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Werner von Siemens

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Öffentliche Wirksamkeit

Mit der Hoffnung im Herzen, daß der Staat Friedrichs des Großen Deutschland zur Einigkeit und Größe emporführen würde, überschritt Werner Siemens einstens die mecklenburgisch-preußische Grenze. Um so schwerer lastete auf ihm die Reaktionszeit, die nach der Freiheitsbewegung von 1848 einsetzte. Länger als ein Jahrzehnt hielt ihn seine angestrengte technisch-wissenschaftlich-industrielle Tätigkeit von der Politik fern, zumal damals keiner zu hoffen wagte, daß die Verhältnisse sich alsbald bessern würden.

Dann aber, als nach der Erkrankung Friedrich Wilhelms IV. Prinz Wilhelm von Preußen die Regentschaft übernahm, begann, wie in den Herzen so vieler, auch in Werner Siemens die Ahnung zu sprießen, daß Preußen sich vielleicht doch noch auf die Verpflichtung besinnen könnte, welche die Weltgeschichte ihm zweifellos für die Herbeiführung der Einigung Deutschlands zugedacht hatte. Am 3. September 1860 wohnte er mit seinem Bruder Wilhelm einer großen Versammlung in Koburg bei, die zur Förderung der Einheitsbestrebungen einberufen worden war. Beide Brüder trugen damals das schwarz-rot-goldene Band mit deutlicher Absicht zur Schau.

Die Hoffnungen auf eine gründliche Besserung der Zustände in Deutschland schienen sich dann aber unter der Regentschaft und auch in den ersten Jahren, als der neue König die Krone trug, nicht zu erfüllen. Es kam der Verfassungskonflikt, in dem die Regierung mit dem Abgeordnetenhaus so hart um die Bewilligung der Mittel für die Heeresreorganisation kämpfte. Siemens war schon dem Nationalverein beigetreten, der sich unter der Führung Bennigsens gebildet hatte und auf das lebhafteste dafür eintrat, daß Preußen die führende Rolle in Deutschland übernähme. Als im Jahre 1862 Neuwahlen für das aufgelöste Abgeordnetenhaus stattfanden, erkor der Wahlkreis Lennep-Solingen Werner Siemens zu seinem Vertreter im Parlament. Er hatte sich selbst nicht als Kandidat gemeldet, fühlte sich aber doch nunmehr verpflichtet, die Wahl anzunehmen. Er hat dem preußischen Parlament in seiner geschichtlich bedeutungsvollsten Periode fünf Jahre lang angehört. Den Konflikt, den er damals antraf, stellt er in seinen »Lebenserinnerungen« so dar:

»Der Kern der Frage bestand in der nach dem Regierungsplane faktisch eintretenden Verdoppelung der preußischen Armee mit entsprechender Vergrößerung des Militärbudgets. Die Stimmung des Landes ging dahin, daß diese Vergrößerung der Militärlast nicht ertragen werden könnte, ohne zu gänzlicher Verarmung des Volkes zu führen. In der Tat war der Wohlstand Preußens schon damals hinter dem der anderen deutschen Staaten ansehnlich zurückgeblieben, da die Last der deutschen Wehrkraft auch nach den Befreiungskriegen hauptsächlich auf seinen Schultern geruht hatte. Sollte diese Last im Sinne der Reorganisation noch in so hohem Maße vergrößert werden, ohne daß eine entsprechende Teilnahme der übrigen Staaten erzwungen wurde, so mußte das Land in seinem Wohlstande mehr und mehr zurückgehen und hätte die Last schließlich doch nicht mehr zu tragen vermocht.

»Man wußte zwar, daß König Wilhelm schon als Prinz von Preußen und als Prinzregent von der Notwendigkeit überzeugt war, den Staat Friedrichs des Großen wieder zu der seiner geschichtlichen Stellung angemessenen Höhe an der Spitze Deutschlands zu erheben, und man zweifelte nicht an dem Ernste der darauf gerichteten Bestrebungen des persönlich geliebten und hochgeachteten Monarchen, aber man zweifelte an der Durchführbarkeit seines Planes.

