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Die Räuber

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Die Räuber
Die Räuber
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В ожидании Синдбада
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В ожидании Синдбада
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Vierte Scene

Im Garten
Amalia

Du weinst Amalia? – und das sprach er mit einer Stimme! mit einer Stimme – mir wars, als ob die Natur sich verjüngete – die genossenen Lenze der Liebe dämmerten auf mit der Stimme! Die Nachtigall schlug wie damals – die Blumen hauchten wie damals – und ich lag Wonne-berauscht an seinem Hals – Ha falsches treuloses Herz! Wie du deinen Meineid beschönigen willst! Nein, nein, weg aus meiner Seele, du Frevel-Bild – ich hab' meinen Eid nicht gebrochen, du Einziger! Weg aus meiner Seele, ihr verrätherischen gottlosen Wünsche! im Herzen, wo Karl herrscht, darf kein Erdensohn nisten – Aber warum, meine Seele, so immer, so wider Willen nach diesem Fremdling? Hängt er sich nicht so hart an das Bild meines Einzigen? Ist er nicht der ewige Begleiter meines Einzigen? Du weinst Amalia? – Ha ich will ihn fliehen! – fliehen! – Nimmer sehen soll mein Aug' diesen Fremdling!

Räuber Moor (öffnet die Gartenthüre.)

Amalia (fährt zusammen.) Horch! horch! Rauschte die Thüre nicht? (Sie wird Karln gewahr, und springt auf.) Er? – wohin? – was? – da hat mich's angewurzelt, daß ich nicht fliehen kann – Verlaß mich nicht, Gott im Himmel! – Nein du sollst mir meinen Karl nicht entreissen! Meine Seele hat nicht Raum für zwey Gottheiten, und ich bin ein sterbliches Mädchen! (Sie nimmt Karls Bild heraus.) Du, mein Karl, sey mein Genius wider diesen Fremdling, den Liebestörer! dich, dich ansehen, unverwandt, – und weg alle gottlosen Blicke nach diesem (sie sitzt stumm – das Auge starr auf das Bild geheftet.)

Moor. Sie da, gnädiges Fräulein? – und traurig? und eine Thräne auf diesem Gemählde? – (Amalia gibt ihm keine Antwort.) – Und wer ist der Glückliche, um den sich das Aug' eines Engels versilbert? darf auch ich diesen Verherrlichten – (er will das Gemählde betrachten.)

Amalia. Nein, ja, nein!

Moor (zurückfahrend.) Ha! – und verdient er diese Vergötterung? verdient er? —

Amalia. Wenn Sie ihn gekannt hätten!

Moor. Ich würd' ihn beneidet haben.

Amalia. Angebetet, wollen Sie sagen.

Moor. Ha!

Amalia. Oh Sie hätten ihn so lieb gehabt – es war so viel, so viel in seinem Angesicht – in seinen Augen – im Ton seiner Stimme, das Ihnen so gleich kommt – das ich so liebe —

Moor (sieht zur Erde.)

Amalia. Hier, wo Sie stehen, stand er tausendmal – und neben ihm die, die neben ihm Himmel und Erde vergaß – hier durchirrte sein Aug' die um ihn prangende Gegend – sie schien den großen belohnenden Blick zu empfinden, und sich unter dem Wohlgefallen ihres Meisterbilds zu verschönern – hier hielt er mit himmlischer Musik die Hörer der Lüfte gefangen – hier an diesem Busch pflückte er Rosen, und pflückte die Rosen für mich – hier hier lag er an meinem Halse, brannte sein Mund auf dem meinen, und die Blumen starben gern unter der Liebenden Fußtritt —

Moor. Er ist nicht mehr?

Amalia. Er seegelt auf ungestümen Meeren – Amalia's Liebe seegelt mit ihm – er wandelt durch ungebahnte sandigte Wüsten – Amalia's Liebe macht den brennenden Sand unter ihm grünen, und die wilden Gesträuche blühen – der Mittag sengt sein entblößtes Haupt, nordischer Schnee schrumpft seine Sohlen zusammen, stürmischer Hagel regnet um seine Schläfe, und Amalia's Liebe wiegt ihn in Stürmen ein – Meere und Berge und Horizonte zwischen den Liebenden – aber die Seelen versetzen sich aus dem staubigten Kerker, und treffen sich im Paradiese der Liebe – Sie scheinen traurig, Herr Graf?

Moor. Die Worte der Liebe machen auch meine Liebe lebendig.

Amalia. (blaß.) Was? Sie lieben eine andre? – Weh mir, was hab ich gesagt?

