Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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Kennst du noch sonsten jemand meines Bluts?

BEATRICE.

Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder

In Hasse lebt und unversöhnter Fehde?

DON MANUEL.

Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder,

Nicht von Geburt nur, nein, von Herzen auch.

BEATRICE.

Versöhnt, seit heute!

DON MANUEL.

Sage mir, was ist das?

Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr

Als nur den Namen bloß von meinem Hause?

Weiß ich dein ganz Geheimnis? Hast du nichts,

Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten?

BEATRICE.

Was denkst du? Wie? Was hätt ich zu gestehen?

DON MANUEL.

Von deiner Mutter hast du mir noch nichts

Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen,

Wenn ich sie dir beschriebe – dir sie zeigte?

BEATRICE.

Du kennst sie – kennst sie und verbargest mir?

DON MANUEL.

Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne!

BEATRICE.

O sie ist gütig wie das Licht der Sonne!

Ich seh sie vor mir, die Erinnerung

Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen

Erhebt sich mir die göttliche Gestalt.

Der braunen Locken dunkle Ringe seh ich

Des weißen Halses edle Form beschatten,

Ich seh der Stirne rein gewölbten Bogen,

Des großen Auges dunkelhellen Glanz,

Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne

Erwachen mir –

DON MANUEL.

Weh mir! Du schilderst sie!

BEATRICE.

Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen,

Vielleicht am Morgen eben dieses Tags,

Der mich auf ewig ihr vereinen sollte!

O selbst die Mutter gab ich hin für dich!

DON MANUEL.

Messinas Fürstin wird dir Mutter sein.

Zu ihr bring ich dich jetzt, sie wartet deiner.

BEATRICE.

Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars?

Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr.

DON MANUEL.

Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen?

Ist meine Mutter keine Fremde dir?

BEATRICE.

O unglückselig traurige Entdeckung,

O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!

DON MANUEL.

Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst,

Den Fürsten findest in dem Unbekannten?

BEATRICE.

O gib mir diesen Unbekannten wieder,

Mit ihm auf ödem Eiland wär ich selig!

DON CESAR hinter der Szene.

Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt?

BEATRICE.

Gott! Diese Stimme! Wo verberg ich mich?

DON MANUEL.

Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast

Sie nie gehört, und kannst sie nicht erkennen!

BEATRICE.

O laß uns fliehen, komm und weile nicht.

DON MANUEL.

Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der

Mich sucht, zwar wundert mich, wie er entdeckte –

BEATRICE.

Bei allen Heiligen des Himmels, meid ihn!

Begegne nicht dem heftig Stürmenden,

Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden.

DON MANUEL.

Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht!

Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder!

BEATRICE.

O Himmel, rette mich aus dieser Stunde!

DON MANUEL.

Was ahndet mir! Welch ein Gedanke faßt

Mich schaudernd? – Wär es möglich – Wäre dir

Die Stimme keine fremde? – Beatrice!

Du warst? Mir grauet, weiter fortzufragen!

Du warst – bei meines Vaters Leichenfeier!

BEATRICE.

Weh mir!

DON MANUEL.

Du warst zugegen?

BEATRICE.

Zürne nicht!

DON MANUEL.

Unglückliche, du warst?

BEATRICE.

Ich war zugegen.

DON MANUEL.

Entsetzen!

BEATRICE.

Die Begierde war zu mächtig!

Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch,

Doch plötzlich ernst und finster ließest du

Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich.

Doch weiß ich nicht, welch bösen Sternes Macht

Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten.

Des Herzens heißen Drang mußt ich vergnügen,

Der alte Diener lieh mir seinen Beistand,

Ich war dir ungehorsam und ich ging.

Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem ganzen Chor begleitet.

Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice.

ZWEITER CHOR zu Don Cesar.

Du glaubst uns nicht – Glaub deinen eignen Augen.

DON CESAR tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders mit Entsetzen zurück.

Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen!

Näher tretend, zu Don Manuel.

Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe!

