Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

ISABELLA.

Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,

Der lang ersehnte, festliche erschienen –

Vereint seh ich die Herzen meiner Kinder,

Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,

Und im vertrauten Kreis zum erstenmal

Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.

Fern ist der fremden Zeugen rohe Schar,

Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte –

Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,

Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut

Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang

Mit altverjährtem Eigentum genistet,

Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,

Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner

Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,

Den neuen Bau lebendig zu beginnen,

So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen

Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,

Der scheelen Mißgunst und dem bleichen Neide,

Aus diesen Toren murrend zu der Hölle,

Und mit dem Frieden zieht geselliges

Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein.

Sie hält inne.

– Doch nicht genug, daß dieser heutge Tag

Jedem von beiden einen Bruder schenkt,

Auch eine Schwester hat er euch geboren.

– Ihr staunt? Ihr seht mich mit Verwundrung an?

Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich

Mein Schweigen breche, und das Siegel löse

Von einem lang verschlossenen Geheimnis.

– Auch eine Tochter hab ich eurem Vater

Geboren – eine jüngre Schwester lebt

Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen.

DON CESAR.

Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,

Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!

DON MANUEL.

Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,

Daß eine Schwester uns geboren worden,

Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,

Nahm sie der Tod hinweg.

ISABELLA.

Die Sage lügt!

Sie lebt!

DON CESAR.

Sie lebt und du verschwiegest uns?

ISABELLA.

Von meinem Schweigen geb ich Rechenschaft.

Hört, was gesäet ward in frührer Zeit,

Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll.

– Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon

Entzweite euch der jammervolle Zwist,

Der ewig nie mehr wiederkehren möge,

Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz.

Da wurde eurem Vater eines Tages

Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm deuchte,

Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette

Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig

Dicht ineinander flechtend – zwischen beiden

Wuchs eine Lilie empor – Sie ward

Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig

Und das Gebälk ergreifend prasselnd aufschlug,

Und um sich wütend, schnell, das ganze Haus

In ungeheurer Feuerflut verschlang.

Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte

Befragt der Vater einen sternekundigen

Arabier, der sein Orakel war,

An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel,

Um die Bedeutung. Der Arabier

Erklärte: wenn mein Schoß von einer Tochter

Entbunden würde, töten würde sie ihm

Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm

Durch sie vergehn – Und ich ward Mutter einer Tochter,

Der Vater aber gab den grausamen

Befehl, die Neugeborene alsbald

Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte

Den blutgen Vorsatz und erhielt die Tochter

Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst.

DON CESAR.

Gesegnet sei er, der dir hülfreich war,

O nicht an Rat gebrichts der Mutterliebe!

ISABELLA.

Der Mutterliebe mächtge Stimme nicht

Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen.

Auch mir ward eines Traumes seltsames

Orakel, als mein Schoß mit dieser Tochter

Gesegnet war: Ein Kind wie Liebesgötter schön

Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe

Kam aus dem Wald, der in dem blutgen Rachen

Die frisch gejagte Beute trug, und ließ

Sie schmeichelnd in den Schoß des Kindes fallen.

Und aus den Lüften schwang ein Adler sich

Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen,

Und legt es schmeichelnd in den Schoß des Kindes,

Und beide, Löw und Adler, legen fromm

Gepaart sich zu des Kindes Füßen nieder.

– Des Traums Verständnis löste mir ein Mönch,

Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz

Rat fand und Trost in jeder irdschen Not.

Der sprach: »Genesen würd ich einer Tochter,

Die mir der Söhne streitende Gemüter

In heißer Liebesglut vereinen würde.«

– Im Innersten bewahrt ich mir dies Wort,

Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge

Vertrauend, rettet ich die Gottverheißne,

Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand,

Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein,

Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte.

DON MANUEL seinen Bruder umarmend.

Nicht mehr der Schwester brauchts, der Liebe Band

Zu flechten, aber fester soll sies knüpfen.

ISABELLA.

So ließ ich an verborgner Stätte sie,

Von meinen Augen fern, geheimnisvoll,

Durch fremde Hand erziehn – den Anblick selbst

Des lieben Angesichts, den heißerflehten,

Versagt ich mir, den strengen Vater scheuend,

Der von des Argwohns ruheloser Pein

Und finster grübelndem Verdacht genagt,

Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte.