Moor. Sie glaubte mich todt, und blieb treu dem Todtgeglaubten – sie hörte wieder, ich lebe, und opferte mir die Krone einer Heiligen auf. Sie weiß mich in Wüsten irren, und im Elend herumschwärmen, und ihre Liebe fliegt durch Wüsten und Elend mir nach. Auch heißt sie Amalia, wie Sie, gnädiges Fräulein.

Amalia. Wie beneid' ich Ihre Amalia!

Moor. O sie ist ein unglückliches Mädchen, ihre Liebe ist für einen, der verloren ist, und wird – ewig niemals belohnt.

Amalia. Nein, sie wird im Himmel belohnt. Sagt man nicht, es gebe eine bessere Welt, wo die Traurigen sich freuen, und die Liebenden sich wieder erkennen?

Moor. Ja, eine Welt, wo die Schleyer hinwegfallen, und die Liebe sich schrecklich wiederfindet – Ewigkeit heißt ihr Name – meine Amalia ist ein unglückliches Mädchen.

Amalia. Unglücklich, und Sie lieben?

Moor. Unglücklich, weil sie mich liebt! wie, wenn ich ein Todtschläger wäre? wie mein Fräulein? wenn Ihr Geliebter Ihnen für jeden Kuß einen Mord aufzählen könnte? wehe meiner Amalia! Sie ist ein unglückliches Mädchen.

Amalia (froh aufhüpfend.) Ha! wie bin ich ein glückliches Mädchen! Mein Einziger ist Nachstrahl der Gottheit, und die Gottheit ist Huld und Erbarmen! Nicht eine Fliege konnt' er leiden sehen – Seine Seele ist so fern von einem blutigen Gedanken, als fern der Mittag von der Mitternacht ist.

Moor (kehrt sich schnell ab, in ein Gebüsch, blickt starr in die Gegend.)

Amalia (singt und spielt auf der Laute.)

 
Willst dich Hektor ewig mir entreissen,
Wo des Aeaciden mordend Eisen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?
 

Moor (nimmt die Laute stillschweigend und spielt.)

 
Theures Weib, geh, hol die Todeslanze! —
Laß – mich fort – zum wilden Kriegestanze —
 
(Er wirft die Laute weg, und flieht davon.)

Fünfte Scene

Nahgelegener Wald. Nacht
Ein altes verfallenes Schloß in der Mitte
Die Räuberbande gelagert auf der Erde
Die Räuber singen
 
Stehlen, morden, huren, balgen
Heißt bey uns nur die Zeit zerstreu'n.
Morgen hangen wir am Galgen,
Drum laßt uns heute lustig seyn.
 
 
Ein freyes Leben führen wir,
Ein Leben voller Wonne.
Der Wald ist unser Nachtquartier,
Bey Sturm und Wind handthieren wir,
Der Mond ist unsre Sonne,
Merkurius ist unser Mann,
Der's Prakticiren treflich kann.
 
 
Heut laden wir bey Pfaffen uns ein,
Bey masten Pächtern morgen,
Was drüber ist, da lassen wir fein
Den lieben Herrgott sorgen.
 
 
Und haben wir im Traubensaft
Die Gurgel ausgebadet,
So machen wir uns Muth und Kraft
Und mit dem Schwarzen Brüderschaft,
Der in der Hölle bratet.
 
 
Das Wehgeheul geschlagner Väter,
Der bangen Mütter Klaggezetter,
Das Winseln der verlaßnen Braut
Ist Schmauß für unsre Trommelhaut!
 
 
Ha! wenn sie euch unter dem Beile so zucken,
Ausbrüllen wie Kälber, umfallen wie Mucken,
Das kitzelt unsern Augenstern,
Das schmeichelt unsern Ohren gern.
 
 
Und wenn mein Stündlein kommen nun,
Der Henker soll es holen,
So haben wir halt unsern Lohn,
Und schmieren unsre Sohlen,
Ein Schlückchen auf den Weg vom heissen Traubensohn,
Und hura rax dax! gehts, als flögen wir davon.
 

Schweizer. Es wird Nacht, und der Hauptmann noch nicht da!

Razmann. Und versprach doch Schlag acht Uhr wieder bey uns einzutreffen.

Schweizer. Wenn ihm Leides geschehen wäre – Kameraden! wir zünden an und morden den Säugling.

Spiegelberg (nimmt Razmann beyseite.) Auf ein Wort Razmann.

Schwarz (zu Grimm.) Wollen wir nicht Spionen ausstellen?

Grimm. Laß du ihn! Er wird einen Fang thun, daß wir uns schämen müssen.