Deswegen logst du tückisch mir Versöhnung!

O eine Stimme Gottes war mein Haß!

Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele!

Er ersticht ihn.

DON MANUEL.

Ich bin des Todes – Beatrice – Bruder!

Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder.

ERSTER CHOR.

Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle!

Mit Blut gerächet sei die blutge Tat!

Alle ziehen die Degen.

ZWEITER CHOR.

Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt.

Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina.

ERSTER CHOR.

Rache! Rache! Der Mörder falle! falle!

Ein sühnend Opfer dem Gemordeten!

ZWEITER CHOR.

Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir!

DON CESAR mit Ansehen zwischen sie tretend.

Zurück – Ich habe meinen Feind getötet,

Der mein vertrauend redlich Herz betrog,

Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte.

Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die Tat,

Doch der gerechte Himmel hat gerichtet.

ERSTER CHOR.

Weh dir, Messina! Wehe! Wehe! Wehe!

Das gräßlich Ungeheure ist geschehn

In deinen Mauren – Wehe deinen Müttern

Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen,

Und wehe der noch ungebornen Frucht!

DON CESAR.

Die Klage kommt zu spät – Hier schaffet Hilfe!

Auf Beatricen zeigend.

Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie

Von diesem Ort des Schreckens und des Todes.

– Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft

Die Sorge fort um die geraubte Schwester.

– Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht,

Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende!

Er geht ab, die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor auf eine Bank gesetzt und so hinweggetragen, der erste Chor bleibt bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen.

CHOR.

Sagt mir! Ich kanns nicht fassen und deuten,

Wie es so schnell sich erfüllend genaht.

Längst wohl sah ich im Geist mit weiten

Schritten das Schreckensgespenst herschreiten

Dieser entsetzlichen, blutigen Tat.

Dennoch übergießt mich ein Grauen,

Da sie vorhanden ist und geschehen,

Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,

Was ich in ahndender Furcht nur gesehen.

All mein Blut in den Adern erstarrt

Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.

EINER AUS DEM CHOR.

Lasset erschallen die Stimme der Klage!

Holder Jüngling,

Da liegt er entseelt

Hingestreckt in der Blüte der Tage!

Schwer umfangen von Todesnacht,

An der Schwelle der bräutlichen Kammer!

Aber über dem Stummen erwacht

Lauter, unermeßlicher Jammer.

EIN ZWEITER.

Wir kommen, wir kommen

Mit festlichem Prangen

Die Braut zu empfangen,

Es bringen die Knaben

Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,

Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen,

Aber der Bräutigam höret nicht mehr.

Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,

Denn der Schlummer der Toten ist schwer.

GANZER CHOR.

Schwer und tief ist der Schlummer der Toten,

Nimmer erweckt ihn die Stimme der Braut,

Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,

Starr und fühllos liegt er am Boden!

EIN DRITTER.

Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,

Die der Mensch, der vergängliche, baut?

Heute umarmtet ihr euch als Brüder,

Einig gestimmt mit Herzen und Munde,

Diese Sonne, die jetzo nieder

Geht, sie leuchtete eurem Bunde!

Und jetzt liegst du dem Staube vermählt,

Von des Brudermords Händen entseelt,

In dem Busen die gräßliche Wunde!

Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,

Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,

Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?

CHOR.

Zu der Mutter will ich dich tragen,

Eine unbeglückende Last!

Diese Zypresse laßt uns zerschlagen

Mit der mördrischen Schneide der Axt,

Ein Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,

Nimmer soll sie Lebendiges zeugen.

Die die tödliche Frucht getragen.

Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,

Keinem Wandrer mehr Schatten geben,

Die sich genährt auf des Mordes Boden,

Soll verflucht sein zum Dienst der Toten!

 

ERSTER.

Aber wehe dem Mörder, wehe,

Der dahingeht in törichtem Mut!

Hinab, hinab in der Erde Ritzen

Rinnet, rinnet, rinnet dein Blut.

