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Werner von Siemens

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Die Anfänge

Wir Heutigen haben Mühe, uns die Zeitumstände vorzustellen, unter denen der junge Werner nach Berlin ging. Ging im wahren Sinn des Worts, denn er mußte über die Chaussee wandern, da es eine regelmäßige Verbindung von Mecklenburg nach Berlin nicht gab, und er auch gar nicht imstande gewesen wäre, die Fahrkosten aufzubringen.

Für die Mecklenburger zog er ins Ausland, in das fremde, immer mit einem gewissen Schrecken betrachtete preußische Gebiet hinein. Die Bauern von Menzendorf, die den Knaben liebgewonnen hatten, sandten sogar eine Abordnung an den Vater, um ihn zu bitten, »so einen gauden Jungen« doch nicht nach Preußen gehen zu lassen, wo er notwendigerweise verhungern müsse. Sie dachten, daß das ganze Land aus demselben unfruchtbaren Sand bestünde wie der preußisch-mecklenburgische Grenzrand. Irgendein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl war noch nicht vorhanden; nur der Vater ahnte schon mit ziemlicher Klarheit, daß der Staat Friedrichs des Großen Deutschland einstmals zur Größe emporführen würde.

So trug also der künftige Offiziersaspirant sein gewiß nicht allzu schweres Ränzel über die staubige Landstraße einer Zukunft entgegen, deren Größe ihm durch keine Fata Morgana angezeigt wurde. Der erste Mensch, der sich ihm auf dem neuen Lebensweg beigesellte, war ein junger Knopfmacher. Der zog auch nach Berlin, und mit ihm nahm Werner Siemens in der Knopfmacherherberge sein erstes Quartier.

Das sollte ihm bald sehr übelgenommen werden. Er hatte eine Empfehlung an einen entfernten Verwandten, den Leutnant von Huet bei der reitenden Gardeartillerie, bei sich; diesen suchte er auf und versetzte ihn in größten Schrecken durch die Mitteilung, daß er in der standesunwürdigen Knopfmacherherberge übernachtet habe. Der Leutnant ließ sofort das Ränzel abholen, den jungen Mann in einem besseren Hotel in der Neuen Friedrichstraße unterbringen und sandte ihn zum General von Rauch, den damaligen Chef des Ingenieurkorps.

Der junge Werner trug nun dem General seinen Wunsch vor, als Avantageur sich das Recht auf Einberufung zur Artillerie- und Ingenieurschule zu erdienen. Aber auch hier sollte er keinen Erfolg haben. Der General riet dringend ab, da so viel Vormänner vorhanden wären, daß der Eintritt in die Schule vielleicht erst in vier bis fünf Jahren stattfinden könnte. Er empfahl jedoch, zur Artillerie zu gehen, wo die Aussichten besser seien und eine gleiche Schulbildung erworben werden könnte. Der junge Siemens sah ein, daß dieser Weg wohl der beste sein würde, und mit guter Empfehlung versehen, fuhr er nach Magdeburg zum Kommandeur der dritten Artilleriebrigade, dem Obersten von Scharnhorst, einem Sohn des großen Organisators der preußischen Armee.

Hier stehen wir nun an der Wurzel des wissenschaftlichen Werdegangs von Werner Siemens, der also ebenso im soldatischen Bezirk seinen Anfang nahm wie die Entwicklung eines anderen Großen, dessen Lebenslauf er später kreuzen sollte, Hermann Helmholtz'.

Der Oberst von Scharnhorst machte auch noch einige Schwierigkeiten. Die Zulassung zur Artillerielaufbahn sollte von dem Ausfall eines Examens abhängig gemacht werden. Und auch die Erlaubnis zur Teilnahme an der Prüfung konnte nicht ohne weiteres erteilt werden, denn Siemens war ja als Mecklenburger für Preußen ein Ausländer und mußte zuvor vom mecklenburgischen Militärdienst freigekauft werden. Das ging keinesfalls geschwind. Erst als er sich schon zum Examen begeben wollte und mit großen Sorgen den Freikaufbrief vermißte, kam der Vater selbst auf einem leichten Wagen nach Magdeburg gefahren und übergab seinem Sohn das Dokument, das er der langsamen Beförderung durch die Post nicht hatte anvertrauen wollen.

