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Werner von Siemens

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Telegraphen-Apparate

Der heutigen Zeit, die hunderttausend Pferdekräfte in Form elektrischer Energie durch dünne Drähte weithin sendet, die sich des Telephons als etwas Selbstverständlichem bedient, erscheint der Telegraph nicht mehr als die höchst geheimnisvolle, ungeahnte Möglichkeiten erschließende Einrichtung, die er für unsere Vorfahren im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts war. Erfüllte der Telegraph doch zum erstenmal einen Wunsch der Menschheit, der seit Jahrhunderten in Märchen- und Sagengestalten immer wieder seinen Ausdruck gefunden hatte: mit der Geschwindigkeit des Blitzes an verschiedenen Orten zugleich wirken, den widerstehenden Raum mühelos überwinden zu können. Hier ward das Wunder vollbracht. Man dachte zunächst an gar keine andere Nutzungsmöglichkeit der eben entdeckten Elektrizität, als daran, ihre Fähigkeit der fast unendlich raschen Ausbreitung zur geschwinden Übermittlung des Gedankens von Ort zu Ort auszunutzen. Die Bemühungen hierum setzten mit raschem Zugreifen ein.



Im Jahre 1780 sah

Galvani

 den Froschschenkel, den er, auf einen kupfernen Haken gespießt, am eisernen Treppengeländer aufgehängt hatte, in geheimnisvoller Weise zucken. 1794 klärte Alessandro

Volta

 die Ursache dieser Muskelkontraktion auf. Er stellte fest, daß nicht eine geheimnisvolle Kraft im Froschschenkel selbst, sondern durchfließende Elektrizität die Ursache gewesen sei. Mit Hilfe der Voltaschen Säule gelang es zum erstenmal, dauernde galvanische Ströme zu erzeugen.



Man erfuhr bald, daß solch ein Strom beim Durchgang durch gesäuertes Wasser imstande sei, dieses in seine chemischen Bestandteile, Sauerstoff und Wasserstoff, zu zerlegen. Und schon im Jahre 1808 machte der Münchener Arzt

Dr.


Sömmering

 den Vorschlag, diese Eigenschaft des elektrischen Stroms zur Herstellung einer telegraphischen Verbindung entfernter Orte zu benutzen.



Sömmering brachte in einem Glasgefäß 26 Goldspitzen an, von denen jede mit einem Buchstaben des Alphabets bezeichnet war. Die Spitzen standen durch 26 Leitungen mit ebensovielen Tasten am Gebeort in Verbindung. In einen 27. Draht, der die Flüssigkeit im Gefäß leitend mit der Gebestation verband, war eine galvanische Batterie eingeschaltet. Sobald am Gebeort eine Taste niedergedrückt wurde, begann eine Entwicklung von Gasbläschen an der betreffenden Goldspitze der Empfangsstelle, so daß der Beobachter am Empfangsort erkennen konnte, welche Taste in der Ferne niedergedrückt worden war. Auf diese Weise vermochte man also, wenn auch langsam, Worte zu übermitteln.



Sömmering stellte diesen ersten elektrischen Telegraphen der Münchener Akademie vor. Aber wegen der vielen Leitungen, die notwendig waren, und infolge der Schwierigkeit, diese genügend zu isolieren, konnte die Anordnung keine praktische Verwendung finden.



Professor

Schweigger

 in Erlangen schlug darum vor, statt der 26 Goldspitzen nur 2 zu nehmen. Durch eine Vorrichtung, die ein Umpolen der stromgebenden Batterie gestattete, wollte er die Entwicklung von Wasserstoff willkürlich bald an der einen, bald an der anderen Spitze stattfinden lassen. Man sieht nämlich an der Wasserstoffspitze eine bedeutend größere Zahl von Gasbläschen aufsteigen als an der anderen, wo Sauerstoff erzeugt wird. War nun ein Alphabet vereinbart, das jeden Buchstaben durch eine bestimmte Reihenfolge der ihren Ort wechselnden Wasserstoffentwicklung darstellte, so konnte man mit Hilfe von zwei Drähten dasselbe erreichen wie Sömmering mit seiner großen Zahl von Leitungen. Doch auch der Schweiggersche Telegraph hat keine praktische Verwendung gefunden, da mit den damaligen Hilfsmitteln eine deutliche Abgabe der Gasbläschenzeichen nicht möglich war.