»Der Glaube an den historischen Beruf des preußischen Staates zur Vereinigung Deutschlands und an Preußens Glücksstern war zu tief gesunken. Auch die eifrigsten Schwärmer für Deutschlands Einheit und künftige Größe, ja selbst spezifisch preußische Patrioten hielten es deshalb mit ihrer Pflicht nicht für vereinbar, Preußen diese neue, fast unerschwinglich scheinende Militärlast aufzubürden. Die Volksvertretung verwarf, zum großen Teil allerdings mit schwerem Herzen, den Reorganisationsentwurf der Regierung, und bei wiederholten Auflösungen bestätigte das Volk durch die Neuwahlen dieses Votum.«

Es wurde Siemens besonders schwer, gleichfalls gegen die Militärvorlage zu stimmen, da er sich im innersten Herzen den alten Glauben an den Beruf des preußischen Staats bewahrt hatte. Er hatte den Wunsch, einen Vermittlungsversuch zu machen, und schrieb damals eine anonyme Broschüre unter dem Titel »Zur Militärfrage«, die im Verlag von Julius Springer-Berlin erschien. Es wurden darin Vorschläge gemacht, eine Verdoppelung der Armee für den Kriegsfall zu erreichen, ohne daß dem Land eine so hohe Kostenlast aufgebürdet würde, wie die Regierung dies wünschte.

Bismarck und Roon führten bekanntlich damals die Neuordnung des Heers gegen den Willen des Parlaments durch. Und als der Krieg mit Österreich im Jahre 1866 ausbrach, hatten sie die Waffen in der Hand, mit deren Hilfe Preußen durch glorreiche Kriegstaten sich nun endlich doch an die Spitze der deutschen Staaten zu stellen vermochte.

Dann tat König Wilhelm in weiser Mäßigung den welthistorischen Schritt, für die ohne gesetzliche Grundlage im Interesse der Heeresschlagfertigkeit gemachten Ausgaben Indemnität vom Landtag zu erbitten.

Die Führer der oppositionellen Fortschrittspartei sahen zunächst nicht deutlich genug ein, daß es nun auch an ihnen sei, Nachgiebigkeit zu üben und die Ausgaben nachträglich zu bewilligen. Der gediegene Charakter von Werner Siemens aber und seine große Lebensklugheit ließen ihn deutlich erkennen, daß es nach einem so bedeutenden Erfolg der Regierungspolitik für das Wohl des Staats nicht zweckmäßig wäre, in unfruchtbarem Groll zu verharren. Mit großer Lebhaftigkeit schilderte er in den Parteiversammlungen die Gefahren, die mit einer Verweigerung der Indemnität verknüpft wären. Auch objektive Beurteiler gestehen zu, was er in seinen »Lebenserinnerungen« behauptet, nämlich, daß es seiner Einwirkung zu einem großen Teil zuzuschreiben ist, wenn wirklich der Bruch zwischen Parlament und Regierung durch Annahme der Indemnitätserklärung abgewendet und damit der innere Friede in Preußen wiederhergestellt, der Weg zu weiterer Größe und zur wirklichen Einigung Deutschlands freigemacht wurde.

Als er dieses wichtige Ergebnis erreicht hatte, trat Siemens, der seine politische Tätigkeit immer nur als vorübergehend empfunden hatte, sogleich von der parlamentarischen Bühne ab. Er legte sein Mandat nieder, um sich wieder ganz seiner industriellen Beschäftigung zuzuwenden. Aber er tat es doch nicht ohne Überwindung, denn am 6. Oktober 1866 schrieb er an seinen Bruder Karl: »Eben ist meine Mandatsniederlegung abgegangen! Auch ein Opfer, welches ich dem Geschäft bringe!«

Während seiner Abgeordnetenzeit hatte Siemens auch Gelegenheit, eine wichtige Tat für die Besserung der industriellen Verhältnisse in Deutschland zu vollbringen. Er war Spezialreferent der Abteilung »Metalle und Metallwaren« für die Vorbereitung des deutsch-französischen Handelsvertrags. In kluger Erkenntnis des großen Schadens, den die deutsche Industrie durch den mangelnden Stolz ihrer führenden Männer dauernd erlitt, setzte er damals durch, daß in den Handelsvertrag ein Artikel aufgenommen wurde, der verbot, deutsche Fabrikate fortab mit Firmen- und Fabrikzeichen der Fabrikanten eines anderen Lands zu versehen. Er war der Meinung, daß die deutsche Industrie geradezu selbstmörderisch handle, wenn sie die gute von ihr erzeugte Ware als fremdes Produkt und nur das Minderwertige als eigenes Fabrikat bezeichne. Selbst in den Städten Solingen und Remscheid, die damals schon in der Stahlfabrikation Ausgezeichnetes leisteten, bestand in jenen Zeiten noch die verderbliche Übung, die besten Waren, die man hervorbrachte, als englische in die Welt hinauszusenden. Die Industriellen glaubten auch, darauf keinesfalls verzichten zu können, und sie sandten eine Deputation an Siemens, die ihn dringend bat, die Einführung eines Verbots fremder Fabrikzeichen nicht weiter zu betreiben. Er lehnte jedoch ab, obgleich man ihm deutlich machte, daß man ihn dann kaum wiederwählen würde. Daran lag ihm aber weniger, als an der Förderung von Deutschlands Industrie. Und wirklich haben seit jener Zeit unsere Fabriken ihren wertvollen Erzeugnissen den Ruf auf dem Weltmarkt verschaffen können, auf den sie längst schon Anspruch hatten und heute gewiß erst recht haben.