Siemens hatte sich, obwohl er ausgezeichnete Kenntnisse in der Mathematik besaß, auf das Examen mühselig vorbereiten müssen, da hierbei auch in Geschichte, Geographie und Französisch geprüft wurde; diese Fächer hatte er auf dem Lübecker Gymnasium nur sehr oberflächlich getrieben. Große Kenntnisse hatte er denn darin auch nicht erreicht, am wenigsten in der Erdkunde, aber im Examen half ihm einer jener zahlreichen Zufälle, denen unser großer Mann im Leben so häufig als fördernden oder hemmenden Elementen begegnen sollte.

Die kleine Episode hat uns Werner Siemens selbst in seinen »Lebenserinnerungen« erzählt, einem der schönsten Volksbücher, die wir besitzen; jeder Jüngling sollte es lesen, der sich zu Ausdauer und großen Taten kräftigen will, und jeder Mann, der Erbauung sucht in der Darstellung eines Lebens, das voll ist von Suchen und Finden, von jauchzendem Hoffen und unverzagtem Bescheiden, von Fehlschlägen und prachtvollem Gelingen.

Das dramatische Erlebnis bei der Prüfung trug sich so zu: »Examinator war ein Hauptmann Meinicke, der den Ruf eines sehr gelehrten und dabei originellen Mannes hatte. Er galt für einen großen Kenner des Tokaierweins, wie ich später erfuhr, und das mochte ihn wohl veranlassen, nach der Lage von Tokai zu forschen. Niemand wußte sie, worüber er sehr zornig wurde. Mir als letztem der Reihe fiel zum Glück ein, daß es Tokaierwein gab, der einst meiner kranken Mutter verordnet war, und daß der auch Ungarwein benannt wurde. Auf meine Antwort: »In Ungarn, Herr Hauptmann!« erhellte sich sein Gesicht, und mit dem Ausruf: »Aber, meine Herren, Sie werden doch den Tokaierwein kennen!« gab er mir die beste Zensur in der Geographie.«

So zählte Siemens schließlich zu den vier Glücklichen, die das Examen am besten bestanden. Gewissermaßen haben wir es also dem feurigen Erzeugnis der ungarischen Weinberge zu verdanken, daß er seine Laufbahn in einigermaßen brauchbarer Weise beginnen konnte. Wer weiß, wohin seine Entwicklung geführt hätte, wenn der prüfende Lehrer dem Tokaierwein nicht ergeben gewesen wäre.

Es fehlte aber immer noch eine Planke auf der Brücke, die zur Zukunft führen sollte. Der »Ausländer« mußte erst eine ausdrückliche königliche Genehmigung für den Eintritt ins preußische Heer haben. Sie wurde ihm schließlich erteilt und ward das Eingangstor zu dem Bezirk, den er mit seinem Ruhm erfüllen sollte. »Ich betrachte,« so schrieb Siemens später, »die Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III., die mir den Eintritt in die preußische Armee gestattete, als die Eröffnung der einzigen für mich damals geeigneten Bahn, auf der meine Tatkraft sich entfalten konnte.«

Nun ward der junge Artillerist auf dem Domplatz zu Magdeburg gedrillt. Und schon nach sechs Monaten erhielt er die Beförderung zum Bombardier; das war ein Dienstgrad, der ungefähr unserem heutigen Obergefreiten entspricht. Bei den Schießübungen wurde er zum erstenmal seiner besonderen technischen Begabung gewahr, denn es schien ihm hier alles selbstverständlich, was die anderen nur schwer begriffen.

Im Herbst des Jahres 1835 erhielt Siemens endlich das ersehnte Kommando zur Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin. Die drei Jahre, die er hier zubrachte, zählt er selbst zu den glücklichsten seines Lebens. Ein wiederum günstiger Zufall wollte es, daß er hier drei sehr bedeutende Naturwissenschaftler als Lehrer vorfand, den Mathematiker und Physiker Ohm, der das für die Elektrizitätslehre grundlegende Ohmsche Gesetz aufstellte, den Physiker Magnus und den Chemiker Erdmann. Nur durch eisernen Fleiß gelang es Siemens, das Fähnrich-, das Armeeoffizier- und endlich das Artillerieexamen zu bestehen; mit großer Not und ohne Auszeichnung kam er durch diese Klippen hindurch, da ihm eben die feste wissenschaftliche Grundlage fehlte. Soweit er irgend Zeit hatte, beschäftigte er sich darum mit seinen Lieblingswissenschaften Mathematik, Physik und Chemie, und diesen Disziplinen hat er sein ganzes Leben hindurch eine treue Zuneigung bewahrt.