Erst als

Oersted

 in Kopenhagen im Jahre 1820 die epochale Entdeckung gemacht hatte, daß ein elektrischer Strom, der in der Nähe einer frei schwebenden Magnetnadel parallel mit dieser vorbeigeführt wird, die Nadel abzulenken vermag, und daß diese Ablenkung von der Richtung des elektrischen Stroms abhängt, tat die Telegraphie einen weiteren wichtigen Schritt.



Ampère

 in Paris schlug sofort vor, diese Eigenschaft des elektrischen Stroms zur Übermittlung von Nachrichten zu verwenden. Er wollte so viel Nadeln aufhängen, wie das Alphabet Buchstaben besitzt, und eine jede Nadel durch einen darunter fortgeführten Draht von fernher ablenkbar machen. Hierzu hätte man wiederum 27 Drähte nötig gehabt. Ein solcher Ampèrescher Apparat ist nie gebaut worden.



Fechner

 gab aber hierzu eine ebensolche Vereinfachung an, wie sie Schweigger für den Sömmeringschen Apparat empfohlen hatte, indem er nur

eine

 Nadel mit willkürlich wechselnder Ablenkung nach beiden Richtungen anordnete. Die Wirkung der Ströme wurde dadurch verstärkt, daß man den Draht in vielen Windungen um die Nadel herumführte. Nadeltelegraphen, die auf diesem Fechnerschen Grundgedanken beruhen, sind später, als die Technik weiter vorgeschritten war, häufig angewendet worden und, wenn auch in abgeänderter Form, bei Beobachtungsinstrumenten noch heute im Gebrauch.



Nicht lange darauf wurden durch

Arago

 und namentlich durch die genialen Forschungen Michael

Faradays

 der Elektromagnetismus und die Magnetinduktion entdeckt.

Gauß

 und

Weber

 in Göttingen benutzten die Tatsache, daß die Verschiebung einer Drahtrolle in einem magnetischen Feld Stromstöße hervorruft, dazu, einen Nadelempfänger zu beeinflussen. Dieser erste Telegraph, bei dem kein Batteriestrom verwendet wurde, ist besonders bedeutungsvoll dadurch geworden, daß er zum erstenmal zu einer wirklichen telegraphischen Verbindung über eine gewisse Entfernung gedient hat. In dem Zeitabschnitt von 1833 bis 1844 verband ein Gauß-Weberscher Telegraph das Observatorium in Göttingen mit der dortigen Sternwarte. Im letztgenannten Jahr schlug ein Blitz in die über die Stadt Göttingen geführte Leitung und zerstörte sie vollständig.



Steinheil

 in München baute im Jahre 1837 die zweite in Gebrauch genommene Telegraphenanlage zwischen dem Akademiegebäude in der bayerischen Hauptstadt und der Sternwarte im benachbarten Bogenhausen. Ihm gelang es schon, die Nadelschwankungen auf einen vorbeigleitenden Papierstreifen durch feine Farblinien aufzeichnen zu lassen, und ihm gebührt darum das Verdienst, den ersten Schreibtelegraphen hergestellt zu haben. Er war es auch, der die Entdeckung machte, daß man mit einem einzigen Leitungsdraht auskommen und die Erde als Rückleitung benutzen könne, wenn man sowohl am Gebe- wie am Empfangsort je eine mit der Leitung verbundene Metallplatte in offenes Wasser oder in feuchtes Erdreich einsenkt.

Schilling von Cannstadt

 erweiterte den Steinheilschen Telegraphen durch die Zufügung eines Glockenwerks, das durch die erste Ablenkung der Magnetnadel ausgelöst wurde.



