Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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Gleich einem Träumenden, als wäre nur

Dein Leib zugegen und die Seele fern.

Wer so dich sähe, möchte leicht der Kälte

Dich zeihn und stolz unfreundlichen Gemüts,

Ich aber will dich drum nicht fühllos schelten,

Denn heiter blickst du wie ein Glücklicher

Um dich und Lächeln spielt um deine Wangen.

DON MANUEL.

Was soll ich sagen? Was erwidern? Mag

Der Bruder Worte finden! Ihn ergreift

Ein überraschend neu Gefühl, er sieht

Den alten Haß aus seinem Busen schwinden,

Und wundernd fühlt er sein verwandelt Herz.

Ich – habe keinen Haß mehr mitgebracht,

Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten.

Denn über allen irdschen Dingen hoch

Schwebt mir auf Freudenfittichen die Seele,

Und in dem Glanzesmeer, das mich umfängt,

Sind alle Wolken mir und finstre Falten

Des Lebens ausgeglättet und verschwunden.

– Ich sehe diese Hallen, diese Säle

Und denke mir das freudige Erschrecken

Der überraschten, hocherstaunten Braut,

Wenn ich als Fürstin sie und Herrscherin

Durch dieses Hauses Pforten führen werde.

– Noch liebt sie nur den Liebenden! Dem Fremdling,

Dem Namenlosen hat sie sich gegeben.

Nicht ahnet sie, daß es Don Manuel,

Messinas Fürst ist, der die goldne Binde

Ihr um die schöne Stirne flechten wird.

Wie süß ists, das Geliebte zu beglücken

Mit ungehoffter Größe Glanz und Schein!

Längst spart ich mir dies höchste der Entzücken,

Wohl bleibt es stets sein höchster Schmuck allein,

Doch auch die Hoheit darf das Schöne schmücken,

Der goldne Reif erhebt den Edelstein.

CHOR.

Ich höre dich, o Herr, vom langen Schweigen

Zum erstenmal den stummen Mund entsiegeln.

Mit Späheraugen folgt ich dir schon längst,

Ein seltsam wunderbar Geheimnis ahnend,

Doch nicht erkühnt ich mich, was du vor mir

In tiefes Dunkel hüllst, dir abzufragen.

Dich reizt nicht mehr der Jagden muntre Lust,

Der Rosse Wettlauf und des Falken Sieg.

Aus der Gefährten Aug verschwindest du,

Sooft die Sonne sinkt zum Himmelsrande,

Und keiner unsers Chors, die wir dich sonst

In jeder Kriegs- und Jagdgefahr begleiten,

Mag deines stillen Pfads Gefährte sein.

Warum verschleierst du bis diesen Tag

Dein Liebesglück mit dieser neidschen Hülle?

Was zwingt den Mächtigen, daß er verhehle?

Denn Furcht ist fern von deiner großen Seele.

DON MANUEL.

Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden,

Nur in verschloßner Lade wirds bewahrt,

Das Schweigen ist zum Hüter ihm gesetzt,

Und rasch entfliegt es, wenn Geschwätzigkeit

Voreilig wagt, die Decke zu erheben.

Doch jetzt, dem Ziel so nahe, darf ich wohl

Das lange Schweigen brechen und ich wills.

Denn mit der nächsten Morgensonne Strahl

Ist sie die Meine, und des Dämons Neid

Wird keine Macht mehr haben über mich.

Nicht mehr verstohlen werd ich zu ihr schleichen,

Nicht rauben mehr der Liebe goldne Frucht,

Nicht mehr die Freude haschen auf der Flucht,

Das Morgen wird dem schönen Heute gleichen,

Nicht Blitzen gleich, die schnell vorüberschießen,

Und plötzlich von der Nacht verschlungen sind,

Mein Glück wird sein, gleichwie des Baches Fließen,

Gleichwie der Sand des Stundenglases rinnt!

CHOR.

