Maria Stuart. Trauerspiel in fünf Aufzügen

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Fünfter Auftritt

DIE VORIGEN. MORTIMER scheu hereintretend.

MORTIMER (zur Amme).

380

Entfernt Euch, haltet Wache vor der Tür,

Ich habe mit der Königin zu reden.

MARIA (mit Ansehn). Hanna, du bleibst.

MORTIMER.

Habt keine Furcht, Mylady. Lernt mich kennen.

(Er überreicht ihr eine Karte.)

MARIA (sieht sie an und fährt bestürzt zurück).

Ha! Was ist das?

MORTIMER (zur Amme). Geht, Dame Kennedy.

385

Sorgt, dass mein Oheim uns nicht überfalle!

MARIA (zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht). Geh! Geh! Tu was er sagt!

(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.)

Sechster Auftritt

MORTIMER. MARIA.

MARIA. Von meinem Oheim!

Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich!

(Liest.)

»Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,

Denn keinen treuem Freund habt Ihr in England.«

(Mortimern mit Erstaunen ansehend.)

Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?

391

So nahe find ich einen Freund und wähnte mich

Verlassen schon von aller Welt – find ihn

In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,

In dem ich meinen schlimmsten Feind –

MORTIMER (sich ihr zu Füßen werfend). Verzeihung

395

Für diese verhasste Larve, Königin,

Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,

Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen,

Euch Hülfe und Errettung bringen kann.

MARIA. Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann

400

So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends

Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir –

Macht mir dies Glück begreiflich, dass ich’s glaube.

MORTIMER (steht auf).

Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sein,

Und ein verhasster Mensch begleitet ihn.

405

Eh Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,

Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.

MARIA. Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!

MORTIMER. Erlaubt, dass ich von mir beginne.

MARIA. Redet, Sir!

MORTIMER. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,

410

In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,

In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt,

Als mich die unbezwingliche Begierde

Hinaustrieb auf das feste Land. Ich ließ

Der Puritaner dumpfe Predigtstuben,

415

Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf

Durchzog ich Frankreich, das gepriesene

Italien mit heißem Wunsche suchend.

Es war die Zeit des großen Kirchenfests,

Von Pilgerscharen wimmelten die Wege,

420

Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,

Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,

Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst

Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,

Und riss mich in das Weichbild Roms –

425

Wie ward mir, Königin!

Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen

Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit

Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist

In seine heitre Wunderwelt mich schloss!

430

Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt,

Es hasst die Kirche, die mich auferzog,

Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,

Allein das körperlose Wort verehrend.

Wie wurde mir, als ich ins Innre nun

435

Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel

Herunterstieg, und der Gestalten Fülle

Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll,

Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,

Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,

440

Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,

Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn,

Die heil’ge Mutter, die herabgestiegne

Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung –

Als ich den Papst drauf sah in seiner Pracht

445

Das Hochamt halten und die Völker segnen.

O was ist Goldes, was Juwelen Schein,

Womit der Erde Könige sich schmücken!

Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben.

Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,

450

Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.

MARIA. O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf,

Den frischen Lebensteppich vor mir aus-

Zubreiten – Ich bin elend und gefangen.

MORTIMER. Auch ich war’s, Königin! und mein Gefängnis

455

Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich

Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend.

Hass schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,

Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,

Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.

460

Viel edle Schotten drängten sich an mich

Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.

Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,

Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!

Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz

465

Geboren, um die Geister zu regieren!

Das Muster eines königlichen Priesters,

Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!

MARIA. Ihr habt sein teures Angesicht gesehn,

Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,

470

Der meiner zarten Jugend Führer war.

O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?

Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,

Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?

MORTIMER. Der Treffliche ließ selber sich herab,

475

Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten,

Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun.

Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft

Den Menschen ewig in der Irre leitet,

Dass seine Augen sehen müssen, was

480

Das Herz soll glauben, dass ein sichtbar Haupt

Der Kirche not tut, dass der Geist der Wahrheit

Geruht hat auf den Sitzungen der Väter.

Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,

Wie schwanden sie vor seinem siegenden

485

Verstand und vor der Suada seines Mundes!

Ich kehrte in der Kirche Schoß zurück,

Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände.