Nun war er Sekondeleutnant und kehrte im Sommer 1838 aus Berlin wieder zu seinem Truppenteil nach Magdeburg zurück.

Es begann eine Zeit schwerer Sorgen und Kümmernisse. Während eines vierwöchigen Urlaubs besuchte er mit seinem Freund William Meyer das Heimatdorf, und die Wiedersehensfreude mit der vielköpfigen Familie war groß und rührend. Die preußischen Offiziersuniformen imponierten den braven Dörflern lebhaft, und sie begannen einzusehen, daß es in Preußen doch wohl noch andere Menschen geben müsse als Hungerleider. Damals feierte auch die älteste Schwester Mathilde ihre Hochzeit mit dem Professor Karl Himly aus Göttingen.

Der Bruder Wilhelm sollte nach der Absicht der Eltern Kaufmann werden. Aber Werner erkannte klar, daß dieses für Wilhelm keine geeignete Laufbahn wäre. Mit großherzigem Entschluß nahm er ihn gelegentlich seines Besuchs in Lenthe aus dem Lübecker Gymnasium und ließ ihn, nachdem die Genehmigung der widerstrebenden Eltern erlangt war, mit nach Magdeburg übersiedeln, wo er seine Erziehung mit treuer Sorge überwachte. Er erteilte dem Bruder selbst an jedem Morgen von fünf bis sieben Uhr mathematischen Unterricht und veranlaßte ihn auch, sich mit der englischen Sprache zu beschäftigen. Beides ist für Wilhelm in der Folge von grundlegender Bedeutung geworden. Um sein eigenes Verdienst zu verdecken, schrieb Werner Siemens später, »daß der dem Bruder erteilte mathematische Unterricht für ihn selbst sehr nützlich gewesen sei, da er dazu beigetragen habe, ihn allen Verlockungen des Offizierslebens siegreich widerstehen zu lassen.«

Zu systematischer wissenschaftlicher Weiterbildung war jetzt wenig Zeit. Aber Werner Siemens begann doch schon ein wenig technisch zu experimentieren. Und das wäre ihm beinahe schlecht bekommen. Der erste Versuch brachte gleich ein jähes, nicht gerade angenehmes Erlebnis. Er hat es in den »Lebenserinnerungen« dargestellt:

»Ich hatte gehört, daß mein Vetter, der hannöversche Artillerieoffizier A. Siemens, erfolgreiche Versuche mit Friktionsschlagröhren angestellt hatte, die anstatt der damals noch ausschließlich gebrauchten brennenden Lunte zum Entzünden der Kanonenladung benutzt werden sollten. Mir leuchtete die Wichtigkeit dieser Erfindung ein, und ich entschloß mich, selbst Versuche nach dieser Richtung zu machen. Da die versuchten Zündmittel nicht sicher genug wirkten, so rührte ich in Ermangelung besserer Gerätschaften in einem Pomadennapf mit sehr dickem Boden einen wässerigen Brei von Phosphor und chlorsaurem Kali zusammen und stellte den Napf, da ich zum Exerzieren fortgehen mußte, gut zugedeckt in eine kühle Fensterecke.

 

»Als ich zurückkam und mich mit einiger Besorgnis nach meinem gefährlichen Präparat umsah, fand ich es zu meiner Befriedigung noch in derselben Ecke stehen. Als ich es aber vorsichtig hervorholte und das in der Masse stehende Schwefelholz, welches zum Zusammenrühren gedient hatte, nur berührte, entstand eine gewaltige Explosion, die mir den Tschako vom Kopf schleuderte und sämtliche Fensterscheiben samt den Rahmen zertrümmerte. Der ganze obere Teil des Porzellannapfes war als feines Pulver im Zimmer umhergeschleudert, während sein dicker Boden tief in das Fensterbrett eingedrückt war.