DON CESAR.

Drei Monde aber deckt den Vater schon

Das stille Grab – Was wehrte dir, o Mutter,

Die lang Verborgne an das Licht hervor

Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen?

ISABELLA.

Was sonst als euer unglückselger Streit,

Der, unauslöschlich wütend, auf dem Grab

Des kaum entseelten Vaters sich entflammte,

Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab?

Konnt ich die Schwester zwischen eure wild

Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr

In diesem Sturm die Mutterstimme hören?

Und sollt ich sie, des Friedens teures Pfand,

Den letzten heilgen Anker meiner Hoffnung,

An eures Hasses Wut unzeitig wagen?

– Erst mußtet ihrs ertragen, euch als Brüder

Zu sehn, eh ich die Schwester zwischen euch

Als einen Friedensengel stellen konnte.

Jetzt kann ichs und ich führe sie euch zu.

Den alten Diener hab ich ausgesendet,

Und stündlich harr ich seiner Wiederkehr,

Der ihrer stillen Zuflucht sie entreißend,

Zurück an meine mütterliche Brust

Sie führt und in die brüderlichen Arme.

DON MANUEL.

Und sie ist nicht die einzge, die du heut

In deine Mutterarme schließen wirst.

Es zieht die Freude ein durch alle Pforten,

Es füllt sich der verödete Palast,

Und wird der Sitz der blühnden Anmut werden.

– Vernimm, o Mutter, jetzt auch mein Geheimnis.

Eine Schwester gibst du mir – Ich will dafür

Dir eine zweite liebe Tochter schenken.

Ja, Mutter! Segne deinen Sohn! – Dies Herz,

Es hat gewählt, gefunden hab ich sie,

Die mir durchs Leben soll Gefährtin sein.

Eh dieses Tages Sonne sinkt, führ ich

Die Gattin dir Don Manuels zu Füßen.

ISABELLA.

An meine Brust will ich sie freudig schließen,

Die meinen Erstgebornen mir beglückt,

Auf ihren Pfaden soll die Freude sprießen,

Und jede Blume, die das Leben schmückt,

Und jedes Glück soll mir den Sohn belohnen,

Der mir die schönste reicht der Mutterkronen!

DON CESAR.

Verschwende, Mutter, deines Segens Fülle

Nicht an den einen erstgebornen Sohn!

Wenn Liebe Segen gibt, so bring auch ich

Dir eine Tochter, solcher Mutter wert,

Die mich der Liebe neu Gefühl gelehrt.

Eh dieses Tages Sonne sinkt, führt auch

Don Cesar seine Gattin dir entgegen.

DON MANUEL.

Allmächtge Liebe! Göttliche! Wohl nennt

Man dich mit Recht die Königin der Seelen!

Dir unterwirft sich jedes Element,

Du kannst das feindlich Streitende vermählen,

Nichts lebt, was deine Hoheit nicht erkennt,

Und auch des Bruders wilden Sinn hast du

Besiegt, der unbezwungen stets geblieben.

Don Cesar umarmend.

Jetzt glaub ich an dein Herz und schließe dich

Mit Hoffnung an die brüderliche Brust,

Nicht zweifl ich mehr an dir, denn du kannst lieben.

ISABELLA.

Dreimal gesegnet sei mir dieser Tag,

Der mir auf einmal jede bange Sorge

Vom schwerbeladnen Busen hebt – Gegründet

Auf festen Säulen seh ich mein Geschlecht,

Und in der Zeiten Unermeßlichkeit

Kann ich hinabsehn mit zufriednem Geist.

Noch gestern sah ich mich im Witwenschleier

Gleich einer Abgeschiednen, kinderlos,

In diesen öden Sälen ganz allein,

Und heute werden in der Jugend Glanz

Drei blühnde Töchter mir zur Seite stehen.

Die Mutter zeige sich, die glückliche,

Von allen Weibern, die geboren haben,

Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht!

– Doch welcher Fürsten königliche Töchter

 

Erblühen denn an dieses Landes Grenzen,

Davon ich Kunde nie vernahm? – denn nicht

Unwürdig wählen konnten meine Söhne!

DON MANUEL.

