Selbst nun vorausgesetzt, daß man einmal jene Urmischung als richtig erschlossen gelten läßt, scheinen doch zunächst einige Bedenken aus der Mechanik dem großen Entwurfe des Weltenbaues entgegenzutreten. Wenn nämlich auch der Geist an einer Stelle eine Kreisbewegung erregt, so ist die Fortsetzung derselben, besonders da sie unendlich sein soll und allmählich alle vorhandenen Massen herumschwingen soll, noch sehr schwer vorzustellen. Von vornherein würde man vermuthen, daß der Druck aller übrigen Materie diese kaum entstandene kleine Kreisbewegung erdrücken müßte; daß dies nicht geschieht, setzt von Seiten des erregenden Nous voraus, daß er plötzlich mit furchtbarer Kraft einsetzt, so schnell jedenfalls, daß wir die Bewegung einen Wirbel nennen müssen: wie Demokrit sich ebenfalls einen solchen Wirbel imaginirte. Und da dieser Wirbel unendlich stark sein muß, um durch die ganze darauf lastende Welt des Unendlichen nicht gehemmt zu werden, so wird er unendlich schnell sein, denn die Stärke kann sich ursprünglich nur in der Schnelligkeit offenbaren. Je weiter dagegen die concentrischen Ringe sind, um so langsamer wird diese Bewegung sein; wenn einmal die Bewegung das Ende der unendlich ausgespannten Welt erreichen könnte, dann müßte sie bereits unendlich kleine Schnelligkeit des Umschwungs haben. Umgekehrt, wenn wir uns die Bewegung unendlich groß, das heißt unendlich schnell denken, nämlich bei dem allerersten Einsetzen der Bewegung, so muß auch der anfängliche Kreis unendlich klein gewesen sein; wir bekommen also als Anfang einen um sich selbst gedrehten Punkt, mit einem unendlich kleinen materiellen Inhalte. Dieser würde aber die weitere Bewegung gar nicht erklären: man könnte sich selbst sämmtliche Punkte der Urmasse um sich selbst wirbelnd denken, und doch bliebe die ganze Masse unbewegt und ungeschieden. Falls dagegen jener vom Nous ergriffene und geschwungene materielle Punkt von unendlicher Kleinheit nicht um sich gedreht wurde, sondern eine Peripherie umschrieb, die beliebig größer war, so genügte dies bereits, um andre materielle Punkte anzustoßen, fortzubewegen, zu schleudern, abprallen zu lassen und so allmählich einen beweglichen und um sich greifenden Tumult zu erregen, in dem, als nächstes Resultat, jene Scheidung der aërischen Massen von den ätherischen vor sich gehen mußte. Wie der Einsatz der Bewegung selbst ein willkürlicher Akt des Nous ist, so ist es auch die Art dieses Einsatzes, insofern die erste Bewegung einen Kreis, dessen Radius beliebig größer gewählt ist als ein Punkt, umschreibt.