So nenne sie uns, Herr, die dich im stillen

Beglückt, daß wir dein Los beneidend rühmen,

Und würdig ehren unsers Fürsten Braut.

Sag an, wo du sie fandest, wo verbirgst,

In welches Orts verschwiegner Heimlichkeit?

Denn wir durchziehen schwärmend weit und breit

Die Insel auf der Jagd verschlungnen Pfaden,

Doch keine Spur hat uns dein Glück verraten,

So daß ich bald mich überreden möchte,

Es hülle sie ein Zaubernebel ein.

DON MANUEL.

Den Zauber lös ich auf, denn heute noch

Soll, was verborgen war, die Sonne schauen.

Vernehmet denn und hört, wie mir geschah.

Fünf Monde sinds, es herrschte noch im Lande

Des Vaters Macht, und beugete gewaltsam

Der Jugend starren Nacken in das Joch –

Nichts kannt ich als der Waffen wilde Freuden,

Und als des Weidwerks kriegerische Lust.

– Wir hatten schon den ganzen Tag gejagt

Entlang des Waldgebirges – da geschahs,

Daß die Verfolgung einer weißen Hindin

Mich weit hinweg aus eurem Haufen riß.

Das scheue Tier floh durch des Tales Krümmen,

Durch Busch und Kluft und bahnenlos Gestrüpp,

Auf Wurfes Weite sah ichs stets vor mir,

Doch konnt ichs nicht erreichen noch erzielen,

Bis es zuletzt an eines Gartens Pforte mir

Verschwand. Schnell von dem Roß herab mich werfend

Dring ich ihm nach, schon mit dem Speere zielend,

Da seh ich wundernd das erschrockne Tier

Zu einer Nonne Füßen zitternd liegen,

Die es mit zarten Händen schmeichelnd kost.

Bewegungslos starr ich das Wunder an,

Den Jagdspieß in der Hand, zum Wurf ausholend –

Sie aber blickt mit großen Augen flehend

Mich an, so stehn wir schweigend gegeneinander –

Wie lange Frist, das kann ich nicht ermessen,

Denn alles Maß der Zeiten war vergessen.

Tief in die Seele drückt sie mir den Blick,

Und umgewandelt schnell ist mir das Herz.

– Was ich nun sprach, was die Holdselge mir

Erwidert, möge niemand mich befragen,

Denn wie ein Traumbild liegt es hinter mir

Aus früher Kindheit dämmerhellen Tagen,

An meiner Brust fühlt ich die ihre schlagen,

Als die Besinnungskraft mir wiederkam.

Da hört ich einer Glocke helles Läuten,

Den Ruf zur Hora schien es zu bedeuten,

Und schnell wie Geister in die Luft verwehen,

Entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehen.

CHOR.

Mit Furcht, o Herr, erfüllt mich dein Bericht,

Raub hast du an dem Göttlichen begangen,

Des Himmels Braut berührt mit sündigem Verlangen,

Denn furchtbar heilig ist des Klosters Pflicht.

DON MANUEL.

Jetzt hatt ich eine Straße nur zu wandeln,

Das unstet schwanke Sehnen war gebunden,

Dem Leben war sein Inhalt ausgefunden.

Und wie der Pilger sich nach Osten wendet,

Wo ihm die Sonne der Verheißung glänzt,

So kehrte sich mein Hoffen und mein Sehnen

Dem einen hellen Himmelspunkte zu.

Kein Tag entstieg dem Meer und sank hinunter,

Der nicht zwei glücklich Liebende vereinte,

Geflochten still war unsrer Herzen Bund,

Nur der allsehnde Äther über uns

War des verschwiegnen Glücks vertrauter Zeuge,

Es brauchte weiter keines Menschen Dienst.

Das waren goldne Stunden, selge Tage!

– Nicht Raub am Himmel war mein Glück, denn noch

Durch kein Gelübde war das Herz gefesselt,

Das sich auf ewig mir zu eigen gab.

CHOR.

So war das Kloster eine Freistatt nur

Der zarten Jugend, nicht des Lebens Grab?