Drunten aber im Tiefen sitzen

Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,

Der Themis Töchter, die nie vergessen,

Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,

Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,

Rühren und mengen die schreckliche Rache.

ZWEITER.

Leicht verschwindet der Taten Spur

Von der sonnenbeleuchteten Erde,

Wie aus dem Antlitz die leichte Gebärde –

Aber nichts ist verloren und verschwunden,

Was die geheimnisvoll waltenden Stunden

In den dunkel schaffenden Schoß aufnahmen –

Die Zeit ist eine blühende Flur,

Ein großes Lebendiges ist die Natur,

Und alles ist Frucht und alles ist Samen.

DRITTER.

Wehe, wehe dem Mörder, wehe,

Der sich gesät die tödliche Saat!

Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,

Ein anderes zeigt die vollbrachte Tat.

Mutvoll blickt sie und kühn dir entgegen,

Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen,

Aber ist sie geschehn und begangen,

Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.

Selber die schrecklichen Furien schwangen

Gegen Orestes die höllischen Schlangen,

Reizten den Sohn zu dem Muttermord an,

Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen

Wußten sie listig sein Herz zu betrügen,

Bis er die tödliche Tat nun getan –

Aber da er den Schoß jetzt geschlagen,

Der ihn empfangen und liebend getragen,

Siehe, da kehrten sie

Gegen ihn selber

Schrecklich sich um –

Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun,

Die den Mörder ergreifend fassen,

Die von jetzt an ihn nimmer lassen,

Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,

Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen

Bis in das delphische Heiligtum.

Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend.

Die Säulenhalle. – Es ist Nacht, die Szene ist von

oben herab durch eine große Lampe erleuchtet.

Donna Isabella und Diego treten auf.

ISABELLA.

Noch keine Kunde kam von meinen Söhnen,

Ob eine Spur sich fand von der Verlornen?

DIEGO.

Noch nichts, Gebieterin – doch hoffe alles

Von deiner Söhne Ernst und Emsigkeit.

ISABELLA.

Wie ist mein Herz geängstiget, Diego!

Es stand bei mir, dies Unglück zu verhüten.

DIEGO.

Drück nicht des Vorwurfs Stachel in dein Herz,

An welcher Vorsicht ließest dus ermangeln?

ISABELLA.

Hätt ich sie früher an das Licht gezogen,

Wie mich des Herzens Stimme mächtig trieb!

DIEGO.

Die Klugheit wehrte dirs, du tatest weise,

Doch der Erfolg ruht in des Himmels Hand.

ISABELLA.

Ach, so ist keine Freude rein! Mein Glück

Wär ein vollkommnes ohne diesen Zufall!

DIEGO.

Dies Glück ist nur verzögert, nicht zerstört,

Genieße du jetzt deiner Söhne Frieden.

ISABELLA.

Ich habe sie einander Herz an Herz

Umarmen sehn – ein nie erlebter Anblick!

DIEGO.

Und nicht ein Schauspiel bloß, es ging von Herzen,

Denn ihr Geradsinn haßt der Lüge Zwang.

ISABELLA.

Ich seh auch, daß sie zärtlicher Gefühle,

Der schönen Neigung fähig sind, mit Wonne

Entdeck ich, daß sie ehren, was sie lieben.

Der ungebundnen Freiheit wollen sie

Entsagen, nicht dem Zügel des Gesetzes

Entzieht sich ihre brausend wilde Jugend,

Und sittlich selbst blieb ihre Leidenschaft.

– Ich will dirs jetzo gern gestehn, Diego,

Daß ich mit Sorge diesem Augenblick,

Der aufgeschloßnen Blume des Gefühls

Mit banger Furcht entgegensah – Die Liebe

Wird leicht zur Wut in heftigen Naturen.