Hier könnte man nun freilich fragen, was damals dem Nous so plötzlich eingefallen ist, ein beliebiges materielles Pünktchen, aus jener Anzahl von Punkten, anzustoßen und in wirbelndem Tanze herumzudrehen, und warum ihm das nicht früher einfiel. Darauf würde Anaxagoras antworten: »Er hat das Privilegium der Willkür, er darf einmal beliebig anfangen, er hängt von sich ab, während alles Andere von außen her determinirt ist.« Er hat keine Pflicht und also auch keinen Zweck, den zu verfolgen er gezwungen wäre; wenn er einmal mit jener Bewegung anfieng und sich einen Zweck setzte, so war dies doch nur – die Antwort ist schwer, Heraklit würde ergänzen – ein Spiel.«
Das scheint immer die den Griechen auf der Lippe schwebende letzte Lösung oder Auskunft gewesen zu sein. Der anaxagorische Geist ist ein Künstler, und zwar das gewaltigste Genie der Mechanik und Baukunst, mit den einfachsten Mitteln die großartigsten Formen und Bahnen und gleichsam eine bewegliche Architektur schaffend, aber immer aus jener irrationalen Willkür, die in der Tiefe des Künstlers liegt. Es ist, als ob Anaxagoras auf Phidias deutete und angesichts des ungeheuren Künstlerwerks, des Kosmos, ebenso wie vor dem Parthenon uns zuriefe: »Das Werden ist kein moralisches, sondern nur ein künstlerisches Phänomen.« Aristoteles erzählt, daß Anaxagoras auf die Frage, weshalb das Dasein überhaupt für ihn werthvoll sei, geantwortet habe »um den Himmel und die gesammte Ordnung des Kosmos anzuschauen«. Er behandelte die physikalischen Dinge so andächtig und mit so geheimnißvoller Scheu, wie wir vor einem antiken Tempel stehen; seine Lehre wurde zu einer Art von freigeistischer Religionsübung, sich schützend durch das odi profanum vulgus et arceo und ihre Anhänger aus der höchsten und edelsten Gesellschaft Athen’s mit Vorsicht wählend. In der abgeschlossnen Gemeinde der athenischen Anaxagoreer war die Mythologie des Volkes nur noch als eine symbolische Sprache erlaubt; alle Mythen, alle Götter, alle Heroen galten hier nur als Hieroglyphen der Naturdeutung, und selbst das homerische Epos sollte der kanonische Gesang vom Walten des Nous und von den Kämpfen und Gesetzen der Physis sein. Hier und da drang ein Ton aus dieser Gesellschaft erhabener Freigeister in das Volk; und besonders der große und jederzeit verwegene, auf Neues sinnende Euripides wagte mancherlei durch die tragische Maske laut werden zu lassen, was der Masse wie ein Pfeil durch die Sinne drang und von dem sie sich nur durch possenhafte Karrikaturen und lächerliche Umdeutungen befreite.
Der allergrößte Anaxagoreer ist aber Perikles, der mächtigste und würdigste Mensch der Welt; und gerade über ihn legt Plato das Zeugniß ab, daß allem die Philosophie des Anaxagoras seinem Genie den erhabnen Flug gegeben habe. Wenn er als öffentlicher Redner vor seinem Volke stand, in der schönen Starrheit und Unbewegtheit eines marmornen Olympiers und jetzt, ruhig, in seinen Mantel gehüllt, bei unverändertem Faltenwurfe, ohne jeden Wechsel des Gesichtsausdrucks, ohne Lächeln, mit dem gleichbleibenden starken Ton der Stimme, also ganz und gar undemosthenisch, aber eben perikleisch redete, donnerte, blitzte, vernichtete und erlöste – dann war er die Abbreviatur des anaxagorischen Kosmos, das Bild des Nous, der sich das schönste und würdevollste Gehäuse gebaut hat und gleichsam die sichtbare Menschwerdung der bauenden, bewegenden, ausscheidenden, ordnenden, überschauenden, künstlerisch-undeterminirten Kraft des Geistes. Anaxagoras selbst hat gesagt, der Mensch sei schon deshalb das vernünftigste Wesen oder müsse schon darum den Nous in größerer Fülle als alle anderen Wesen in sich beherbergen, weil er so bewunderungswürdige Organe wie die Hände habe; er schloß also darauf, daß jener Nous je nach der Größe und Masse, in der er sich eines materiellen Körpers bemächtigt, sich immer die seinem Quantitätsgrade entsprechenden Werkzeuge aus dieser Materie baue, die schönsten und zweckmäßigsten somit, wenn er in größter Fülle erscheint. Und wie die wundersamste und zweckmäßigste That des Nous jene kreisförmige Urbewegung sein mußte, da damals der Geist noch ungetheilt in sich zusammen war, so erschien wohl die Wirkung der perikleischen Rede dem horchenden Anaxagoras oftmals als ein Gleichnißbild jener kreisförmigen Urbewegung; denn auch hier spürte er zuerst einen mit furchtbarer Kraft, aber geordnet sich bewegenden Gedankenwirbel, der in concentrischen Kreisen die Nächsten und die Fernsten allmählich erfaßte und fortriß und der, wenn er sein Ende erreichte, das gesammte Volk ordnend und scheidend umgestaltet hatte.