DON MANUEL.

Ein heilig Pfand ward sie dem Gotteshaus

Vertraut, das man zurück einst werde fodern.

CHOR.

Doch welches Blutes rühmt sie sich zu sein?

Denn nur vom Edeln kann das Edle stammen.

DON MANUEL.

Sich selber ein Geheimnis wuchs sie auf,

Nicht kennt sie ihr Geschlecht noch Vaterland.

CHOR.

Und leitet keine dunkle Spur zurück

Zu ihres Daseins unbekannten Quellen?

DON MANUEL.

Daß sie von edelm Blut, gesteht der Mann,

Der einzge, der um ihre Herkunft weiß.

CHOR.

Wer ist der Mann? Nichts halte mir zurück,

Denn wissend nur kann ich dir nützlich raten.

DON MANUEL.

Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit,

Der einzge Bote zwischen Kind und Mutter.

CHOR.

Von diesem Alten hast du nichts erforscht?

Feigherzig und geschwätzig ist das Alter.

DON MANUEL.

Nie wagt ichs, einer Neugier nachzugeben,

Die mein verschwiegnes Glück gefährden konnte.

CHOR.

Was aber war der Inhalt seiner Worte,

Wenn er die Jungfrau zu besuchen kam?

DON MANUEL.

Auf eine Zeit, die alles lösen werde,

Hat er von Jahr zu Jahren sie vertröstet.

CHOR.

Und diese Zeit, die alles lösen soll,

Hat er sie näher deutend nicht bezeichnet?

DON MANUEL.

Seit wenig Monden drohete der Greis

Mit einer nahen Ändrung ihres Schicksals.

CHOR.

Er drohte, sagst du? Also fürchtest du

Ein Licht zu schöpfen, das dich nicht erfreut?

DON MANUEL.

Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen,

Wo kein Gewinn zu hoffen, droht Verlust.

CHOR.

Doch konnte die Entdeckung, die du fürchtest,

Auch deiner Liebe günstge Zeichen bringen.

DON MANUEL.

Auch stürzen konnte sie mein Glück, drum wählt ich

Das Sicherste, ihr schnell zuvorzukommen.

CHOR.

Wie das, o Herr? Mit Furcht erfüllst du mich,

 

Und eine rasche Tat muß ich besorgen.

DON MANUEL.

Schon seit den letzten Monden ließ der Greis

Geheimnisvolle Winke sich entfallen,

Daß nicht mehr ferne sei der Tag, der sie

Den Ihrigen zurückegeben werde.

Seit gestern aber sprach ers deutlich aus,

Daß mit der nächsten Morgensonne Strahl –

Dies aber ist der Tag, der heute leuchtet –

Ihr Schicksal sich entscheidend werde lösen.

Kein Augenblick war zu verlieren, schnell

War mein Entschluß gefaßt und schnell vollstreckt.

In dieser Nacht raubt ich die Jungfrau weg

Und brachte sie verborgen nach Messina.

CHOR.

Welch kühn verwegen-räuberische Tat!

– Verzeih, o Herr, die freie Tadelrede!

Doch solches ist des weisern Alters Recht,

Wenn sich die rasche Jugend kühn vergißt.

DON MANUEL.

Unfern vom Kloster der Barmherzigen,

In eines Gartens abgeschiedner Stille,

Der von der Neugier nicht betreten wird,

Trennt ich mich eben jetzt von ihr, hieher

Zu der Versöhnung mit dem Bruder eilend.

In banger Furcht ließ ich sie dort allein

Zurück, die sich nichts weniger erwartet,

Als in dem Glanz der Fürstin eingeholt

Und auf erhabnem Fußgestell des Ruhms

Vor ganz Messina ausgestellt zu werden.

Denn anders nicht soll sie mich wiedersehn,

Als in der Größe Schmuck und Staat, und festlich

Von eurem ritterlichen Chor umgeben.