Wenn in den aufgehäuften Feuerzunder

Des alten Hasses auch noch dieser Blitz,

Der Eifersucht feindselge Flamme schlug –

Mir schaudert, es zu denken – ihr Gefühl,

Das niemals einig war, gerade hier

Zum erstenmal unselig sich begegnet –

Wohl mir! Auch diese donnerschwere Wolke,

Die über mir schwarz drohend niederhing,

Sie führte mir ein Engel still vorüber,

Und leicht nun atmet die befreite Brust.

DIEGO.

Ja, freue deines Werkes dich. Du hast

Mit zartem Sinn und ruhigem Verstand

Vollendet, was der Vater nicht vermochte

Mit aller seiner Herrschermacht – Dein ist

Der Ruhm, doch auch dein Glücksstern ist zu loben!

ISABELLA.

Vieles gelang mir! Viel auch tat das Glück!

Nichts Kleines war es, solche Heimlichkeit

Verhüllt zu tragen diese langen Jahre,

Den Mann zu täuschen, den umsichtigsten

Der Menschen, und ins Herz zurückzudrängen

Den Trieb des Bluts, der mächtig wie des Feuers

Verschloßner Gott aus seinen Banden strebte!

DIEGO.

Ein Pfand ist mir des Glückes lange Gunst,

Daß alles sich erfreulich lösen wird.

ISABELLA.

Ich will nicht eher meine Sterne loben,

Bis ich das Ende dieser Taten sah.

Daß mir der böse Genius nicht schlummert,

Erinnert warnend mich der Tochter Flucht.

– Schilt oder lobe meine Tat, Diego!

Doch dem Getreuen will ich nichts verbergen.

Nicht tragen konnt ichs, hier in müßger Ruh

Zu harren des Erfolgs, indes die Söhne

Geschäftig forschen nach der Tochter Spur.

Gehandelt hab auch ich – Wo Menschenkunst

Nicht zureicht, hat der Himmel oft geraten.

DIEGO.

Entdecke mir, was mir zu wissen ziemt.

ISABELLA.

Einsiedelnd auf des Ätna Höhen haust

Ein frommer Klausner, von uralters her

Der Greis genannt des Berges, welcher, näher

Dem Himmel wohnend als der andern Menschen

Tief wandelndes Geschlecht, den irdschen Sinn

In leichter, reiner Ätherluft geläutert

Und von dem Berg der aufgewälzten Jahre

Hinabsieht in das aufgelöste Spiel

Des unverständlich krummgewundnen Lebens.

Nicht fremd ist ihm das Schicksal meines Hauses,

Oft hat der heilge Mann für uns den Himmel

Gefragt und manchen Fluch hinweggebetet.

Zu ihm hinauf gesandt hab ich alsbald

Des raschen Boten jugendliche Kraft,

Daß er mir Kunde von der Tochter gebe,

Und stündlich harr ich dessen Wiederkehr.

DIEGO.

Trügt mich mein Auge nicht, Gebieterin,

So ists derselbe, der dort eilend naht,

Und Lob fürwahr verdient der Emsige!

Bote. Die Vorigen.

ISABELLA.

Sag an und weder Schlimmes hehle mir

Noch Gutes, sondern schöpfe rein die Wahrheit.

Was gab der Greis des Bergs dir zum Bescheide?

BOTE.

Ich soll mich schnell zurückbegeben, war

Die Antwort, die Verlorne sei gefunden.

ISABELLA.

Glückselger Mund, erfreulich Himmelswort,

Stets hast du das Erwünschte mir verkündet!

Und welchem meiner Söhne wars verliehen,

Die Spur zu finden der Verlornen?

BOTE.

Die Tiefverborgne fand dein ältster Sohn.

ISABELLA.

Don Manuel ist es, dem ich sie verdanke!

Ach, stets war dieser mir ein Kind des Segens!

– Hast du dem Greis auch die geweihte Kerze

Gebracht, die zum Geschenk ich ihm gesendet,

Sie anzuzünden seinem Heiligen?

Denn was von Gaben sonst der Menschen Herzen

Erfreut, verschmäht der fromme Gottesdiener.

BOTE.