Nur heute, Mutter, fodre nicht, den Schleier

Hinwegzuheben, der mein Glück bedeckt.

Es kommt der Tag, der alles lösen wird.

Am besten mag die Braut sich selbst verkünden,

Des sei gewiß, du wirst sie würdig finden.

ISABELLA.

Des Vaters eignen Sinn und Geist erkenn ich

In meinem erstgebornen Sohn! Der liebte

Von jeher, sich verborgen in sich selbst

Zu spinnen und den Ratschluß zu bewahren

Im unzugangbar fest verschlossenen Gemüt!

Gern mag ich dir die kurze Frist vergönnen,

Doch mein Sohn Cesar, des bin ich gewiß,

Wird jetzt mir eine Königstochter nennen.

DON CESAR.

Nicht meine Weise ists, geheimnisvoll

Mich zu verhüllen, Mutter. Frei und offen

Wie meine Stirne trag ich mein Gemüt;

Doch, was du jetzt von mir begehrst zu wissen

Das, Mutter – laß michs redlich dir gestehn,

Hab ich mich selbst noch nicht gefragt. Fragt man,

Woher der Sonne Himmelsfeuer flamme?

Die alle Welt verklärt, erklärt sich selbst,

Ihr Licht bezeugt, daß sie vom Lichte stamme.

Ins klare Auge sah ich meiner Braut,

Ins Herz des Herzens hab ich ihr geschaut,

Am reinen Glanz will ich die Perle kennen,

Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen.

ISABELLA.

Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf.

Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl

Vertrautest du wie einer Götterstimme.

Auf rascher Jugendtat erwart ich dich,

Doch nicht auf töricht kindischer – Laß hören,

Was deine Wahl gelenkt.

DON CESAR.

Wahl, meine Mutter?

Ists Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen

Ereilt in der verhängnisvollen Stunde?

Nicht eine Braut zu suchen ging ich aus,

Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir

Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes,

Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht.

Gleichgültig war und nichtsbedeutend mir

Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht,

Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich,

Die ich gleich wie ein Götterbild verehre.

Es war des Vaters ernste Totenfeier,

Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir

Ihr bei, du weißts, in unbekannter Kleidung,

So hattest dus mit Weisheit angeordnet,

Daß unsers Haders wild ausbrechende

Gewalt des Festes Würde nicht verletze.

– Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff

Der Kirche, zwanzig Genien umstanden

Mit Fackeln in den Händen, den Altar,

Vor dem der Totensarg erhaben ruhte,

Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt.

Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab

Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone,

Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen,

Das Schwert mit diamantenem Gehäng.

– Und alles lag in stiller Andacht kniend,

Als ungesehen jetzt vom hohen Chor

Herab die Orgel anfing sich zu regen,

Und hundertstimmig der Gesang begann –

Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg,

Mitsamt dem Boden, der ihn trug, allmählich

Versinkend in die Unterwelt hinab,

Das Grabtuch aber überschleierte

Weit ausgebreitet die verborgne Mündung,

Und auf der Erde blieb der irdsche Schmuck

Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend –

Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs

Schwang die befreite Seele sich nach oben,

Den Himmel suchend und den Schoß der Gnade.

– Dies alles, Mutter, ruf ich dir, genau

Beschreibend, ins Gedächtnis jetzt zurück,

Daß du erkennest, ob zu jener Stunde

Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war.

Und diesen festlich ernsten Augenblick

Erwählte sich der Lenker meines Lebens,

Mich zu berühren mit der Liebe Strahl.

Wie es geschah, frag ich mich selbst vergebens.

ISABELLA.

Vollende dennoch! Laß mich alles hören.

DON CESAR.

Woher sie kam, und wie sie sich zu mir

Gefunden, dieses frage nicht – Als ich

Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite,

Und dunkel mächtig, wunderbar, ergriff

Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe.

Nicht ihres Lächelns holder Zauber wars,

Die Reize nicht, die auf der Wange schweben,

Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt –

Es war ihr tiefstes und geheimstes Leben,

Was mich ergriff mit heiliger Gewalt;

Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben –

Die Seelen schienen ohne Worteslaut,

Sich ohne Mittel geistig zu berühren,

Als sich mein Atem mischte mit dem ihren.