Nicht will ich, daß Don Manuels Verlobte

Als eine Heimatlose, Flüchtige

Der Mutter nahen soll, die ich ihr gebe,

Als eine Fürstin fürstlich will ich sie

Einführen in die Hofburg meiner Väter.

CHOR.

Gebiete, Herr! Wir harren deines Winks.

DON MANUEL.

Ich habe mich aus ihrem Arm gerissen,

Doch nur mit ihr werd ich beschäftigt sein.

Denn nach dem Bazar sollt ihr mich anjetzt

Begleiten, wo die Mohren zum Verkauf

Ausstellen, was das Morgenland erzeugt

An edelm Stoff und feinem Kunstgebild.

Erst wählet aus die zierlichen Sandalen,

Der zartgeformten Füße Schutz und Zier,

Dann zum Gewande wählt das Kunstgewebe

Des Indiers, hellglänzend wie der Schnee

Des Ätna, der der nächste ist dem Licht –

Und leicht umfließt es wie der Morgenduft

Den zarten Bau der jugendlichen Glieder.

Von Purpur sei, mit zarten Fäden Goldes

Durchwirkt der Gürtel, der die Tunika

Unter dem züchtgen Busen reizend knüpft.

Dazu den Mantel wählt, von glänzender

Seide gewebt, in bleichem Purpur schimmernd,

Über der Achsel heft ihn eine goldne

Zikade – Auch die Spangen nicht vergeßt,

Die schönen Arme reizend zu umzirken,

Auch nicht der Perlen und Korallen Schmuck,

Der Meeresgöttin wundersame Gaben.

Um die Locken winde sich ein Diadem,

Gefüget aus dem köstlichsten Gestein,

Worin der feurig glühende Rubin

Mit dem Smaragd die Farbenblitze kreuze,

Oben im Haarschmuck sei der lange Schleier

Befestigt, der die glänzende Gestalt

Gleich einem hellen Lichtgewölk umfließe,

Und mit der Myrte jungfräulichem Kranze

Vollende krönend sich das schöne Ganze.

CHOR.

Es soll geschehen, Herr! wie du gebietest,

Denn fertig und vollendet findet sich

Dies alles auf dem Bazar ausgestellt.

DON MANUEL.

Den schönsten Zelter führet dann hervor

Aus meinen Ställen, seine Farbe sei

Lichtweiß, gleichwie des Sonnengottes Pferde,

Von Purpur sei die Decke, und Geschirr

Und Zügel reich besetzt mit edeln Steinen,

Denn tragen soll er meine Königin.

Ihr selber haltet euch bereit, im Glanz

Des Ritterstaates, unterm freudgen Schall

Der Hörner eure Fürstin heimzuführen.

Dies alles zu besorgen geh ich jetzt,

Zwei unter euch erwähl ich zu Begleitern,

Ihr andern wartet mein – Was ihr vernahmt,

Bewahrts in eures Busens tiefem Grunde,

Bis ich das Band gelöst von eurem Munde.

Er geht ab, von zweien aus dem Chor begleitet.

CHOR.

Sage, was werden wir jetzt beginnen,

Da die Fürsten ruhen vom Streit,

Auszufüllen die Leere der Stunden

Und die lange unendliche Zeit?

Etwas fürchten und hoffen und sorgen

Muß der Mensch für den kommenden Morgen,

Daß er die Schwere des Daseins ertrage,

Und das ermüdende Gleichmaß der Tage,

Und mit erfrischendem Windesweben

Kräuselnd bewege das stockende Leben.

EINER AUS DEM CHOR.

Schön ist der Friede! Ein lieblicher Knabe

Liegt er gelagert am ruhigen Bach,

Und die hüpfenden Lämmer grasen

Lustig um ihn auf dem sonnigten Rasen,

Süßes Tönen entlockt er der Flöte,

Und das Echo des Berges wird wach,

Oder im Schimmer der Abendröte

Wiegt ihn in Schlummer der murmelnde Bach –

Aber der Krieg auch hat seine Ehre,

Der Beweger des Menschengeschicks,

Mir gefällt ein lebendiges Leben,

Mir ein ewiges Schwanken und Schwingen und Schweben

Auf der steigenden, fallenden Welle des Glücks.

