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Die Juden

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Dritter Auftritt

Der Reisende.

Der Reisende. Vielleicht ist dieser Kerl, so dumm er ist, oder sich stellt, ein boshafterer Schelm, als je einer unter den Juden gewesen ist. Wenn ein Jude betrügt, so hat ihn, unter neun Malen, der Christ vielleicht siebenmal dazu genötiget. Ich zweifle, ob viel Christen sich rühmen können, mit einem Juden aufrichtig verfahren zu sein: und sie wundern sich, wenn er ihnen Gleiches mit Gleichem zu vergelten sucht? Sollen Treu' und Redlichkeit unter zwei Völkerschaften herrschen, so müssen beide gleich viel dazu beitragen. Wie aber, wenn es bei der einen ein Religionspunkt und beinahe ein verdienstliches Werk wäre, die andre zu verfolgen? Doch—

Vierter Auftritt

Der Reisende. Christoph.

Der Reisende. Daß man Euch doch allezeit eine Stunde suchen muß, wenn man Euch haben will.

Christoph. Sie scherzen, mein Herr. Nicht wahr, ich kann nicht mehr, als an einem Orte zugleich sein? Ist es also meine Schuld, daß Sie sich nicht an diesen Ort begeben? Gewiß Sie finden mich allezeit da, wo ich bin.

Der Reisende. So? und Ihr taumelt gar? Nun begreif ich, warum Ihr so sinnreich seid. Müßt Ihr Euch denn schon frühmorgens besaufen?

Christoph. Sie reden von Besaufen, und ich habe kaum zu trinken angefangen. Ein paar Flaschen guten Landwein, ein paar Gläser Branntwein, und eine Mundsemmel ausgenommen, habe ich, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, nicht das geringste zu mir genommen. Ich bin noch ganz nüchtern.

Der Reisende. Oh! das sieht man Euch an. Und ich rate Euch, als ein

Freund, die Portion zu verdoppeln.

Christoph. Vortrefflicher Rat! Ich werde nicht unterlassen, ihn, nach meiner Schuldigkeit, als einen Befehl anzusehen. Ich gehe, und Sie sollen sehen, wie gehorsam ich zu sein weiß.

Der Reisende. Seid klug! Ihr könnt dafür gehn, und die Pferde satteln und aufpacken. Ich will noch diesen Vormittag fort.

Christoph. Wenn Sie mir im Scherze geraten haben, ein doppeltes Frühstück zu nehmen, wie kann ich mir einbilden, daß Sie jetzt im Ernste reden? Sie scheinen sich heute mit mir erlustigen zu wollen. Macht Sie etwa das junge Fräulein so aufgeräumt? Oh! es ist ein allerliebstes Kind.—Nur noch ein wenig älter, ein klein wenig älter sollte sie sein. Nicht wahr, mein Herr? wenn das Frauenzimmer nicht zu einer gewissen Reife gelangt ist,—

Der Reisende. Geht, und tut, was ich Euch befohlen habe.

Christoph. Sie werden ernsthaft. Nichtsdestoweniger werde ich warten, bis Sie mir es das drittemal befehlen. Der Punkt ist zu wichtig! Sie könnten sich übereilt haben. Und ich bin allezeit gewohnt gewesen, meinen Herren Bedenkzeit zu gönnen. Überlegen Sie es wohl, einen Ort, wo wir fast auf den Händen getragen werden, so zeitig wieder zu verlassen? Gestern sind wir erst gekommen. Wir haben uns um den Herrn unendlich verdient gemacht, und gleichwohl bei ihm kaum eine Abendmahlzeit und ein Frühstück genossen.

Der Reisende. Eure Grobheit ist unerträglich. Wenn man sich zu dienen entschließt, sollte man sich gewöhnen, weniger Umstände zu machen.

Christoph. Gut, mein Herr! Sie fangen an zu moralisieren, das ist:

Sie werden zornig. Mäßigen Sie sich; ich gehe schon—

Der Reisende. Ihr müßt wenig Überlegungen zu machen gewohnt sein. Das, was wir diesem Herrn erwiesen haben, verlieret den Namen einer Wohltat, sobald wir die geringste Erkenntlichkeit dafür zu erwarten scheinen. Ich hätte mich nicht einmal sollen mit hieher nötigen lassen. Das Vergnügen, einem Unbekannten ohne Absicht beigestanden zu haben, ist schon vor sich so groß! Und er selbst würde uns mehr Segen nachgewünscht haben, als er uns jetzt übertriebene Danksagung hält. Wen man in die Verbindlichkeit setzt, sich weitläuftig, und mit dabei verknüpften Kosten zu bedanken, der erweiset uns einen Gegendienst, der ihm vielleicht saurer wird, als uns unsere Wohltat geworden. Die meisten Menschen sind zu verderbt, als daß ihnen die Anwesenheit eines Wohltäters nicht höchst beschwerlich sein sollte. Sie scheint ihren Stolz zu erniedrigen;—

Christoph. Ihre Philosophie, mein Herr, bringt Sie um den Atem. Gut! Sie sollen sehen, daß ich ebenso großmütig bin, als Sie. Ich gehe; in einer Viertelstunde sollen Sie sich aufsetzen können.