»Als Ursache dieser ganz unerwarteten Explosion stellte sich heraus, daß mein Bursche beim Reinmachen des Zimmers das Gefäß in die Ofenröhre gesetzt und dort einige Stunden hatte trocknen lassen, bevor er es wieder an denselben Platz zurücktrug. Wunderbarerweise war ich nicht sichtlich verwundet, nur hatte der gewaltige Luftdruck die Haut meiner linken Hand so gequetscht, daß Zeigefinger und Daumen von einer großen Blutblase bedeckt waren. Leider war mir aber das rechte Trommelfell zerrissen, was ich sogleich daran erkannte, daß ich die Luft durch beide Ohren ausblasen konnte; das linke Trommelfell war mir schon im Jahre vorher bei einer Schießübung geplatzt. Ich war infolgedessen zunächst ganz taub und hatte noch keinen Laut gehört, als plötzlich die Tür meines Zimmers sich öffnete, und ich sah, daß das ganze Vorzimmer mit entsetzten Menschen angefüllt war. Es hatte sich nämlich sofort das Gerücht verbreitet, einer der beiden im Quartier wohnenden Offiziere hätte sich erschossen.

»Ich habe infolge dieses Unfalls lange an Schwerhörigkeit gelitten und leide auch heute noch hin und wieder daran, wenn sich die verschlossenen Risse in den Trommelfellen gelegentlich wieder öffnen.«

Es gelang also vorläufig noch nicht, eine wichtige Erfindung zu machen, und das war um so betrüblicher, als die finanzielle Lage der Brüder allmählich immer bedenklicher wurde.

Am 8. Juli 1839 starb die heißgeliebte Mutter, und ein halbes Jahr später, am 16. Januar 1840, schied auch der Vater aus dem Leben, zermürbt vom vergeblichen Ringen um den Erwerb des Lebensunterhalts für seine Familie und niedergebeugt von schwerer Sorge, da die Landwirtschaft damals Erkleckliches nicht abwerfen wollte. Es ist ein tragisches Geschick, daß die Eltern dahingehen mußten, bevor noch ein Ahnungsschimmer von dem künftigen Aufstieg ihres Sohns ein wenig lichte Freude in ihr trübes Dasein hatte bringen können.

Auf den ältesten der dem Haus nahegebliebenen Söhne fiel nun als schwere Last die Sorge um die sämtlichen Kinder. Die Domäne Menzendorf wurde den Brüdern Hans und Ferdinand übertragen, die jüngste Schwester Sophie nahm ein Onkel Deichmann in Lübeck an Kindesstatt an, und die jüngsten Brüder Walter und Otto blieben zunächst noch bei der Großmutter in Menzendorf.

Später hat Werner Siemens noch einige der Brüder zu sich genommen, und immer schwerer drängte sich ihm die Notwendigkeit auf, Geldmittel zum Unterhalt für sich und die Geschwister herbeizuschaffen. Er fühlte, daß dies mit Hilfe von Erfindungen wohl am leichtesten der Fall sein würde.

Mehr Muße hierzu als in Magdeburg fand er in der kleinen Garnisonstadt Wittenberg, wohin er im Jahre 1840 kommandiert wurde.

Kurze Zeit vorher hatte Jacobi in Dorpat die Galvanoplastik erfunden, und gerade als Siemens in dem allzu kleinstädtischen Leben von Wittenberg nach anregender Betätigung suchte, kamen die ersten Nachrichten von dieser so wichtigen Erfindung nach Deutschland. Siemens versuchte sofort, die Methode nachzumachen, und es gelang ihm auch, mit Hilfe des galvanischen Stroms aus einer Lösung von Kupfervitriol Kupferniederschläge auf anderen Metallen zu erhalten. Sein lebhafter Geist führte ihn sofort weiter. Er dachte, daß es doch möglich sein müsse, ebenso wie man Niederschläge aus Kupfer erhielt, auf gleiche Weise auch solche von Gold oder Silber zu erzielen. Daß Gegenstände aus unedlen Metallen, die mit Gold oder Silber überzogen wären, einen sehr viel höheren Wert bekommen müßten, war ohne weiteres einleuchtend.

Einem an sich fatalen Erlebnis, wieder einem plötzlichen Blitz aus der Schicksalswolke, durfte er es verdanken, daß er seine Erfindungsabsicht in voller Ruhe ausarbeiten konnte.