Denn der Mensch verkümmert im Frieden,

Müßige Ruh ist das Grab des Muts.

Das Gesetz ist der Freund des Schwachen,

Alles will es nur eben machen,

Möchte gerne die Welt verflachen,

Aber der Krieg läßt die Kraft erscheinen,

Alles erhebt er zum Ungemeinen,

Selber dem Feigen erzeugt er den Mut.

EIN ZWEITER.

Stehen nicht Amors Tempel offen,

Wallet nicht zu dem Schönen die Welt?

Da ist das Fürchten! Da ist das Hoffen!

König ist hier, wer den Augen gefällt!

Auch die Liebe beweget das Leben,

Daß sich die graulichten Farben erheben,

Reizend betrügt sie die glücklichen Jahre,

Die gefällige Tochter des Schaums,

In das Gemeine und Traurigwahre

Webt sie die Bilder des goldenen Traums.

EIN DRITTER.

Bleibe die Blume dem blühenden Lenze,

Scheine das Schöne! Und flechte sich Kränze,

Wem die Locken noch jugendlich grünen,

Aber dem männlichen Alter ziemts,

Einem ernsteren Gott zu dienen.

ERSTER.

Der strengen Diana, der Freundin der Jagden,

Lasset uns folgen ins wilde Gehölz,

Wo die Wälder am dunkelsten nachten,

Und den Springbock stürzen vom Fels.

Denn die Jagd ist ein Gleichnis der Schlachten,

Des ernsten Kriegsgotts lustige Braut –

Man ist auf mit dem Morgenstrahl,

Wenn die schmetternden Hörner laden

Lustig hinaus in das dampfende Tal,

Über Berge, über Klüfte,

Die ermatteten Glieder zu baden

In den erfrischenden Strömen der Lüfte!

ZWEITER.

Oder wollen wir uns der blauen

Göttin, der ewig bewegten, vertrauen,

Die uns mit freundlicher Spiegelhelle

Ladet in ihren unendlichen Schoß?

Bauen wir auf der tanzenden Welle

Uns ein lustig schwimmendes Schloß?

Wer das grüne, kristallene Feld

Pflügt mit des Schiffes eilendem Kiele,

Der vermählt sich das Glück, dem gehört die Welt,

Ohne die Saat erblüht ihm die Ernte!

Denn das Meer ist der Raum der Hoffnung

Und der Zufälle launisch Reich,

Hier wird der Reiche schnell zum Armen

Und der Ärmste dem Fürsten gleich.

Wie der Wind mit Gedankenschnelle

Läuft um die ganze Windesrose,

Wechseln hier des Geschickes Lose,

Dreht das Glück seine Kugel um,

Auf den Wellen ist alles Welle,

Auf dem Meer ist kein Eigentum.

DRITTER.

Aber nicht bloß im Wellenreiche,

Auf der wogenden Meeresflut,

Auch auf der Erde, so fest sie ruht

Auf den ewigen, alten Säulen,

Wanket das Glück und will nicht weilen.

– Sorge gibt mir dieser neue Frieden,

Und nicht fröhlich mag ich ihm vertrauen,

Auf der Lava, die der Berg geschieden,

Möcht ich nimmer meine Hütte bauen.

Denn zu tief schon hat der Haß gefressen

Und zu schwere Taten sind geschehn,

Die sich nie vergeben und vergessen,

Noch hab ich das Ende nicht gesehn,

Und mich schrecken ahnungsvolle Träume!

Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund,

Aber sehr mißfällt mir dies Geheime,

Dieser Ehe segenloser Bund,

Diese lichtscheu krummen Liebespfade,

Dieses Klosterraubs verwegne Tat,

Denn das Gute liebt sich das Gerade,

Böse Früchte trägt die böse Saat.

