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Reise über Indien und China nach Japan.

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Am 8. April machte ich nach dem Frühstück nochmals einen Rundgang durch die Stadt und besorgte dabei einige Einkäufe.

Ich hatte den Secretär des Gouverneurs schon gestern zum Diner geladen und wiederholte diese Einladung für heute. Da er beide Male unter Vorschützung von dringenden Geschäften meine Einladung dankend ablehnte, so erkannte ich daraus, dass er dies wohl aus Toiletterücksichten thun wolle, weil in den hiesigen Hôtels, sowie in Indien die Gepflogenheit herrscht, zum Mittagstische im Smokinganzuge zu erscheinen. Ich bat ihn nun, bei mir das Tiffin nehmen zu wollen, weil für diese Mahlzeit keine besonderen Bestimmungen für die Kleidung bestehen. Diese Einladung nahm der Secretär mit Vergnügen an und er erschien dann in lichter, europäischer Tracht, die ihn aber nicht gut kleidete.

Nachmittag fuhr ich mit dem Secretär und Dr. F. auf der Bahn ungefähr eine halbe Stunde nach Mukömachi, von wo aus wir einen Spaziergang nach Arashiyama machten. An diesem Orte nimmt ein enges Thal seinen Anfang, welches von einem Flusse durchzogen wird, der im oberen Laufe von Felsen eingeengt wird und dort auch schöne Katarakte bildet. Das Thal war eben mit vielen blühenden Kirschenbäumen, welche bis hoch oben auf den Hügeln standen, allerliebst geschmückt. Wir trafen dort an tausend Japaner an, und so konnte ich mir ihr Volksleben mit Musse betrachten. Die Leute sassen längs des Ufers theils unter den von Theehausbesitzern erbauten freien Dächern auf dem mit Matten bedeckten Boden, theils ganz im Freien auf hergerichteten niederen Platten familienweise beisammen, assen von den in Schachteln mitgenommenen Speisen und tranken dazu Thee, welcher in den Theehäusern sehr billig zu haben ist. Hie und da tranken Schüler höherer Classen auch Saki. Die ganze Unterhaltung war absolut nicht lärmend, und gab es keinen einzigen irgendwie angetrunkenen Japaner. Alles war seelenvergnügt, scherzte und lachte, und freute sich stillvergnügt des Daseins. Eine einzige lärmende, aber ganz kurz währende Kundgebung erfolgte, als wir Europäer bei einem Theehause, in welchem sich japanische Studenten befanden, vorübergingen. Die jungen Leute lachten wohl über unsere, ihnen nicht bekannte europäische Kleidung.

Wir gingen in dem sehr schönen Gebirgsthale aufwärts, bestiegen ein Boot, liessen uns weiter aufwärts, sonach an's andere Ufer führen, besichtigten auch von dieser Seite das Felsenthal, tranken in einem Theehause, in welchem Tische und Stühle vorhanden waren, ein Glas Japanerbier, liessen uns dann auf dem Boot thalab an's andere Ufer bringen, gingen hierauf zur Bahn und kehrten schliesslich sehr befriedigt von diesem Ausfluge heim.

Am 9. April ging ich Vormittags mit den beiden mich hier gewöhnlich begleitenden Herren in die gerade eröffnete Industrie-Ausstellung von Kioto. Es waren daselbst ganz ähnliche Artikel zur Schau gestellt, wie in dem ständigen Bazar von Kobe, nur waren die Preise hier höher gehalten. Was die Kunstarbeiten anbelangt, namentlich Malerei auf Papier oder auf Stoff, Bronze- und Cloisonet-Gegenstände, so überragte hierin die Ausstellung den Bazar von Kobe. Besonders fiel mir ein in Sepia ausgeführtes, ¾ m hohes und ¼ m breites Bild auf, welches in frappanter Naturtreue einen Baum darstellte, in dessen oberen Aesten ein Adler stand. Der Preis des Bildes, welches von einem der ersten Maler in Kioto herrührte, war mit 80 Yen = 96 fl. angegeben. Der Besuch der Ausstellung war zur Zeit, als wir dort waren, seitens der Bevölkerung ein recht mässiger; vielleicht war die Vormittagsstunde die massgebende Ursache hierfür.

Am 10. April unternahm ich in der bekannten Gesellschaft um 9 Uhr Morgens mit der Bahn eine Excursion nach Nara. Am Bahnhofe mussten wir Europäer beim Nehmen der Fahrkarte unsere Pässe vorzeigen, weil den Fremden nur, wenn sie im Besitze einer vom Consulate ausgestellten Legitimation sind, der Eintritt in das Innere von Japan gestattet ist.