Fremd war sie mir und innig doch vertraut,

Und klar auf einmal fühl ichs in mir werden,

Die ist es, oder keine sonst auf Erden!

DON MANUEL mit Feuer einfallend.

Das ist der Liebe heilger Götterstrahl,

Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,

Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,

Da ist kein Widerstand und keine Wahl,

Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.

– Dem Bruder fall ich bei, ich muß ihn loben,

Mein eigen Schicksal ists, was er erzählt,

Den Schleier hat er glücklich aufgehoben

Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt.

ISABELLA.

Den eignen freien Weg, ich seh es wohl,

Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern.

Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,

Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn,

Nicht des gemeßnen Pfades achtet er,

Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.

So unterwerf ich mich, wie kann ichs ändern?

Der unregiersam stärkern Götterhand,

Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.

Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand,

Sie denken groß, wie sie geboren sind.

Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Türe.

ISABELLA.

Doch sieh! Da kommt mein treuer Knecht zurück!

Nur näher, näher, redlicher Diego!

Wo ist mein Kind? – Sie wissen alles! Hier

Ist kein Geheimnis mehr – Wo ist sie? Sprich!

Verbirg sie länger nicht, wir sind gefaßt,

Die höchste Freude zu ertragen. Komm!

Sie will mit ihm nach der Türe gehen.

Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst?

Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet!

Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an.

Wo ist sie? Wo ist Beatrice?

Will hinaus.

DON MANUEL für sich, betroffen.

Beatrice!

DIEGO hält sie zurück.

Bleib!

ISABELLA.

Wo ist sie? Mich entseelt die Angst.

DIEGO.

Sie folgt

Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht.

ISABELLA.

Was ist geschehn? Bei allen Heilgen, rede!

DON CESAR.

Wo ist die Schwester? Unglückselger, rede!

DIEGO.

Sie ist geraubt! Gestohlen von Korsaren!

O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!

DON MANUEL.

Faß dich, o Mutter!

DON CESAR.

Mutter, sei gefaßt!

Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen!

DIEGO.

Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen,

Die oft betretne Straße nach dem Kloster

Zum letztenmal zu gehn – Die Freude trug mich

Auf leichten Flügeln fort.

DON CESAR.

Zur Sache!

DON MANUEL.

Rede!

DIEGO.

Und da ich in die wohlbekannten Höfe

Des Klosters trete, die ich oft betrat,

Nach deiner Tochter ungeduldig frage,

Seh ich des Schreckens Bild in jedem Auge,

Entsetzt vernehm ich das Entsetzliche.

Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel ist um sie beschäftigt.

DON CESAR.

Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg?

Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies?

DIEGO.

Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man

In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd.

DON CESAR.

Manch Segel rettet sich in diese Buchten

Vor des Orkanes Wut – Wo ist das Schiff?

DIEGO.

Heut frühe sah man es in hoher See

Mit voller Segel Kraft das Weite suchen.

DON CESAR.

Hört man von anderm Raub noch, der geschehn?

Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht.

DIEGO.

Hinweggetrieben wurde mit Gewalt

Die Rinderherde, die dort weidete.

DON CESAR.

Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte

Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen?

DIEGO.

Des Klostergartens Mauren waren leicht

Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen.

DON CESAR.

Wie brachen sie ins Innerste der Zellen?

Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang.

DIEGO.

Die noch durch kein Gelübde sich gebunden,

Sie durfte frei im Freien sich ergehn.

DON CESAR.

Und pflegte sie des freien Rechtes oft

Sich zu bedienen? Dieses sage mir.

DIEGO.

Oft sah man sie des Gartens Stille suchen,

Der Wiederkehr vergaß sie heute nur.

DON CESAR nachdem er sich eine Weile bedacht.

Raub sagst du? War sie frei genug dem Räuber,

So konnte sie in Freiheit auch entfliehen.

ISABELLA steht auf.

Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub!

Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter

Aus freier Neigung dem Entführer folgen!

– Don Manuel! Don Cesar! Eine Schwester

Dacht ich euch zuzuführen, doch ich selbst

Soll jetzt sie eurem Heldenarm verdanken!

In eurer Kraft erhebt euch, meine Söhne!