Auch ein Raub wars, wie wir alle wissen,

Der des alten Fürsten ehliches Gemahl

In ein frevelnd Ehebett gerissen,

Denn sie war des Vaters Wahl.

Und der Ahnherr schüttete im Zorne

Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen

Auf das sündige Ehebett aus.

Greueltaten ohne Namen,

Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus.

CHOR.

Ja, es hat nicht gut begonnen,

Glaubt mir, und es endet nicht gut,

Denn gebüßt wird unter der Sonnen

Jede Tat der verblendeten Wut.

Es ist kein Zufall und blindes Los,

Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören,

Denn verflucht ward der Mutter Schoß,

Sie sollte den Haß und den Streit gebären.

– Aber ich will es schweigend verhüllen,

Denn die Rachgötter schaffen im stillen,

Zeit ists, die Unfälle zu beweinen,

Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.

Der Chor geht ab.

Die Szene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaal tritt.

BEATRICE geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht.

Er ist es nicht – Es war der Winde Spiel,

Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen,

Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,

Mit trägem Schritt seh ich die Stunden schleichen,

Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl,

Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen.

Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen,

Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen.

Und nahe hör ich, wie ein rauschend Wehr,

Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen,

Ich höre fern das ungeheure Meer

An seine Ufer dumpferbrandend stoßen,

Es stürmen alle Schrecken auf mich her,

Klein fühl ich mich in diesem Furchtbargroßen

Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,

Verlier ich mich im grenzenlosen Raume.

Warum verließ ich meine stille Zelle,

Da lebt ich ohne Sehnsucht, ohne Harm!

Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,

An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.

Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle,

Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm,

Zerrissen hab ich alle frühern Bande,

Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande.

Wo waren die Sinne?

Was hab ich getan?

Ergriff mich betörend

Ein rasender Wahn?

Den Schleier zerriß ich

Jungfräulicher Zucht,

Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle,

Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?

Dem Manne folgt ich,

Dem kühnen Entführer in sträflicher Flucht.

O komm, mein Geliebter!

Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie

Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,

Es faßt mich der Schmerz.

Mit liebender Nähe versichre mein Herz.

Und sollt ich mich dem Manne nicht ergeben,

Der in der Welt allein sich an mich schloß?

Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,

Und frühe schon hat mich ein strenges Los

(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)

 

Gerissen von dem mütterlichen Schoß.

Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,

Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.

Und so erwuchs ich still am stillen Orte,

In Lebens Glut den Schatten beigesellt,

– Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,

Schön wie ein Gott und männlich wie ein Held.

O mein Empfinden nennen keine Worte!

Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,

Und schnell, als wär es ewig so gewesen,

Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.

Vergib du Herrliche, die mich geboren,

Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,

Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.

Nicht frei erwählt ichs, es hat mich gebunden,

Eindringt der Gott auch zu verschloßnen Toren,

Zu Perseus' Turm hat er den Weg gefunden,

Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.

Wär es an öde Klippen angebunden

Und an des Atlas himmeltragende Säulen,

So wird ein Flügelroß es dort ereilen.

Nicht hinter mich begehr ich mehr zu schauen,

In keine Heimat sehn ich mich zurück,

Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,

Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?

Mit meinem Los will ich mich gern bescheiden,

Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.

Nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen,

Die sich die Stifter meiner Tage nennen,

Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.

Ein ewig Rätsel bleiben will ich mir,

Ich weiß genug, ich lebe dir!

Aufmerkend.

Horch, der lieben Stimme Schall!

– Nein, es war der Widerhall

Und des Meeres dumpfes Brausen,

Das sich an den Ufern bricht,

Der Geliebte ist es nicht!

Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?

Mich umschlingt ein kaltes Grausen!

Immer tiefer

Sinkt die Sonne! Immer öder

Wird die Öde! Immer schwerer

Wird das Herz – Wo zögert er?

Sie geht unruhig umher.

Aus des Gartens sichern Mauren

Wag ich meinen Schritt nicht mehr.