Es wäre jedoch nicht gelungen, dies zu erreichen, wenn von Werner Siemens nicht die Anregung zu einer weiteren gesetzgeberischen Tat auf industriellem Gebiet ausgegangen wäre. Die Schaffung des deutschen Patentgesetzes, das auf ihn als seinen gedanklichen Urheber zurückgeht, kann man wohl als Siemens größte Tat im Rahmen seiner öffentlichen Wirksamkeit bezeichnen.

Im Jahre 1863 war man auf dem Weg, die ganze Patentgesetzgebung in Preußen aufzuheben, da sie sich in der damals bestehenden Form als ein schweres Hindernis für die Industrie erwiesen hatte. Das Patent bedeutete in jener Zeit nicht einen Schutz des Erfinders gegen Nachahmung, sondern es war ein Privilegium, das ihm in Anerkennung seines Verdienstes verliehen wurde. Die Erfindung wurde streng geheim gehalten und nur ihre Benennung veröffentlicht, damit ein jeder sich hüten sollte, etwas Ähnliches zu schaffen. Da man nun nie genau wußte, worum es sich in einem Patent handelte, so war eine Fülle verdrießlicher Konflikte die Folge, und die Allgemeinheit hatte gar keinen Nutzen von den Patenten. Die kurze Dauer von fünf Jahren gestattete auch nicht eine genügende Ausnutzung, da die Entwicklung technischer Dinge größtenteils einen längeren Zeitraum beansprucht.

Der preußische Handelsminister fragte in dem genannten Jahr bei sämtlichen Handelskammern an, ob es nicht an der Zeit wäre, das Patentwesen zu beseitigen. Auch an das Ältestenkollegium der Berliner Kaufmannschaft kam eine solche Anfrage, und das Mitglied des Kollegiums Werner Siemens erstattete den Bericht. Er trat dem Standpunkt des Handelsministers durchaus entgegen, indem er zeigte, daß ein Patentgesetz von größtem Nutzen für die Industrie sein könne, wenn es nur die richtigen Bestimmungen enthielte.

 

Siemens ging davon aus, daß man dem Erfinder unbedingt ein Vorrecht auf sein Geisteserzeugnis einräumen müsse. Nur dann sei zu erwarten, daß er seine Erfindung gründlich ausbaue und so im Lauf der Jahre der Allgemeinheit etwas besonders Wertvolles überliefere. Nur wenn dem Erfinder ein Besitztitel auf seine Erfindung zustehe, könne er Kapitalisten gewinnen, die ihm die Ausführung der nötigen Versuche ermöglichen, denn der Geldgeber könne ja einen gesicherten Anteil am künftigen Gewinn erhoffen. Siemens wies darauf hin, daß es James Watt nur infolge seines durch vierzehn Jahre laufenden Patents gelungen sei, den reichen Bolton als Teilnehmer zu gewinnen und so die Dampfmaschine zu entwickeln.

Wenn aber der Staat dem Erfinder das nützliche Geschenk des Schutzes für lange Zeit mache, so müsse dieser zur Entgeltung verpflichtet sein, den Inhalt der Erfindung öffentlich darzulegen. »Das Patent ist,« so hieß es in dem Bericht für das Ältestenkollegium, »nach dieser Anschauungsweise ein wirklicher Kontrakt zwischen Staat und Erfinder: jener, als Vertreter der Interessen der Gesamtheit, gewährt diesem auf eine Zahl von Jahren, welche nur so groß zu bemessen ist, als es die Erreichung des Zweckes erfordert, das alleinige Dispositionsrecht über dessen Erfindung; dieser übernimmt dagegen die Verpflichtung, die in ihr liegenden neuen Gedanken sofort und vollständig durch Veröffentlichung zum Gemeingut zu machen. Es ist Sache der Gesetzgebung, dafür zu sorgen, daß die Gesamtheit aus diesem Kontrakt den möglichst großen Nutzen zieht.«

Dieser Bericht von Werner Siemens wurde einstimmig als Gutachten des Ältestenkollegiums angenommen, und viele andere Handelskammern in Preußen schlossen sich seiner Meinung an. Von einer Abschaffung der Patente wurde infolgedessen abgesehen.