Nicht ruhig duldet es, daß eure Schwester

Des frechen Diebes Beute sei – Ergreift

Die Waffen! Rüstet Schiffe aus! Durchforscht

Die ganze Küste! Durch alle Meere setzt

Dem Räuber nach! Erobert euch die Schwester!

DON CESAR.

Leb wohl! Zur Rache flieg ich, zur Entdeckung!

Er geht ab. Don Manuel aus einer tiefen Zerstreuung erwachend, wendet sich beunruhigt zu Diego.

DON MANUEL.

Wann, sagst du, sei sie unsichtbar geworden?

DIEGO.

Seit diesem Morgen erst ward sie vermißt.

DON MANUEL zu Donna Isabella.

Und Beatrice nennt sich deine Tochter?

ISABELLA.

Dies ist ihr Name! Eile! Frage nicht!

DON MANUEL.

Nur eines noch, o Mutter, laß mich wissen –

ISABELLA.

Fliege zur Tat! Des Bruders Beispiel folge!

DON MANUEL.

In welcher Gegend, ich beschwöre dich –

ISABELLA ihn forttreibend.

Sieh meine Tränen, meine Todesangst!

DON MANUEL.

In welcher Gegend hieltst du sie verborgen?

ISABELLA.

Verborgner nicht war sie im Schoß der Erde!

DIEGO.

O jetzt ergreift mich plötzlich bange Furcht.

DON MANUEL.

Furcht und worüber? Sage, was du weißt.

DIEGO.

Daß ich des Raubs unschuldig Ursach sei.

ISABELLA.

Unglücklicher, entdecke, was geschehn.

DIEGO.

Ich habe dirs verhehlt, Gebieterin,

Dein Mutterherz mit Sorge zu verschonen.

Am Tage, als der Fürst beerdigt ward,

Und alle Welt, begierig nach dem Neuen,

Der ernsten Feier sich entgegendrängte,

Lag deine Tochter, denn die Kunde war

Auch in des Klosters Mauren eingedrungen,

Lag sie mir an mit unabläßgem Flehn,

Ihr dieses Festes Anblick zu gewähren.

Ich Unglückseliger ließ mich bewegen,

Verhüllte sie in ernste Trauertracht,

Und also war sie Zeugin jenes Festes.

Und dort, befürcht ich, in des Volks Gewühl,

Das sich herbeigedrängt von allen Enden,

 

Ward sie vom Aug des Räubers ausgespäht,

Denn ihrer Schönheit Glanz birgt keine Hülle.

DON MANUEL vor sich, erleichtert.

Glückselges Wort, das mir das Herz befreit!

Das gleicht ihr nicht! Dies Zeichen trifft nicht zu.

ISABELLA.

Wahnsinnger Alter! So verrietst du mich!

DIEGO.

Gebieterin, ich dacht es gut zu machen.

Die Stimme der Natur, die Macht des Bluts

Glaubt ich in diesem Wunsche zu erkennen;

Ich hielt es für des Himmels eignes Werk,

Der mit verborgen ahnungsvollem Zuge

Die Tochter hintrieb zu des Vaters Grab!

Der frommen Pflicht wollt ich ihr Recht erzeigen,

Und so, aus guter Meinung, schafft ich Böses!

DON MANUEL vor sich.

Was steh ich hier in Furcht und Zweifels Qualen?

Schnell will ich Licht mir schaffen und Gewißheit.

Will gehen.

DON CESAR der zurückkommt.

Verzieh, Don Manuel, gleich folg ich dir.

DON MANUEL.

Folge mir nicht, hinweg, mir folge niemand.

Er geht ab.

DON CESAR sieht ihm verwundert nach.

Was ist dem Bruder? Mutter, sage mirs.

ISABELLA.

Ich kenn ihn nicht mehr. Ganz verkenn ich ihn.

DON CESAR.

Du siehst mich wiederkehren, meine Mutter,

Denn in des Eifers heftiger Begier

Vergaß ich, um ein Zeichen dich zu fragen,

Woran man die verlorne Schwester kennt.

Wie find ich ihre Spuren, eh ich weiß,

Aus welchem Ort die Räuber sie gerissen?

Das Kloster nenne mir, das sie verbarg.

ISABELLA.