Die Eisenbahnen sind in Japan schmalspurig, und daher sind auch die Waggons schmal, dafür aber sehr lang. Es gibt dort, wie bei uns, drei Fahrclassen, doch genügt selbst die erste Classe nur sehr bescheidenen Ansprüchen. Die Züge sind stets stark besetzt, und besonders die Waggons dritter Classe ganz angefüllt, doch benützen viele Japaner auch die beiden anderen Classen; Fremdländer fahren fast ausschliesslich nur in der ersten Classe. Die Schnelligkeit der Züge ist eine mässige, dafür sind auch die Fahrpreise niedrig gestellt, wenn auch bei Weitem nicht so billig wie in Indien. An allen grösseren Stationen sind Tafeln angebracht mit den Ortsnamen in japanischer und darunter in lateinischer Schrift. Auffallend ist es, dass auch in Japan in allen grossen Stationen kolossale Plakate von Firmen, auch mit Bildern in allen Farben aufgestellt sind. Es beweist dies die Nachahmungssucht der Japaner, und es muss ihnen zugestanden werden, dass sie in dieser Art der Reclame die Europäer sogar übertroffen haben. So habe ich später bei der Dampfschiffahrtsstation Moji an der Lehne eines bewaldeten Hügels den Namen einer Firma gelesen, welcher aus 2 m hohen, auf Bäumen befestigten Buchstaben zusammengestellt war.

Während der Eisenbahnfahrt beobachtete ich die Bebauung des Bodens, und erhielt hierüber nähere Aufklärung vom Secretär, und so will ich nachfolgend die bei dieser, wie auch bei späteren Gelegenheiten gemachten Erfahrungen über die Landwirthschaft in Japan kurz anführen.

Der Boden besteht hauptsächlich aus thoniger, etwas sandiger Erde und ist im Allgemeinen sehr wasserreich. Bei dem das ganze Land durchziehenden, theilweise sehr hohen und breiten Gebirgszuge ist der zum Anbau geeignete Boden verhältnissmässig beschränkt. Die vielen das Land durchziehenden Flüsse sind sämmtlich regulirt und mit starken, hohen Dämmen eingesäumt, eine Massregel zum Schutze des umliegenden Landes, welche durch die ausserordentlich heftigen Regengüsse, die in den Monaten Juni und Juli unaufhörlich niedergehen, sowie durch den torrentartigen Charakter der Flüsse geboten ist. Da die Japaner bei der Verwerthung von Grund und Boden viel Wasser benöthigen, so haben sie dort, wo sich keine Flüsse in der Nähe befinden, grosse, künstliche Teiche angelegt.

Die Ausnützung des Bodens erfolgt vorzüglich durch Anbau von Reis, dann von Getreide, hauptsächlich Weizen und Gerste, von Theestauden, Maulbeerbäumen für die Seidenzucht, von Gemüsen, Obst und Bambusrohr. Wiesen kommen beinahe gar nicht vor. Die Wälder in dem ausgedehnten Berglande liefern das in Japan sehr viel verwendete Holz.

Der Reisbau wird im grossen Massstabe betrieben und schafft das Hauptnahrungsmittel der Japaner; hierzu sind überall die Reisfelder mit grosser Sorgfalt angelegt, damit sie die zum Wachsthume und zum Gedeihen der Reispflanze nöthige Wasserfläche über denselben halten können. Ja selbst die Getreidefelder sind so eingerichtet, dass sie leicht zu Reisfeldern umgestaltet werden können, weil, der japanischen Fruchtfolge entsprechend, nach der Getreideernte das bezügliche Feld für den Reisanbau und nach der Reisfechsung wieder als Getreidefeld u. s. w. verwendet wird. Die Felder für das Getreide werden eigenartig bearbeitet und bebaut. Die Furchen sind vollkommen gerade und gleichlaufend, circa 30 cm tief, und unten 15, oben 20 cm breit, die dazwischen liegenden Feldstreifen sind oben 20, unten 30 cm breit; und werden in der oberen Fläche in zwei geraden, parallelen Linien dicht mit der betreffenden Getreidegattung bebaut. Die Wände von der oberen Fläche der Feldstreifen bis zur Sohle der Furchen sind wie bei einem Damme bearbeitet. Man ersieht daraus, dass die ganze Feldarbeit nicht mit dem Pfluge, sondern mit breiten Schaufeln und breiten Hauen, wie selbe bei uns die Teichgräber benützen, ausgeführt wird. Es ist demnach die ganze Feldarbeit eher als eine Gartenarbeit zu bezeichnen. Die angeführte Form der Felder ist in Hinsicht auf den sehr nassen Grund und auf die Regenzeit im Juni und Juli geboten.