MARIA. So seid Ihr einer jener Tausende,

Die er mit seiner Rede Himmelskraft

490

Wie der erhabne Prediger des Berges

Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!

MORTIMER. Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf

Nach Frankreich riefen, sandt er mich nach Reims,

Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,

495

Für Englands Kirche Priester auferzieht.

Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,

Auch Euren treuen Leßley, den gelehrten

Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden

Freudlose Tage der Verbannung leben –

500

Eng schloss ich mich an diese Würdigen,

Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags,

Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,

Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen,

Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig

505

Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele,

Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da.

Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht

Mögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.

Die schönste aller Frauen, welche leben,

510

Ist auch die jammernswürdigste von allen,

Um unsers Glaubens willen duldet sie,

Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.

MARIA. Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,

Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.

515

MORTIMER. Drauf fing er an, mit herzerschütternder

Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum

Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.

Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigte

Mir Eure Abkunft von dem hohen Hause

520

Der Tudor, überzeugte mich, dass Euch

Allein gebührt in Engelland zu herrschen,

Nicht dieser Afterkönigin, gezeugt

In ehebrecherischem Bett, die Heinrich,

Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.

525

Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt ich traun,

Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten,

Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,

Und alle Kundige, die ich befragte,

Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.

530

Ich weiß nunmehr, dass Euer gutes Recht

An England Euer ganzes Unrecht ist,

Dass Euch dies Reich als Eigentum gehört,

Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.

MARIA. O dieses unglücksvolle Recht! Es ist

535

Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden.

 

MORTIMER. Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,

Dass Ihr aus Talbots Schloss hinweggeführt,

Und meinem Oheim übergeben worden –

Des Himmels wundervolle Rettungshand

540

Glaubt ich in dieser Fügung zu erkennen,

Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,

Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien.

Die Freunde stimmen freudig bei, es gibt

Der Kardinal mir seinen Rat und Segen,

545

Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.

Schnell ward der Plan entworfen, und ich trete

Den Rückweg an ins Vaterland, wo ich,

Ihr wisst’s, vor zehen Tagen bin gelandet.

(Er hält inne.)

Ich sah Euch, Königin – Euch selbst!

550

Nicht Euer Bild! – O welchen Schatz bewahrt

Dies Schloss! Kein Kerker! Eine Götterhalle,

Glanzvoller als der königliche Hof

Von England – O des Glücklichen, dem es

Vergönnt ist, eine Luft mit Euch zu atmen!

555

Wohl hat sie Recht, die Euch so tief verbirgt!

Aufstehen würde Englands ganze Jugend,

Kein Schwert in seiner Scheide müßig bleiben,

Und die Empörung mit gigantischem Haupt

Durch diese Friedensinsel schreiten, sähe

Der Brite seine Königin!

560

MARIA. Wohl ihr!

Säh jeder Brite sie mit Euren Augen!

MORTIMER. Wär er, wie ich, ein Zeuge Eurer Leiden,

Der Sanftmut Zeuge und der edlen Fassung,

Womit Ihr das Unwürdige erduldet.

565

Denn geht Ihr nicht aus allen Leidensproben

Als eine Königin hervor? Raubt Euch

Des Kerkers Schmach von Eurem Schönheitsglanze?

Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,

Und doch umfließt Euch ewig Licht und Leben.

570

Nie setz ich meinen Fuß auf diese Schwelle,

Dass nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,

Nicht von der Lust entzückt, Euch anzuschauen! –

Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend

Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,

575

Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht länger

Das Schreckliche verbergen –

MARIA. Ist mein Urteil

Gefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.

MORTIMER.

Es ist gefällt. Die zweiundvierzig Richter haben

Ihr Schuldig ausgesprochen über Euch. Das Haus

580

Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London

Bestehen heftig dringend auf des Urteils

Vollstreckung, nur die Königin säumt noch,

– Aus arger List, dass man sie nötige,

Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.

MARIA (mit Fassung).

585

Sir Mortimer, Ihr überrascht mich nicht,

Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ich

Schon längst gefasst. Ich kenne meine Richter.