Den späteren Philosophen des Alterthums war die Art, wie Anaxagoras von seinem Nous zur Erklärung der Welt Gebrauch machte, wunderlich, ja kaum verzeihlich; es erschien ihnen als ob er ein herrliches Werkzeug gefunden, aber nicht recht verstanden habe, und sie suchten nachzuholen, was vom Finder versäumt war. Sie erkannten also nicht, welchen Sinn die vom reinsten Geiste naturwissenschaftlicher Methode eingegebne Entsagung des Anaxagoras hatte, die sich in jedem Falle und vor Allem die Frage stellt, wodurch Etwas ist ( causa efficiens) und nicht, weshalb Etwas ist ( causa finalis). Der Nous ist von Anaxagoras nicht zur Beantwortung der speciellen Frage »wodurch giebt es Bewegung und wodurch giebt es regelmäßige Bewegungen?« herbeigezogen worden; Plato aber wirft ihm vor, er habe zeigen müssen, aber nicht gezeigt, daß jedes Ding in seiner Weise und an seinem Orte sich am Schönsten, Besten und Zweckmäßigsten befinde. Dies hätte aber Anaxagoras in keinem einzelnen Falle zu behaupten gewagt, für ihn war die vorhandene Welt nicht einmal die denkbar vollkommenste, denn er sah jedes Ding aus jedem entstehen und fand die Scheidung der Substanzen durch den Nous weder am Ende des erfüllten Raumes in der Welt, noch in den einzelnen Wesen vollzogen und abgethan. Es reichte seinem Erkennen vollständig aus, eine Bewegung gefunden zu haben, welche, in einfacher Fortwirkung aus einem durch und durch gemischten Chaos die sichtbare Ordnung schaffen kann, und er hütete sich wohl, die Frage nach dem Weshalb? der Bewegung, nach dem vernünftigen Zweck der Bewegung zu stellen. Hatte nämlich der Nous einen seinem Wesen nach nothwendigen Zweck durch sie zu erfüllen, so stand es nicht mehr in seiner Willkür, die Bewegung irgend einmal anzufangen; sofern er ewig ist, hätte er auch ewig schon von diesem Zwecke bestimmt werden müssen, und dann hätte es keinen Zeitpunkt geben dürfen, in dem die Bewegung noch fehlte, ja es wäre logisch verboten gewesen, für die Bewegung einen Anfangspunkt anzunehmen: wodurch dann wiederum die Vorstellung vom ursprünglichen Chaos, das Fundament der ganzen anaxagorischen Weltdeutung, ebenfalls logisch unmöglich geworden wäre. Um solchen Schwierigkeiten, die die Teleologie schafft, zu entgehen, mußte Anaxagoras immer auf das Stärkste betonen und betheuern, daß der Geist willkürlich sei; alle seine Akte, auch der jener Urbewegung, seien Akte des »freien Willens«, während dagegen die ganze andre Welt streng determinirt und zwar mechanisch determinirt, nach jenem Urmoment, sich bilde. Jener absolut freie Wille kann aber nur zwecklos gedacht werden, ungefähr nach Art des Kinderspieles oder des künstlerischen Spieltriebes. Es ist ein Irrthum, wenn man Anaxagoras die gewöhnliche Verwechslung des Teleologen zumuthet, der, im Anstaunen der außerordentlichen Zweckmäßigkeit, der Übereinstimmung der Theile mit dem Ganzen, namentlich im Organischen, voraussetzt. Das, was für den Intellekt existirt, sei auch durch den Intellekt hineingekommen, und Das, was er nur unter Leitung des Zweckbegriffs zu Stande bringt, müsse auch von der Natur durch Überlegung und Zweckbegriffe zu Stande gebracht sein. (Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, Band II, zweites Buch, Capitel 26, zur Teleologie.) In der Manier des Anaxagoras gedacht, ist aber im Gegentheil die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Dinge direkt nur das Resultat einer blind mechanischen Bewegung; und nur um diese Bewegung veranlassen zu können, um aus der Todesruhe des Chaos irgendwann einmal herauszukommen, nahm Anaxagoras den willkürlichen, von sich allem abhängigen Nous an. Er schätzte an ihm gerade die Eigenschaft, beliebig zu sein, also unbedingt, undeterminirt, weder von Ursachen noch von Zwecken geleitet, wirken zu können.