Bis dahin waren es ausschließlich Deutsche gewesen, die an der Entwicklung des Telegraphen gearbeitet hatten. Nun ging die Führung eine Zeitlang an die Engländer und Amerikaner über.

Wheatstone

 und

Morse

 waren es, die durch ihre Apparate eine neue große Periode der elektrischen Nachrichtenübermittlung herbeiführten. Aber sofort war es von neuem einem Deutschen beschieden, hier bahnbrechend einzugreifen, und dieser Deutsche hieß Werner Siemens.



Bis zu seinem Auftreten konnte von einem richtigen telegraphischen Verkehr nicht die Rede sein. Zehn Jahre später war das große Welttelegraphennetz bereits in lebhaftem Ausbau und ist auf den Bahnen, die Siemens ihm vorgeschrieben hat, bis zum heutigen Tag weitergeführt worden.



Als Siemens den Wheatstoneschen Zeigertelegraphen kennen lernte, gelang ihm, wie wir wissen, sofort eine Verbesserung dieser unzuverlässigen Maschine. Wheatstone hatte die Buchstaben des Alphabets im Kreis auf einem Zifferblatt angeordnet. Darüber war eine drehbare Nadel angebracht. An dem Empfangsort befand sich ein gleicher Buchstabenkreis, über den man eine Kurbel hinwegbewegen konnte. Durch das Drehen der Kurbel von einem Buchstaben zum anderen wurde immer ein Stromstoß in die Leitung gesandt, und damit die Nadel um einen Buchstaben weiterbewegt. Kurbel und Nadel sollten auf diese Weise stets den gleichen Stand haben, so daß in einfachster Weise hätte telegraphiert werden können. Die Übereinstimmung war jedoch äußerst mangelhaft, und erst Siemens vermochte hier Sicherheit zu erwirken. Er formte den Apparat dann noch weiter um, indem er an die Stelle der gebenden Kurbel Tasten mit Buchstabenbenennung setzte.



Die gesamte Bemühung um die Nadeltelegraphie war jedoch sofort zu Ende, als der

Morse-Apparat

 erschien. Hier wurde der vortreffliche Gedanke verwendet, durch einen Magnet einen Anker anziehen zu lassen und dadurch ein Aufschreiben von Zeichen auf einem an der Ankerspitze vorbeirollenden Papierstreifen zu bewirken. Sobald man am Gebeort durch Niederdrücken einer Taste einen Stromschluß hervorruft, wird drüben der Anker angezogen, und dessen Spitze schreibt bei längerem Niederdrücken der Taste auf den Papierstreifen einen Strich, bei kürzerem Niederhalten einen Punkt. Aus Punkten und Strichen setzte Morse in ausgezeichneter Weise ein Alphabet zusammen, das wir noch heute in der Draht- und sogar in der Funkentelegraphie verwenden. Der Apparat wurde zum Grundpfeiler der elektrischen Nachrichtenübermittlung.



Aber doch nur, nachdem er durch Siemens' Hand die brauchbare Gestalt erhalten, und nachdem seiner Wirkungsfähigkeit durch denselben Mann freie Bahn eröffnet worden war.



So wie der Morse-Apparat nach Europa kam, als Uhrmacherarbeit, war er keinesfalls zu verwenden. An ihm betätigte Siemens zum erstenmal seinen fabrikatorisch-technischen Grundsatz, dem er das ganze Leben hindurch treu geblieben ist, nämlich, sorgfältige und dauerhafte Arbeit zu leisten. So gab er dem Morse haltbare Laufwerke mit Selbstregulierung der Geschwindigkeit, zuverlässig wirkende Magnetsysteme und sichere Kontakte. Er bildete ihn allmählich zu dem Apparat durch, der heute noch als Normal-Morseschreiber bei den Eisenbahnen und Postanstalten Deutschlands in großer Zahl verwendet wird.

