Der Weg zur Energiewende

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5.2 Pariser Abkommen 2015 (COP 21)

Am 12. Dezember 2015 wurde in der internationalen Klimakonferenz COP 21 in Paris vor dem Hintergrund immer neuer Warnungen dann ein neuer Meilenstein gesetzt: das sogenannte Pariser Abkommen wurde beschlossen. Anlass und Grundlage der Diskussionen und der Ergebnisfindung war der aktuelle Weltklimabericht, den der IPCC veröffentlicht hatte. Seine wesentliche Botschaft war: Der Klimawandel ist Realität, die Erderwärmung muss auf 2 °C begrenzt werden.

Ziel des weltweit zwischen 196 sogenannten Parteien (195 Staaten und die EU) abgeschlossenen Abkommens war und ist, die Weltwirtschaft auf dieses klimanotwendige Vorgehen hin zu verändern. Das war insofern ein historischer Schritt, als nach der bisherigen Regelung des Kyoto-Protokolls nur dessen Unterzeichner Verpflichtungen eingegangen waren. Das Pariser Abkommen ist am 4. November 2016 in Kraft getreten, nachdem es von 55 Staaten, die mindestens 55 % der globalen Treibhausgase emittieren, ratifiziert wurde. Nach Stand September 2018 haben inzwischen 180 Staaten das Abkommen ratifiziert, darunter auch die Europäische Union und Deutschland (Ratifikation 5. Oktober 2016)1. Abb. 5-15 zeigt den nicht einfachen Ablauf der Verfahren.

In Paris wurde klar, dass die Weltgemeinschaft die Bedrohung durch den emissionsbedingten Klimawandel inzwischen sehr ernst nimmt – dokumentiert allein durch die Teilnahme von mehr als 150 Staats- und Regierungschefs bei der Eröffnung. Das Pariser Abkommen war ein deutliches Signal für eine Neuausrichtung aller Volkswirtschaften, die von den natürlichen Grenzen der Erde ausgeht.2 Anders als noch im Kyoto-Protokoll wurden diesmal alle Staaten der Erde zu nationalen Klimaschutzzielen verpflichtet, auch die großen Emittenten USA und China sowie die Entwicklungsländer.

Das Abkommen legte besonderen Wert auf die bisher schwierige Einbeziehung der ärmeren Länder. Sie sollen durch finanzielle Hilfen und durch Wissens- und Technologietransfer bei ihren Maßnahmen zum Klimaschutz unterstützt werden. Die früher gängige Zweiteilung in Industrieländer einerseits und Schwellen- und Entwicklungsländer andererseits wurde damit in Paris überwunden. Das Abkommen betonte die gemeinsame Verantwortung aller Länder.

Kritisiert wurde nach Bekanntwerden des Textes, dass manches wenig konkret formuliert wurde. Dass der Höhepunkt der CO2-Emissionen soll „so schnell wie möglich“ erreicht werden sollte, wie es der Text besagte, war manchen nicht genug; auch dass ärmere Länder länger brauchen dürfen, war Punkt der Kritik.3

Abb. 5‑15:

Ratifizierung und Inkrafttreten des Pariser Abkommens; Quelle: BMU 2016

Neu war, dass technische Ausgleichsmaßnahmen zugelassen wurden. Grundvorstellung war, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zur CO2-Neutrallität zu finden, wobei mehrere Möglichkeiten offenstanden und auch benannt wurden. Ein Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und deren Entzug aus der Atmosphäre wäre auch ein Weg, beispielsweise durch gezielte Nutzung der Meere, durch Aufforstung der Wälder, oder durch technische Verfahren wie der CO2-Filterung aus der Atmosphäre oder dessen dauerhafte Speicherung. Die Formulierung ließ Spielräume, weiterhin mit Kohle, Öl und Gas Emissionen zu produzieren ‒ man müsste sie nur neutralisieren.

Der Treibhausgasausstoß stehe auch im Kontext der Armutsbekämpfung, hieß es im Vertrag. Die Anmerkung war insbesondere Indien wichtig, das nach wie vor den Kohlestrom favorisiert. Schärfere Formulierungen, wie Dekarbonisierung oder Nullemissionen oder auch nur Emissionsneutralität wurden neben Indien auch von den Erdölstaaten und einigen wenigen anderen verhindert.