Fünfter Auftritt

Der Reisende. Das Fräulein.

Der Reisende. So wenig ich mich mit diesem Menschen gemein gemacht habe, so gemein macht er sich mit mir.

Das Fräulein. Warum verlassen Sie uns, mein Herr? Warum sind Sie hier so allein? Ist Ihnen unser Umgang schon die wenigen Stunden, die Sie bei uns sind, zuwider geworden? Es sollte mir leid tun. Ich suche aller Welt zu gefallen; und Ihnen möchte ich, vor allen andern, nicht gern mißfallen.

Der Reisende. Verzeihen Sie mir, Fräulein. Ich habe nur meinem

Bedienten befehlen wollen, alles zur Abreise fertig zu halten.

Das Fräulein. Wovon reden Sie? von Ihrer Abreise? Wenn war denn Ihre Ankunft? Es sei noch, wenn Sie über Jahr und Tag eine melancholische Stunde auf diesen Einfall brächte. Aber wie, nicht einmal einen völligen Tag aushalten wollen? Das ist zu arg. Ich sage es ihnen, ich werde böse, wenn Sie noch einmal daran gedenken.

Der Reisende. Sie könnten mir nichts Empfindlichers drohen.

Das Fräulein. Nein? im Ernst? ist es wahr, würden Sie empfindlich sein, wenn ich böse auf Sie würde?

Der Reisende. Wem sollte der Zorn eines liebenswürdigen Frauenzimmers gleichgültig sein können?

Das Fräulein. Was Sie sagen, klingt zwar beinahe, als wenn Sie spotten wollten, doch ich will es für Ernst aufnehmen; gesetzt, ich irrte mich auch. Also, mein Herr,—ich bin ein wenig liebenswürdig, wie man mir gesagt hat,—und ich sage Ihnen noch einmal, ich werde entsetzlich, entsetzlich zornig werden, wenn Sie, binnen hier und dem neuen Jahr, wieder an Ihre Abreise gedenken.

Der Reisende. Der Termin ist sehr liebreich bestimmt. Alsdann wollten Sie mir, mitten im Winter, die Türe weisen; und bei dem unbequemsten Wetter-Das Fräulein. Ei! wer sagt das? Ich sage nur, daß Sie alsdann, des Wohlstands halber, etwa einmal an die Abreise denken können. Wir werden Sie deswegen nicht fortlassen; wir wollen Sie schon bitten—

Der Reisende. Vielleicht auch des Wohlstands halber?

Das Fräulein. Ei! seht, man sollte nicht glauben, daß ein so ehrliches Gesicht auch spotten könnte.—Ah! da kömmt der Papa. Ich muß fort! Sagen Sie ja nicht, daß ich bei Ihnen gewesen bin. Er wirft mir so oft genug vor, daß ich gern um Mannspersonen wäre.

Sechster Auftritt

Der Baron. Der Reisende.

Der Baron. War nicht meine Tochter bei Ihnen? Warum läuft denn das wilde Ding?

Der Reisende. Das Glück ist unschätzbar, eine so angenehme und muntre Tochter zu haben. Sie bezaubert durch ihre Reden, in welchen die liebenswürdigste Unschuld, der ungekünsteltste Witz herrschst.

Der Baron. Sie urteilen zu gütig von ihr. Sie ist wenig unter ihresgleichen gewesen, und besitzt die Kunst zu gefallen, die man schwerlich auf dem Lande erlernen kann, und die doch oft mehr, als die Schönheit selbst vermag, in einem sehr geringen Grade. Es ist alles bei ihr noch die sich selbst gelaßne Natur.

Der Reisende. Und diese ist desto einnehmender, je weniger man sie in den Städten antrifft. Alles ist da verstellt, gezwungen und erlernt. Ja man ist schon so weit darin gekommen, daß man Dummheit, Grobheit und Natur für gleich viel bedeutende Wörter hält.

Der Baron. Was könnte mir angenehmer sein, als daß ich sehe, wie unsre Gedanken und Urteile so sehr übereinstimmen? Oh! daß ich nicht längst einen Freund Ihresgleichen gehabt habe!

Der Reisende. Sie werden ungerecht gegen Ihre übrigen Freunde.

Der Baron. Gegen meine übrigen Freunde, sagen Sie? Ich bin funfzig Jahr alt.—Bekannte habe ich gehabt, aber noch keinen Freund. Und niemals ist mir die Freundschaft so reizend vorgekommen, als seit den wenigen Stunden, da ich nach der Ihrigen strebe. Wodurch kann ich sie verdienen?

Der Reisende. Meine Freundschaft bedeutet so wenig; daß das bloße

Verlangen darnach ein genugsames Verdienst ist, sie zu erhalten. Ihre

Bitte ist weit mehr wert, als das, was Sie bitten.