(Anfang 1873.)
1.
Daß diese gesammte Auffassung der anaxagorischen Lehre richtig sein muß, beweist am deutlichsten die Art, wie die Nachfolger des Anaxagoras, der Agrigentiner Empedokles und der Atomenlehrer Demokrit in ihren Gegensystemen thatsächlich dieselbe kritisirten und verbesserten. Die Methode dieser Kritik ist vor Allem die fortgesetzte Entsagung in jenem erwähnten naturwissenschaftlichen Geiste, das Gesetz der Sparsamkeit, auf die Naturerklärung angewendet. Die Hypothese, die mit dem kleinsten Aufwande von Voraussetzungen und Mitteln die vorhandene Welt erklärt, soll den Vorzug haben: denn in ihr ist das wenigste Belieben, und das freie Spiel mit Möglichkeiten untersagt. Sollte es zwei Hypothesen geben, die beide die Welt erklären, so ist streng zu prüfen, welche von beiden jener Forderung der Sparsamkeit am meisten genügt. Wer mit den einfacheren und bekannteren Kräften, vor Allem den mechanischen, bei jener Erklärung auskommen kann, wer aus möglichst wenigen Kräften den vorhandenen Bau der Welt ableitet, wird immer Demjenigen vorgezogen werden, der die complicirteren und weniger bekannten Kräfte, und dazu diese noch in größerer Zahl, ein weltbildendes Spiel treiben läßt. So sehen wir denn Empedokles bemüht, den Überfluß an Hypothesen aus der Lehre des Anaxagoras zu beseitigen.
Als erste nicht nothwendige Hypothese fällt die vom anaxagorischen Nous, denn seine Annahme ist viel zu voll, um etwas so Einfaches wie die Bewegung zu erklären. Es ist doch nur nöthig, die beiden Arten der Bewegung, das Sichhinbewegen eines Gegenstandes zu einem andern und das Sichwegbewegen von einem andern zu erklären.
*
2.
Wenn unser jetziges Werden ein Ausscheiden ist, wenn auch kein völliges, so fragt Empedokles: was hindert die völlige Ausscheidung? Also eine entgegenstrebende Kraft, das heißt eine latente Bewegung der Anziehung.
Sodann: um jenes Chaos zu erklären, muß auch schon bereits eine Macht thätig gewesen sein, es ist zu dieser innigsten Verschlingung eine Bewegung nöthig.
Also periodisches Überwiegen der einen und der andern Macht sicher. Diese sind entgegengesetzt.
Die Macht der Attraktion wirkt auch jetzt noch, denn sonst gäbe es gar keine Dinge, es wäre Alles geschieden.
Das ist das Thatsächliche: zwei Bewegungsarten. Diese erklärt der Nous nicht. Dagegen Liebe und Haß: daß diese bewegen, sehn wir doch gewiß, so gut als daß der Nous sich bewegt.
Jetzt verändert sich die Auffassung des Urzustandes: es ist der seligste. Bei Anaxagoras war es das Chaos vor dem architektonischen Werk, gleichsam der Steinhaufen des Bauplatzes.
*
3.
Empedokles hatte den Gedanken einer der Schwere entgegenwirkenden, durch den Umschwung entstehenden Tangentialkraft gefaßt ( de coelo I p. 284), Schopenhauer W. a. W. II 390.