Das Abkommen von Paris ist dennoch ein seriöses und anspruchsvolles Programm. Es kann für sich universelle Geltung und die Formulierung völkerrechtlichen Pflichten für alle Staaten in Anspruch nehmen. Beschlossen wurde auch das weitere Vorgehen bis zur 24. UN-Klimakonferenz, die dann im Dezember 2018 in Kattowitz (Polen) stattfand. Bis dahin sollten Einzelheiten geklärt und ausgearbeitet werden, um dort verabschiedet zu werden, insbesondere auch zur Berichterstattung und Überprüfung.4

Das Pariser Abkommen Decision1/CP21 verfolgte im Einzelnen mehrere Hauptziele:

 In Art. 2 wird das Ziel, die menschengemachte Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen, völkerrechtlich bestätigt. Zugleich werden Anstrengungen eingefordert, um eine Begrenzung auf +1,5 °C zu erreichen (jeweils im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter).

 Nach Art. 4 soll der Scheitelpunkt der klimarelevanten globalen Emissionen so bald wie möglich überschritten werden, sodass sich in der 2. Hälfte des Jh. ein Gleichgewicht zwischen Senken und Quellen, also eine Klimaneutralität ergeben kann.

 Mit Art. 4 und Art. 14 verpflichten sich alle Unterzeichner, freiwillige nationale Beiträge im Sinne von Art. 2 vorzulegen und umzusetzen. Diese Beiträge sind im Turnus von 5 Jahren zu aktualisieren und nach besten Kräften zu erhöhen. Zur Überprüfung des Ausreichens der Maßnahmen soll 2023 Bilanz gezogen werden (Stocktake), was dann ebenfalls alle 5 Jahre zu wiederholen ist.

 Mit Art. 7 verpflichten sich alle beteiligten Staaten zur Formulierung und Implementierung nationaler Anpassungspläne und zur entsprechenden Kommunikation hierüber.

 In Art. 13 schließlich wird vereinbart, dass alle nationalen Informationen über Vermeidung und Anpassung von internationalen Experten überprüft werden dürfen, um Transparenz und Vergleichbarkeit der berichteten Fortschritte sicherzustellen.

Vereinbart wurde weiter

 Die Förderung der Bewältigung des nicht mehr vermeidbaren Klimawandels als gleichberechtigtes Ziel neben der Minderung der Treibhausgasemissionen.

 Die gesicherte Bereitstellung von Finanzmitteln für die Klimaziele.

 Alle Staaten wurden darüber hinaus aufgefordert, bis 2020 Langfriststrategien für eine treibhausgasarme Entwicklung vorzulegen.

Der weltweite Scheitelpunkt der Treibhausgasemissionen wurde in Paris nicht mit einer Zeitmarke versehen; er sollte eben nur „so bald wie möglich“ erreicht werden, s. oben. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sollte nach Art. 4 die weitere Belastung der Atmosphäre durch anthropogenes CO2 erreicht werden, ebenfalls ohne nähere Zeitangabe. Als mögliche Pfade, dies zu erreichen, wurden vom IPCC die Varianten nach Abb. 5‑16 vorgestellt, die nach den Jahren der Emissionswende parametriert und an einem CO2-Gesamtbudget ab 2017 ausgerichtet sind.

Abb. 5‑16:

Wie mit CO2 nach dem Pariser Abkommen umzugehen ist; Alternativen auf der Basis eines Rest-Gesamtausstoß ab 2017 von 600 Gt CO2. Gestrichelt: ein Beispiel mit 800 Gt CO2-Ausstoß. Quelle: Prof. Stefan Rahmstorf, IPCC

Zur Erreichung der Ziele sollten die Staaten ihre nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions) selbst festlegen, s. oben. Das ist sicherlich ein weicher Punkt, der von RAHMSDORF/SCHELLNHUBER mit den Worten ironisiert wurde: „Wir beschließen alle gemeinsam, dass jeder selbst beschließt, welchen Beitrag er zum Vorhaben der Weitrettung beitragen möchte.“5 Die späteste Zeitmarke für Scheitelpunkt des globalen Ausstoßes, also die CO2-Wende, setzen beide Autoren mit dem Jahr 2020 an. „Ansonsten werden Reduktionsmaßnahmen nötig, die sich eigentlich nur im Rahmen einer (globalen) Kriegswirtschaft realisieren lassen.“6

Entwicklungsländer werden nach dem Protokoll bei Minderung und Anpassung von den Industrieländern durch Technologieentwicklung und -transfer, durch Kapazitätsaufbau sowie durch finanzielle Hilfe unterstützt. Der bestehende Technologiemechanismus soll internationale Kooperationen zur Minderung von Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an den Klimawandel beschleunigen. Die im Rahmen des Technologiemechanismus eingerichteten nationalen Kontaktstellen (National Designated Entities, NDE) bilden dafür eine der Grundlagen. Der Technologiemechanismus des Pariser Abkommens soll ausgebaut werden.