Die Kerze nahm er schweigend von mir an,

Und zum Altar hintretend, wo die Lampe

Dem Heilgen brannte, zündet' er sie flugs

Dort an, und schnell in Brand steckt' er die Hütte,

Worin er Gott verehrt seit neunzig Jahren.

ISABELLA.

Was sagst du? Welches Schrecknis nennst du mir?

BOTE.

Und dreimal Wehe! Wehe! rufend, stieg er

Herab vom Berg, mir aber winkt' er schweigend,

Ihm nicht zu folgen noch zurückzuschauen.

Und so, gejagt von Grausen, eilt ich her!

ISABELLA.

In neuer Zweifel wogende Bewegung

Und ängstlich schwankende Verworrenheit

Stürzt mich das Widersprechende zurück.

Gefunden sei mir die verlorne Tochter

Von meinem ältsten Sohn Don Manuel?

Die gute Rede kann mir nicht gedeihen,

Begleitet von der unglückselgen Tat.

BOTE.

Blick hinter dich, Gebieterin! Du siehst

Des Klausners Wort erfüllt vor deinen Augen,

Denn alles müßt mich trügen, oder dies

Ist die verlorne Tochter, die du suchst,

Von deiner Söhne Ritterschar begleitet.

Beatrice wird von dem zweiten Halbchor auf einem Tragsessel gebracht und auf der vordern Bühne niedergesetzt. Sie ist noch ohne Leben und

Bewegung.

Isabella. Diego. Bote. Beatrice. Chor.

CHOR.

Des Herrn Geheiß erfüllend setzen wir

Die Jungfrau hier zu deinen Füßen nieder,

Gebieterin – Also befahl er uns

Zu tun und dir zu melden dieses Wort:

Es sei dein Sohn Don Cesar, der sie sende!

ISABELLA ist mit ausgebreiteten Armen auf sie zugeeilt und tritt mit Schrecken zurück.

O Himmel! Sie ist bleich und ohne Leben!

CHOR.

Sie lebt! Sie wird erwachen! Gönn ihr Zeit,

Von dem Erstaunlichen sich zu erholen,

Das ihre Geister noch gebunden hält.

ISABELLA.

Mein Kind! Kind meiner Schmerzen, meiner Sorgen!

So sehen wir uns wieder! So mußt du

Den Einzug halten in des Vaters Haus!

O laß an meinem Leben mich das deinige

Anzünden! An die mütterliche Brust

Will ich dich pressen, bis vom Todesfrost

Gelöst die warmen Adern wieder schlagen!

Zum Chor.

O sprich! Welch Schreckliches ist hier geschehn?

Wo fandst du sie? Wie kam das teure Kind

In diesen kläglich jammervollen Zustand?

CHOR.

Erfahr es nicht von mir, mein Mund ist stumm.

Dein Sohn Don Cesar wird dir alles deutlich

Verkündigen, denn er ists, der sie sendet.

ISABELLA.

Mein Sohn Don Manuel, so willst du sagen?

CHOR.

Dein Sohn Don Cesar sendet sie dir zu.

ISABELLA zu dem Boten.

Wars nicht Don Manuel, den der Seher nannte?

BOTE.

So ist es, Herrin, das war seine Rede.

ISABELLA.

Welcher es sei, er hat mein Herz erfreut,

Die Tochter dank ich ihm, er sei gesegnet!

O muß ein neidscher Dämon mir die Wonne

Des heiß erflehten Augenblicks verbittern!

Ankämpfen muß ich gegen mein Entzücken!

Die Tochter seh ich in des Vaters Haus,

Sie aber sieht nicht mich, vernimmt mich nicht,

Sie kann der Mutter Freude nicht erwidern.

O öffnet euch, ihr lieben Augenlichter!

Erwärmet euch, ihr Hände! Hebe dich,

Lebloser Busen, und schlage der Lust!

Diego! Das ist meine Tochter – Das

Die lang Verborgne, die Gerettete,

Vor aller Welt kann ich sie jetzt erkennen!