Schweizer. Da brennst du dich, beym Henker! Er gieng nicht von uns wie einer, der einen Schelmenstreich im Schild führt. Hast du vergessen, was er gesagt hat, als er uns über die Haide führte? – »Wer nur eine Rübe vom Acker stiehlt, daß ich's erfahre, läßt seinen Kopf hier, so wahr ich Moor heiße.« – Wir dörfen nicht rauben.

Razmann (leise zu Spiegelberg.) Wo will das hinaus – rede deutscher.

Spiegelberg. Pst! Pst! – Ich weiß nicht, was du oder ich für Begriffe von Freyheit haben, daß wir an einem Karrn ziehen, wie Stiere, und dabey wunderviel von Independenz deklamiren – Es gefällt mir nicht.

Schweizer (zu Grimm.) Was wohl dieser Windkopf hier an der Kunkel hat?

Razmann (leise zu Spiegelberg.) Du sprichst vom Hauptmann? —

Spiegelberg. Pst doch! Pst! – Er hat so seine Ohren unter uns herumlaufen – Hauptmann sagst du? wer hat ihn zum Hauptmann über uns gesetzt, oder hat er nicht diesen Titel usurpirt, der von rechtswegen mein ist? – Wie? legen wir darum unser Leben auf Würfel – baden darum alle Milzsuchten des Schicksals aus, daß wir am End' noch von Glück sagen, die Leibeigenen eines Sklaven zu seyn? – Leibeigene, da wir Fürsten seyn könnten? – Bey Gott! Razmann – das hat mir niemals gefallen.

Schweizer (Zu den andern.) Ja – du bist mir der rechte Held, Frösche mit Steinen breit zu schmeissen – Schon der Klang seiner Nase, wenn er sich schneuzte, könnte dich durch ein Nadelöhr jagen —

Spiegelberg (zu Razmann.) Ja – Und Jahre schon dicht' ich darauf: Es soll anders werden. Razmann – wenn du bist, wofür ich dich immer hielt – Razmann! – Man vermißt ihn – gibt ihn halb verloren – Razmann, mich deucht, seine schwarze Stunde schlägt – wie? Nicht einmal röther wirst du, da dir die Glocke zur Freyheit läutet? Hast nicht einmal so viel Muth, einen kühnen Wink zu verstehen?

 

Razmann. Ha Satan! worinn verstrickst du meine Seele?

Spiegelberg. Hats gefangen? – Gut! so folge. Ich hab' mir's gemerkt, wo er hinschlich – Komm! Zwey Pistolen fehlen selten, und dann – so sind wir die ersten, die den Säugling erdrosseln. (Er will ihn fortreissen.)

Schweizer (Zieht wüthend sein Messer.) Ha Bestie! Eben recht erinnerst du mich an die böhmischen Wälder! – Warst du nicht die Memme, die anhub zu schnadern, als sie riefen: Der Feind kommt? Ich hab' damals bey meiner Seele geflucht – fahr hin Meuchelmörder (Er sticht ihn todt.)

Räuber (In Bewegung.) Mordjo! Mordjo! – Schweizer – Spiegelberg – Reißt sie auseinander —

Schweizer (Wirft das Messer über ihn.) Da! – Und so krepir du – Ruhig Kameraden – Laßt euch den Bettel nicht unterbrechen – Die Bestie ist dem Hauptmann immer giftig gewesen, und hat keine Narbe auf ihrer ganzen Haut – Noch einmal, gebt euch zufrieden – ha! über den Racker – von hinten her will er Männer zu schanden schmeissen? Männer von hinten her! – Ist uns darum der helle Schweiß über die Backen gelaufen, daß wir aus der Welt schleichen wie Hundsvötter? Bestie du! Haben wir uns darum unter Feuer und Rauch gebettet, daß wir zuletzt wie Ratten verrecken?

Grimm. Aber zum Teufel – Kamerad – was hattet ihr mit einander? – Der Hauptmann wird rasend werden.

Schweizer. Dafür laß mich sorgen – Und du Heilloser (zu Razmann), du warst sein Helfershelfer, du! – Pack dich aus meinen Augen – der Schufterle hat's auch so gemacht, aber dafür hängt er itzt auch in der Schweiz, wie's ihm mein Hauptmann prophezeyt hat – (Man schießt.)

Schwarz (aufspringend.) Horch! ein Pistolenschuß! (Man schießt wieder.) Noch einer! Holla! Der Hauptmann!

Grimm. Nur Geduld! Er muß zum drittenmal schiessen. (Man hört noch einen Schuß.)

Schwarz. Er ist's! – Ist's – Salvier dich, Schweizer – laßt uns ihm antworten.

(Sie schiessen.)
Moor. Kosinsky (treten auf.)