Aber damit war nur etwas Negatives verhindert, Positives jedoch nicht erreicht. Die damalige Form des Patentwesens war praktisch einer gänzlichen Schutzlosigkeit der Erfindungen gleich und hatte nach Siemens' Meinung sogar eine Unsolidität der deutschen Industrie zur Folge, die deren Ansehen im Ausland beeinträchtigen mußte. »Es hat sich,« so schrieb Siemens in einer späteren Denkschrift, »bei uns in technischen Dingen nach und nach eine von der anderer Länder ganz verschiedene Rechtsanschauung, eine andere Moral herausgebildet. Während es in England und Frankreich, selbst in Amerika, für unehrenhaft, mindestens für unschicklich gilt, fremde Erfindungen ohne Zustimmung des Erfinders zu benutzen, selbst wenn sein Rechtsschutz zweifelhaft oder ein solcher nicht vorhanden ist, gilt dies in Deutschland nicht nur für anständig, sondern in vielen Fällen sogar für verdienstlich.

»Als charakteristische Beispiele dieser Richtung brauche ich nur anzuführen, daß in Preußen selbst technische Staatsbehörden keinen Anstand nehmen, neue Betriebsapparate oder Einrichtungen, die von Gewerbetreibenden auf deren Veranlassung mit Mühe und Kosten ausgearbeitet sind, anderen Gewerbetreibenden als Modelle zur Nachahmung zu übergeben oder sie zur Submission zu bringen und die Ausführung dem Mindestfordernden zu überweisen. Sie sind dazu sogar oft durch ihre Instruktion verpflichtet.

»In gleicher Richtung empfehlen Gewerbetreibende bei uns häufig offen ihre Fabrikate damit, daß sie grundsätzlich nur die bewährtesten und neuesten Konstruktionen bekannter angesehener Firmen nachahmen und daher billiger liefern könnten wie diese, da sie keine Erfindungs- und Versuchskosten zu tragen hätten! In anderen Ländern würde dies für ehrenwidrig gehalten werden; hier nehmen selbst Staatsbehörden keinen Anstand, von solchen vorteilhaft scheinenden Anerbietungen bestens Gebrauch zu machen!«

Um in diesen Zuständen, die uns heute ganz mittelalterlich erscheinen, grundlegende Besserung zu schaffen, forderte Siemens zur Bildung eines Patentschutz-Vereins auf, der dann auch unter seinem Vorsitz ins Leben trat. Seine Tätigkeit erwirkte im Jahre 1877 endlich den Erlaß eines Patentgesetzes für das Deutsche Reich, dessen Grundgedanken sich vollständig auf die Siemensschen Ausführungen von 1863 stützten. Danach werden Patente auf die Dauer von fünfzehn Jahren mit jährlich steigenden Abgaben erteilt. Es finden eine Voruntersuchung über die Neuheit der Erfindung und die öffentliche Auslegung der Beschreibung statt, um Gelegenheit zum Einspruch gegen die Patentierung zu geben. Eine vollständige Publikation des erteilten Patents hat stattzufinden, auf gerichtlichem Weg kann jederzeit die Nichtigkeitserklärung eines erteilten Patents erfochten werden.

In Deutschland ist im Jahre 1891 ein neues abgeändertes Patentgesetz erlassen worden, aber auch hierin finden wir Werner Siemens' Ideen vollkommen enthalten. Sie haben also seit fast vier Jahrzehnten die deutsche Industrie bei ihrem außerordentlichen Aufschwung begleitet, und es ist kein Zweifel, daß sie hierbei zugleich Stütze und Förderungsmittel in hohem Maß gewesen sind. Die Mängel auch der heutigen Patentgesetzgebung sind gewiß nicht zu verkennen. Aber die Vorzüge ihrer Grundgedanken gegenüber dem, was vorher bestand, sind so bedeutend, daß die deutsche Industrie Werner Siemens auch für deren Aufstellung zu besonderer Dankbarkeit verpflichtet ist.