CHOR.

Ein seltsam neues Schrecknis glaub ich ahndend

Vor mir zu sehn, und stehe wundernd, wie

Das Irrsal sich entwirren soll und lösen.

ISABELLA zum Chor, der Bestürzung und Verlegenheit ausdrückt.

O ihr seid undurchdringlich harte Herzen,

Vom ehrnen Harnisch eurer Brust, gleichwie

Von einem schroffen Meeresfelsen, schlägt

Die Freude meines Herzens mir zurück!

Umsonst in diesem ganzen Kreis umher

Späh ich nach einem Auge, das empfindet.

Wo weilen meine Söhne, daß ich Anteil

In einem Auge lese, denn mir ist,

Als ob der Wüste unmitleidge Scharen,

 

Des Meeres Ungeheuer mich umständen.

DIEGO.

Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!

ISABELLA.

Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!

DIEGO.

Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.

ISABELLA zum Chor.

Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick

CHOR tritt zurück.

Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen.

DIEGO.

Mit großen Augen mißt sie staunend dich.

BEATRICE.

Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen.

ISABELLA.

Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.

DIEGO.

Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.

BEATRICE.

O schönes Engelsantlitz meiner Mutter!

ISABELLA.

Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!

BEATRICE.

Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.

ISABELLA.

Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!

DIEGO.

Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge?

BEATRICE.

Des redlichen Diego greises Haupt!

ISABELLA.

Der treue Wächter deiner Kinderjahre.

BEATRICE.

So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen?

ISABELLA.

Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod.

BEATRICE.

Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?

ISABELLA.

Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.

BEATRICE sinkt an ihre Brust.

Und find ich wirklich mich an deinem Herzen?

Und alles war ein Traum, was ich erlebte?

Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter!

Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen!

– Wie komm ich aber hieher? Ich besinne

Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet

In deinen Armen bin! Sie wollten mich

Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.

Eher ins Grab!

ISABELLA.

Komm zu dir, meine Tochter!

Messinas Fürstin –

BEATRICE.

Nenne sie nicht mehr.

Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen

Ein Frost des Todes durch die Glieder.

ISABELLA.

Höre mich.

BEATRICE.

Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen,

Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.

ISABELLA.

Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter.

BEATRICE.

Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?

ISABELLA.

Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.

BEATRICE.

Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?

ISABELLA.

Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!

BEATRICE.

Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht!

ISABELLA.

Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?

BEATRICE wild um sich her schauend, erblickt den Chor.

Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie.

Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren

Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit!

Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?

Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.

CHOR.

Weh! Wehe!

ISABELLA.

Wen verborgen? Was ist wahr?

Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn.

Ich les in euren Augen, eurer Stimme

Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges,

Das mir zurückgehalten wird – Was ists?

Ich will es wissen. Warum heftet ihr

So schreckenvolle Blicke nach der Türe?

Und was für Töne hör ich da erschallen?

CHOR.

Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären.

Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz.

Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,

Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz!

ISABELLA.

Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre

Der Totenklage fürchterlichen Ton

Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne?

Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet.

Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.

ERSTER CHOR.

Durch die Straßen der Städte,

Vom Jammer gefolget,

Schreitet das Unglück –

Laurend umschleicht es

Die Häuser der Menschen,

Heute an dieser

Pforte pocht es,

Morgen an jener,

Aber noch keinen hat es verschont.

Die unerwünschte

Schmerzliche Botschaft

Früher oder später

Bestellt es an jeder

Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.

Wenn die Blätter fallen

In des Jahres Kreise,

Wenn zum Grabe wallen

Entnervte Greise,

Da gehorcht die Natur

Ruhig nur

Ihrem alten Gesetze,

Ihrem ewigen Brauch,

Da ist nichts, was den Menschen entsetze!

Aber das Ungeheure auch

Lerne erwarten im irdischen Leben!

Mit gewaltsamer Hand

Löset der Mord auch das heiligste Band,

In sein stygisches Boot

Raffet der Tod

Auch der Jugend blühendes Leben!

Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen,

Wenn dumpftosend der Donner hallt,

Da, da fühlen sich alle Herzen

In des furchtbaren Schicksals Gewalt.

Aber auch aus entwölkter Höhe

Kann der zündende Donner schlagen,

Darum in deinen fröhlichen Tagen

Fürchte des Unglücks tückische Nähe.

Nicht an die Güter hänge dein Herz,

Die das Leben vergänglich zieren,

Wer besitzt, der lerne verlieren,

Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.

ISABELLA.

Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?

Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.

Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd

Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.

Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.

Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen!

Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.

O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!

Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.

CHOR.

Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!

Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,

Nicht meinen Lippen ist es entflohn.

ISABELLA.

Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige

Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden!

Mit deinem Leben mußtest du die Schwester

Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war

Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?

– O Fluch der Hand, die diese Wunde grub!

Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,

Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen

Geschlecht!

CHOR.

Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

ISABELLA.

So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?

Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,

Der euch vertraut mit redlichem Gemüt!

Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert,

Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier

Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz

Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,

Womit die Träume uns, die Seher täuschen!

Glaube noch einer an der Götter Mund!

– Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,

Da träumte ihrem Vater eines Tags,

Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette

Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen

Wuchs eine Lilie empor, sie ward

Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff,

Und um sich wütend schnell das ganze Haus

In ungeheurer Feuerflut verschlang.

Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte

Befrug der Vater einen Vogelschauer

Und schwarzen Magier um die Bedeutung.

Der Magier erklärte: wenn mein Schoß

Von einer Tochter sich entbinden würde,

So würde sie die beiden Söhne ihm

Ermorden und vertilgen seinen Stamm!

CHOR.

Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!

ISABELLA.

Darum befahl der Vater, sie zu töten,

Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal!

– Die arme Unglückselige! Verstoßen

Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß,

Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!

Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,

Nicht die Unschuldige hat ihn getötet!

CHOR.

Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

ISABELLA.

Keinen Glauben

Verdiente mir des Götzendieners Spruch,

Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.

Denn mir verkündigte ein andrer Mund,

Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter

»In heißer Liebe würde sie dereinst

Der Söhne Herzen mir vereinigen.«

– So widersprachen die Orakel sich,

Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt

Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie

Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit

Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.

Ein Mund hat wie der andere gelogen!

Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,

Betrüger sind sie, oder sind betrogen.

Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,

Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,

Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.

ERSTER CHOR.

Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!

Bezähme der Zunge verwegenes Toben!

Die Orakel sehen und treffen ein,

Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!

ISABELLA.

Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut

Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.

Warum besuchen wir die heilgen Häuser,

Und heben zu dem Himmel fromme Hände?

Gutmütge Toren, was gewinnen wir

Mit unserm Glauben? So unmöglich ists,

Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,

Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.

Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,

Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.

Ob rechts die Vögel fliegen oder links,

Die Sterne so sich oder anders fügen,

Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,

Die Traumkunst träumt und alle Zeichen trügen.

ZWEITER CHOR.

Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!

Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht

Mit blinden Augen! Die Götter leben,

Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!

BEATRICE.

O Mutter! Mutter! Warum hast du mich

Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin

Dem Fluch, der, eh ich war, mich schon verfolgte?

Blödsichtge Mutter! Warum dünktest du

Dich weiser, als die alles Schauenden,

Die Nah und Fernes aneinander knüpfen,

Und in der Zukunft späte Saaten sehn?

Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben

Hast du den Todesgöttern ihren Raub,

Den sie gefodert, frevelnd vorenthalten!

Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.

Nicht dank ich dir das traurige Geschenk,

Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!

ERSTER CHOR in heftiger Bewegung nach der Türe sehend.

Brechet auf, ihr Wunden,

Fließet, fließet!

In schwarzen Güssen

Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.

Eherner Füße

Rauschen vernehm ich,

Höllischer Schlangen

Zischendes Tönen,

Ich erkenne der Furien Schritt!