Schweizer (ihnen entgegen.) Sey willkommen, mein Hauptmann – Ich bin ein bischen vorlaut gewesen, seit du weg bist. (Er führt ihn an die Leiche.) Sey du Richter zwischen mir und diesem – von hinten hat er dich ermorden wollen.

Räuber (mit Bestürzung.) Was? Den Hauptmann?

Moor. (In den Anblick versunken, bricht heftig aus.) O unbegreiflicher Finger der rachekundigen Nemesis! – Wars nicht dieser, der mir das Sirenenlied trillerte? – Weihe diß Messer der dunklen Vergelterinn! – das hast Du nicht gethan, Schweizer.

Schweizer. Bei Gott! ich habs wahrlich gethan, und es ist beim Teufel nicht das schlechtste, was ich in meinem Leben gethan habe. (geht unwillig ab.)

Moor (Nachdenkend.) Ich verstehe – Lenker im Himmel – ich verstehe – die Blätter fallen von den Bäumen – und mein Herbst ist kommen – Schafft mir diesen aus den Augen. (Spiegelbergs Leiche wird hinweg getragen.)

Grimm. Gib uns Ordre, Hauptmann – was sollen wir weiter thun?

Moor. Bald – bald ist alles erfüllet – Gebt mir meine Laute – Ich habe mich selbst verloren, seit ich dort war – Meine Laute sag ich – Ich muß mich zurück lullen in meine Kraft – verlaßt mich.

Räuber. Es ist Mitternacht, Hauptmann.

Moor. Doch warens nur die Thränen im Schauspielhaus – den Römergesang muß ich hören, daß mein schlafender Genius wieder aufwacht – Meine Laute her – Mitternacht, sagt ihr?

Schwarz. Wohl bald vorüber. Wie Bley liegt der Schlaf in uns. Seit drei Tagen kein Auge zu.

Moor. Sinkt denn der balsamische Schlaf auch auf die Augen der Schelmen? Warum fliehet er mich? Ich bin nie ein Feiger gewesen, oder ein schlechter Kerl – Legt euch schlafen – Morgen am Tag gehen wir weiter.

Räuber. Gute Nacht, Hauptmann (Sie lagern sich auf der Erde und schlafen ein.)

Tiefe Stille
Moor. (Nimmt die Laute und spielt.)
Brutus
 
Sey willkommen friedliches Gefilde,
Nimm den Letzten aller Römer auf!
Von Philippi, wo die Mordschlacht brüllte
Schleicht mein Gram-gebeugter Lauf.
Kassius wo bist du? – Rom verloren!
Hingewürgt mein brüderliches Heer!
Meine Zuflucht zu des Todes Thoren!
Keine Welt für Brutus mehr!
 
Cäsar
 
Wer, mit Schritten eines Niebesiegten,
Wandert dort vom Felsenhang? —
Ha! wenn meine Augen mir nicht lügten!
Das ist eines Römers Gang. —
Tybersohn – von wannen deine Reise?
Dauert noch die Siebenhügelstadt?
Oft geweinet hab ich um die Waise,
Daß sie nimmer einen Cäsar hat.
 
Brutus
 
Ha! du mit der drei und zwanzigfachen Wunde!
Wer rief Todter dich an's Licht?
Schaudre rückwärts, zu des Orkus Schlunde,
Stolzer Weiner! Triumphire nicht!
Auf Philippi's eisernem Altare
Raucht der Freiheit letztes Opferblut;
Rom verröchelt über Brutus Bahre,
Brutus geht zu Minos – Kreuch in deine Flut.
 
Cäsar
 
O ein Todesstoß von Brutus Schwerte!
Auch du – Brutus – du?
Sohn – es war dein Vater – Sohn – die Erde
Wär gefallen dir als Erbe zu!
Geh – du bist der gröste Römer worden,
Da in Vaters Brust dein Eisen drang,
Geh – und heul es bis zu jenen Pforten:
Brutus ist der gröste Römer worden,
Da in Vaters Brust sein Eisen drang.
Geh – du weißts nun, was an Lethes Strande
Mich noch bannte —
Schwarzer Schiffer, stoß vom Lande!
 
Brutus
 
Vater halt! – Im ganzen Sonnenreiche
Hab ich Einen nur gekannt,
Der dem großen Cäsar gleiche:
Diesen Einen hast du Sohn genannt.
Nur ein Cäsar mochte Rom verderben,
Nur nicht Brutus mochte Cäsar stehn,
Wo ein Brutus lebt, muß Cäsar sterben;
Geh du linkwärts, laß mich rechtwärts gehn.
 