Der lebhafte und uneigennützige Wunsch, die Stellung der Industrie seines Vaterlands auf dem Weltmarkt zu stärken, ihr Ansehen zu heben, führte Werner Siemens zu einer weiteren bedeutsamen Tat. »Die naturwissenschaftliche Forschung,« so sagte er, »bildet immer den sicheren Boden des technischen Fortschritts, und die Industrie eines Landes wird niemals eine internationale, leitende Stellung erwerben und sich erhalten können, wenn dasselbe nicht gleichzeitig an der Spitze des naturwissenschaftlichen Fortschritts steht.« In diesem Zusammenhang vermißte er in Deutschland die Existenz von Instituten, die ausschließlich der physikalischen Forschung gewidmet seien.

»Der Staat hat,« so führte er weiter aus, »seine ganze Kraft mit unzweifelhaftem Erfolge der Förderung des wissenschaftlichen Unterrichts zugewandt. Seine Unterrichtsanstalten erzeugen eine große Zahl hochgebildeter Naturforscher, deren Lebensberuf fast immer wieder der Unterricht ist. Die wissenschaftliche Forschung selbst ist nirgends Lebensberuf in der staatlichen Organisation, sie ist nur eine geduldete Privattätigkeit der Gelehrten neben ihrem Berufe, der Lehrtätigkeit. Einzelne Versuchsstationen, die durch spezielle dringende Bedürfnisse hervorgerufen sind, und auch die Akademien, die zwar der wissenschaftlichen Forschung gewidmet, aber nur nebenamtlich besetzt und nicht mit den erforderlichen Einrichtungen zur Ausführung von Experimentaluntersuchungen versehen sind, ändern hierin nichts Wesentliches. Die Berufsgelehrten der Akademien sind fast durchgängig neben dem ihnen obliegenden Unterricht noch mit gelehrten Geschäften derartig überbürdet, daß sie – nach dem Ausspruch eines unserer ersten Naturforscher – aufhören müssen, Gelehrte zu sein!«

Der Mangel an Gelegenheit zu ruhiger wissenschaftlicher Arbeit müsse dazu führen, die deutsche Technik in die zweite Linie zu drängen. Als ein recht schlagendes Beispiel für diese Rückständigkeit in Deutschland führte Siemens die Tatsache an, daß die elektrischen Maßeinheiten in England hätten festgestellt werden müssen, obgleich sie von dem deutschen Gelehrten Wilhelm Weber theoretisch begründet worden waren. Privatlaboratorien reicher Engländer hätten die Arbeit geleistet, bei uns sei eine solche Gelegenheit nicht vorhanden.

Und auch hier wieder läßt er es als Mann der Tat nicht bei dem Bedauern bewenden, sondern er handelt in großzügigster Weise, als es sich zeigt, daß die Instanzen des Reichs nicht so leicht dazu zu bewegen sein würden, ein ausschließlich der Forschung gewidmetes Institut zu schaffen. Er bietet dem Reich eine halbe Million in Grundwert oder Kapital an mit der Bedingung, daß der Reichsfiskus die Kosten der auf dem Grundstück zu errichtenden Bauten trage und ihre Erhaltung übernehme. Regierung und Reichstag nahmen das hochherzige Geschenk an, und so entstand die Physikalisch-Technische Reichsanstalt auf dem damals still und erschütterungsfrei daliegenden Gelände an der Marchstraße in Charlottenburg. Sie ist ein stolzes Denkmal der Siemensschen Zuneigung für die Wissenschaft geworden, die seine »erste Liebe« war und seine letzte geblieben ist.

Der erste Präsident der neugeschaffenen Reichsanstalt wurde der größte Physiker der damaligen Zeit, einer der allergrößten überhaupt, die je gelebt haben, Hermann von Helmholtz. Die Geschichte des fördernden Einflusses, den die Reichsanstalt unter Helmholtz und den nachfolgenden Präsidenten Kohlrausch und Warburg auf die deutsche Industrie geübt hat, muß noch geschrieben werden. Sie ist die kräftigste wissenschaftliche Tragsäule für den stolzen Bau der deutschen Technik geworden.

Durch die Anregung des Staatssekretärs im Reichspostamt Dr. von Stephan und Werner Siemens' bildete sich der Elektrotechnische Verein, in dessen Namen, wie wir bereits gehört haben, das Wort Elektrotechnik zum erstenmal auftrat. Eine der wichtigsten Anregungen, die von dem Verein ausgegangen sind, war das Ersuchen an die deutschen Regierungen, an den Technischen Hochschulen eigene Professuren der Elektrotechnik zu errichten. Erst als diesem Wunsch Folge geleistet worden war, begann die Elektrotechnik als Spezialfach zu bestehen. Die Resolution, durch welche diese Angelegenheit in Fluß gebracht wurde, war von Werner Siemens im Verein eingebracht worden.