Nach den Misshandlungen, die ich erlitten,

Begreif ich wohl, dass man die Freiheit mir

Nicht schenken kann – Ich weiß, wo man hinaus will.

591

In ew’gem Kerker will man mich bewahren,

Und meine Rache, meinen Rechtsanspruch

Mit mir verscharren in Gefängnisnacht.

MORTIMER. Nein, Königin – o nein! nein! Dabei steht man

595

Nicht still. Die Tyrannei begnügt sich nicht,

Ihr Werk nur halb zu tun. Solang Ihr lebt,

Lebt auch die Furcht der Königin von England.

Euch kann kein Kerker tief genug begraben,

Nur Euer Tod versichert ihren Thron.

600

MARIA. Sie könnt es wagen, mein gekröntes Haupt

Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?

MORTIMER. Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.

MARIA. Sie könnte so die eigne Majestät

Und aller Könige im Staube wälzen?

605

Und fürchtet sie die Rache Frankreichs nicht?

MORTIMER.

Sie schließt mit Frankreich einen ew’gen Frieden,

Dem Duc von Anjou schenkt sie Thron und Hand.

MARIA. Wird sich der König Spaniens nicht waffnen?

MORTIMER. Nicht eine Welt in Waffen fürchtet sie,

610

Solang sie Frieden hat mit ihrem Volke.

MARIA. Den Briten wollte sie dies Schauspiel geben?

MORTIMER. Dies Land, Mylady, hat in letzten Zeiten

Der königlichen Frauen mehr vom Thron

Herab aufs Blutgerüste steigen sehn.

615

Die eigne Mutter der Elisabeth

Ging diesen Weg, und Katharina Howard,

Auch Lady Gray war ein gekröntes Haupt.

MARIA (nach einer Pause).

Nein, Mortimer! Euch blendet eitle Furcht.

Es ist die Sorge Eures treuen Herzens,

620

Die Euch vergebne Schrecknisse erschafft.

Nicht das Schafott ist’s, das ich fürchte, Sir.

Es gibt noch andre Mittel, stillere,

Wodurch sich die Beherrscherin von England

Vor meinem Anspruch Ruhe schaffen kann.

625

Eh sich ein Henker für mich findet, wird

Noch eher sich ein Mörder dingen lassen.

Das ist’s, wovor ich zittre, Sir! und nie

Setz ich des Bechers Rand an meine Lippen,

Dass nicht ein Schauder mich ergreift, er könnte

630

Kredenzt sein von der Liebe meiner Schwester.

MORTIMER. Nicht offenbar noch heimlich soll’s dem Mord

Gelingen, Euer Leben anzutasten.

Seid ohne Furcht! Bereitet ist schon alles,

Zwölf edle Jünglinge des Landes sind

635

In meinem Bündnis, haben heute früh

Das Sakrament darauf empfangen, Euch

Mit starkem Arm aus diesem Schloss zu führen.

Graf Aubespine, der Abgesandte Frankreichs,

Weiß um den Bund, er bietet selbst die Hände,

640

Und sein Palast ist’s, wo wir uns versammeln.

MARIA. Ihr macht mich zittern, Sir – doch nicht für Freude.

Mir fliegt ein böses Ahnden durch das Herz.

Was unternehmt ihr? Wisst ihr’s? Schrecken euch

Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,

645

Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,

Nicht das Verderben der Unzähligen,

Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,

Und meine Ketten schwerer nur gemacht?

649

Unglücklicher, verführter Jüngling – flieht!

Flieht, wenn’s noch Zeit ist – wenn der Späher Burleigh

Nicht jetzt schon Kundschaft hat von euch, nicht schon

In eure Mitte den Verräter mischte.

Flieht aus dem Reiche schnell! Marien Stuart

Hat noch kein Glücklicher beschützt.

MORTIMER. Mich schrecken

655

Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,

Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,

Nicht das Verderben der unzähl’gen andern,

Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,

Sie fanden auch darin den ew’gen Ruhm,

660

Und Glück schon ist’s, für Eure Rettung sterben.

MARIA. Umsonst! Mich rettet nicht Gewalt, nicht List.

Der Feind ist wachsam und die Macht ist sein.