Die deutsche NDE ist grundsätzlich im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angesiedelt. Seit dem 20. Juni 2016 werden jedoch ihre Aufgaben in enger Abstimmung mit dem BMWi durch einen Dienstleister wahrgenommen (NDE Germany Geschäftsstelle c/o HEAT GmbH).

Die 2009 im Rahmen der Weltklimakonferenz in Kopenhagen (COP 15) gegebene Zusage, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung bereitzustellen, wurde in Paris bis 2025 fortgeschrieben. Für die Zeit danach sollen ein neues Ziel festgelegt und der Geberkreis erweitert werden.

Die deutsche Bundesregierung hatte mit einem „Integrierten Energie- und Klimaprogramm“ im Jahre 2007 zum Auftakt der Welt-Klimakonferenz in Bali ein aus ihrer Sicht historisches Energie- und Klimaprogramm geschnürt.

Mit dem beschlossenen Paket verdoppelte Deutschland den bisherigen Klimaschutz: 2007 stand die Bundesrepublik bei einer Treibhausgasreduktion von etwa 18 % gegenüber 1990, mit dem Programm sollten etwa 36 % erreicht werden. Damit konnte ein Minderungsziel von 40 % bis 2020 festgeschrieben werden.

Im Energiekonzept aus dem Jahr 2010 wurde dieses Ziel durch einen „Entwicklungspfad“ ersetzt:


2020 - 40 %
2030 - 55 %
2040 - 70%
2050 - 80 – 95%

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch sollte betragen:

 

2020 18%
2030 30%
2040 45%
2050 60%

und der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch:


2020 35 %
2030 50 %
2040 65 %
2050

Diese Ziele wurden auch im Jahr 2014 im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung wiederholt und im Jahr 2016, dem Jahr nach dem Abkommen von Paris, im Klimaschutzplan 2050 festgeschrieben und mit Maßnahmen hinterlegt, s. auch Kap. 8, Politik der (deutschen) Energiewende.

In Deutschland wurden von der Industrie große Anstrengungen unternommen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. So gelang es Im Zeitraum 1990‒2015, die CO2-Emissionen insgesamt um 22,4 % zu reduzieren. Das muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Emissionen weltweit im gleichen Zeitraum um rund 57,5 % zugenommen haben. Einschränkend kommt allerdings hinzu, dass seit 2011 die Emissionen in Deutschland stagnierten, teilweise sogar leicht wieder angestiegen sind. Erst im Jahr 2018 gab es wieder eine nennenswerte Reduktion, s. Abb. 5‑17.

Im Klimaschutzbericht 2017 vom 18. Juni 2018 musste dann die Bundesregierung bekannt geben, dass die deutschen Treibhaus-Emissionen bis 2020 nur einen Rückgang von rd. 32 % aufweisen werden. Die Bundesregierung ging damit davon aus, dass Deutschland seine eigenen Klimaschutzziele für 2020 verfehlen wird, was in der nationalen wie der internationalen Öffentlichkeit zu hämischen bis böswilligen Kommentaren führte. Denn das frühere Musterland Deutschland war nun nicht mehr Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Im Ranking des Umweltschutz-Verbandes CAN Europe vom Juni 2018 fiel Deutschland sogar weltweit auf Platz 27 zurück, s. Abb. 5‑18.

Abb. 5‑17:

Treibhausgasemissionen für Deutschland seit 1990, gestaffelt nach Bereichen: bei Trendfortsetzung werden die Ziele verfehlt; Quelle: Umweltbundesamt 2019

Als Grund für das Nichterreichen des Ziels wurden mehrere Faktoren benannt: das mit der guten Konjunktur verbundene Wirtschaftswachstum, der Verkehrssektor mit seinem stark zunehmenden Anteil PS-starker Fahrzeuge (SUV), die zu langsame Umsetzung der energetischen Gebäudesanierung.

Abb. 5‑18:

Das in der Klimakonferenz von 2018 in Kattowitz vorgeführte Klimaranking führt Deutschland nur auf Platz 27; Quelle: CAN Europe

Die Prognosen der Bundesregierung wurden allerdings von der Realität überholt: nach ersten deutlichen Reduktionen in 2017 und 2018 kam es im Jahr 2019 zu einer Minderung von 6, 9 %. Neuere Übersichten über die THG-Emissionen geben damit ein anderes Bild, s. Abb. 5‑19.