(Er legt die Laute hin, geht tiefdenkend auf und nieder.)

Wer mir Bürge wäre? – Es ist alles so finster – verworrene Labyrinthe – kein Ausgang – kein leitendes Gestirn – wenns aus wäre mit diesem letzten Othemzug – Aus wie ein schaales Marionettenspiel – Aber wofür der heiße Hunger nach Glückseligkeit? Wofür das Ideal einer unerreichten Vollkommenheit? Das Hinausschieben unvollendeter Plane? – wenn der armselige Druck dieses armseligen Dings (die Pistolen vors Gesicht haltend) den Weisen dem Thoren – den Feigen dem Tapfern – den Edlen dem Schelmen gleich macht? – Es ist doch eine so göttliche Harmonie in der seelenlosen Natur, warum sollte dieser Mißklang in der vernünftigen seyn? – Nein! Nein! es ist etwas mehr, denn ich bin noch nicht glücklich gewesen.

Glaubt ihr, ich werde zittern? Geister meiner Erwürgten! ich werde nicht zittern. (Heftig zitternd.) – Euer banges Sterbegewinsel – euer schwarzgewürgtes Gesicht – eure fürchterlich klaffenden Wunden sind ja nur Glieder einer unzerbrechlichen Kette des Schicksals, und hängen zuletzt an meinen Feyerabenden, an den Launen meiner Ammen und Hofmeister, am Temperament meines Vaters, am Blut meiner Mutter. – (von Schauer geschüttelt) Warum hat mein Perillus einen Ochsen aus mir gemacht, daß die Menschheit in meinem glühenden Bauche bratet?

(Er setzt die Pistolen an.) Zeit und Ewigkeit – gekettet an einander durch ein einzig Moment! – Grauser Schlüssel, der das Gefängniß des Lebens hinter mir schließt, und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen Nacht – sage mir – o sage mir – wohinwohin wirst du mich führen? – Fremdes, nie umsegeltes Land! – Siehe, die Menschheit erschlafft unter diesem Bilde, die Spannkraft des Endlichen läßt nach, und die Phantasey, der muthwillige Affe der Sinne, gaukelt unserer Leichtgläubigkeit seltsame Schatten vor – Nein! Nein! Ein Mann muß nicht straucheln – Sey wie du willst, namenloses Jenseits – bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu – Sey wie du willst, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme – Außendinge sind nur der Anstrich des Manns – Ich bin mein Himmel und meine Hölle.

Wenn du mir irgend einen eingeäscherten Weltkreis allein ließest, den du aus deinen Augen verbannt hast, wo die einsame Nacht, und die ewige Wüste meine Aussichten sind? – Ich würde dann die schweigende Oede mit meinen Phantasien bevölkern, und hätte die Ewigkeit zur Musse, das verworrene Bild des allgemeinen Elends zu zergliedern. – Oder willst du mich durch immer neue Geburten und immer neue Schauplätze des Elends von Stufe zu Stufe – zur Vernichtung – führen? Kann ich nicht die Lebensfäden, die mir jenseits gewoben sind, so leicht zerreissen, wie diesen? – Du kannst mich zu nichts machen – Diese Freyheit kannst du mir nicht nehmen. (Er ladet die Pistole. Plötzlich hält er inne.) Und soll ich für Furcht eines qualvollen Lebens sterben? – Soll ich dem Elend den Sieg über mich einräumen? – Nein! ich wills dulden. (Er wirft die Pistole weg.) Die Qual erlahme an meinem Stolz! Ich wills vollenden. (Es wird immer finstrer.)

Herrmann. (Der durch den Wald kommt.)

Horch! Horch! grausig heulet der Kauz – zwölf schlägts drüben im Dorf – wohl, wohl – das Bubenstück schläft – in dieser Wilde kein Lauscher. (Tritt an das Schloß und pocht.) Komm heraus, Jammermann, Thurmbewohner! – Deine Mahlzeit ist bereitet.

Moor. (Sachte zurücktretend.) Was soll das bedeuten?

Eine Stimme. (aus dem Schloß.) Wer pocht da? He? Bist du's, Herrmann, mein Rabe?

Herrmann. Bin's, Herrmann, dein Rabe. Steig herauf ans Gitter und iß. (Eulen schreyen.) Fürchterlich trillern deine Schlafkameraden, Alter – dir schmeckt?

Die Stimme. Hungerte mich sehr. Habe Dank, Rabensender, fürs Brod in der Wüste! – Und wie gehts meinem lieben Kind, Herrmann?

Herrmann. Stille – Horch – Geräusch wie von Schnarchenden! hörst du nicht was?

Stimme. Wie? hörst du etwas?