Er hielt die Fortsetzung der Kreisbewegung für unmöglich bei Anaxagoras. Es gäbe einen Wirbel, d. h. den Gegensatz der geordneten Bewegung.
Wären die Theilchen unendlich durch einander vermischt, so könnte man die Körper ohne Kraftanstrengung auseinanderbrechen, sie würden nicht zusammenhalten, sie wären wie Staub.
Die Kräfte, die die Atome an einander drücken und der Masse die Festigkeit geben, nennt Empedokles »Liebe«. Es ist eine Molekularkraft, eine constitutive Kraft der Körper.
*
4.
Gegen Anaxagoras.
1. Das Chaos setzt schon Bewegung voraus.
2. Nichts hinderte die volle Ausscheidung.
3. Unsere Körper wären Staubgebilde. Wie Bewegung, wenn nicht in allen Körpern Gegenbewegungen sind?
4. Eine geordnet fortgesetzte Kreisbewegung unmöglich: nur ein Wirbel. Den Wirbel nimmt er selbst als Wirkung des νειϰος an. ἀποϱϱοαί. Wie wirkt Entferntes auf einander, Sonne auf Erde? Wäre Alles noch im Wirbel, wäre das unmöglich. Also zwei bewegende Kräfte mindestens: die den Dingen inhäriren müssen.
5. Warum unendliche ὄντα? Überschreiten der Erfahrung. Anaxagoras meinte die chemischen Atome. Empedokles versuchte die Annahme von vier chemischen Atomenarten. Er hielt die Aggregatzustände für essentiell und die Wärme coordinirt. Also die Aggregatzustände durch Abstoßung und Attraktion; Materie in vier Formen.
6. Das Periodische ist nöthig.
7. Bei den lebenden Wesen will Empedokles auch noch nach dem gleichen Princip verfahren. Er leugnet auch hier die Zweckmäßigkeit. Seine größte That. Bei Anaxagoras ein Dualismus.
*
5.
Die Symbolik der Geschlechtsliebe. Hier wie in der platonischen Fabel zeigt sich die Sehnsucht nach dem Einssein, zeigt sich, daß einmal größere Einheit schon existirte: wäre diese größere Einheit hergestellt, dann würde diese wieder nach einer noch größeren streben. Die Überzeugung von der Einheit alles Lebendigen verbürgt, daß es einmal ein ungeheures Lebendiges gab, von dem wir Stücke sind: das ist wohl der Sphairos selbst. Er ist die seligste Gottheit. Alles war nur durch Liebe verbunden, also höchst zweckmäßig. Diese ist zerrissen und zerspalten worden durch den Haß, in seine Elemente zerstückt und dadurch getödtet, des Lebens beraubt. Im Wirbel entstehn keine lebenden Einzelwesen. Endlich ist Alles getrennt, und nun beginnt unsere Periode. (Der anaxagorischen Urmischung setzt er eine Urentzweiung entgegen.) Die Liebe, blind wie sie ist, wirft mit wüthender Hast wieder die Elemente an einander, versuchend, ob sie sie wieder zum Leben bringt. Hier und da gelingt es. Es setzt sich fort. Ein Ahnungsgefühl in den belebten Wesen entsteht, daß sie noch höhere Vereinigungen erstreben müssen, als Heimat und Urzustand. Eros. Es ist ein furchtbares Verbrechen Leben zu tödten, denn damit strebt man zur Urentzweiung zurück. Einstmals soll Alles wieder ein einziges Leben sein, der seligste Zustand.
Die pythagoreisch-orphische Lehre in naturwissenschaftlicher Umdeutung: Empedokles beherrscht beide Ausdrucksmittel mit Bewußtsein, darum ist er der erste Rhetor. Politische Ziele.
Die Doppelnatur – das Agonale und das Liebende, Mitleidige.
Versuch der hellenischen Gesammtreform.
Alle unorganische Materie ist aus organischer entstanden, es ist todte organische Materie. Leichnam und Mensch.
*
6.
Demokrit.