Erste Erfindungen

Siemens hatte an einem der zahlreichen Duelle, wie sie unter den Offizieren der kleinen Garnison häufig vorkamen, als Sekundant teilgenommen, und der Zufall wollte es, daß das Vorkommnis zur Anzeige gelangte. Die Strafen, die das Gesetz damals den Duellteilnehmern androhte, waren äußerst streng. Die Duellanten wurden demzufolge zu zehn, Siemens zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

Als er sich nach der Zitadelle von Magdeburg begab, um dort seine Strafe anzutreten, versorgte er sich beim Vorübergehen in einer Chemikalienhandlung mit den Mitteln, um seine elektrolytischen Versuche fortsetzen zu können. Er richtete sich in der Zelle ein kleines Laboratorium ein und experimentierte mit Gold in unterschwefligsaurem Natron. Diese Flüssigkeit benutzte er zur Anstellung eines ersten galvanoplastischen Vergoldungsversuchs. Er gelang über alles Erwarten gut.

»Ich glaube,« so schreibt er darüber, »es war eine der größten Freuden meines Lebens, als ein neusilberner Teelöffel, den ich, mit dem Zinkpol eines Daniellschen Elementes verbunden, in einen mit unterschwefligsaurer Goldlösung gefüllten Becher tauchte, während der Kupferpol mit einem Louisdor als Anode verbunden war, sich schon in wenigen Minuten in einen goldenen Löffel vom schönsten, reinsten Goldglanze verwandelte.«

Die goldenen Löffel, die der Leutnant Siemens durch Zauberkraft aus unechten zu erzeugen vermochte, erregten ein solches Aufsehen, daß die Kunde davon über die festen Mauern der Zitadelle hinaus bis in die Stadt drang. Ein Magdeburger Juwelier erschien in der Zelle und kaufte dem jungen Erfinder das Recht zur Anwendung seines Verfahrens für 40 Louisdor ab. So gelangte auf galvanoplastischem Weg auch Gold in Siemens' Portemonnaie, und er hatte nun die Mittel, seine Versuche fortzusetzen. Im Jahre 1842 nahm er sein erstes Patent, das damals nicht länger als fünf Jahre lief, »auf ein Verfahren, Gold behufs der Vergoldung auf nassem Wege mittels des galvanischen Stromes aufzulösen«.

Nun gerade, wo es notwendig war, weiter an dem Verfahren zu arbeiten, erschien unerwartet der wachthabende Offizier in der Zelle und überreichte Siemens zu seinem nicht geringen Schrecken, wie er bekennt, die königliche – Begnadigung. Das war ein schwerer Schlag für ihn, denn die Zelle war vollgestopft mit allen erdenklichen chemischen Stoffen und elektrischen Einrichtungen, und es erschien dem jungen Erfinder ganz unmöglich, diese rasch und glücklich nach dem noch ganz unbekannten Ort zu schaffen, wohin man ihn jetzt versetzen würde. Er tat darum einen nicht ganz gewöhnlichen Schritt.

Er schrieb nämlich an den Festungskommandanten ein Gesuch, in dem er bat, noch einige Zeit in seiner Gefangenenzelle verbleiben zu dürfen, in der er mehr edles Metall zu finden hoffen durfte als in der goldenen Freiheit. Man nahm ihm aber eine solche Undankbarkeit gegen eine königliche Gnade sehr übel und bestand darauf, daß er sich sofort empfehle. Gerade um die Mitternachtsstunde wurde er mit sanfter Gewalt aus der Zitadelle entfernt und befand sich nun inmitten seiner Habseligkeiten hilflos auf der Straße. So kann auch die Gnadensonne einmal wie ein Schadenfeuer wirken.

Aber so ganz verlassen, wie er geglaubt hatte, war er doch nicht. Die vorgesetzte Behörde war offenbar auf seine chemischen Talente aufmerksam gemacht worden, und man sandte ihn nicht nach Wittenberg zurück, sondern kommandierte ihn nach Spandau zur Lustfeuerwerkerei-Abteilung. Hier konnte er seine chemische Kunst lebhaft betätigen, und er machte in dem neuen Wirkungsbereich so rasche Fortschritte, daß ihm ein Feuerwerk, welches er am Geburtstag der Kaiserin von Rußland im Park des Prinzen Carl in Glienicke bei Potsdam abbrannte, wegen der Pracht der Farben viel Ehre und Anerkennung eintrug.

