aber, daß Sie Neigung zu mir, und Abneigung gegen meine Nation hatten. Und die Freundschaft eines Menschen, er sei wer er wolle, ist mir allezeit unschätzbar gewesen.

Der Baron. Ich schäme mich meines Verfahrens.

Christoph. Nun komm ich erst von meinem Erstaunen wieder zu mir selber. Was? Sie sind ein Jude, und haben das Herz gehabt, einen ehrlichen Christen in Ihre Dienste zu nehmen? Sie hätten mir dienen sollen. So wär' es nach der Bibel recht gewesen. Potz Stern! Sie haben in mir die ganze Christenheit beleidigt—Drum habe ich nicht gewußt, warum der Herr, auf der Reise, kein Schweinfleisch essen wollte, und sonst hundert Alfanzereien machte.—Glauben Sie nur nicht, daß ich Sie länger begleiten werde! Verklagen will ich Sie noch dazu.

Der Reisende. Ich kann es Euch nicht zumuten, daß Ihr besser, als der andre christliche Pöbel, denken sollt. Ich will Euch nicht zu Gemüte führen, aus was für erbärmlichen Umständen ich Euch in Hamburg riß. Ich will Euch auch nicht zwingen, länger bei mir zu bleiben. Doch weil ich mit Euren Diensten so ziemlich zufrieden bin, und ich Euch vorhin außerdem in einem ungegründeten Verdachte hatte, so behaltet zur Vergeltung, was diesen Verdacht verursachte. (Gibt ihm die Dose.) Euren Lohn könnt Ihr auch haben. Sodann geht, wohin Ihr wollt!

Christoph. Nein, der Henker! es gibt doch wohl auch Juden, die keine

Juden sind. Sie sind ein braver Mann. Topp, ich bleibe bei Ihnen!

Ein Christ hätte mir einen Fuß in die Rippen gegeben, und keine Dose!

Der Baron. Alles was ich von Ihnen sehe, entzückt mich. Kommen Sie, wir wollen Anstalt machen, daß die Schuldigen in sichere Verwahrung gebracht werden. O wie achtungswürdig wären die Juden, wenn sie alle Ihnen glichen!