Kalt ergriff mich das Entsetzen,

Als ich in die nahe Kirche

Wagte meinen Fuß zu setzen,

Denn mich triebs mit mächtgem Drang,

Aus der Seele tiefsten Tiefen,

Als sie zu der Hora riefen,

Hinzuknien an heilger Stätte,

Zu der Göttlichen zu flehn,

Nimmer konnt ich widerstehn.

Wenn ein Lauscher mich erspähte?

Voll von Feinden ist die Welt,

Arglist hat auf allen Pfaden,

Fromme Unschuld zu verraten,

Ihr betrüglich Netz gestellt.

Grauend hab ichs schon erfahren,

Als ich aus des Klosters Hut

In die fremden Menschenscharen

Mich gewagt mit frevelm Mut.

Dort bei jenes Festes Feier,

Da der Fürst begraben ward,

Mein Erkühnen büßt ich teuer,

Nur ein Gott hat mich bewahrt –

Da der Jüngling mir, der fremde,

Nahte, mit dem Flammenauge,

Und mit Blicken, die mich schreckten,

Mir das Innerste durchzuckten,

In das tiefste Herz mir schaute –

Noch durchschauert kaltes Grauen,

Da ichs denke, mir die Brust!

Nimmer, nimmer, kann ich schauen

In die Augen des Geliebten,

Dieser stillen Schuld bewußt!

Aufhorchend.

Stimmen im Garten!

Er ists, der Geliebte!

Er selber! Jetzt täuschte

Kein Blendwerk mein Ohr.

Es naht, es vermehrt sich!

In seine Arme!

An seine Brust!

Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens, Don Cesar tritt ihr entgegen.

Don Cesar. Beatrice. Der Chor.

BEATRICE mit Schrecken zurückfliehend.

Weh mir! Was seh ich!

In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.

DON CESAR.

Holde Schönheit, fürchte nichts!

Zu dem Chor.

Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt

Die zarte Jungfrau – Weicht zurück und bleibt

In ehrerbietger Ferne!

Zu Beatricen.

Fürchte nichts!

Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.

Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre Hand.

Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,

Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab ich

Gesucht, nach dir geforschet, wachend, träumend

Warst du des Herzens einziges Gefühl,

Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten

Wie eines Engels Lichterscheinung dich

Zum erstenmal erblickte – Nicht verborgen

Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst.

Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,

Die Hand, die in der deinen zitternd lag,

Verriet sie dir – ein kühneres Geständnis

Verbot des Ortes ernste Majestät.

– Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet,

Und da ich von den Knieen jetzt erstanden,

Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften,

Warst du aus meinen Augen weggerückt,

Doch nachgezogen mit allmächtgen Zaubers Banden

Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften.

Seit diesem Tage such ich rastlos dich,

An aller Kirchen und Paläste Pforten,

An allen offnen und verborgnen Orten,

Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann,

Hab ich das Netz der Späher ausgebreitet,

Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht,

Bis endlich heut, von einem Gott geleitet,

Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit

In dieser nächsten Kirche dich entdeckte.

Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens.

Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse

Eher die Glieder, eh ich von dir scheide!

Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse,

Und mich verwahre vor des Dämons Neide,

So red ich dich vor diesen Zeugen allen

Als meine Gattin an und reiche dir

Zum Pfande des die ritterliche Rechte.

Er stellt sie dem Chor dar.

Nicht forschen will ich, wer du bist – Ich will

Nur dich von dir, nichts frag ich nach dem andern.

Daß deine Seele wie dein Ursprung rein,

Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen,

Und wärst du selbst die Niedrigste geboren,

Du müßtest dennoch meine Liebe sein,

Die Freiheit hab ich und die Wahl verloren.

Und daß du wissen mögest, ob ich auch

Herr meiner Taten sei, und hoch genug

Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte

Mit starkem Arm zu mir emporzuheben,

Bedarfs nur, meinen Namen dir zu nennen.