Aber das war doch ein totes Gleis, und zu seiner größten Freude erhielt er bald das längst gewünschte Kommando zur Artilleriewerkstatt in Berlin. Hier war der Ort, wo er seine naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, die, wie er wohl wußte, an manchen Stellen noch recht mangelhaft waren, weiter vervollständigen konnte.

Aber noch immer sollte er nicht zu einer systematischen Ausgestaltung seines Wissens gelangen. »Das verdammte Geld,« so schrieb er damals, »ist doch der Knüppel, den man stets am Halse trägt.« Er meinte mit diesem Knüppel das Geld, das man nicht besitzt.

Die Verpflichtung, für die jüngeren Geschwister zu sorgen, drückte immer schwerer, je weiter diese heranwuchsen. Hans und Ferdinand hatten zwar noch immer die Domänenpachtung, aber das aus der Bewirtschaftung gewonnene Geld reichte bei weitem nicht zu der Erziehung der Kinder aus. Der Zwang, Geld verdienen zu müssen, war darum die Peitsche, die Werner vorläufig immer noch von der Wissenschaft forttrieb. Mit Hilfe von Erfindungen dachte er auch jetzt noch, Fortunas Rockzipfel leichter ergreifen zu können.

Vor allem suchte er nun sein Patent auf galvanoplastische Vergoldung und Versilberung richtig zu verwerten. Er trat mit der Neusilberfabrik von J. Henniger in Berlin in Verbindung, die sein Verfahren in größerem Maßstab anwenden wollte und ihn am Gewinn beteiligte. Damit entstand die erste galvanoplastische Anstalt in Deutschland.

Der Gewinn, der in Werner Siemens' Tasche floß, war aber gering, und bald trieb die weitere Not ihn dazu, alle Ansprüche aus dem Vertrag für 800 Taler an die Firma Henniger zu verkaufen. Kaum war dies geschehen, so vergrößerte Henniger seine Fabrikation, die bis dahin nur schwächlich betrieben worden war, ganz bedeutend und zog weiter ansehnliche Gewinne aus dem Verfahren.

Die immer ärger sich fühlbar machende Not trieb Werner Siemens nun dazu, eine richtige Spekulation zu beginnen. Er hatte gehört, daß ein Herr Elkington in London gleichfalls ein Verfahren der galvanischen Vergoldung und Versilberung gefunden habe, bei dem er Cyanverbindungen verwendete. Siemens hielt seine unterschwefligsauren Salze für besser wirkend und hoffte darum, in England, dem damaligen Paradies der Technik, dem für alles Neue empfänglichen und zur Aufnahme jeder guten Idee am ehesten bereiten Land, goldene Berge verdienen zu können. Er selbst konnte nicht hinübergehen, da er ja als Offizier an seinen Garnisonort gebannt war. Aber sein Bruder Wilhelm war sehr gern zu der Reise bereit.

Der junge Mann hatte inzwischen einige Zeit in Göttingen bei seiner Schwester Mathilde Himly zugebracht, wo er mit Hilfe seines Schwagers seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse hatte vertiefen können. Darauf war er nach Magdeburg zurückgekehrt und dort als Eleve in die Gräflich Stollbergsche Maschinenbauanstalt eingetreten. Dem lebhaften Geist Wilhelms behagte der Aufenthalt gar nicht, und gern ergriff er die Gelegenheit, ins Weite hinauszuziehen. Diese erste Fahrt Wilhelms nach England ist ein richtiger kleiner Roman, dessen günstigen Ausgang der recht klägliche Anfang keinesfalls erwarten ließ.

Im Februar 1843 trat der junge, kaum zwanzigjährige Wilhelm seine Reise an. Er begab sich zunächst nach Hamburg, wo er sich die Mittel für die Überfahrt nach England mit viel Mühe dadurch verschaffte, daß er an einen Fenstersprossenfabrikanten ein galvanisches Verkupferungsverfahren verkaufte und schließlich auch noch alle Chemikalien, die er bei sich hatte und nicht in England einführen wollte, zu Geld machte. Die Gesamtsumme des Erlöses war so gering, daß er im Augenblick der Abfahrt an Werner schrieb, er dürfe in England im ganzen nicht mehr als sechs Louisdor verzehren, wenn er noch imstande sein solle, mit Ehren nach Haus zurückzukehren.