Möglichste Vereinfachung der Hypothesen.
1. Es giebt Bewegung, also leeren Raum, also Nichtseiendes. Das Denken eine Bewegung.
2. Wenn es ein Seiendes giebt, muß es untheilbar sein, das heißt absolut erfüllt. Das Zertheilen ist nur erklärbar bei leeren Räumen, bei Poren. Ein absolut poröses Ding ist nur das Nichtseiende.
3. Die sekundären Eigenschaften der Materie νόμφ, nicht an sich.
4. Feststellung der primären Eigenschaften der ἄτομα. Worin gleichartig, worin verschieden?
5. Die Aggregatzustände des Empedokles (4 Elemente) setzen nur die gleichartigen Atome voraus, können also nicht selbst ὄντα sein.
6. Die Bewegung ist mit den Atomen unlösbar verbunden, Wirkung der Schwerkraft. Epikur. Kritik: was heißt Schwere in einem unendlichen leeren Raume?
7. Denken ist Bewegung der Feueratome. Seele, Leben, Sinneswahrnehmungen.
*
Werth des Materialismus und Verlegenheit desselben.
Plato und Demokrit.
Der weltflüchtige heimatlose edle Forscher.
Demokrit und die Pythagoreer finden zusammen das Fundament der Naturwissenschaften.
*
Welches sind die Ursachen, welche eine gedeihliche Experimentalphysik im Alterthum nach Demokrit unterbrochen haben?
*
7.
Anaxagoras hat von Heraklit die Vorstellung genommen, daß in jedem Werden und Sein das Entgegengesetzte zusammen ist.
Er empfand wohl den Widerspruch, daß ein Körper viele Eigenschaften hat, und pulverisirte ihn, in dem Glauben jetzt ihn in seine wahren Qualitäten aufgelöst zu haben.
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Plato: erst Herakliteer, consequent Skeptiker: Alles, auch das Denken, Fluß.
Durch Sokrates zum Beharren des Guten, Schönen gebracht.
Diese als seiend angenommen.
An der Idee des Guten, Schönen nehmen alle Gattungsideale theil und sind deshalb auch seiend (wie die Seele an der Idee des Lebens). Die Idee gestaltlos.
Durch Pythagoras’ Seelenwanderung ist die Frage beantwortet: wie wir etwas von den Ideen wissen können.
Ende Plato’s: Skepticismus im Parmenides. Widerlegung der Ideenlehre.
*
8.
Schluß.
Das Denken der Griechen im tragischen Zeitalter ist pessimistisch oder künstlerisch optimistisch.
Ihr Urtheil über das Leben besagt mehr. Das Eine, Flucht vor dem Werden, Aut Einheit aut künstlerisches Spiel.
Tiefes Mißtrauen gegen die Realität: Niemand nimmt einen guten Gott, der Alles optime gemacht, an.
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Pythagoreer religiöse Sekte.
Anaximander.
Empedokles.
Eleaten.
Anaxagoras.
Heraklit.
Demokrit: die Welt ohne moralische und ästhetische Bedeutung, Pessimismus des Zufalls.
Wenn man sie Alle vor eine Tragödie stellte, so würden die drei Ersten sie als Spiegel der Unseligkeit des Daseins erkennen, Parmenides als vergänglichen Schein, Heraklit und Anaxagoras als künstlerischen Bau und Abbild der Weltgesetze, Demokrit als Resultat von Maschinen.
*
Mit Sokrates beginnt der Optimismus, der nicht mehr künstlerische, mit Teleologie und dem Glauben an den guten Gott: der Glaube an den wissenden guten Menschen. Auflösung der Instinkte.
Sokrates bricht mit der bisherigen Wissenschaft und Cultur, er will zurück zur alten Bürgertugend und zum Staate.
Plato löst sich von dem Staate, als er merkt, daß er mit der neuen Cultur identisch geworden ist.
Der sokratische Skepticismus ist Waffe gegen die bisherige Cultur und Wissenschaft.