Nicht Paulet nur und seiner Wächter Schar,

Ganz England hütet meines Kerkers Tore.

665

Der freie Wille der Elisabeth allein

Kann sie mir auftun.

MORTIMER. O das hoffet nie!

MARIA. Ein einz’ger Mann lebt, der sie öffnen kann.

MORTIMER. O nennt mir diesen Mann –

MARIA. Graf Leicester.

MORTIMER (tritt erstaunt zurück). Leicester!

Graf Leicester! – Euer blutigster Verfolger,

670

Der Günstling der Elisabeth – von diesem –

MARIA. Bin ich zu retten, ist’s allein durch ihn.

– Geht zu ihm. Öffnet Euch ihm frei.

Und zur Gewähr, dass ich’s bin, die Euch sendet,

Bringt ihm dies Schreiben. Es enthält mein Bildnis.

(Sie zieht ein Papier aus dem Busen, Mortimer tritt zurück und zögert, es anzunehmen.)

675

Nehmt hin. Ich trag es lange schon bei mir,

Weil Eures Oheims strenge Wachsamkeit

Mir jeden Weg zu ihm gehemmt – Euch sandte

Mein guter Engel –

MORTIMER. Königin – dies Rätsel –

Erklärt es mir –

MARIA. Graf Leicester wird’s Euch lösen.

680

Vertraut ihm, er wird Euch vertraun – Wer kommt?

KENNEDY (eilfertig eintretend).

Sir Paulet naht mit einem Herrn vom Hofe.

MORTIMER. Es ist Lord Burleigh. Fasst Euch, Königin!

Hört es mit Gleichmut an, was er Euch bringt.

(Er entfernt sich durch eine Seitentür, Kennedy folgt ihm.)

Siebenter Auftritt

MARIA. LORD BURLEIGH, Großschatzmeister von England, und RITTER PAULET.

PAULET. Ihr wünschtet heut Gewissheit Eures Schicksals,

685

Gewissheit bringt Euch Seine Herrlichkeit,

Mylord von Burleigh. Tragt sie mit Ergebung.

MARIA. Mit Würde, hoff ich, die der Unschuld ziemt.

BURLEIGH. Ich komme als Gesandter des Gerichts.

MARIA. Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte,

690

Dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.

PAULET. Ihr sprecht, als wüsstet Ihr bereits das Urteil.

MARIA. Da es Lord Burleigh bringt, so weiß ich es.

– Zur Sache, Sir.

BURLEIGH. Ihr habt Euch dem Gericht

Der Zweiundvierzig unterworfen, Lady –

MARIA.

695

Verzeiht, Mylord, dass ich Euch gleich zu Anfang

Ins Wort muss fallen – Unterworfen hätt ich mich

Dem Richterspruch der Zweiundvierzig, sagt Ihr?

Ich habe keineswegs mich unterworfen.

Nie könnt ich das – ich konnte meinem Rang,

700

Der Würde meines Volks und meines Sohnes

Und aller Fürsten nicht so viel vergeben.

Verordnet ist im englischen Gesetz,

Dass jeder Angeklagte durch Geschworne

Von seinesgleichen soll gerichtet werden.

705

Wer in der Committee ist meinesgleichen?

Nur Könige sind meine Peers.

BURLEIGH. Ihr hörtet

Die Klageartikel an, ließt Euch darüber

Vernehmen vor Gerichte –

MARIA. Ja, ich habe mich

Durch Hattons arge List verleiten lassen,

710

Bloß meiner Ehre wegen, und im Glauben

An meiner Gründe siegende Gewalt,

Ein Ohr zu leihen jenen Klagepunkten

Und ihren Ungrund darzutun – Das tat ich

Aus Achtung für die würdigen Personen

715

Der Lords, nicht für ihr Amt, das ich verwerfe.

BURLEIGH. Ob Ihr sie anerkennt, ob nicht, Mylady,

Das ist nur eine leere Förmlichkeit,

Die des Gerichtes Lauf nicht hemmen kann.

Ihr atmet Englands Luft, genießt den Schutz,

720

Die Wohltat des Gesetzes, und so seid Ihr

Auch seiner Herrschaft Untertan!