Siemens & Halske

Es bleibt uns noch übrig, in großen Zügen die Entwicklung der industriellen Firma zu verfolgen, die von Werner Siemens begründet worden ist. Die Schaffung dieses Hauses ist ein sehr beträchtlicher Teil seines Lebenswerks. Das ungewöhnliche Wachstum der Firma, ihre Ausdehnung zu einem Weltgeschäft und die Tatsache, daß sie schon zu Lebzeiten des Gründers zu den angesehensten industriellen Häusern der Erde zählte, sprechen dafür, daß Werner Siemens auch in seiner dritten Eigenschaft, nämlich als Kaufmann, genial begabt war. Er verstand es mit großer Klugheit, seine wissenschaftlichen und technischen Schöpfungen in dem Geschäftshaus zu verankern, und er hat der Firma dadurch die Möglichkeit zu so kraftvoller Entwicklung gegeben, daß sie sehr viel dazu beizutragen vermochte, den Namen des industriellen Deutschland auf der ganzen Erde zu hohem Ansehen zu bringen.

Wir wissen bereits aus früheren Abschnitten, daß Werner Siemens in seinem dreißigsten Lebensjahr, als bei ihm der Entschluß feststand, sich ganz der Entwicklung des Telegraphenwesens zu widmen, in Berlin eine Werkstatt begründete. Überhaupt wird im folgenden manches schon früher Gesagte wiederholt werden müssen, da bei dem innigen Zusammenhang von Schöpfer und Schöpfung sonst eine fortlaufende Darstellung in diesem Abschnitt nicht zu erzielen wäre.

Siemens war damals noch Artillerieoffizier. Der Vetter Georg Siemens lieh ihm die zur Einrichtung der Werkstatt erforderlichen 6000 Taler; sie sind die einzige Summe geblieben, welche die Firma jemals von Außenstehenden nötig hatte. Der Gedanke, der zur Schaffung einer eigenen kleinen Fabrik trieb, war der Wille Werner Siemens', seine Erfindungen mechanisch in vollkommenster Weise und mit der größten Genauigkeit bauen zu lassen. Darum verbündete er sich mit dem Mechaniker Johann Georg Halske, der, wie er wußte, besonders vorzügliche Präzisionsarbeit zu leisten vermochte.

Man kann sagen, daß dieser Grundsatz, stets beste und saubere Arbeit zu leisten, während all der Jahrzehnte, die bis zum heutigen Tag vergangen sind, bei der Firma Siemens & Halske auf das sorgsamste innegehalten worden ist. Das Haus war dadurch lange in den Stand gesetzt, ohne Konkurrenz in der Elektrotechnik zu arbeiten, und niemand kann verkennen, daß alle Firmen, die sich später in Deutschland auf elektrotechnischem Gebiet zu bedeutender Größe entwickelt haben, in dieser Beziehung bei Siemens & Halske in die Schule gegangen sind. Deutsche elektrische Maschinen kennt man auf der ganzen Welt als im höchsten Grad zuverlässige Apparate, und diese Fabrikationsweise hat sich aus dem Vorbild heraus entwickelt, das von Werner Siemens seinem industriellen Schaffen zugrunde gelegt wurde.

Siemens schreibt im Sommer 1847 an seinen Bruder Wilhelm in London: »Ich habe mit dem Mechaniker Halske, der sich schon von seinem Kompagnon (Böttcher) getrennt hat, definitiv die Anlage einer Fabrik beschlossen, und hoffentlich wird sie in sechs Wochen schon in vollem Gange sein … Halske, den ich völlig gleich mit mir gestellt habe in der Fabrik, bekommt die Leitung in der Fabrik, ich die Anlagen der Fabrik, Kontraktabschlüsse usw. Wir wollen vorläufig nur Telegraphen, Läutewerke für Eisenbahnen und Drahtisolierungen mittels Guttapercha machen … Nach langem Suchen ist endlich ein passendes Quartier für unsere Werkstatt gefunden und gemietet, mit den Fenstern nach dem Anhaltischen Bahnhof hinaus. (Es war ein Haus in der Schöneberger Straße, in der die Firma bis zum heutigen Tag eine Niederlassung unterhält) … Ich wohne parterre, die Werkstatt eine Treppe, Halske zwei Treppen hoch, in Summa für 300 Taler. Bald nach dem 1. Oktober wird die Arbeit beginnen.«

 

Am 12. Oktober 1847 war die Werkstatt in der Tat eingerichtet. Dieses Datum ist als Geburtstag der heutigen Weltfirma Siemens & Halske anzusehen.