Bei der Beurtheilung der dortigen Landwirthschaft muss man sich gegenwärtig halten, dass der Haupttheil von Japan zwischen dem 30. und 40. Grad nördlicher Breite, also in den Breitegraden von Nordafrika bis Griechenland liegt, und dass sich nur die von einem grossen Gebirgsstocke erfüllte Insel Yezo zwischen dem 40. und 45. Grade nördlicher Breite, also in der gleichen geographischen Lage wie Italien befindet, und dass also die Sommermonate im Haupttheile von Japan, mit Ausnahme der Regenzeit im Juni und Juli, sehr heiss und austrocknend sind.

Der Anbau der Theepflanze erfolgt reihenweise auf trockenen Lagen, besonders dort, wo der Boden vornehmlich aus einer Mengung von Thon und Mergel besteht und reich an Eisen ist. Die entwickelten Sträucher sind etwa einen halben Meter hoch und ebenso breit. Häufig sieht man über solche Theeanlagen weite Netze von dünnen Bambusstangen ausgebreitet, welche dazu dienen sollen, die Theepflanzen im Falle von Frösten, wie solche im Winter häufig vorkommen, etwas zu schützen.

Das Bambusrohr wird ebenfalls an trockenen Stellen waldartig und ziemlich dicht gezogen, und werden solche Bambuswäldchen ringsum von starken Laubholzbäumen umgeben zum Schutze gegen die Zerstörung durch Orkane, welche in Japan nicht zu den Seltenheiten zählen. Der Bambus wächst sehr rasch; zehn Jahre nach dem Anbau ist er schon 6 m hoch, und der Stamm hat am Boden eine Dicke von ungefähr 3 cm. In Borneo sollen aber derartige Resultate schon nach zwei bis drei Jahren erzielt werden.

Die Ortschaften liegen, wie bei uns, zerstreut im Lande, bestehen ausschliesslich aus von Holz erbauten und mit Stroh, einzelne auch mit rinnenartigen Dachziegeln gedeckten Häusern, und es umgeben diese Häuser zahlreiche Kirschenbäume, welche, zur Zeit meiner Anwesenheit in Japan, in vollster Blüte standen. Es gibt hier zwei wesentlich von einander unterschiedene Kirschenbäume. Die einen derselben sind in Blüte und Frucht den unseren ähnlich, die anderen tragen aber so reiche und schöne Blüten, dass der ganze Baum wie von einem Rosenmeere umschlossen erscheint; dafür tragen diese Bäume keine Früchte.

 

Von Vieh- und Geflügelzucht ist in allen jenen Theilen Japans, die ich durchreiste, gar nichts zu sehen, eine merkwürdige Erscheinung, die sich dadurch erklärt, dass die Japaner beinahe nur Fleisch von Fischen essen, auch keine Milch trinken, und dass zum Feldbau keine Thiere benöthigt werden. Nur auf der Insel Yezo soll, wie man mir sagte, Viehzucht betrieben werden. In den Städten verwendet man sporadisch Stiere, welche eine grosse und starke Race zeigen, zum Ziehen von schweren Lasten, und versieht deren Hufe mit Strohschuhen, welche lange Zeit vorhalten sollen.

Die inländischen Pferde, welche eigentlich nur bei der Cavallerie in Verwendung stehen, sind von einer kleinen, elenden Race. Hierüber werde ich noch eingehend, bei meinen Beobachtungen und Studien über das japanische Militär, zu schreiben Gelegenheit haben.

Die Strassen und Wege auf dem Lande befinden sich in einem sehr guten Zustande und werden vorzüglich erhalten, was indess wohl hauptsächlich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass dieselben nicht von mit Thieren bespannten Wagen befahren werden. Sowohl auf dem Lande als auch fast ausnahmslos in der Stadt werden die grössten Lasten von Menschen auf zweiräderigen Karren fortgeschafft.