MARIA. Ich atme

Die Luft in einem englischen Gefängnis.

Heißt das in England leben, der Gesetze

Wohltat genießen? Kenn ich sie doch kaum.

725

Nie hab ich eingewilligt, sie zu halten.

Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,

Bin eine freie Königin des Auslands.

BURLEIGH. Und denkt Ihr, dass der königliche Name

Zum Freibrief dienen könne, blut’ge Zwietracht

730

In fremdem Lande straflos auszusäen?

Wie stünd es um die Sicherheit der Staaten,

Wenn das gerechte Schwert der Themis nicht

Die schuld’ge Stirn des königlichen Gastes

Erreichen könnte, wie des Bettlers Haupt?

 

735

MARIA. Ich will mich nicht der Rechenschaft entziehn,

Die Richter sind es nur, die ich verwerfe.

BURLEIGH. Die Richter! Wie, Mylady? Sind es etwa

Vom Pöbel aufgegriffene Verworfne,

Schamlose Zungendrescher, denen Recht

740

Und Wahrheit feil ist, die sich zum Organ

Der Unterdrückung willig dingen lassen?

Sind’s nicht die ersten Männer dieses Landes,

Selbständig gnug, um wahrhaft sein zu dürfen,

Um über Fürstenfurcht und niedrige

745

Bestechung weit erhaben sich zu sehn?

Sind’s nicht dieselben, die ein edles Volk

Frei und gerecht regieren, deren Namen

Man nur zu nennen braucht, um jeden Zweifel,

Um jeden Argwohn schleunig stumm zu machen?

750

An ihrer Spitze steht der Völkerhirte,

Der fromme Primas von Canterbury,

Der weise Talbot, der des Siegels wahret,

Und Howard, der des Reiches Flotten führt.

Sagt! Konnte die Beherrscherin von England

755

Mehr tun, als aus der ganzen Monarchie

Die Edelsten auslesen und zu Richtern

In diesem königlichen Streit bestellen?

Und wär’s zu denken, dass Parteienhass

Den Einzelnen bestäche – Können vierzig

760

Erlesne Männer sich in einem Spruche

Der Leidenschaft vereinigen?

MARIA (nach einigem Stillschweigen).

Ich höre staunend die Gewalt des Mundes,

Der mir von je so unheilbringend war –

Wie werd ich mich, ein ungelehrtes Weib,

765

Mit so kunstfert’gem Redner messen können! –

Wohl! wären diese Lords, wie Ihr sie schildert,

Verstummen müsst ich, hoffnungslos verloren

Wär meine Sache, sprächen sie mich schuldig.

Doch diese Namen, die Ihr preisend nennt,

770

Die mich durch ihr Gewicht zermalmen sollen,

Mylord, ganz andere Rollen seh ich sie

In den Geschichten dieses Landes spielen.

Ich sehe diesen hohen Adel Englands,

Des Reiches majestätischen Senat,

775

Gleich Sklaven des Serails den Sultanslaunen

Heinrichs des Achten, meines Großohms, schmeicheln –

Ich sehe dieses edle Oberhaus,

Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen,

Gesetze prägen und verrufen, Ehen

780

Auflösen, binden, wie der Mächtige

Gebietet, Englands Fürstentöchter heute

Enterben, mit dem Bastardnamen schänden,

Und morgen sie zu Königinnen krönen.

Ich sehe diese würd’gen Peers mit schnell

785

Vertauschter Überzeugung unter vier

Regierungen den Glauben viermal ändern –

BURLEIGH.

Ihr nennt Euch fremd in Englands Reichsgesetzen,

In Englands Unglück seid Ihr sehr bewandert.

MARIA.

Und das sind meine Richter! – Lord Schatzmeister!

790

Ich will gerecht sein gegen Euch! Seid Ihr’s

Auch gegen mich – Man sagt, Ihr meint es gut

Mit diesem Staat, mit Eurer Königin,

Seid unbestechlich, wachsam, unermüdet –

Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen

795

Regiert Euch, Euch regiert allein der Vorteil

Des Souveräns, des Landes. Eben darum

Misstraut Euch, edler Lord, dass nicht der Nutzen

Des Staats Euch als Gerechtigkeit erscheine.