Herrmann. Den seufzenden Windlaut durch die Rizen des Thurms – Eine Nachtmusik, davon einem die Zähne klappern und die Nägel blau werden – Horch, noch einmal – Immer ist mir, als hört' ich ein Schnarchen. – Du hast Gesellschaft, Alter – Hu! hu! hu!

Stimme. Siehst du etwas?

Herrmann. Leb wohl – leb wohl – Grausig ist diese Stätte – Steig ab ins Loch – droben dein Helfer, dein Rächer – verfluchter Sohn! – (Will fliehen.)

Moor. (Mit Entsetzen hervortretend.) Steh!

Herrmann. (Schreyend.) Oh mir!

Moor. Steh, sag ich!

Herrmann. Weh! Weh! Weh! Nun ist alles verrathen!

Moor. Steh! Rede! Wer bist du? Was hast du hier zu thun? Rede!

Herrmann. Erbarmen, o Erbarmen, gestrenger Herr! – Nur Ein Wort höret an, eh ihr mich umbringt.

Moor. (Indem er den Degen zieht.) Was werd' ich hören?

Herrmann. Wohl habt ihr mirs beym Leben verboten – Ich konnt' nicht anders – durft' nicht anders – im Himmel ein Gott – euer leiblicher Vater dort – mich jammerte sein – Stecht mich nieder.

Moor. Hier steckt ein Geheimniß – Heraus! Sprich! Ich will alles wissen.

Die Stimme. (Aus dem Schloß.) Weh! Weh! Bist du's, Herrmann, der da redet? Mit wem redst du, Herrmann?

Moor. Drunten noch jemand – Was geht hier vor? (Läuft dem Thurme zu.) Ist's ein Gefangener, den die Menschen abschüttelten? – Ich will seine Ketten lösen. – Stimme! noch einmal! wo ist die Thüre?

Herrmann. O habt Barmherzigkeit, Herr – dringt nicht weiter, Herr – geht aus Erbarmen vorüber! (Verrennt ihm den Weg.)

Moor. Vierfach geschlossen! Weg da – Es muß heraus – Itzt zum erstenmal komm mir zu Hülfe, Dieberey! (Er nimmt Brechinstrumente, und öffnet das Gitterthor. Aus dem Grunde steigt ein Alter, ausgemergelt wie ein Gerippe.)

Der Alte. Erbarmen einem Elenden! Erbarmen!

Moor. (Springt erschrocken zurück.) Das ist meines Vaters Stimme!

D. a. Moor. Habe Dank, o Gott! Erschienen ist die Stunde der Erlösung.

Moor. Geist des alten Moors! Was hat dich beunruhigt in deinem Grabe? Hast du eine Sünde in jene Welt geschleppt, die dir den Eingang in die Pforten des Paradieses verrammelt? Ich will Messen lesen lassen, den irrenden Geist in seine Heymath zu senden. Hast du das Gold der Wittwen und Waisen unter die Erde vergraben, das dich zu dieser mitternächtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich will den unterirdischen Schatz aus den Klauen des Zauberdrachen reissen, und wenn er tausend rothe Flammen auf mich speyt, und seine spitzen Zähne gegen meinen Degen blöckt, oder kommst du, auf meine Fragen die Räthsel der Ewigkeit zu entfalten? Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht nicht.

 

D. a. Moor. Ich bin kein Geist. Taste mich an, ich lebe, o ein elendes, erbärmliches Leben!

Moor. Was? Du bist nicht begraben worden?

D. a. Moor. Ich bin begraben worden – das heißt: ein todter Hund liegt in meiner Väter Gruft; und ich – drey volle Monde schmacht' ich schon in diesem finstern unterirdischen Gewölbe, von keinem Strahle beschienen, von keinem warmen Lüftchen angeweht, von keinem Freunde besucht, wo wilde Raben krächzen, und mitternächtliche Uhu's heulen. —

Moor. Himmel und Erde! Wer hat das gethan?

D. a. Moor. Verfluch ihn nicht! – Das hat mein Sohn Franz gethan.

Moor. Franz? Franz? – O ewiges Chaos!

D. a. Moor. Wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz hast, Erlöser, den ich nicht kenne, o so höre den Jammer eines Vaters, den ihm seine Söhne bereitet haben – drey Monden schon hab' ich's tauben Felsenwänden zugewinselt, aber ein hohler Wiederhall äffte meine Klagen nur nach. Darum, wenn du ein Mensch bist, und ein menschliches Herz hast —

Moor. Diese Aufforderung könnte die wilden Bestien aus ihren Löchern hervorrufen!