 



Schon überraschend frühzeitig dachte Siemens daran, den telegraphischen Verkehr dadurch zu beschleunigen und zugleich die Depeschen klarer lesbar zu machen, daß er Apparate für

automatische Sendung

 konstruierte. Er ließ Typen, die mit den Morsezeichen versehen waren, zusammensetzen und sie unter einer Vorrichtung rasch hindurchtreiben, die nun Punkte und Striche geschwind durch die Leitung schickte. Später verbesserte er durch die Konstruktion einer

Dreitastenstanzmaschine

 den selbsttätigen Lochstreifensender, der die Grundlage für die feinste Blüte der automatischen Zeichengebung, den Siemens & Halskeschen Schnelltelegraphen, geworden ist; mit diesem kann man heute bis zu 2000 Zeichen in der Minute durch den Draht senden.



Ein wenig an Zauberei gemahnt immer das Verfahren, das uns ermöglicht, durch

einen

 Draht zu gleicher Zeit zwei Telegramme nach beiden Richtungen zu senden. Von jeder der beiden Leitungsendstellen aus wird im gleichen Augenblick etwas anders telegraphiert; die Ströme durchdringen sich sozusagen gegenseitig in der Leitung, aber sie stören einander dennoch nicht. Ganz deutlich und klar kommt jedes der beiden zur gleichen Zeit durch den Draht laufenden Telegramme am Empfangsort an. Werner Siemens ist es gewesen, der diese

Gegensprechmethode

, wie sie noch heute genannt wird, erfunden hat. Die Möglichkeit dazu wird durch eine sehr fein erdachte Schaltungsmethode an beiden Endpunkten der Leitung gegeben. Zur selben Zeit wie Siemens erfand auch der Telegrapheninspektor Carl

Frischen

 in Hannover das Gegensprechen; dieser hat später als Ingenieur der Firma Siemens & Halske dort eine bedeutende Stellung eingenommen und ist der Vater des Blocksystems, der wichtigsten Sicherungsanlage für Eisenbahnen, geworden.



Als sich bei der immer größer werdenden Ausdehnung der Telegraphenleitungen die Notwendigkeit zeigte, die niedrig gespannten Batterieströme in höher gespannte Gleichströme umzuwandeln, konstruierte Werner Siemens eine

Tellermaschine

, welche die damals technisch nicht einfache Aufgabe glänzend löste. Diese Tellermaschine ist als Vorläuferin der Dynamomaschine anzusehen, und zugleich ist in ihr zum erstenmal das Prinzip des

Transformators

 verwendet, das für die heutige Starkstromtechnik eine so überragende Bedeutung gewonnen hat.



Allen wohl sind die großen Läutewerke bekannt, die an jeder Eisenbahnwärterbude stehen. Sie dienen dazu, dem Wärter durch das Ertönen der Glocke erkennen zu lassen, daß alsbald ein Zug herankommen wird. Die Signale werden mittels des elektrischen Stroms von dem nächsten Bahnhof her gegeben. Im Anfang mußte man so kräftige Ströme hierfür verwenden, daß sie imstande waren, die schweren Glockenklöppel selbst durch Magnetanziehung in Tätigkeit zu setzen. Siemens führte hier durch einen Gedanken, der fortab auch an vielen anderen Stellen verwendet worden ist, eine sehr bedeutende Erleichterung der Zeichengebung ein. Er brachte in den Gehäusen der Glocken Uhrwerke an, durch die, sobald die Sperrung ausgelöst ist, die Klöppel bewegt, und so die Glocken zum Tönen gebracht werden. Der elektrische Strom braucht jetzt im Augenblick der Zeichengebung nur noch die

Sperrung auszulösen

, kann also sehr viel schwächer sein.



Die Beschäftigung mit den Eisenbahnläutewerken regte Werner Siemens auch dazu an, darüber nachzudenken, ob die sehr unbequemen galvanischen Batterien, die sehr viel Wartung beanspruchten und auf den an der freien Strecke gelegenen Zwischenpunkten niemals sachgemäß gepflegt wurden, nicht durch andere Stromgeber ersetzt werden könnten. Es gab damals schon die Magnetinduktionsmaschine, bei der durch Drehen eines Ankers zwischen den Polen von Stahlmagneten Elektrizität erzeugt wurde. Siemens war jedoch nicht der Mann, diese Maschine, als sie ihm für seine Zwecke geeignet schien, einfach in der hergebrachten Form zu übernehmen. Er erfand vielmehr sofort eine Verbesserung, die wohl zum erstenmal seinen Namen in der ganzen technischen Welt bekannt gemacht hat.