Nicht zweifl’ ich dran, es sitzen neben Euch

800

Noch edle Männer unter meinen Richtern.

Doch sie sind Protestanten, Eiferer

Für Englands Wohl, und sprechen über mich,

Die Königin von Schottland, die Papistin!

Es kann der Brite gegen den Schotten nicht

805

Gerecht sein, ist ein uralt Wort – Drum ist

Herkömmlich seit der Väter grauen Zeit,

Dass vor Gericht kein Brite gegen den Schotten,

Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.

Die Not gab dieses seltsame Gesetz,

810

Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen,

Man muss sie ehren, Mylord – die Natur

Warf diese beiden feur’gen Völkerschaften

Auf dieses Brett im Ozean, ungleich

Verteilte sie’s, und hieß sie darum kämpfen.

815

Der Tweede schmales Bette trennt allein

Die heft’gen Geister, oft vermischte sich

Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.

Die Hand am Schwerte, schauen sie sich drohend

Von beiden Ufern an, seit tausend Jahren.

820

Kein Feind bedränget Engelland, dem nicht

Der Schotte sich zum Helfer zugesellte,

Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,

Zu dem der Brite nicht den Zunder trug.

Und nicht erlöschen wird der Hass, bis endlich

825

Ein Parlament sie brüderlich vereint,

Ein Zepter waltet durch die ganze Insel.

BURLEIGH. Und eine Stuart sollte dieses Glück

Dem Reich gewähren?

MARIA. Warum soll ich’s leugnen?

Ja ich gesteh’s, dass ich die Hoffnung nährte,

830

Zwei edle Nationen unterm Schatten

Des Ölbaums frei und fröhlich zu vereinen.

Nicht ihres Völkerhasses Opfer glaubt ich

Zu werden; ihre lange Eifersucht,

Der alten Zwietracht unglücksel’ge Glut

835

Hofft ich auf ew’ge Tage zu ersticken,

Und wie mein Ahnherr Richmond die zwei Rosen

Zusammenband nach blut’gem Streit, die Kronen

Schottland und England friedlich zu vermählen.

BURLEIGH. Auf schlimmem Weg verfolgtet Ihr dies Ziel,

840

Da Ihr das Reich entzünden, durch die Flammen

Des Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet.

MARIA.

Das wollt ich nicht – beim großen Gott des Himmels!

Wann hätt ich das gewollt? Wo sind die Proben?

BURLEIGH. Nicht Streitens wegen kam ich her. Die Sache

845

Ist keinem Wortgefecht mehr unterworfen.

Es ist erkannt durch vierzig Stimmen gegen zwei,

Dass Ihr die Akte vom vergangnen Jahr

Gebrochen, dem Gesetz verfallen seid.

Es ist verordnet im vergangnen Jahr:

850

»Wenn sich Tumult im Königreich erhübe,

Im Namen und zum Nutzen irgendeiner

Person, die Rechte vorgibt an die Krone,

Dass man gerichtlich gegen sie verfahre,

Bis in den Tod die schuldige verfolge« –

Und da bewiesen ist –

855

MARIA. Mylord von Burleigh!

Ich zweifle nicht, dass ein Gesetz, ausdrücklich

Auf mich gemacht, verfasst, mich zu verderben,

Sich gegen mich wird brauchen lassen – Wehe

Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,

860

Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht!

Könnt Ihr es leugnen, Lord, dass jene Akte

Zu meinem Untergang ersonnen ist?

BURLEIGH. Zu Eurer Warnung sollte sie gereichen,

Zum Fallstrick habt Ihr selber sie gemacht.

865

Den Abgrund saht Ihr, der vor Euch sich auftat,

Und treugewarnet stürztet Ihr hinein.

Ihr wart mit Babington, dem Hochverräter,

Und seinen Mordgesellen einverstanden,

Ihr hattet Wissenschaft von allem, lenktet

870

Aus Eurem Kerker planvoll die Verschwörung.