Der Baron. Oh, mein Herr, die Freundschaft eines Wohltäters-Der Reisende. Erlauben Sie,—ist keine Freundschaft. Wenn Sie mich unter dieser falschen Gestalt betrachten, so kann ich Ihr Freund nicht sein. Gesetzt einen Augenblick, ich wäre Ihr Wohltäter: würde ich nicht zu befürchten haben, daß Ihre Freundschaft nichts, als eine wirksame Dankbarkeit wäre?

Der Baron. Sollte sich beides nicht verbinden lassen?

Der Reisende. Sehr schwer! Diese hält ein edles Gemüt für seine Pflicht; jene erfodert lauter willkürliche Bewegungen der Seele.

Der Baron. Aber wie sollte ich—Ihr allzu zärtlicher Geschmack macht mich ganz verwirrt.—

Der Reisende. Schätzen Sie mich nur nicht höher, als ich es verdiene. Aufs höchste bin ich ein Mensch, der seine Schuldigkeit mit Vergnügen getan hat. Die Schuldigkeit an sich selbst ist keiner Dankbarkeit wert. Daß ich sie aber mit Vergnügen getan habe, dafür bin ich genugsam durch Ihre Freundschaft belohnt.

Der Baron. Diese Großmut verwirrt mich nur noch mehr.—Aber ich bin vielleicht zu verwegen.—Ich habe mich noch nicht unterstehen wollen, nach Ihrem Namen, nach Ihrem Stande zu fragen.—Vielleicht biete ich meine Freundschaft einem an, der—der sie zu verachten—

Der Reisende. Verzeihen Sie, mein Herr!—Sie—Sie machen sich—Sie haben allzu große Gedanken von mir.

Der Baron (beiseite). Soll ich ihn wohl fragen? Er kann meine

Neugierde übelnehmen.

Der Reisende (beiseite). Wenn er mich fragt, was werde ich ihm antworten?

Der Baron (beiseite). Frage ich ihn nicht, so kann er es als eine Grobheit auslegen.

Der Reisende (beiseite). Soll ich ihm die Wahrheit sagen?

 

Der Baron (beiseite). Doch ich will den sichersten Weg gehen. Ich will erst seinen Bedienten ausfragen lassen.

Der Reisende (beiseite). Könnte ich doch dieser Verwirrung überhoben sein!—

Der Baron. Warum so nachdenkend?

Der Reisende. Ich war gleich bereit, diese Frage an Sie zu tun, mein

Herr—

Der Baron. Ich weiß es, man vergißt sich dann und wann. Lassen Sie uns von etwas andern reden—Sehen Sie, daß es wirkliche Juden gewesen sind, die mich angefallen haben? Nur jetzt hat mir mein Schulze gesagt, daß er vor einigen Tagen ihrer drei auf der Landstraße angetroffen. Wie er sie mir beschreibt, haben sie Spitzbuben ähnlicher, als ehrlichen Leuten, gesehen. Und warum sollte ich auch daran zweifeln? Ein Volk, das auf den Gewinst so erpicht ist, fragt wenig darnach, ob es ihn mit Recht oder Unrecht, mit List oder Gewaltsamkeit erhält.—Es scheinet auch zur Handelschaft, oder deutsch zu reden, zur Betrügerei gemacht zu sein. Höflich, frei, unternehmend, verschwiegen, sind Eigenschaften, die es schätzbar machen würden, wenn es sie nicht allzusehr zu unserm Unglück anwendete—(Er hält etwas inne.)—Die Juden haben mir sonst schon nicht wenig Schaden und Verdruß gemacht. Als ich noch in Kriegsdiensten war, ließ ich mich bereden, einen Wechsel für einen meiner Bekannten mit zu unterschreiben; und der Jude, an den er ausgestellet war, brachte mich nicht allein dahin, daß ich ihn bezahlen, sondern, daß ich ihn sogar zweimal bezahlen mußte.—Oh! es sind die allerboshaftesten, niederträchtigsten Leute.—Was sagen sie dazu? Sie scheinen ganz niedergeschlagen.

Der Reisende. Was soll ich sagen? Ich muß sagen, daß ich diese Klage sehr oft gehört habe—

Der Baron. Und ist es nicht wahr, ihre Gesichtsbildung hat gleich etwas, das uns wider sie einnimmt? Das Tückische, das Ungewissenhafte, das Eigennützige, Betrug und Meineid, sollte man sehr deutlich aus ihren Augen zu lesen glauben.—Aber, warum kehren Sie sich von mir?

Der Reisende. Wie ich höre, mein Herr, so sind Sie ein großer Kenner der Physiognomie, und ich besorge, daß die meinige—

Der Baron. Oh! Sie kränken mich. Wie können Sie auf dergleichen Verdacht kommen? Ohne ein Kenner der Physiognomie zu sein, muß ich Ihnen sagen, daß ich nie eine so aufrichtige, großmütige und gefällige Miene gefunden habe, als die Ihrige.