Es entstand für diese Eisenbahnläutewerke der

Doppel-T-Anker

, in England

Siemens armature

 genannt. Dieser verbesserte den Wirkungsgrad der Induktoren ganz außerordentlich, und wir werden seine Bedeutung auch für die Dynamomaschine später noch kennen lernen. Heute noch ist der Doppel-T-Anker bei allen Magnetinduktoren, die für Telephonruf und für Signalzwecke verwendet werden, in sämtlichen Ländern der Erde in unzähligen Exemplaren im Gebrauch.



Aber trotz dieser fruchtbaren erfinderischen Tätigkeit liegt die epochale Leistung Werner Siemens' für die Telegraphie doch auf einem Gebiet, das mit deren Apparatur selbst nichts zu tun hat, sondern nur das anscheinend nebensächliche, aber schließlich doch wichtigste Zwischenglied betrifft: die Leitung.



»Der Gelehrte,« so schreibt er einmal, »konnte leicht Methoden und Kombinationen ersinnen, welche telegraphische Mitteilungen möglich machten, und welche sich auch, im Zimmer versucht, trefflich bewährten. In Wirklichkeit trat aber ein neues schlimmes Element hinzu, welches seine Pläne durchkreuzte – die isolierte Leitung zwischen den telegraphisch zu verbindenden Orten.« Seltsamerweise bevorzugte man in jenen Zeiten die unterirdischen Telegraphenleitungen vor den durch die Luft geführten. Um so mehr war eine gründliche Isolierung der Drähte notwendig, und eine solche war nicht vorhanden. Gerade das trieb Siemens dazu, der Telegraphie seine Lebensarbeit zu widmen.



Das Leitungsnetz

Schon gleich nachdem ihm die Verbesserung des Wheatstoneschen Zeigertelegraphen gelungen, war es, wie wir schon gehört haben, Werner Siemens ganz klar geworden, daß er hier seinen Lebensweg gefunden habe. Endgültig warf er alle »Erfindungsspekulationen« hinter sich und begann eine Arbeit, die erst in der Zukunft Früchte bringen konnte, obgleich die materiellen Sorgen ihn schwer bedrängten.



Am 13. Dezember 1846 schreibt er an seinen Bruder Wilhelm: »Ich bin jetzt ziemlich entschlossen, mir eine feste Laufbahn durch die Telegraphie zu bilden, sei es in oder außer dem Militär. Die Telegraphie wird eine eigene wichtige Branche der wissenschaftlichen Technik werden, und ich fühle mich einigermaßen berufen, organisierend in ihr aufzutreten, da sie, meiner Überzeugung nach, noch in ihrer ersten Kindheit liegt … Man muß doch endlich einmal suchen, irgendwo festen Fuß zu fassen. Meyer schenkte mir gestern eine Tasse mit der Aufschrift: »Schier dreißig Jahre bist du alt!« – Die Wahrheit dieses Ausspruchs macht bedenklich und spornt zur Eile an. Wenn nur das verdammte Geld einen nicht im Drecke festhielte!«



Und dann kommt es wie eine Offenbarung über ihn, daß er richtig gehandelt habe und niemals mehr werde zurückzuweichen brauchen. In einem Brief vom 3. Januar 1847 an Wilhelm, der ihm inzwischen geantwortet und ihn in seinem Vorhaben bestärkt hatte, heißt es:



»Die trübe Stimmung (der Neujahrsnacht) wurde durch die neue Bahn, die ich mir zum 30. Geburtstage geschenkt habe, gemildert. Ich habe mich im alten Jahre aller sanguinischen Hoffnungen, aller der vielen sich teils durchkreuzenden Pläne entledigt und will, mit Deinem Rate übereinstimmend, alle meine Kräfte dem einen Ziele, der galvanischen Telegraphie und was daran hängt und dazu nutzt, widmen! Ich will suchen, mich mit aller Anstrengung aus der verzweifelten Lage, in der ich mich befinde, herauszuarbeiten und wünsche mir selbst Ausdauer und Gesundheit dazu …



»Ich kündige Dir hierdurch unsere Kompanieschaft und entsage allen Ansprüchen auf die aus einer durch Dich vielleicht herbeigeführten glücklichen Wendung unserer bisherigen gemeinsamen Angelegenheiten entspringenden Einnahmen. Wir können darum doch treue Brüder bleiben, können uns gegenseitig raten und helfen.«



Ist es nicht, als wenn hier die Macht, die das Schicksal der Menschheit lenkt, ihrem Werkzeug zugeflüstert habe: das gelobte Land liegt hier vor dir!



Denn in Wirklichkeit war ja noch gar nichts geschehen, was zu großen Hoffnungen berechtigte. Nun erst setzt sich Siemens mit einer kleinen Werkstatt in Verbindung, die von den Mechanikern Böttcher und

Halske

 geleitet wurde. Er zeigt einen von ihm erdachten Telegraphenapparat, und der vorzügliche Gang begeistert Halske so sehr, daß er sofort beschließt, den Apparat mechanisch exakt auszuführen.



Siemens hatte lange gesucht, bis er in der damaligen noch so untechnischen Welt jemand fand, auf dessen Arbeit er sich verlassen konnte. Er wußte ganz genau, daß von der Sorgfalt der mechanischen Abarbeitung alles künftige Gelingen beim Ausbau der Telegraphenapparatur abhing. Und das ist ein Grundsatz, den er später auf die Großfabrikation übertragen hat, und der lebhaft mithalf, die von ihm begründete Firma groß und bedeutend zu machen.



Die überraschend sicher laufenden Apparate erregten das Interesse des Generalstabs, in dessen Händen damals die gesamte Telegraphie lag. Der Telegraphendirektor Oberst Etzel erwirkte, als schon wieder eine Rückversetzung nach Wittenberg drohte, Siemens' Kommandierung zur Militärtelegraphie.



Hierbei nahm Werner Siemens wahr, daß die Hauptschwierigkeit beim Bau der gewünschten unterirdischen Leitungen die mangelhafte Isolation war. Jacobi hatte versucht, die Leitungen mit Kautschuk oder Harzen zu umkleiden und sie durch Glasröhren hindurchzuziehen. Aber die Feuchtigkeit des Bodens drang in die Nähte des Kautschuks und in die Verbindungsstellen zwischen den Glasröhren ein. Nur eine zusammenhängende isolierende Masse konnte hier helfen. Es gelang Siemens, sie aufzufinden.



Kurz vor jener Periode hatte José d'Almeida der Asiatischen Gesellschaft in London ein Stück

Guttapercha

 vorgelegt. Dieser Stoff wird aus dem Saft eines Baums gewonnen, der nur auf der Halbinsel Malakka, den Inseln Sumatra und Borneo sowie einigen kleinen benachbarten Inselgruppen wächst. Man schenkte der Guttapercha jedoch keinerlei Interesse, bis der Arzt Montgomery einige daraus gefertigte Gegenstände, wie Rohre und Flaschen, aus Hinterindien nach England mitbrachte. Da wurde Wilhelm Siemens darauf aufmerksam und schickte seinem Bruder Werner ein Stück Guttapercha als Kuriosität zu.