Hinzu kam 2020 die Auswirkung der Covid 19-Pandemie, deren Beginn für Deutschland mit Februar 2020 anzusetzen ist, und die national wie auch international wegen der deutlich abnehmenden Wirtschaftsleistung eine neue und ganz unerwartete Wendung brachte. Inzwischen ist davon auszugehen, dass das deutsche Minderungsziel von -40 % mit -42,3 % sogar übererfüllt wird (Stand Jahreswende 2020/2021).8 Kritische Kommentare prognostizieren allerdings einen deutlichen Wiederanstieg der Emissionen nach der für das zweite Hj. 2021 erwarteten wirtschaftlichen Erholung.

Ein Meilenstein des Pariser Abkommens war, dass es auch von China und den USA ratifiziert wurde. Für die USA galt dies jedoch nur temporär: Im Juni 2018 verkündete Präsident TRUMP, dass die USA 2020 den Klimavertrag verlassen würden. Hintergrund für diesen Sinneswandel war, dass die amerikanische Industrie nach dem Motto „America first“ von jeder Belastung freigehalten werden sollte, um so zu alter Stärke zurückzufinden. Es ist jedoch zu erwarten, dass sein im November 2020 gewählter Nachfolger J. BIDEN den seit dem 4. November 2020 rechtlich wirksamen Austritt wieder rückgängig machen wird.

Im Dezember des gleichen Jahres 2018 wurde schließlich auf der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz (COP 24) das sogenannte Regelbuch verabschiedet, nach dem die Klimaziele von Paris erreicht werden sollten. U. a. wurden hierin für alle Staaten einheitliche Standards und Transparenzregeln vereinbart, damit die Fortschritte bei der Verringerung der CO2-Ausstöße vergleichbar sind. Für Länder des Globalen Südens gilt eine Übergangszeit, in der sie die technischen Voraussetzungen dafür schaffen können.

Abb. 5‑19:

Übersicht über die Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Stand Sept. 2020, mit Ausblick auf 2-Grad-Scenario; Quelle: BKW Jahresausgabe 2020, S.64

Die Übereinkunft von Paris 2015 lief darauf hinaus, dass die 195 Staaten der Welt alles tun wollen, um den Anstieg der Oberflächentemperatur zu begrenzen. Was dort und später als freiwillige Zusagen angekündigt wurde, ist hierfür keinesfalls ausreichend, was auch kaum jemand bestreitet. Genaues wird man wissen, wenn nach 5 Jahren Umsetzung der erste Rechenschaftsbericht verfügbar ist und diskutiert wird. Zwar haben im September 2019 am Rande der UN-Vollversammlung 68 kleinere und mittlere Staaten weitere Zusagen angekündigt, jedoch ist darunter keiner der großen Emittenten. Der Austritt der USA aus dem Abkommen belastet zusätzlich, sodass die Skepsis zunimmt.

Das Thema insgesamt sollte die COP 25 beschäftigen, die als UN-Klimakonferenz vom 2. −16. Dezember 2019 in Madrid stattfand. Sie gilt nach den vorliegenden Berichten als misslungen, wenn nicht gar gescheitert. Dass Deutschland hier die gerade vom Kabinett verabschiedeten Klimagesetze 2019 vorstellen konnte, war einer der wenigen Lichtblicke. Auch die EU will hier Profil gewinnen. Sie hatte bisher zugesagt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 um 40 % zu reduzieren. Die neue Kommissionspräsidentin U. VON DER LEYEN hat sich im Nachgang zur Konferenz für minus 50 bis 55 % ausgesprochen, die sie mit hohen Etatansätzen und einem „Green Deal“ zwischen den beteiligten Regierungen erreichen möchte, s. auch Kap. 8, Die (deutsche) Energiewende.

Auch hier hat Covid-19 neue Akzente gesetzt. Nachdem die Pandemie zunächst dafür sorgte, dass die Klimathemen weitgehend aus dem Blick der Öffentlichkeit gerieten und von der Tagesordnung der Politik verschwanden, sind mit der Verabschiedung der umfangreichen nationalen und europäischen Hilfsprogramme und deren zumindest partieller Ausrichtung auf den Klimaschutz wieder neue Impulse zu beobachten.

Covid-19 traf auch die für Glasgow vorgesehene UN-Klimakonferenz 2020. Sie sollte der kritischen Auseinandersetzung mit den im Pariser Abkommen vereinbarten Zielen und den erreichten Fortschritten dienen. Sie wurde vorläufig auf das Jahr 2021 verschoben.