Nach zweistündiger Eisenbahnfahrt waren wir glücklich in Nara eingetroffen. Nara war durch etwa hundert Jahre – im 7. Jahrhundert n. Chr. – die Hauptstadt des Landes gewesen, jetzt verdankt es seine Berühmtheit einem auf dem Berge stehenden, bei den Japanern sehr hoch gehaltenen Tempel, welcher von einem sehr ausgedehnten Wildparke eingeschlossen ist, in dem sich von den Einheimischen für heilig angesehene Hirsche befinden. Dorthin begaben wir uns zuerst; unser Weg führte uns an uralten Bäumen vorüber, die oft einen Umfang von 12 m und eine immense Höhe haben, wenn sie nicht, wie dies bei manchen solchen Bäumen der Fall ist, altershalber im oberen Theile abgestorben und abgebrochen sind. Der Weg war von steinernen, ungefähr 2 m hohen Säulen, die ein Häuschen mit japanisch geformtem Steindache tragen, und welche in gewissen Distanzen von einander entfernt standen, beiderseits umgeben. Diese Häuschen sind bestimmt, Lichter aufzunehmen, welche an gewissen Festtagen angezündet werden.

Wir begegneten auf unserer Wanderung vielen Rudeln von Hirschen, welche sämmtlich ganz zahm waren, und welche die eigens für sie erzeugten Kuchen, die stellenweise zum Verkaufe angeboten wurden, ganz ungescheut aus der Hand annahmen. Nach einer approximativen Schätzung mag ich sicher hundert Hirsche, Thiere und Kälber gesehen haben.

Der auf der Bergesspitze erbaute Tempel imponirt durch Grossartigkeit und Schönheit, und hat neben sich einen Glockenthurm mit einer Riesenglocke; sonst gleicht er ganz den anderen Tempeln, wie ich dieselben bereits beschrieben habe.

Die Einheimischen, welche in diesen Tempel gehen, werfen auf den Boden vor dem Gotte, den sie für ihre Wünsche geneigt machen, oder vor jenem, dessen Zorn sie abhalten wollen, Kupfermünzen in einer gewissen Anzahl hin, ein Cultus, den ich übrigens schon in den meisten anderen Tempeln ebenfalls wahrgenommen hatte.

Nach der Besichtigung des Tempels kehrten wir in ein bei dem nahe gelegenen Orte Musashino befindliches Gasthaus ein, wo sowohl europäische als japanische Speisen zu haben sind. Ich bat den Secretär, für uns ein Tiffin zu bestellen, und so erhielten Dr. F. und ich je eine Eierspeise, Schnitzel mit Salat und Käse nebst Bier, während mein japanischer Begleiter für sich einen rohen Fisch mit der dazu gehörigen Sauce und Saki bestellt hatte. Nachdem ich der Wirthin die sehr mässige Rechnung ausgezahlt hatte, gab sie mir, wie dies in den Gasthäusern auf dem Lande allgemein der Brauch sein soll, ein kleines Andenken, und zwar in der Gestalt einer sehr gut hergestellten Photographie ihres Etablissements. Auf dem Rückwege zur Bahnstation kaufte ich in den nahe dem Tempel aufgestellten Verkaufshallen mehrere grössere Bronzefiguren und eine Menge von originell geformten Haarnadeln.

Wenn auch die bevorstehende Eisenbahnfahrt von Kioto nach Yokohama einen ganzen Tag in Anspruch nahm, so miethete ich mir hierfür dennoch keinen japanischen Diener, sondern traf nur die Vorsorge, dass uns die für einen Tag nöthigen Trink- und Esswaaren mitgegeben werden, weil auf der ganzen Strecke keine europäisch eingerichteten Bahnhofrestaurationen existiren. Es wurde mir zwar gerathen, meine Fahrt um ungefähr 1 Uhr Mittag bei Nogaya zu unterbrechen, wo man ein europäisch eingerichtetes Hôtel antrifft, und am nächsten Tage von da aus nach Yokohama zu reisen. Da mir aber diese Umsiedlung in Nogaya von der Bahn zum Hôtel und am nächsten Tag von dort zur Bahn sehr unangenehm erschien, so entschloss ich mich, die Fahrt Kioto-Yokohama in einer Tour zu machen.

Am 11. April Früh zahlte ich meine Hôtelrechnung aus, welche im ersten Hôtel in Kioto sehr mässig war. Für Sitz- und Schlafzimmer sammt der sehr guten Verpflegung rechnete man pro Tag nur 5 Yen = 6 fl. auf. Für Getränke, zwei Einladungen, Mundvorräthe für die Eisenbahnfahrt nach Yokohama und Trinkgelder hatte ich während meines fünftägigen Aufenthaltes 18 Yen = 21 fl. 60 kr. verausgabt.