Dieser beobachtete, daß die Masse in erwärmtem Zustand plastisch wurde und sehr gute isolierende Eigenschaften besaß. Er überzog einige Drahtproben mit erwärmter Guttapercha und fand, daß die Drähte vorzüglich isoliert waren. Sogleich legte er der Telegraphenkommission die Guttaperchaleitungen vor, und man veranstaltete eine Probeverlegung auf dem Gelände der Anhaltischen Bahn. Es zeigte sich jedoch bald, daß die Naht, die in der Umhüllung vorhanden war, weil man die erwärmte Guttapercha um den Draht herumgewalzt hatte, sich leicht löste, wodurch die Isolierung unbrauchbar wurde. Da erfand Werner Siemens die

Guttapercha-Schraubenpresse

, die gestattete, den Stoff unter Anwendung hohen Drucks nahtlos um den Kupferdraht zu fügen. Das ist das große Ereignis, von dem ab die Menschheit in den Besitz ausgezeichnet isolierter Drähte gelangte.



Sofort wurde Werner Siemens beauftragt, eine längere unterirdische Leitung zu legen, und zwar von Berlin bis Großbeeren. Sie bewährte sich ausgezeichnet. Und nun erschien Siemens das Aufblühen des Telegraphen unmittelbar bevorzustehen.



Obgleich er noch immer Offizier war, veranlaßte er den Mechaniker J. G. Halske, aus der Firma, der er bisher angehörte, auszutreten und mit ihm zusammen eine Werkstatt zu begründen. Am 12. Oktober 1847 wurde diese in einem Hinterhaus der Schöneberger Straße eröffnet, in dem auch Halske und Siemens selbst Wohnung nahmen. Ein Vetter, der Justizrat Georg Siemens, der spätere Direktor der Deutschen Bank und Vater des Bagdadbahn-Unternehmens, hatte hierzu 6000 Taler hergegeben. Diese Anleihe ist die einzige geblieben, die für das Geschäft gemacht wurde. Ohne weitere Inanspruchnahme fremden Kapitals erwuchs hieraus die Weltfirma Siemens & Halske. Wir werden im Verlauf der nun folgenden Darstellung die Entwicklung dieser Firma nicht genauer verfolgen, da sie in einem späteren besonderen Abschnitt zusammenhängend dargestellt werden soll.



Vorläufig konnte der Leutnant Siemens nur als stiller Teilnehmer an dem Geschäft mitarbeiten, aber er war doch die tragende Kraft des Unternehmens. Als ihm kurze Zeit später die Stellung als Leiter der preußischen Staatstelegraphen angeboten wurde, lehnte er jugendkräftig diese bequeme Versorgung ab, um die Hände zu weiteren selbständigen Arbeiten frei zu haben.



Aber schon in dieser Periode geringer Entwicklung dachte er daran, welchen Nutzen der Telegraph der Allgemeinheit bringen könnte. Er kämpfte in der Kommission des Generalstabs dafür, daß die Benutzung der Telegraphenlinien auch dem Publikum gestattet würde, was bis dahin nicht der Fall war. Es gelang jedoch erst später, diesen Gedanken durchzusetzen, der das öffentliche Wohl so lebhaft fördern sollte.

 



Während sich nun alles in bester Entwicklung befand, brach der Sturm von 1848 los, dessen Einwirkung auf Werner Siemens wir bereits geschildert haben, ebenso wie seine Teilnahme an dem Kampf gegen Dänemark. Dabei haben wir gesehen, wie vortrefflich er die eben neu hergestellten Leitungen mit Guttapercha-Isolierung für die Minen zur Verteidigung des Hafens zu verwenden wußte.



Als der Festungseroberer und Batteriekommandant heimkehrte, fand er eine recht lebhaft veränderte Situation vor. Die Telegraphenverwaltung war dem Militär entzogen und dem Handelsministerium unterstellt worden. Zum Leiter dieser Abteilung war ein Regierungsassessor

Nottebohm

 ernannt worden, den Siemens von einem Verwaltungsposten in der Telegraphenkommission her kannte und nicht sonderlich schätzte. Halske hatte inzwischen dafür gesorgt, daß die kleine Fabrik weiterarbeitete, und so konnte sie sich gleich an der Ausführung eines großen Unternehmens beteiligen, zu dessen Leitung Werner Siemens berufen wurde.