Nach seiner Landung in London nahm er in einer bescheidenen Herberge Quartier. Er hatte vom Leben in England gar keine Kenntnis, beherrschte auch die Sprache des Landes recht mangelhaft. Nur einen einzigen Empfehlungsbrief brachte er mit, aber trotz dieser bescheidenen Ausrüstung warf er sich doch kühn in den Strudel des Lebens der Riesenstadt. Über seine Erlebnisse hat Wilhelm später einmal in einem Vortrag, den er im Jahre 1881 im Rathaus von Birmingham hielt, selbst in interessanter Weise berichtet:

 

»Ich hoffte irgendein Bureau ausfindig zu machen, wo man Erfindungen einer Prüfung unterwerfen und eventuell je nach Verdienst vergüten würde; doch niemand konnte mir einen derartigen Platz angeben. So spazierte ich denn Finsbury Pavement entlang und sah auf einmal über einer Tür »So und So« – der Name ist mir entfallen – »Undertaker« (das bedeutet Unternehmer von Leichenbegängnissen) in großen Buchstaben geschrieben. Halt, dacht' ich, das muß wohl der lange gesuchte Ort sein; denn auf alle Fälle wird doch ein Mann, der sich »Undertaker« nennt, sich auch nicht weigern, einen Einblick in meine Erfindung zu tun und mir am Ende dann auch die gewünschte Anerkennung oder besser noch meinen Lohn dafür besorgen können. Beim Eintritt ins Haus überzeugte ich mich jedoch sehr bald, daß ich entschieden zu früh gekommen war, um dort bedient zu werden, und als ich mich dann dem Inhaber des Etablissements gegenüber befand, deckte ich meinen Rückzug mit einigen abgebrochenen Entschuldigungen, die dem Herrn »Undertaker« jedenfalls sehr leer vorgekommen sein müssen.

»Hierdurch keineswegs entmutigt, setzte ich meine Forschungsreise fort und fand endlich meinen Weg zum Patentoffice der Herren Poole & Carpmael, die mich nicht nur freundlich empfingen, sondern mir auch ein Empfehlungsschreiben an Herrn Elkington mitgaben. So ausgerüstet, fuhr ich nach Birmingham, um hier mein Glück zu versuchen.«

Von Birmingham aus trat Wilhelm nun an Elkington heran und glaubte einen großen Trumpf in der Hand zu haben, als er diesem sein vermeintlich besseres Verfahren anbot. Er war gar nicht bescheiden, sondern forderte dafür gleich 3000 Pfund Sterling (60000 Mark). Es ist nicht weiter verwunderlich, daß Elkington auf dieses Angebot des etwas stürmischen jungen Manns nicht einging. Er ließ jedoch Wilhelm zu sich kommen, und dieser erfuhr nun zu seiner nicht geringen Bestürzung, daß Werners Erfindung in einem der Elkingtonschen Patente schon erwähnt, also nicht mehr neu und demgemäß auch kein Handelsobjekt war.

Aber Wilhelm gewann Elkingtons Vertrauen, und dieser erlaubte ihm, in seiner Fabrik zu experimentieren. Hierbei glückte es Wilhelm Siemens, eine bedeutende Verbesserung des Elkingtonschen Verfahrens zu erfinden. Der offenbar sehr vornehm denkende Engländer ermöglichte Wilhelm darauf, ein Patent auf seine Erfindung zu nehmen und zahlte ihm schließlich dafür die Summe von 1600 Pfund Sterling, von der jedoch 110 Pfund Sterling für Patentkosten abgingen.