MARIA. Wann hätt ich das getan? Man zeige mir

Die Dokumente auf.

BURLEIGH. Die hat man Euch

Schon neulich vor Gerichte vorgewiesen.

MARIA. Die Kopien, von fremder Hand geschrieben!

875

Man bringe die Beweise mir herbei,

Dass ich sie selbst diktiert, dass ich sie so

Diktiert, gerade so, wie man gelesen.

BURLEIGH. Dass es dieselben sind, die er empfangen,

Hat Babington vor seinem Tod bekannt.

880

MARIA. Und warum stellte man ihn mir nicht lebend

Vor Augen? Warum eilte man so sehr,

Ihn aus der Welt zu fördern, eh man ihn

Mir, Stirne gegen Stirne, vorgeführt?

BURLEIGH. Auch Eure Schreiber, Kurl und Nau, erhärten

885

Mit einem Eid, dass es die Briefe seien,

Die sie aus Eurem Munde niederschrieben.

MARIA. Und auf das Zeugnis meiner Hausbedienten

Verdammt man mich? Auf Treu und Glauben derer,

Die mich verraten, ihre Königin,

890

Die in demselben Augenblick die Treu

Mir brachen, da sie gegen mich gezeugt?

BURLEIGH. Ihr selbst erklärtet sonst den Schotten Kurl

Für einen Mann von Tugend und Gewissen.

MARIA. So kannt ich ihn – doch eines Mannes Tugend

895

Erprobt allein die Stunde der Gefahr.

Die Folter könnt ihn ängstigen, dass er

Aussagte und gestand, was er nicht wusste!

Durch falsches Zeugnis glaubt’ er sich zu retten,

Und mir, der Königin, nicht viel zu schaden.

900

BURLEIGH. Mit einem freien Eid hat er’s beschworen.

MARIA. Vor meinem Angesichte nicht! – Wie, Sir?

Das sind zwei Zeugen, die noch beide leben!

Man stelle sie mir gegenüber, lasse sie

Ihr Zeugnis mir ins Antlitz wiederholen!

905

Warum mir eine Gunst, ein Recht verweigern,

Das man dem Mörder nicht versagt? Ich weiß

Aus Talbots Munde, meines vor’gen Hüters,

Dass unter dieser nämlichen Regierung

Ein Reichsschluss durchgegangen, der befiehlt,

910

Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.

Wie? Oder hab ich falsch gehört? – Sir Paulet!

Ich hab Euch stets als Biedermann erfunden,

Beweist es jetzo. Sagt mir auf Gewissen,

Ist’s nicht so? Gibt’s kein solch Gesetz in England?

915

PAULET. So ist’s, Mylady. Das ist bei uns rechtens.

Was wahr ist, muss ich sagen.

MARIA. Nun, Mylord!

Wenn man mich denn so streng nach englischem Recht

Behandelt, wo dies Recht mich unterdrückt,

Warum dasselbe Landesrecht umgehen,

920

Wenn es mir Wohltat werden kann? – Antwortet!

Warum ward Babington mir nicht vor Augen

Gestellt, wie das Gesetz befiehlt! Warum

Nicht meine Schreiber, die noch beide leben?

BURLEIGH. Ereifert Euch nicht, Lady. Euer Einverständnis

Mit Babington ist’s nicht allein –

925

MARIA. Es ist’s

Allein, was mich dem Schwerte des Gesetzes

Bloßstellt, wovon ich mich zu rein’gen habe.

Mylord! Bleibt bei der Sache. Beugt nicht aus.

BURLEIGH. Es ist bewiesen, dass Ihr mit Mendoza,

930

Dem spanischen Botschafter, unterhandelt –

MARIA (lebhaft).

Bleibt bei der Sache, Lord!

BURLEIGH. Dass Ihr Anschläge

Geschmiedet, die Religion des Landes

Zu stürzen, alle Könige Europens

Zum Krieg mit England aufgeregt –

MARIA. Und wenn ich’s

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Getan? Ich hab es nicht getan – Jedoch

Gesetzt, ich tat’s! – Mylord, man hält mich hier

Gefangen wider alle Völkerrechte.

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