Man wollte möglichst schnell eine

unterirdische Leitung von Berlin nach Frankfurt a. M.

 verlegt haben, wo die Deutsche Nationalversammlung, das berühmte Parlament der Paulskirche, tagte. Mit der Lieferung der Apparate wurde Halske beauftragt. Die isolierten Drähte wurden von der Berliner Gummifabrik Fonrobert & Pruckner bezogen, an die Siemens das Recht zur Herstellung der Guttapercha-Isolierung mit der von ihm erfundenen Presse übertragen hatte.



Siemens war also, wie Ehrenberg schreibt, an dem Bau der Linie nach Frankfurt in dreifacher Weise beteiligt: als Staatsangestellter, als stiller Teilhaber von Halske und als vertragsmäßig beteiligter Interessent bei der Firma, welche die Leitungen lieferte. Es war ein verwickeltes und offenbar auf die Dauer nicht mögliches Verhältnis. Dabei wurde an dem Unternehmen nicht viel verdient. Werner meinte: »Wenn 5000 Taler übrigbleiben, können wir zufrieden sein!« Doch wurden es schließlich bei weitem nicht so viel.



Selbstverständlich mußte die Leitung unterirdisch geführt werden, da man in Deutschland, wie damals überall, die Furcht hegte, daß oberirdisch geführte Drähte von Mutwilligen zerstört oder von diebischen Leuten, die der Wert der Drähte lockte, herabgerissen werden könnten. Siemens empfahl, sich bei den in die Erde einzusenkenden Kabeln mit der bloßen Isolation nicht zu begnügen, sondern sie noch mit einem Eisenbandmantel zu umkleiden, damit sie Beschädigungen genügenden Widerstand entgegensetzen könnten. Doch in Rücksicht auf die erforderliche Schnelligkeit und wegen der zu hohen Kosten wurde dieser Ermahnung kein Gewicht beigelegt, was sich später bitter rächen sollte. Man umhüllte die Drähte nur mit Hilfe der Siemensschen Guttaperchapresse und legte sie dann in einen nur anderthalb Fuß tiefen Graben am Eisenbahndamm entlang.



Das Unglück wollte es ferner, daß die Guttapercha knapp zu werden begann, da plötzlich infolge der von Siemens ausgehenden Anregung, sie zur Isolierung von Drähten zu verwenden, eine sehr lebhafte Nachfrage nach diesem Stoff eingetreten war. So sah man sich gezwungen, um den weiteren Fortschritt der Arbeit nicht aufzuhalten, die Guttapercha zu vulkanisieren, das heißt mit Schwefel zu mischen, was sich in der Folge als ein weiterer Fehlgriff erwies. Das Endstück von Eisenach bis Frankfurt mußte dann schließlich doch noch oberirdisch geführt werden, da hier die Eisenbahn, deren Erstreckung man sonst folgte, noch nicht fertiggestellt war.



Auch an der Luftleitung traten ungeahnte Schwierigkeiten auf. Es zeigte sich nämlich, daß der nur ganz einfach an hölzernen Pfosten befestigte Draht mit der Erde in leitende Verbindung kam, sobald die Pfosten durch Regen benetzt wurden. Zur Abhilfe erfand Werner Siemens den

glockenförmigen Isolator

, wie wir ihn heute zu Millionen in allen Ländern der Erde als Leitungsträger antreffen. Dieser Isolator bietet den großen Vorteil, daß der tief ins Innere hineingezogene Mantel der Glocke auch bei starkem Regen trocken bleibt, so daß sich eine zusammenhängende Regenhaut von dem über die Spitze der Glocke laufenden Draht bis zum Pfosten nicht bilden kann.



Es gelang wirklich, die ganze Linie so rasch fertigzustellen, daß mit ihrer Hilfe die am 28. März 1849 in Frankfurt erfolgte Wahl König Friedrich Wilhelms IV. zum Deutschen Kaiser noch in derselben Stunde in Berlin bekannt wurde.



Diese Telegraphenlinie war die erste von größerer Ausdehnung, die in Europa entstand.



Die Leistung, die Werner Siemens hier vollbrachte, ist um so bemerke

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