D. a. Moor. Ich lag eben auf dem Siechbett, hatte kaum angefangen, aus einer schweren Krankheit etwas Kräfte zu sammeln, so führte man einen Mann zu mir, der vorgab, mein Erstgebohrner sey gestorben in der Schlacht, und mit sich brachte ein Schwerdt, gefärbt mit seinem Blut, und sein letztes Lebewohl, und daß ihn mein Fluch gejagt hätte in Kampf und Tod und Verzweiflung.

Moor. (Heftig von ihm abgewandt.) Es ist offenbar!

D. a. Moor. Höre weiter! ich ward unmächtig bey der Botschaft. Man muß mich für todt gehalten haben, denn als ich wieder zu mir selber kam, lag ich schon in der Bahre, und ins Leichentuch gewickelt wie ein Todter. Ich krazte an dem Deckel der Bahre. Er ward aufgethan. Es war finstere Nacht, mein Sohn Franz stand vor mir. – Was? rief er mit entsetzlicher Stimme, willst du dann ewig leben? – und gleich flog der Sargdeckel wieder zu. Der Donner dieser Worte hatte mich meiner Sinne beraubt; als ich wieder erwachte, fühlt' ich den Sarg erhoben und fortgeführt in einem Wagen eine halbe Stunde lang. Endlich ward er geöffnet – ich stand am Eingang dieses Gewölbes, mein Sohn vor mir, und der Mann, der mir das blutige Schwerdt von Karln gebracht hatte – zehnmal umfaßt' ich seine Kniee, und bat und flehte, und umfaßte sie und beschwur – das Flehen seines Vaters reichte nicht an sein Herz – hinab mit dem Balg! donnerte es von seinem Munde, er hat genug gelebt, – und hinab ward ich gestossen ohn' Erbarmen, und mein Sohn Franz schloß hinter mir zu.

Moor. Es ist nicht möglich, nicht möglich! Ihr müßt euch geirrt haben.

D. a. Moor. Ich kann mich geirrt haben. Höre weiter, aber zürne doch nicht! So lag ich zwanzig Stunden, und kein Mensch gedachte meiner Noth. Auch hat keines Menschen Fußtritt je diese Einöde betreten, denn die allgemeine Sage geht, daß die Gespenster meiner Väter in diesen Ruinen rasselnde Ketten schleifen, und in mitternächtlicher Stunde ihr Todtenlied raunen. Endlich hört' ich die Thür wieder aufgehen, dieser Mann brachte mir Brod und Wasser, und entdeckte mir, wie ich zum Tod des Hungers verurtheilt gewesen, und wie er sein Leben in Gefahr setze, wenn es herauskäme, daß er mich speise. So ward ich kümmerlich erhalten diese lange Zeit, aber der unaufhörliche Frost – die faule Luft meines Unraths, – der grenzenlose Kummer – meine Kräfte wichen, mein Leib schwand, tausendmal bat ich Gott mit Thränen um den Tod, aber das Maas meiner Strafe muß noch nicht gefüllet seyn – oder muß noch irgend eine Freude meiner warten, daß ich so wunderbarlich erhalten bin. Aber ich leide gerecht – Mein Karl! mein Karl! – und er hatte noch keine graue Haare.

Moor. Es ist genug. Auf! ihr Klötze, ihr Eisklumpen! Ihr träge fühllose Schläfer! Auf! will keiner erwachen? (Er thut einen Pistolenschuß über die schlafenden Räuber.)

Die Räuber. (aufgejagt) He, holla! holla! was giebts da?

Moor. Hat euch die Geschichte nicht aus dem Schlummer gerüttelt? der ewige Schlaf würde wach worden seyn! Schaut her, schaut her! die Gesetze der Welt sind Würfelspiel worden, das Band der Natur ist entzwey, die alte Zwietracht ist los, der Sohn hat seinen Vater erschlagen.

Die Räuber. Was sagt der Hauptmann?

Moor. Nein, nicht erschlagen! das Wort ist Beschönigung! – der Sohn hat den Vater tausendmal gerädert, gespießt, gefoltert, geschunden! die Worte sind mir zu menschlich – worüber die Sünde roth wird, worüber der Kannibale schaudert, worauf seit Aeonen kein Teufel gekommen ist. – Der Sohn hat seinen eigenen Vater – o seht her, seht her! er ist in Unmacht gesunken, – in dieses Gewölbe hat der Sohn seinen Vater – Frost, Blöse, – Hunger, – Durst – o seht doch, seht doch! – es ist mein eigner Vater, ich wills nur gestehn.

Die Räuber (springen herbey und umringen den Alten.) Dein Vater? dein Vater?