C. Die Eisenbahnfahrt von Kioto nach Yokohama

Die Rikschafahrt und der Transport meiner Bagage zum Bahnhofe, die Entlohnung des Hôteldieners, die Eisenbahnkarte erster Classe, sowie die Frachtgebühr für meine Effecten von Kioto nach Yokohama, einer Route von 14 Stunden, belief sich nicht höher als auf 15 Yen = 18 fl. ö. W.

Zum Abschiede hatte sich noch der Gouverneurssecretär Kobayaski im Nationalcostume im Hôtel eingestellt. Ich dankte ihm bestens für seine freundliche Führung und Begleitung während meines Aufenthaltes in Kioto, und gab ihm als Andenken meine mit einer entsprechenden Dedication versehene Photographie. Sodann begleitete er mich noch bis zur Bahn, gab seiner Freude Ausdruck, mir als Wegweiser haben dienen zu können, und dankte nochmals für das ihm gespendete Bild. Dieser Secretär hatte sich in früheren Jahren bei der Führung weiland unseres Herrn Kronprinzen und später des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand hervorgethan, und wurde dafür mit dem goldenen Verdienstkreuze mit der Krone und mit einer schönen Cravattennadel, welche die kaiserlichen und königlichen Initialen in Brillanten zeigt, ausgezeichnet.

Bei meiner Abreise musste ich abermals meinen Pass vorzeigen. Der Waggon erster Classe, in welchem ich mit Dr. F. untergebracht wurde, bestand aus zwei Reihen längs der Fenster sich hinziehenden gepolsterten und mit Leder überzogenen, einen halben Meter breiten Bänken, zwischen welchen sich ein 1¼ Meter breiter Gang befand. In demselben Waggon trafen wir am äusseren Ende ein junges und ein älteres englisches Ehepaar, das letztere mit einer Tochter, und am Eingange einen Japaner in mittleren Jahren mit seiner wenig schönen Frau und mit noch zwei älteren Japanerinnen an. Dr. F. und ich nahmen nebeneinander in der Mitte des Waggons näher den Engländern Platz. Die Aussicht, auf diesen Marterbänken in einem nichts weniger als reinen Wagen 14 Stunden lang ausharren zu müssen, war eben nicht sehr erquicklich. Um mir die Zeit zu kürzen und die Unbehaglichkeit ein wenig zu vergessen, begann ich mit der Fortsetzung meines Tagebuches, das einigermassen im Rückstande war, und dachte auf diese Art, wie durch die Besichtigung der Gegend, durch Lectüre und Conversation mit Dr. F. diese fatale Eisenbahnfahrt tant pis que mal überstehen zu können. Leider gestaltete sich aber die Sache ganz anders. Nach etwa drei Stunden bestiegen in irgend einer Station mehrere Japaner mit Koffern, Rollen, Bünden von Wein- und Bierflaschen unseren Waggon und richteten sich da häuslich ein. Der grösste derselben trug europäische Kleidung mit langem Gehrock und schien ein hoher Beamter zu sein, weil auf dem Bahnhofe vor dem Waggon, den er bestieg, sehr viele Japaner und Japanerinnen in Seidencostumen und auch japanische Officiere standen, und dem Abreisenden ihre Ehrfurcht bezeigten, welche sich besonders bei der Abfahrt durch tiefe Verneigungen kundgab. An dem entfernten Flügel der zum Abschiede vereinten Gesellschaft stand eine Anzahl von japanischen Polizeisoldaten in Reih' und Glied und grüssten militärisch bei der Vorbeifahrt des beschriebenen Japaners. Derselbe hatte einen Secretär bei sich, welcher gleichfalls europäisch gekleidet war. Der Secretär begann nun die Rollen zu öffnen und Plaids herauszunehmen, welche auf die Bank ausgebreitet wurden, dann stellte er auf den Boden eine kleine Theekanne und Schalen sammt Schnellsieder auf und bereitete hier den Thee.

Die eingetretenen Japaner hatten uns so gegen die Engländer zusammengedrängt, dass wir gar keinen freien Raum zwischen uns mehr hatten, während sie selbst sich Platz zum Niederlegen freiliessen. Nun war es mit dem Schreiben meines Tagebuches vorbei, und ich blieb darauf angewiesen, die recht monotone Gegend zu betrachten oder mich mit Lectüre oder Conversation zu beschäftigen. Aber auch diese Zerstreuung wurde mir durch das Benehmen der Japaner, die doch in der ersten Classe fuhren, ganz vergällt. Abgesehen von der Theebereitung war ihr Verhalten ein unglaubliches, welches sich durch Pfeifen, durch lautes, dröhnendes Gähnen, Ausziehen der Schuhe u. s. w. kundgab. Und Alles dies geschah in Gegenwart der höchst ladyliken englischen Damen, doch die Japaner schienen keine Ahnung davon zu haben, wie unschicksam sie sind. Den Engländerinnen sei es zur Ehre gesagt, dass sie alle diese Ausschreitungen unbeachtet liessen und hiervon weiter nicht Notiz nahmen.

Wieder eine Stunde mochte vergangen sein, als eine sehr alte Japanerin mit einem Manne von etwa 40 Jahren, vermuthlich ihrem Sohne, in unseren Waggon kam und mir gegenüber Platz nahm. Die Frau war in einfachster japanischer Tracht, ihr Begleiter europäisch gekleidet; sie selbst setzte sich nach japanischer Sitte mit unterschlagenen Füssen auf die Bank. Als dies geschehen war, sagte der Secretär seinem Vorgesetzten etwas in's Ohr, wahrscheinlich nannte er ihm den Namen der alten Frau und ihres Sohnes, worauf der erwähnte Dignitär aufstand und sich zuerst vor der alten Frau und dann vor ihrem Begleiter mit dem Oberleibe ganz tief hinunter verbeugte, was hierauf auch der Secretär that. Der Dank der alten Japanerin bestand darin, dass sie in sitzender Stellung ebenfalls ein tiefes Compliment machte und hierzu ihre Hände auf dem Sitze aufstemmte; ihr Sohn erwiderte den ihm dargebrachten Gruss in ganz gleicher Weise, wie er ihn empfangen hatte. Unzweifelhaft gehörten Mutter und Sohn dem hohen Geburtsadel an, der in Japan in grossem Ansehen steht. Die Begrüssungsform kam sowohl dem Dr. F., wie mir höchst komisch vor, doch liessen wir, selbstredender Weise, dies absolut nicht merken. Um die Mittagszeit packten alle Japaner ihre in flachen Schachteln eingepackten Esswaaren aus, welche vornehmlich aus gekochtem Reis, Wurzeln und dergleichen mehr bestanden, und verzehrten dieselben in der bekannten landesüblichen Art. Auch die mitgebrachten Bier- und Weinflaschen wurden hierbei ausgeleert. Auch wir Beide nahmen unser bescheidenes Mahl zu uns und konnten dann sehen, wie sich die Japaner nach ihrer Mahlzeit, wenn auch zusammengekauert, zum Schlafen niederlegten. Die Engländer folgten dem Beispiele der Eingeborenen und machten sich auf dem Fussboden ihren Thee zurecht. Nach dem Essen war der Boden des Waggons mit Kistchen, Flaschen, Theekannen und Schalen ganz bedeckt, weil es keinem Japaner einfiel, seine Sachen wegzuräumen und den Gang freizuhalten. Wollte man in einer Station mit etwas längerem Aufenthalte ein wenig aussteigen, so musste man über alle diese Gegenstände wie eine Balleteuse hinüber hüpfen, eine wahrlich nicht leichte Aufgabe. Nachmittags schliefen die Japaner um die Wette und führten ein ganzes Schnarchconcert auf. Am anständigsten war zweifelsohne das Benehmen der alten Frau und ihres Sohnes. Dieselbe blieb fortwährend mit unterschlagenen Beinen auf der Bank sitzen und wendete nur hie und da den Oberkörper um, was wohl Niemandem lästig fiel.

Was die Gegend anbelangt, welche wir durchfuhren, so war ich vorerst sehr enttäuscht bei dem Anblicke des Biwa-Sees, den die Japaner als eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges rühmen, welcher aber weit hinter allen unseren heimatlichen Gebirgsseen zurücksteht. Späterhin sah man zu beiden Seiten der Bahn nur bebaute Felder und im Norden auf weitere Entfernung hin bewaldete Berge. Hierauf gelangten wir in die Nähe des Meeres, längs dessen Ufer wir dann, auf sehr vielen und mitunter sehr langen Eisenbahnbrücken viele breite Flüsse und Rinnsale übersetzend, bis nach Yokohama fuhren. Eine sehr erwünschte Zerstreuung bot der Anblick des nördlich gelegenen, 12.000 Fuss hohen Fugyiberges, welcher, alle anderen Berge weit überragend, schon von Ferne sichtbar ist, bis er sich später in seiner Riesengestalt, aus der Ebene aufsteigend, zeigt. Es ist ein feuerspeiender Berg, dessen letzte Eruption im Jahre 1708 stattfand. Der Blick auf diesen gewaltigen Riesen ist wahrlich einzig in seiner Art.

 

Als nach 6 Uhr Abends die Dunkelheit anbrach, verzehrten wir noch den zweiten Theil unseres frugalen Mittagessens und warteten hierauf Gott ergeben und geduldig die Ankunft in Yokohama ab.

Diese ganze Eisenbahnfahrt war für mich eine wahre Pein; sie brachte mir aber doch den Anlass, einen Einblick in das innere Leben der Japaner und dazu noch der besseren Gesellschaft zu gewinnen. Das, gelinde gesagt, der guten Sitte sehr wenig entsprechende Benehmen derselben beweist recht drastisch den Mangel an wirklicher Civilisation. Mit Anerkennung und mit aufrichtigem Dankgefühle muss ich noch erwähnen, dass Dr. F. das Möglichste that, um mir die Beschwerlichkeiten der Reise erträglicher zu machen.

D. Aufenthalt in Yokohama

Bei meinem Ankommen in die Stadt um 10 Uhr Abends erwartete mich am Bahnhofe ein Diener des dortigen Grand Hôtel, der mir einen Rikscha besorgte, und die Ueberführung meiner Bagage in das Hôtel vermittelte. Eine ausgiebige Nachtruhe war nun für mich ein grosses Bedürfniss.

Am 12. April begab ich mich um 11 Uhr Vormittags zu unserem dortigen Consul v. F., welcher auf dem Bluff (Anhöhe) eine reizende Villa mit Nebengebäuden und Garten bewohnt. Nach erfolgter Begrüssung lud mich der Consul ein, während der Zeit meines Aufenthaltes in Yokohama bei ihm zu wohnen und sein Gast zu sein; ich nahm natürlich diesen so liebenswürdigen Antrag dankbarst an, und kehrte nun in das Grand Hôtel zurück, um die Ueberführung meines Reisegepäckes in das Consulatsgebäude anzuordnen.

Im Grand Hôtel beträgt der Preis für ein Zimmer sammt Verpflegung täglich 8 Yen = 9 fl. 60 kr. Es sind aber in Yokohama noch andere, im europäischen Stile geführte Hôtels, welche weit billiger sind, z. B. das Club Hôtel, welches eine sehr schöne und angenehme Lage innerhalb der Hauptverkehrslinie am Meeresstrande hat.

Ich machte abermals, meinem Vorsatze getreu, einen Ankauf von 80 Ansichtskarten sammt Marken zum Preise von 8 Yen = 9 fl. 60 kr. und fuhr hierauf in die Villa des Consuls, wo mir ein allerliebstes Zimmer zur Verfügung gestellt wurde, in welchem ich mich in behaglichster und comfortablester Weise zurecht machte. Die Villa ist reizend gelegen und bietet eine herrliche Aussicht auf den unten liegenden Stadttheil und auf das Meer. Ihre schöne Einrichtung wetteifert mit der praktischen Eintheilung. Im Halbgeschosse befinden sich die Kanzleiräume, zwei Sitzzimmer, ein Salon und ein grosses Speisezimmer, und im ersten Stocke ist der Platz für Schlaf-, Fremden- und Badezimmer verwendet. Küche und Dienerschaft sind im Nebentracte untergebracht. Im Garten gibt es einen hübschen Tennisplatz, und jenseits des Gartens liegt das Stallgebäude, in dem die drei Reitpferde des Consuls stehen, woran sich die Wagenremise und ein Zimmer für das Stallpersonal anschliessen.

Am 13. April wurde in Tokio ein grosses und interessantes Fest gefeiert, nämlich das vom Kaiser von Japan (Mikado) alljährlich gegebene Kirschenblüten-Parkfest, zu welchem alle fremden Vertreter mit ihren Damen, die ersten Staatswürdenträger und die vornehmsten Familien des Landes geladen waren. Durch die Liebenswürdigkeit unseres Geschäftsträgers in Tokio hatte ich auch eine Einladung zu diesem Parkfeste erhalten, und fuhr daher an diesem Tage mit dem Consul mit Benützung eines Vormittagszuges nach der, eine Stunde entfernten japanischen Hauptstadt. Von dem dortigen Bahnhofe begab ich mich sofort auf die k. u. k. Gesandtschaft, welche sich nahe dem kaiserlichen Palais auf einem, eine hübsche Aussicht gewährenden Hügel befindet. Das Gesandtschaftshôtel ist nach Bauart und innerer Einrichtung sehr vornehm und von einem grossen Garten umgeben, in welchem sich auch die Villa des Gesandtschaftssecretärs und weiter ab die Nebengebäude für die Dienerschaft und der Tennisplatz befinden. An der Grenze des Gartens stehen die Stallungen, Schupfen und Unterkunftsräume für das Stallpersonal.

Sofort nach dem Tiffin fuhren wir in zwei Equipagen zur kaiserlichen Residenz. Dort waren an den Eingängen und längs des Weges bis zur Versammlungsstelle der Gäste Wachen und reich gallonirte Lakaien aufgestellt. Der Park mit seinen vielen alten Bäumen, darunter eine grosse Menge von Kirschenbäumen der blütenreichen Gattung, seinen Zierpflanzen und Blumen, seinen Teichen und sorgsam gehaltenen Bächen macht einen ebenso hübschen als vornehmen Eindruck. Der Versammlungsort der Eingeladenen bot ein fremdartiges und fesselndes Bild. Bunt gemengt zwischen den Europäern sah man die Japaner und Japanerinnen, sämmtlich in europäischer Kleidung, sowie die japanischen Generale und sonstigen höheren Officiere in ihren Uniformen. Man merkte es aber den einheimischen Damen häufig an, dass sie sich in unserer Tracht nicht recht heimisch fühlten. Sehr eigenthümlich sahen bei dieser Adjustirung die Complimente aus, welche die einheimischen Damen in japanischer Weise mit einer tiefen Verbeugung des Oberleibes ihren Bekannten machten, eine Begrüssungsart, welche zur europäischen Kleidung wohl nicht passt. Unser zuvorkommender Geschäftsträger v. G. liess es sich angelegen sein, mich nach Möglichkeit den hohen Civil-Würdenträgern, Marschällen und Generalen vorzustellen, und ich habe an Jeden einige englische oder französische Worte gerichtet.

Plötzlich wurde gezischt zum Zeichen, dass sich die Majestäten mit ihrem Hofstaate nähern. Die Gäste bildeten eine Gasse, durch welche der Kaiser voraus, dann zehn Schritte hinter ihm die Kaiserin und wieder nach zehn Schritten der Hofstaat – alle europäisch gekleidet – gegen den weiter im Innern gelegenen, sehr geräumigen Pavillon schritten. Der Mikado ist mittleren Alters, ziemlich wohlbeleibt, und hat einen etwas schleppenden Gang; die Kaiserin ist fast klein zu nennen, zeigt Geist in ihrem Ausdrucke und Anmuth in ihrer Erscheinung. Dem Hofstaate schlossen sich dann die Gäste an, und ich hatte auf dem Wege zum Pavillon noch vollauf Gelegenheit, die schönen Anlagen des Parkes und die Pracht der in vollen Blüten entwickelten herrlichen Kirschenbäume zu bewundern.

Sofort beim Erscheinen der Majestäten intonirten die im Parke vertheilten Militär-Musikcapellen die japanische Volkshymne, welche so lange fortgesetzt wurde, bis Kaiser und Kaiserin zum Pavillon gelangt waren. Dieser Pavillon bestand aus einem sehr langen und breiten Raum, in dessen Mitte, etwas weiter zurückstehend, sich ein grosser Saal befand, in welchem die Majestäten mit dem Hofstaat Aufstellung nahmen, und den zu ihnen herangerufenen Personen Audienzen ertheilten. In den Gängen des Pavillons waren kleine Tische, Sessel und ein Buffet aufgestellt.

Der Geschäftsträger wollte mir ebenfalls eine Audienz verschaffen, erhielt aber von dem Obersthofmeister die Mittheilung, dass mich die Majestäten in Privataudienz empfangen werden, dass ich aber hierzu in Uniform zu erscheinen habe. Nachdem die Audienzertheilungen beendet waren, gingen die Majestäten mit ihren Suiten an das eine Ende des Ganges und liessen sich dort an dem für sie hergerichteten Tische nieder, worauf sich die Gäste an den übrigen Tischen vertheilten. Nun wurde das Goûter servirt, welches aus kalten Speisen, Süssigkeiten, Obst und Champagner bestand. Das Serviren wurde in guter und prompter Weise von den Lakaien besorgt, aber auch die hohen Würdenträger, Minister u. s. w. machten den fremdländischen Gästen die Honneurs und präsentirten ihnen verschiedene Platten. Während des Goûters executirten die Musikcapellen europäische Tonstücke.