Die Arbeit wurde mit drei Drehbänken begonnen. Am 20. Dezember war die Werkstatt mit zehn Arbeitern »ganz besetzt«. Kaum hatte man jedoch eine intensivere Tätigkeit begonnen, insbesondere um die Apparate für den damals von der preußischen Telegraphenverwaltung veranstalteten Wettbewerb herzustellen, da kamen die Revolution und der Krieg mit Dänemark, der, wie wir wissen, Werner Siemens lange von Berlin fernhielt. Er hatte es der Sorgsamkeit seines Geschäftsgenossen zu verdanken, daß die Firma durch jene ungünstige Zeit hindurchkam. Dann aber wurde die unterirdische Telegraphenlinie nach Frankfurt gebaut, und im Anschluß daran gab es weitere Aufträge.

Im Sommer 1849 nahm Werner Siemens seinen Abschied vom Militär. Damals, als gerade die ersten russischen Aufträge eingelaufen waren, hatte sich die Zahl der Arbeiter in der Fabrik bereits auf 32 gehoben.

Das Geschäft entwickelte sich weiter ganz gut, da die Aufträge infolge der Verbesserungen, die Werner Siemens fortwährend an den Apparaten anbrachte, sich mehrten: Schon gegen Ende des Jahres 1851 mußte ein neues Gelände erworben werden, auf dem eine erweiterte Fabrik errichtet werden sollte. Es wurde das Grundstück Markgrafenstraße 94 angekauft, von dem aus das Haus sich später über viele Teile von Groß-Berlin verbreitet hat.

Aber gerade jetzt, als Werner Siemens so gut im Fahrwasser zu sein glaubte, daß er die lange geliebte Braut heimführte, kam für das Geschäft eine schwere Krisis. Siemens hatte jene Broschüre geschrieben, welche die grobe Nachlässigkeit der preußischen Telegraphenverwaltung bei der Auslegung der ersten unterirdischen Telegraphenleitungen klarlegte, und die Folge war, daß der Hauptkunde dem Geschäft die Bestellungen entzog. Während im Jahre 1852 Werner Siemens in Petersburg durch die Masern ans Krankenbett gefesselt war, sah es in Berlin recht böse aus. Friedrich Siemens schrieb damals an Karl: »Halske ist durch den Hausankauf in große Geldnot geraten und scheint überhaupt ganz ratlos zu sein, seit Werner fort ist.«

Es wurden lebhafteste Anstrengungen gemacht, um mit dem Ausland, namentlich mit Frankreich, ins Geschäft zu kommen. Aber Karl, der sich in Paris lebhaft bemühte, hatte wenig Erfolg, und die Lage wurde immer schlimmer. Drahtexporte, auf die sich die Firma auf Anraten Wilhelms eingelassen hatte, brachten sie in gefährliche finanzielle Situationen. Am 12. Mai 1853 schrieb Werner an Wilhelm: »Geld! Geld! Am 21., spätestens 22. müssen wir notwendig 1500 Pfund Sterling haben, damit unser Kredit nicht wacklig wird. Die mußt Du verschaffen und rechtzeitig schicken.« Wilhelm gelang es wirklich, das Geld zu besorgen, und damit war die Lage im Augenblick gerettet.

Man befand sich damals in solcher Bedrängnis, daß die Firma Siemens & Halske, die doch als Telegraphenbauanstalt gegründet war, während dieser Zeit eifrig danach strebte, einen Auftrag auf die Herstellung ganz gewöhnlicher Ausrüstungsteile (Fittings) für die gerade im Bau befindlichen Berliner Wasserwerke zu erhalten.

Werner war gegenüber seinem eigentlichen Fabrikationsgegenstand so verzagt, daß er sich äußerte: »Bekommen wir die Fittingsarbeit, so werden wir den Telegraphen wohl nach und nach adieu sagen. Die Sache ist zu anlockender Natur …«

Sie bekamen die Aufträge auf die Fittings nicht, aber nun setzte bald das große Geschäft mit Rußland ein. Der gesamte Geschäftsgewinn der beiden Jahre 1851 und 1852 hatte, nach Ehrenberg, nicht mehr als 8678 Taler betragen. Das Ergebnis war hinter dem von 1850 weit zurückgeblieben.