Wilhelm konnte also mit einer Summe von annähernd 30000 Mark nach Deutschland zurückkehren, wodurch er der Gegenstand staunender Bewunderung für die ganze Familie ward. Die Schwester Mathilde Himly schrieb damals in einem Brief an Werner: »Von unserem lieben Goldfisch erhielt ich vor wenigen Tagen die erste Nachricht, seit er Dich gesehen. Deine Freude über Wilhelms Erscheinen als Croesus! wird wohl so ziemlich so gewesen sein als die meine; bis dahin hatte mich noch nie eine Freude so außer Fassung gebracht. Ach! Werner – warum mußten dies die theuern seligen Eltern nicht erleben! – Werdet Ihr das Geld denn brüderlich theilen? Ich bin überzeugt, daß Wilhelm noch mehr so glücklich spekulieren wird, und so nimm es nur gern an …«

Damit traten nun die Geldsorgen für einige Zeit in den Hintergrund. Aber ein solcher Erfolg hätte bei einem schwächeren Charakter, als er Werner Siemens zu eigen war, leicht dauernd auf eine schiefe Bahn führen können. So trieb er ihn nur für einige Zeit auf das trügerische Meer der »Erfindungsspekulationen« hinaus, wie er selbst die Bestrebungen jener Zeit später etwas verächtlich genannt hat. Eine Erfindung folgte jetzt rasch der anderen. Wissenschaftliche Bestrebungen wurden zurückgestellt, zumal das aus England gebrachte Geld bei den zahlreichen Verpflichtungen der Brüder nicht lange reichte, und die Bedrängnisse bald wieder begannen.

Werner dehnte zunächst seine elektrolytischen Versuche weiter aus und gelangte dazu, gute Nickelniederschläge herzustellen. Das schien etwas sehr Aussichtsreiches zu sein, da die teuren, für den Druck verwendeten gravierten Kupferplatten durch den Nickelüberzug, der die Feinheit der Striche nicht beeinträchtigte, sehr viel haltbarer wurden. Bald jedoch wurde der galvanische Eisenniederschlag erfunden, dem man gegenüber dem Nickelüberzug den Vorzug gab, und die Erfindung konnte nichts mehr einbringen.

Gleichzeitig arbeitete Werner zusammen mit seinem Bruder Wilhelm einen Apparat aus, der imstande sein sollte, den Gang von Dampfmaschinen, die damals noch an vielen Stellen bei ihrer Arbeit durch Wind- und Wassermotoren unterstützt wurden, genau zu regeln. Es sollte dies unter Anwendung des Differentialverfahrens geschehen, und so entstand der Differenzregulator.

Dann bemühte sich Werner Siemens, den damals gerade bekannt gewordenen Zinkdruck für die Rotationspresse brauchbar zu machen, und erfand ferner das anastatische Druckverfahren, das durch Anwendung von Chemikalien gestattet, ältere Drucke zu vervielfältigen. Auch einer Tretfliegemaschine wandte er sein Interesse zu, derselbe Mann, der später behauptet hat, daß man niemals Flugmaschinen würde bauen können, wenn man nicht imstande wäre, Antriebsmaschinen zu erschaffen, die im Verhältnis so leicht und kräftig sind wie die Bewegungsmuskeln der fliegenden Tiere.

Zur Ausbeutung dieser Erfindungen ging Wilhelm Anfang des Jahres 1844 zum zweitenmal nach England, das von da ab seine zweite Heimat wurde. Auch Werner folgte ihm für kurze Zeit dorthin, aber beide mußten bald einsehen, daß ihre hochgespannten Hoffnungen auf Verwertung der Erfindungen aussichtslos waren. Wilhelm hatte für die Abtretung der Rechte auf den Differenzregulator nicht weniger als 720000 Mark gefordert, für das anastatische Druckverfahren gar eine Million Mark. Nach mehr als einjährigem Aufenthalt in England sah er jedoch all seine Hoffnungen so weit vernichtet, daß er nach Hause schreiben mußte: »Ich bitte nur noch um die notwendigsten Mittel, um meine dringendsten Schulden abzahlen zu können, da ich seit einiger Zeit nicht einmal mehr imstande gewesen bin, meine Hauswirte zu befriedigen.«

Werner lernte bei seiner Rückkehr aus England während eines Aufenthalts in Paris sogar den Hunger kennen. Aus Berlin schreibt er dann an Wilhelm: »Die jetzige Zeit ist der einlaufenden Buchhändler-, Schneider- und sonstigen Rechnungen wegen besonders verdrießlich. Dazu kommt Miete, Schulgeld und weiß der Henker was sonst noch für Lumpereien.« Als es ganz schlimm stand, wurde schließlich durch eine Geldsendung Wilhelms der »dem Verwelken nahe Subsistenzbaum bedeutend erfrischt«.

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