Schweizer (tritt ehrerbietig näher, fällt vor ihm nieder.) Vater meines Hauptmanns! Ich küsse dir die Füsse! du hast über meinen Dolch zu befehlen.

Moor. Rache, Rache, Rache dir! grimmig beleidigter, entheiligter Greis! So zerreiß ich von nun an auf ewig das brüderliche Band. (er zerreißt sein Kleid von oben an bis unten.) So verfluch ich jeden Tropfen brüderlichen Bluts im Antlitz des offenen Himmels! Höre mich, Mond und Gestirne! Höre mich, mitternächtlicher Himmel! der du auf die Schandthat herunterblicktest! Höre mich, dreymal schröcklicher Gott, der da oben über dem Monde waltet, und rächt und verdammt über den Sternen, und feuerflammt über der Nacht! Hier kniee ich – hier streck ich empor die drey Finger in die Schauer der Nacht – hier schwör ich, und so speye die Natur mich aus ihren Grenzen wie eine bösartige Bestie aus, wenn ich diesen Schwur verletze, schwör ich das Licht des Tages nicht mehr zu grüssen, bis des Vater-Mörders Blut, vor diesem Steine verschüttet, gegen die Sonne dampft. (Er steht auf.)

Die Räuber. Es ist ein Belials-Streich! Sag einer, wir seyen Schelmen! Nein bey allen Drachen! So bunt haben wirs nie gemacht!

Moor. Ja! und bey allen schröcklichen Seufzern derer, die jemals durch eure Dolche starben, derer, die meine Flamme fraß, und mein fallender Thurm zermalmte, eh' soll kein Gedanke von Mord oder Raub Platz finden in eurer Brust, bis euer aller Kleider von des Verruchten Blute scharlachroth gezeichnet sind – das hat euch wohl niemals geträumet, daß ihr der Arm höherer Majestäten seyd? Der verworrene Knäuel unsers Schicksals ist aufgelöst! Heute, heute hat eine unsichtbare Macht unser Handwerk geadelt! Betet an vor dem, der euch dies erhabene Loos gesprochen, der euch hieher geführt, der euch gewürdiget hat, die schröcklichen Engel seines finstern Gerichts zu seyn! Entblöset eure Häupter! Knieet hin in den Staub, und stehet geheiliget auf! (sie knieen.)

Schweizer. Gebeut, Hauptmann! was sollen wir thun?

Moor. Steh auf, Schweizer! Und rühre diese heilige Locken an! (Er führt ihn zu seinem Vater, und giebt ihm eine Locke in die Hand.) Du weißt noch, wie du einsmals jenem böhmischen Reuter den Kopf spaltetest, da er eben den Säbel über mich zuckte, und ich athemlos und erschöpft von der Arbeit in die Kniee gesunken war? dazumal verhieß ich dir eine Belohnung, die königlich wäre, ich konnte diese Schuld bisher niemals bezahlen. —

Schweizer. Das schwurst du mir, es ist wahr, aber laß mich dich ewig meinen Schuldner nennen!

Moor. Nein, itzt will ich bezahlen. Schweizer, so ist noch kein Sterblicher geehrt worden wie du! – Räche meinen Vater! (Schweizer steht auf.)

Schweizer. Großer Hauptmann! heute hast du mich zum erstenmal stolz gemacht! – Gebeut, wo, wie, wann soll ich ihn schlagen?

Moor. Die Minuten sind geweiht, du must eilends gehn – lies dir die Würdigsten aus der Bande, und führe sie gerade nach des Edelmanns Schloß! zerr ihn aus dem Bette, wenn er schläft, oder in den Armen der Wollust liegt, schlepp ihn vom Mahle weg, wenn er besoffen ist, reiß ihn vom Kruzifix, wenn er betend vor ihm auf den Knieen liegt! Aber ich sage dir, ich schärf es dir hart ein, liefr' ihn mir nicht todt! dessen Fleisch will ich in Stücken reissen, und hungrigen Geiern zur Speise geben, der ihm nur die Haut ritzt, oder ein Haar kränkt! Ganz muß ich ihn haben, und wenn du ihn ganz und lebendig bringst, so sollst du eine Million zur Belohnung haben, ich will sie einem Könige mit Gefahr meines Lebens stehlen, und du sollst frey ausgehn, wie die weite Luft – hast du mich verstanden, so eile davon!

Schweizer. Genug, Hauptmann – hier hast du meine Hand darauf: Entweder, du siehst zwey zurückkommen, oder gar keinen. Schweizers Würgengel kommt! (ab mit einem Geschwader.)

Moor. Ihr Uebrigen zerstreut euch im Wald – Ich bleibe.