Es hieße die erfinderische Tätigkeit von Werner Siemens noch einmal erzählen, wenn wir hier jede Entwicklungsphase der Firma verfolgen wollten. Langsam schwanden die Schwierigkeiten, und das Haus wurde zu einer hochangesehenen Telegraphenbauanstalt, die aus allen Teilen Europas Aufträge erhielt und am Ende stark genug war, das große Unternehmen der indo-europäischen Telegraphenlinie in die Hand zu nehmen.

Im Jahre 1858 war ein Londoner Zweiggeschäft unter der Leitung von Wilhelm Siemens begründet worden, das 1862 bereits 80 Arbeiter beschäftigte. Im folgenden Jahr wurde dann die Kabelfabrik in Charlton bei Woolwich begründet, deren erstes Erzeugnis jenes unglückselige Cartagena-Oran-Kabel gewesen ist. Halske erschrak damals über die Gefährlichkeit des Seekabelgeschäfts so sehr, daß er die Abtrennung der Londoner Firma vom Berliner Geschäft verlangte. Sie ging darauf in den Privatbesitz der drei Brüder Werner, Wilhelm und Karl über, von denen Wilhelm die Leitung übertragen wurde. Fortab firmierte das englische Geschäft Siemens Brothers. Auch die Petersburger Firma wurde damals unter der Leitung von Karl selbständig gemacht, so daß fortab drei getrennte Siemenshäuser bestanden.

Der umfangreiche Bau der indo-europäischen Linie veranlaßte eine weitere Vergrößerung der Firma, die auch die Kriegsjahre 1870/71 gut überstanden hatte. Die Zahl der Arbeiter in der Berliner Fabrik, die, nach Howe, im Jahre 1867 erst 177 betrug, wuchs 1869 auf 250 und 1871 auf 412 an. Mehr und mehr mußte Werner Siemens sich durch das Heranziehen tüchtiger Mitarbeiter entlasten, um Zeit genug für die Oberleitung der gesamten Geschäfte zu gewinnen. Sein Jugendfreund William Meyer, der ihm als leitender Ingenieur vortreffliche Dienste geleistet hatte, starb im Jahre 1866. An seine Stelle wurde Karl Frischen berufen, und auch Friedrich von Hefner-Alteneck trat damals in die Firma ein. Dieser hat sich, wie uns bekannt ist, um die Durchbildung der Dynamomaschine und der Bogenlampe die größten Verdienste erworben; Frischen wurde der Vater der ausgezeichneten Eisenbahnsicherungsanlagen, die heute als Blocksystem von Siemens & Halske über die ganze Erde verbreitet sind.

Zwei Jahre später faßte Halske den Entschluß, aus der Firma auszutreten. Die schweren Zeiten, die das Haus durchzumachen hatte, ließen ihn treu ausharren. Aber seltsamerweise machte ihm das Geschäft keine Freude mehr, als es sich immer weiter ausdehnte. »Die Erklärung liegt,« wie Werner Siemens schreibt, »in der eigenartig angelegten Natur Halskes. Er hatte Freude an den tadellosen Gestaltungen seiner geschickten Hand sowie an allem, was er ganz übersah und beherrschte. Unsere gemeinsame Tätigkeit war für beide Teile durchaus befriedigend. Halske adoptierte stets freudig meine konstruktiven Pläne und Entwürfe, die er mit merkwürdigem mechanischem Taktgefühl sofort in überraschender Klarheit erfaßte und denen er durch sein Gestaltungstalent oft erst den rechten Wert verlieh. Dabei war Halske ein klardenkender, vorsichtiger Geschäftsmann, und ihm allein habe ich die guten geschäftlichen Resultate der ersten Jahre zu danken.

»Das wurde aber anders, als das Geschäft sich vergrößerte und nicht mehr von uns beiden allein geleitet werden konnte. Halske betrachtete es als eine Entweihung des geliebten Geschäftes, daß Fremde in ihm anordnen und schalten sollten. Schon die Anstellung eines Buchhalters machte ihm Schmerz. Er konnte es niemals verwinden, daß das wohlorganisierte Geschäft auch ohne ihn lebte und arbeitete. Als schließlich die Anlagen und Unternehmungen der Firma so groß wurden, daß er sie nicht mehr übersehen konnte, fühlte er sich nicht mehr befriedigt und entschloß sich, auszuscheiden und seine ganze Tätigkeit der Verwaltung der Stadt Berlin zu widmen, die ihm persönliche Befriedigung gewährte.«

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