– Ich bin Don Cesar und in dieser Stadt

Messina ist kein Größrer über mir.

Beatrice schaudert zurück, er bemerkt es und fährt nach einer kleinen Weile fort.

Dein Staunen lob ich und dein sittsam Schweigen,

Schamhafte Demut ist der Reize Krone,

Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne,

Und es erschrickt vor seiner eignen Macht.

– Ich geh und überlasse dich dir selbst,

Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse,

Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt.

Zu dem Chor.

Gebt ihr – sie ists von diesem Augenblick!

Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin,

Belehret sie von ihres Standes Größe.

Bald kehr ich selbst zurück, sie heimzuführen,

Wies meiner würdig ist und ihr gebührt.

Er geht ab.

Beatrice und der Chor.

CHOR.

Heil dir, o Jungfrau,

Liebliche Herrscherin!

Dein ist die Krone,

Dein ist der Sieg!

Als die Erhalterin

Dieses Geschlechtes,

Künftiger Helden

Blühende Mutter begrüß ich dich!

Dreifaches Heil dir!

Mit glücklichen Zeichen,

Glückliche, trittst du

In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus,

Wo die Kränze des Ruhmes hängen,

Und das goldene Szepter in stetiger Reihe

Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab.

Deines lieblichen Eintritts

Werden sich freuen

Die Penaten des Hauses,

Die hohen, die ernsten

Verehrten Alten.

An der Schwelle empfangen

Wird dich die immer blühende Hebe

Und die goldne Viktoria,

Die geflügelte Göttin,

Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,

Ewig die Schwingen zum Siege gespannt:

Nimmer entweicht

Die Krone der Schönheit

Aus diesem Geschlechte,

Scheidend reicht

Eine Fürstin der andern

Den Gürtel der Anmut

Und den Schleier der züchtigen Scham.

Aber das Schönste

Erlebt mein Auge,

Denn ich sehe die Blume der Tochter,

Ehe die Blume der Mutter verblüht.

BEATRICE aus ihrem Schrecken erwachend.

Wehe mir! In welche Hand

Hat das Unglück mich gegeben!

Unter allen,

Welche leben,

Nicht in diese sollt ich fallen!

Jetzt versteh ich das Entsetzen,

Das geheimnisvolle Grauen,

Das mich schaudernd stets gefaßt,

Wenn man mir den Namen nannte

Dieses furchtbaren Geschlechtes,

Das sich selbst vertilgend haßt,

Gegen seine eignen Glieder

Wütend mit Erbittrung rast!

Schaudernd hört ich oft und wieder

Von dem Schlangenhaß der Brüder,

Und jetzt reißt mein Schreckenschicksal

Mich, die Arme, Rettungslose,

In den Strudel dieses Hasses,

Dieses Unglücks mich hinein!

Sie flieht in den Gartensaal.

CHOR.

Den begünstigten Sohn der Götter beneid ich,

Den beglückten Besitzer der Macht!

Immer das Köstlichste ist sein Anteil,

Und von allem, was hoch und herrlich

Von den Sterblichen wird gepriesen,

Bricht er die Blume sich ab.

Von den Perlen, welche der tauchende Fischer

Auffängt, wählt er die reinsten für sich.

Für den Herrscher legt man zurück das Beste,

Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,

Wenn sich die Diener durchs Los vergleichen,

Ihm ist das Schönste gewiß.

Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,

Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,

Dieses beneid ich ihm unter allem,

Daß er heimführt die Blume der Frauen,

Die das Entzücken ist aller Augen,

Daß er sie eigen besitzt.

Mit dem Schwerte springt der Korsar an die Küste,

In dem nächtlich ergreifenden Überfall,

Männer führt er davon und Frauen,

Und ersättigt die wilde Begierde,

Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,

Die ist des Königes Gut.

Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang

Und die Schwelle des heiligen Raums,

Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimnis

Dringe und der Herrscher uns lobe,

Der das Köstlichste, was er besitzet,

Unsrer Bewahrung vertraut.

Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.

Die Szene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.