Der heiligen Cecilia ists gewidmet

Und hinterm Waldgebirge, das zum Ätna

Sich langsam steigend hebt, liegt es versteckt,

Wie ein verschwiegner Aufenthalt der Seelen.

DON CESAR.

Sei gutes Muts. Vertraue deinen Söhnen.

Die Schwester bring ich dir zurück, müßt ich

Durch alle Länder sie und Meere suchen.

Doch eines, Mutter, ist es, was mich kümmert,

Die Braut verließ ich unter fremdem Schutz,

Nur dir kann ich das teure Pfand vertrauen,

Ich sende sie dir her, du wirst sie schauen,

An ihrer Brust, an ihrem lieben Herzen

Wirst du des Grams vergessen und der Schmerzen.

Er geht ab.

ISABELLA.

Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen,

Der über diesem Hause lastend ruht?

Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,

Und nimmer stillt sich seines Neides Wut.

So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen,

So fest vertraut ich auf des Glückes Pfand

Und alle Stürme glaubt ich eingeschlafen,

Und freudig winkend sah ich schon das Land

Im Abendglanz der Sonne sich erhellen,

Da kommt ein Sturm aus heitrer Luft gesandt

Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!

Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt.

Die Szene verwandelt sich in den Garten.

Beide Chöre. Zuletzt Beatrice.

Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen geschmückt und die oben beschriebenen Brautgeschenke begleitend; der Chor

des Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren.

ERSTER CHOR.

Du würdest wohl tun, diesen Platz zu leeren.

ZWEITER CHOR.

Ich wills, wenn beßre Männer es begehren.

ERSTER CHOR.

Du könntest merken, daß du lästig bist.

ZWEITER CHOR.

Deswegen bleib ich, weil es dich verdrießt.

ERSTER CHOR.

Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten?

ZWEITER CHOR.

Ich darf es tun, ich habe hier zu walten.

ERSTER CHOR.

Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel!

ZWEITER CHOR.

Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl.

ERSTER CHOR.

Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen.

ZWEITER CHOR.

Dem Erstbesitzenden gehört die Welt.

ERSTER CHOR.

Verhaßter, geh und räume mir das Feld.

ZWEITER CHOR.

Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen.

ERSTER CHOR.

Find ich dich überall in meinen Wegen?

ZWEITER CHOR.

Wo mirs gefällt, da tret ich dir entgegen.

ERSTER CHOR.

Was hast du hier zu horchen und zu hüten?

ZWEITER CHOR.

Was hast du hier zu fragen, zu verbieten?

ERSTER CHOR.

Dir steh ich nicht zu Red und Antwort hier.

ZWEITER CHOR.

Und nicht des Wortes Ehre gönn ich dir.

ERSTER CHOR.

Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren.

ZWEITER CHOR.

In Tapferkeit bin ich wie du erfahren!

BEATRICE stürzt heraus.

Weh mir! Was wollen diese wilden Scharen?

ERSTER CHOR zum zweiten.

Nichts acht ich dich und deine stolze Miene!

ZWEITER CHOR.

Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene!

BEATRICE.

O weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene!

ERSTER CHOR.

Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit!

ZWEITER CHOR.

Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit.

BEATRICE.

Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit!

ERSTER CHOR.

Wäre nicht Friede, Recht verschafft ich mir!

ZWEITER CHOR.

Wärs nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir.

BEATRICE.

O wär er tausend Meilen weit von hier!

ERSTER CHOR.

Das Gesetz fürcht ich, nicht deiner Blicke Trutz.

ZWEITER CHOR.

Wohl tust du dran, es ist des Feigen Schutz.

ERSTER CHOR.

Fang an, ich folge!

ZWEITER CHOR.

Mein Schwert ist heraus!

BEATRICE in der heftigsten Beängstigung.

Sie werden handgemein, die Degen blitzen!

Ihr Himmelsmächte haltet ihn zurück!

Werft euch in seinen Weg ihr Hindernisse,

Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße,

Daß er verfehle diesen Augenblick!

Ihr Engel alle, die ich flehend bat,

Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte,

Weit, weit von hier entfernet seine Schritte!

Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel.

Don Manuel. Der Chor.

DON MANUEL.

Was seh ich! Haltet ein!

ERSTER CHOR zum zweiten.