6 Handlungsoptionen

Die Aussagen des IPPC zur künftigen Klimaentwicklung werden von der überwältigenden Mehrheit der Klimawissenschaftler geteilt. Die seriöse Politik hat sich ihnen angeschlossen, zuletzt die deutsche Bundeskanzlerin A. MERKEL in ihrer Ansprache zum Neujahr 2021. Dass sich populistische Regierungen wie die von D. TRUMP in den USA oder J. BOLSONARO in Brasilien hierzu anders äußern, bis hin zur Leugnung der Fakten und zum Rückzug aus bereits geschlossenen Abkommen, mag ihnen innenpolitische Vorteile bringen, ändert jedoch nichts an der objektiven Lage.

Weniger eindeutig sind die sich bietenden Handlungsoptionen. Das hängt mit grundsätzlichen Einschätzungen zur Entwicklung der Welt und der Menschheit zusammen, die sich für Individuen wie Gesellschaften mit Abstufungen zwischen den Polen bewegt:

 Status Quo erhalten

 Welt dynamisch verstehen

Konkret kann man zunächst fragen, wie sich das Klima in den großen Zusammenhängen der Erdgeschichte darstellt. Naturgemäß gibt es hierzu quantitative Unsicherheiten, jedoch lässt sich in Abb. 6‑1 erkennen, dass Klimageschichte durch starke Veränderungen geprägt ist, mit vielen zwischenliegenden Warmzeiten. Unsere Gegenwart lässt sich hier am Ausgang der letzten Eiszeit einordnen.

Abb. 6‑1:

Erdklima in großem zeitlichem Zusammenhang; Quelle: Schönwiese, Christian-Dietrich: Klima im Wandel, Tatsachen, Irrtümer, Risiken; Deutsche-Verlags-Anstalt GmbH, 1992

Warmzeiten und Eiszeiten wechselten also ab, insbesondere auch in den letzten 1.000 Mio. Jahren. Einige Ereignisse ragen besonders heraus, so etwa die Katastrophe an der Perm-Trias-Grenze vor etwa 252 Millionen Jahren, die mit dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte verbunden ist. Hauptverursacher war der sog. Sibirische Trapp, ein riesiger Vulkankomplex im heutigen Sibirien. Die Ausbrüche setzte nach Modellrechnungen mindestens 14,5 Billionen (?) Tonnen CO2 frei – fast das Dreifache der Menge, die durch das Verbrennen heutiger fossiler Brennstoffe auf der Erde entstehen würde. In den Jahrmillionen nach dem Vulkanereignis stiegen die Wasser- und Bodentemperaturen auf 35 bis 40 °C an, die Wassertemperatur am Äquator auf bis zu 40 °C. Die Modelle lassen auch erkennen, dass das Meer damals 76 % seines Sauerstoffs verlor.1

Die letzte Zwischeneiszeit, in der wir immer noch festhängen, begann vor etwa 10.000 Jahren mit deutlich erhöhten Temperaturen und ließ den Meeresspiegel um etwa 120m (!) steigen. Die von verschiedenen Autoren ermittelten Temperaturwerte deuten an, dass während des gesamten Holozäns erhebliche Temperaturschwankungen auftraten.2

Vor diesem Hintergrund sind Temperaturanstiege nichts grundsätzlich Neues, gegenwärtig allerdings mit einer Besonderheit: Der menschengemachte Temperaturanstieg hat sich in einem mit 100 Jahren erdgeschichtlich extrem kurzen Zeitraum vollzogen und ist damit ein neuartiges Phänomen ohne bekanntes Vorbild.3

Insgesamt folgt, dass der Zustand des Erdklimas nie der eines Status Quo war, sondern vielfachen Veränderungen unterlag und damit im Sinne der oben gemachten Unterscheidung dynamisch zu verstehen ist.

 Ein Status Quo (im engen Sinn) ist erdgeschichtlich eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen wird.

 Und da der Mensch seit der Industrialisierung nicht nur kräftig in die natürliche Umwelt eingreift, sondern sich auch seine eigene Umwelt (Zivilisation) schafft und diese beständig verändert, gilt das auch für die wirtschaftsgeographische, technikhistorische und sozialgeschichtliche Perspektive.

Die massive Umgestaltung der Welt durch den Menschen hat schließlich P. CRUTZEN dazu gebracht, mit dem Anthropozän ein neues Zeitalter für unsere Gegenwart auszurufen, das seit der Mitte des 20. Jahrhunderts das Holozän abgelöst hat.4