Komm an! Komm an!

ZWEITER CHOR.

Nieder mit ihnen! Nieder!

DON MANUEL tritt zwischen sie, mit gezognem Schwert.

Haltet ein!

ERSTER CHOR.

Es ist der Fürst.

ZWEITER CHOR.

Der Bruder! Haltet Friede!

DON MANUEL.

Den streck ich tot auf dieses Rasens Grund,

Der mit gezuckter Augenwimper nur

Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht!

Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an,

Des alten Zwistes Flammen aufzublasen,

Der zwischen uns, den Fürsten, abgetan

Und ausgeglichen ist auf immerdar?

– Wer fing den Streit an? Redet! Ich wills wissen.

ERSTER CHOR.

Sie standen hier –

ZWEITER CHOR unterbrechend.

Sie kamen –

DON MANUEL zum ersten Chor.

Rede du!

ERSTER CHOR.

Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben

Zu überreichen, wie du uns befahlst.

Geschmückt zu einem Feste, keineswegs

Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir

In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend

Und trauend dem beschworenen Vertrag,

Da fanden wir sie feindlich hier gelagert

Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt.

DON MANUEL.

Unsinnige, ist keine Freistatt sicher

Genug vor eurer blinden, tollen Wut?

Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz

Bricht euer Hader friedestörend ein?

Zum zweiten Chor.

Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse,

Die deine kühne Gegenwart nicht dulden.

Da derselbe zögert.

Zurück! Dein Herr gebietet dirs durch mich,

Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüt,

Und mein Befehl ist auch der seine. Geh!

Zum ersten Chor.

Du bleibst und wahrst des Eingangs.

ZWEITER CHOR.

Was beginnen?

Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit,

Und in der hohen Häupter Span und Streit

Sich unberufen, vielgeschäftig drängen,

Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr.

Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet,

Wirft er behend auf den geringen Mann,

Der arglos ihm gedient, den blutgen Mantel

Der Schuld und leicht gereinigt steht er da.

Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen,

Ich acht es für geratner, wir gehorchen.

Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund der Szene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus und wirft sich in Don Manuels Arme.

Beatrice. Don Manuel.

BEATRICE.

Du bists. Ich habe dich wieder – Grausamer!

Du hast mich lange, lange schmachten lassen,

Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub

Dahingegeben – Doch nichts mehr davon!

Ich habe dich – in deinen lieben Armen

Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr.

Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht.

Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren.

Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genauer an.

Was ist dir? So verschlossen feierlich

Empfängst du mich – entziehst dich meinen Armen,

Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen?

Ich kenne dich nicht mehr – Ist dies Don Manuel,

Mein Gatte, mein Geliebter?

DON MANUEL.

Beatrice!

BEATRICE.

Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten!

Fort laß uns eilen, schnell, der Augenblick

Ist kostbar –

DON MANUEL.

Bleib! Antworte mir!

BEATRICE.

Fort, fort!

Eh diese wilden Männer wiederkehren!

DON MANUEL.

Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden!

BEATRICE.

Doch, doch! Du kennst sie nicht, o komm! Entfliehe!

DON MANUEL.

Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten?

BEATRICE.

O glaube mir, es gibt hier mächtge Menschen!

DON MANUEL.

Geliebte, keinen mächtigern als mich.

BEATRICE.

Du gegen diese vielen ganz allein?

DON MANUEL.

Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest –

BEATRICE.

Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen.

DON MANUEL.

Mir dienen Sie, und ich bin ihr Gebieter.

BEATRICE.

Du bist – Ein Schrecken fliegt durch meine Seele!

DON MANUEL.

Lerne mich endlich kennen, Beatrice!

Ich bin nicht der, der ich dir schien zu sein,

Der arme Ritter nicht, der unbekannte,

Der liebend nur um deine Liebe warb.

Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag,

Woher ich stamme, hab ich dir verborgen.

BEATRICE.

Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du?

DON MANUEL.

Don Manuel heiß ich – doch ich bin der Höchste,

Der diesen Namen führt in dieser Stadt,

Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina.

BEATRICE.

Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder?

DON MANUEL.

Don Cesar ist mein Bruder.

BEATRICE.

Ist dein Bruder!

DON MANUEL.

Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar?