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Reise über Indien und China nach Japan.

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Fahrt von Hongkong nach Shanghai

Die Fahrt von Hongkong durch die vielen, dem Festlande vorgelagerten Inseln bis hinaus in's offene Meer war sehr interessant. Ueberall auf den Lehnen und auf den Höhen der ringsum sich erhebenden Berge, sowie in den Thälern zeigten sich Befestigungen und Kasernen, dann Fabriken und Häusergruppen, schöne Paläste und Villen. Der Charakter der Berge ähnelt jenem des Karstes – sehr wenig Vegetation, dagegen viel Gestein und Felsen.

Als neue Passagiere kamen vier Amerikaner, anscheinend der Mittelclasse angehörig, an Bord, dagegen hat das englische Ehepaar mit dem unartigen Kinde das Schiff in Hongkong verlassen. Einer von den vier Amerikanern ist ein Freiwilliger von der Armee der Vereinigten Staaten auf den Philippinen, welcher von dort seinen Abschied genommen hat und nach Amerika zurückkehrt. Viele Einwohner der Philippinen bedauern jetzt schon, wie mir von vielen Seiten mitgetheilt wurde, im hohen Grade, sich gegen ihr Mutterland Spanien aufgelehnt zu haben. Die vielen, vielen aus ihrer Heimat, den Philippinen, geflohenen Familien, welche jetzt in Penang, in Singapore und in Hongkong leben müssen, geben ein beredtes Zeugniss ab, über das »völkerbeglückende« Eingreifen der Amerikaner.

Die Temperatur ist sehr stark herabgegangen, sie beträgt nur 17° R. und wirkt des fortgesetzt heftigen Windes halber so empfindlich, dass man wärmere Kleider anziehen muss. Es ist erstaunlich, dass die Südgrenze von China, welche doch noch in der tropischen Zone und im gleichen Breitegrade mit der Wüste Sahara liegt, ein so gemässigtes Klima hat.

Am 24. und 25. März fuhr unsere Marie Valerie längs der chinesischen Küste in dem chinesischen Meere, einem Theile des Grossen oder Stillen Oceans Anfangs nordöstlich, dann aber mehr nördlich vorwärts, passirte die Meeresstrasse von Formosa und hatte durch beständiges Ausweichen von Inseln und Sandbänken einen wirklich schwierigen Weg zu hinterlegen.

Die Sonne schien, und obwohl der Wind sehr heftig blies, war das Schaukeln unseres famosen Dampfers ein recht mässiges. Das Thermometer wies nur mehr 14° R. auf, und bei dem herrschenden Sturme fing es an, unangenehm kühl zu werden. Nach Ansicht des Schiffscapitäns muss es in Ost-Sibirien einen abnorm kalten Winter gegeben haben, und dem sei es zuzuschreiben, dass es auch in China so ausnahmsweise kalt ist. Es regnete so ziemlich den ganzen Tag – der erste Regentag auf meiner nun zweimonatlichen Reise – und es blieb nichts Anderes übrig, als warme Winterkleider zu nehmen.

Am 26. März (Sonntag). Die Temperatur sinkt immer weiter, heute hat es selbst im geschlossenen Raume nur mehr 10° R. und dabei sind wir im 30. Grade nördlicher Breite, das ist in der Höhe der nordafrikanischen Küste. Ein dichter weisser Nebel umgibt uns, und bei dem Umstande, dass wir uns in der Hang-tschan-Bai befinden, vor welcher der Tschou-hang-Archipel mit seinen sehr vielen Inseln vorgelagert ist, wird dadurch die Fahrt des Dampfers sehr gefährdet, deshalb die Fahrtgeschwindigkeit sehr vermindert und mitunter die Maschine ganz gestoppt. Es wird fortwährend sondirt und erst nach genauer Prüfung der Stellen streckenweise weitergefahren. Vorsicht erfordert wohl Zeit, doch dieser Zeitverlust ist verschwindend klein gegen jenen, welchen ein Accident in Anspruch nehmen würde.

Gegen Abend langten wir zur Einfahrt von Shanghai an. Dort wurde das Schiff verankert, um erst den anderen Tag nach Eintritt der Fluth um 8½ Uhr Morgens mit dem Lotsen auf dem Wusungflusse bis nach Shanghai zu fahren, welches 20 km von der Küste entfernt ist und an dem Wusungflusse liegt. Dieser Fluss hat für die Marie Valerie die nöthige Tiefe, während unser Kriegsschiff Kaiserin Elisabeth, welches in der nächsten Woche hier eintreffen soll, wegen seines Tiefganges nicht bis nach Shanghai kommen kann, sondern im Flusse, auf dem halben Wege dorthin, bei dem Orte Wusung anhalten muss.

Aufenthalt in Shanghai

Am 27. März ging der Wind nur mehr ganz schwach, und somit war die Temperatur, die zwar noch immer nicht mehr als 10° R. erreichte, immerhin erträglicher als gestern.

In Shanghai wollten die vier Amerikaner das Schiff verlassen, doch spielte sich vorher noch eine kleine Episode ab. Als wir uns schon dem Hafen näherten, bei welchem wir anlegen sollten, kamen mit einem kleinen Localdampfer drei Engländer an uns heran und bestiegen unser Schiff. Nach dem Anlegen im Hafen entpuppten sich die Engländer als ein Polizeicommissär und zwei Detectivs, welche einen der Amerikaner verhafteten, weil von Hongkong die telegraphische Anzeige an die Polizei-Direction in Shanghai eingetroffen war, dass derselbe dort vor seiner Abreise einen Diebstahl begangen hatte. Eine nette Gesellschaft – diese Amerikaner. Ein Anderer von ihnen, ein grosser, ungeschlachter Kerl, soll der Besitzer eines Circus in Hongkong sein, den er nun nach Shanghai bringen will; dieser Mann brachte während der Ueberfahrt die Figur des formlosen und selbstsüchtigen Amerikaners in einer sehr unterhaltenden Weise zur Darstellung.

Ich stieg nun an das Land, nahm einen von Chinesen gezogenen kleinen zweiräderigen Wagen (Jinriksha), machte unserem Generalconsul meinen Besuch und fuhr dann durch die Stadt und in die Umgebung derselben.

Die sanitären Verhältnisse in Shanghai sind nicht gut. Die Erhebung der Stadt über das Wasserniveau ist eine sehr geringe, und viele Meilen weit gibt es keine Berge; das Wasser hat demnach nur einen sehr schwachen Abfluss und steht beinahe unbeweglich in allen Gräben, wo dann alle dort befindlichen organischen Stoffe verwesen. Hierzu kommt noch die entsetzliche Unreinlichkeit der Chinesen und ihre sanitätswidrigen Gepflogenheiten. So werden z. B. die Gemüse auf den Feldern, des besseren Wachsthumes halber, überall mit flüssiger Jauche übergossen, welche in der heissen Jahreszeit die Luft verpestet; die Verstorbenen der armen Leute werden nur in eine Holzkiste gelegt und mit Kalklösung übergossen; hierauf werden diese Kisten mit Strohmatten umwunden und in diesem Zustande, ohne sie zu vergraben, auf das freie Feld hinausgestellt! Wo die Engländer die alleinigen Besitzer einer Stadt sind, werden von denselben umfassende Vorkehrungen für sanitäre Anlagen gemacht. In Shanghai aber gibt es drei nebeneinander liegende Niederlassungen (Settlements), die der Engländer, der Amerikaner und der Franzosen, und daran stosst die alte Stadt der Chinesen. Die verschiedenen Nationen unternehmen gemeinschaftlich sehr wenig zur Hebung der sanitären Lage, und die autonome chinesische Gemeinde thut gar nichts.

Die alte Stadt der Chinesen ist mit einer Mauer umgeben, welche sieben Eingangsthore besitzt, die von Abend bis Morgen geschlossen sind, weil kein Europäer dort übernachten darf. Auf den Wällen ihrer Stadt haben die Chinesen eiserne Kanonen stehen, welche sich aber, wie ich es selbst gesehen habe, in einem ganz verwahrlosten und gebrauchsunfähigen Zustande befinden. Die Gassen im Innern der Stadt sind kaum meterbreit, und neben der Hauptstrasse liegt ein mit faulendem Wasser und Sumpf gefüllter Graben, welcher alle organischen Abwurfsstoffe aufnimmt und beinahe gar keinen Abfluss hat. Im Centrum der Stadt ist ein kleiner See gelegen, welcher die gleichen Verhältnisse zeigt wie der eben beschriebene Graben, und inmitten des Sees steht ein aus Holz erbautes, sehr grosses Theehaus, zu welchem man auf Holzstegen hingelangt. Die überall herrschende Unreinlichkeit und der pestilenzartige Gestank sind geradezu entsetzlich, und es ist auch die natürliche Folge davon, dass typhöse Krankheiten, Cholera, Blattern, Dysenterie u. s. w. fortwährend sehr viele Opfer fordern. Die Reconvalescenten nach solchen Krankheiten sollten, da es bei Shanghai auch landeinwärts keine besseren sanitären Verhältnisse gibt, baldmöglichst ein anderes Land aufsuchen, am besten nach Europa reisen.

Nachdem ich mit unserem Generalconsul und seiner liebenswürdigen Frau in einem zweispännigen Wagen eine Spazierfahrt in dem europäischen Theile von Shanghai und in dessen Umgebung gemacht hatte, kehrte ich zum Dampfschiffe zurück und unternahm dann wieder gegen Abend in Gesellschaft des Schiffscapitäns und des Schiffsdoctors eine von unserem Consulatssecretär geleitete Excursion in die Stadt. Wir fuhren mit Rikschas zuerst in die Hauptstrasse des englischen Settlements, wo Tausende von Chinesen in der elektrisch beleuchteten Strasse hin- und herwogten, oder von Rikschas in Wagen gezogen oder in Sänften getragen wurden. Die Auslagen waren hier dicht aneinander gereiht und aussen über denselben hingen lange schwarze, gelbe, blaue oder rothe Tafeln herunter, welche mit chinesischen Buchstaben in entsprechender Farbe beschrieben waren. Viele Theehäuser und mehrere chinesische Theater luden zum Besuche ein. Es herrschte hier ein ganz fremdartiges Leben, und dabei war das Verhalten der Chinesen, auch jenes der untersten Volksschichte, ruhig, ohne Lärm und Getöse. Als wir uns das Strassenleben zur Genüge besehen hatten, beschlossen wir, in ein Theehaus zu gehen.

Im Theehause war der grosse Saal elektrisch beleuchtet, bunt hergerichtet, von an langen Tischen nebeneinander sitzenden Chinesen erfüllt. In der Mitte des Saales befand sich ein Podium, wo gleichfalls an Tischen die sich im Gesange producirenden Mädchen, und hinter denselben die sie begleitenden Musikantinnen sassen. Kaum waren wir eingetreten, so wurde uns Thee in Schalen servirt und ein Teller mit einer gedörrten Getreideart zum Verzehren der einzelnen Körner vorgesetzt. Auch wurde eine Art Metallkrug (narguilé) zur Disposition gestellt, aus welchem man den Tabak raucht, indem man den Rauch vorher durch das Wasser ziehen lässt. Die Musikantinnen bestehen vornehmlich aus Holz- und Lautenschlägerinnen, welche ohne Unterlass einen sehr unmusikalischen Lärm hervorbringen. Die Sängerinnen sind dick aufgeschminkt und gelten bei den Chinesen als Schönheiten. Sie sind meistens in sehr reich mit Stickereien versehene Seidengewänder gekleidet, tragen mitunter kostbaren Schmuck und werden häufig in luxuriösen Sänften in das Theehaus getragen. Ihr Gesang ist ohrzerreissend – sie singen nur mit Fistelstimmen in langgezogenen Tönen ohne alle Harmonie. Eine echte Katzenmusik! Nach ungefähr einer halben Stunde entfernten wir uns, und hatte ein Jeder für den Genuss von Thee und Gesang 40 Sens (50 kr.) zu zahlen.

 

Vom Theehause aus begaben wir uns in ein chinesisches Theater. In demselben ist die Bühne wie bei uns erbaut, nur gibt es keinen Wechsel der Coulissen und kein Fallen des Vorhanges, dagegen befindet sich auf der Bühne eine Musikcapelle, welche aus Holzcinellen- und Lautenschlägern, sowie aus Trompetenbläsern zusammengesetzt ist. Das Theaterspiel besteht hauptsächlich aus Aufzügen, welche einer dem anderen unmittelbar folgen, oder welche auch gleichzeitig erscheinen, um sich auf der Bühne zu bekämpfen. Die Hauptrolle des chinesischen Theaters spielt der Bühnengeneral, welcher durch seine goldgestickten bunten Kleider, durch vier, auf dem Rücken befestigte, wehende Fahnen und durch einen sehr lang herabhängenden Bart erkenntlich ist. Dieser General, meist mit einer martialischen Maske vor dem Gesichte, erscheint mit seinem bunten Gefolge – etwa sechs bis acht Personen – auf der Bühne, schreitet sehr gravitätisch einher, streicht sich den langen Bart, fuchtelt mit seiner Hellebarde herum, schreit dann mit Fistelstimme einige Worte heraus und verschwindet hinter der Bühne. Kaum ist er verschwunden, so kommt ein anderer General mit womöglich noch grässlicherer Maske sammt seinem Gefolge heraus und hält einen Wedel aus Pferdeschweifhaaren in der Hand, zum Zeichen, dass er auf dem Pferde sitze. Auch dieses Ungethüm schreit einige Sätze mit Fistelstimme heraus. Es scheint eben, dass sich die Fistelstimme bei den Chinesen eine weitgehende Vorliebe erworben hat. An diese Aufzüge reihen sich andere an, wieder von Theatergeneralen geführt, und so geht es fort, bis zuerst einzelne, dann mehrere Generale mit Gefolge gleichzeitig auf der Bühne erscheinen und den Kampf durch das raschere Herumgehen darstellen, wozu dann die Musik im schnellsten Tempo einen unerhörten Lärm macht. Das Kommen und Gehen der Aufzüge wird immer lebhafter, und nun produciren sich, zwischen durch, geschickte Luftgymnastiker mit ihren famosen Salti mortali. Ist nun dieses Charivari auf dem Gipfelpunkte angelangt, so verschwindet mit einem Schlage das ganze Gewühl von der Bühne und es kommt dafür von der anderen Seite ein als Frau verkleideter Chinese heraus, welcher eine Liebesscene spielt und von einer Nebenbuhlerin verfolgt wird etc. Frauen und Mädchen dürfen auf den chinesischen Bühnen nicht auftreten.

Während der Vorstellung wurde uns Thee servirt und erhielten wir, wie dies auch im Theehause geschah, kleine, in heisses Wasser getauchte Linnentücher. Mit diesen Tüchern wischen sich die Chinesen Gesicht und Hände ab, weil dies eine kühlende Wirkung haben soll. Durch Vermittlung des Consulatssecretärs wurden wir von einem Polizeimann hinter die Bühne geleitet, wo wir die Schauspieler beim Umkleiden, Rauchen oder Theetrinken fanden. Ich beschenkte jeden der Chinesen, der einen Bühnengeneral dargestellt hatte, mit einem 2 °Cents-Stücke (24 kr.), worüber dieselben bei ihrer grossen Anspruchslosigkeit hoch erfreut schienen.

Der Eintritt in das Theater, in welchem man sich nach Belieben in das Parterre oder auf die Galerie an Tischen setzt, kostet per Person einen halben Dollar = 60 kr.

Auf der Heimwanderung zum Schiffe sahen wir noch viele geschminkte Schöne, welche da und dort an den Hausthoren standen, und den Chinesen, aber nie den Europäern, freundliche Gesichter machten.

Am 28. März fuhr ich in die chinesische Hauptverkaufshalle für Seidenwaaren, Laou-Kai-Fook & Comp., Corner of Kiukiang and Hohen Road Nr. 8 and 9, um einige Seidenstoffe auszuwählen. Ich kaufte dort ein sehr schönes, schweres Seidenstoffstück in lichter Orangefarbe, 10 Yards, d. i. circa 9 m lang, um 20 Dollars = 24 fl., dann ein leichtes, blaues Seidenzeug mit Muster in langen Blättern, 15 Yards lang, um 15 Dollars = 18 fl., und endlich 3 Yards eines wunderschönen, lichtblauen Seidenstoffes mit reichen Goldstickereien um 18 Dollars = circa 22 fl. In einer anderen Verkaufshalle erstand ich noch zwei gestickte Seidentheile für Rücken und Brust um anderthalb Dollars und ein Paar von den kleinen, gestickten chinesischen Schuhen um einen halben Dollar.

Nach einem sehr guten Tiffin beim Generalconsul kehrte ich auf meinen Dampfer zurück, und beschäftigte mich mit der Ausfertigung der gekauften 80 Ansichtskarten von Shanghai.

Bezüglich des Geldverkehres sei hier noch erwähnt, dass Hongkong und Shanghai je eine Bank besitzen, welche eigenes Geld ausgibt, und dass, wenn dasselbe auch den gleichen Werth in Dollars zu 10 °Cents hat, man doch bei der Umwechslung des Geldes bis zu 5 % Abzug erleidet.

Am 29. März fuhr ich Vormittags zu der in Shanghai bestehenden deutschen Post, wo ich mir für meine Ansichtskarten deutsche Briefmarken, welche mit dem Worte »China« überdruckt sind, einkaufte, weil die Expedirung mit der deutschen Post weit sicherer als mit der chinesischen von statten geht.

Nach einem abermaligen Tiffin beim Generalconsul machte ich unter der Führung des Consulatssecretärs und in Begleitung des Schiffscapitäns und mehrerer Lloydbeamten eine Fahrt in die autonome alte Chinesenstadt, deren wenig erbaulichen Zustand ich schon beschrieben habe. Die dortigen Verkaufsbuden bieten nur ganz schlechtes und elendes Zeug, so dass ich nur drei gemalte Porzellan-Theeschalen und ein kleines Holzkästchen mit einer Magnetnadel zu je 1 °Cents kaufen konnte.

Zu einem noch in Aussicht genommenen Ausfluge nach einem französischen Kinder-Erziehungshause, welches in der Nähe von Shanghai von Jesuiten geleitet wird, ist es aus Mangel an Zeit nicht gekommen. Die Kinder werden dort in verschiedenen Handarbeiten ausgebildet, und sollen sehr schöne Resultate erzielt werden.

Am Abend kaufte ich noch von einem auf das Schiff gekommenen Schneider ein 15 Yards langes Stück von leichter Rohseide um 6 Dollars, und von einem anderen Händler sechs geschnitzte Holzdosen um 1 Dollar.

Allgemein und sehr tief wird hier noch der Verlust des vor zwei Jahren beim Baden um's Leben gekommenen Consuls Haas bedauert. Derselbe hatte in der richtigen Auffassung seiner Stellung Alles aufgeboten, um österreichische Kaufleute nach Shanghai zu ziehen, und um den Handel mit Oesterreich-Ungarn zu heben und zu fördern. Jeder unserer Landsleute, der nach Shanghai kam, konnte gewiss sein, in seinen Unternehmungen auf das Kräftigste von Consul Haas unterstützt zu werden. Leider haben aber auch seine Bemühungen unsere Geschäftswelt nicht zu ausgedehnterem Handel mit China bewogen.

Fahrt von Shanghai nach Kobe

In Shanghai waren wieder neue Passagiere zugewachsen, und zwar ein spanisches Ehepaar, ein Handelsmann aus Wien mit seiner Frau und zwei Engländer; trotzdem konnte ich meine beiden Cabinen bis zu dem ohnehin in drei Tagen bevorstehenden Ende meiner Reise beibehalten.

Das Wetter war während meines Aufenthaltes in Shanghai vortrefflich; die Sonne schien die ganze Zeit und es war recht warm. Allein am Tage der Abfahrt am 30. März gab es wieder einen tüchtigen Wetterumschlag, es stürmte und regnete, und das Thermometer fiel im geschlossenen Raume bis auf 6° R. herab.

Meiner Abhandlung über Shanghai will ich nun noch Einiges über die dortigen militärischen Verhältnisse beifügen. Im geraden Gegensatze zu Hongkong, wo man auf Schritt und Tritt Soldaten und militärische Einrichtungen sieht, sind in Shanghai gar keine militärischen Vorkehrungen getroffen und existirt überhaupt hier kein actives Militär. Bei dem Umstande indess, dass diese völlige Entblössung von jedweder militärischen Macht den europäischen Einwohnern denn doch etwas unheimlich und gefährlich schien, bildete sich eine militärische Freiwilligen-Abtheilung, welche aus Commis oder sonst dort in Kondition stehenden Europäern gebildet ist. Diese Leute sind mit Gewehren ausgerüstet und scheinen auch eine Art von Uniform zu besitzen. Ich habe diese Abtheilung an zwei Abenden auf einem freien Platz inmitten des englischen Settlements exercieren gesehen. Der Wille scheint gut zu sein, die Ausführung ist aber recht mangelhaft. Hoffentlich genügt diese Freiwilligenschaar, um Ruhe und Ordnung im Innern der Stadt aufrecht zu erhalten und das europäische Shanghai auch vor einem etwaigen chinesischen Ueberfalle zu sichern, eine Annahme, welche im Hinblick auf die elenden militärischen Verhältnisse bei den Chinesen doch einige Berechtigung in sich schliesst.

Am 31. März (Charfreitag) fuhren wir direct auf die Meerenge zwischen Nippon und der Insel Kiuschin zu, welche in einen Binnensee führt, an dessen Ufer Kobe liegt. Auf unserer Fahrt befinden wir uns etwa 500 km südlich von Kiautschau, welches von den Deutschen besetzt ist. Kiautschau befindet sich am südlichen Ufer der Provinz und Halbinsel Schantung, zwischen der Mündung des alten und des neuen Laufes des aus dem Centrum von China kommenden Flusses Hwangho und etwa 300 km östlich von dem 1300 km langen Kaisercanale, welcher von Peking nach Süden bis zur Hangtschau-Bai geführt ist.

Die Lage von Kiautschau ist demnach für den Handel sehr günstig, nur erscheint es geboten zu sein, behufs einer Verbindung mit den genannten Wasserstrassen noch gute Communicationen zu erbauen. Aber auch in politischer und militärischer Hinsicht kann die Wahl von Kiautschau als deutscher Ansiedlungsort als eine sehr glückliche bezeichnet werden, weil dieses Gebiet nur etwa 400 km südlich der Wasserstrasse von Tsill liegt, die ungefähr in einer Breite von 40 km den Wasserweg zum Golfe von Tsill, das ist zur Zufahrt nach Peking, eröffnet. Ausserdem dürfte der bergige Charakter der Gegend vortheilhafte Verhältnisse zur Verteidigung bieten und den sanitären Bedingungen zu Gute kommen.

Am 1. April, bei der Annäherung an Japan, wurde das Wetter endlich wieder besser. Gestern hatte ich den kältesten Tag der ganzen Reise erlebt, das Thermometer hatte sich nicht über 5° R. erhoben und die Witterung war die denkbar schlechteste. Der Wechsel der Temperatur, den ich auf der Reise durchgemacht habe, ist in der That sehr empfindlich gewesen. Auf der Fahrt zwischen Candia und Cypern gegen Port Said und bis 18. Februar in Bombay, dann weiter bis nach Hongkong war es fortwährend sehr heiss oder mindestens recht warm gewesen, aber vom 24. März an wurde es empfindlich kalt, so dass selbst die wärmsten Kleider nicht vor dem Frieren schützen konnten.

Zu Mittag passirten wir die Meerenge zum erwähnten Binnensee, und sahen die sehr starken Vertheidigungsmassregeln, welche Japan gegen eine feindliche Flotte, welche hier einfahren wollte, getroffen hat. Diese Vorkehrungen sind speciell gegen China gerichtet. An den Ufern und auf den Höhen von Shimonoseki und Moji sind viele Schanzen aufgeworfen und reichlich mit sehr guten Geschützen ausgerüstet. Der Name der Stadt Shimonoseki ist in der Welt durch den Friedensschluss bekannt geworden, welcher den letzten Krieg zwischen China und Japan beendete. Eine unzählige Menge von Fischerbooten werden nun sichtbar, und die vielen Dampf- und Segelschiffe, welche im Hafen von Moji vor Anker liegen, geben Zeugniss von dem lebhaften Handel, der hier betrieben wird. Dabei liefern aber zwei, nur mit den Schloten über den Wasserspiegel vorragende japanische Dampfschiffe gleichzeitig den Nachweis, dass in Japan nicht überall volle Solidität herrscht.

Die Fahrt in den Binnensee gewährt manche schöne Ausblicke auf die angrenzenden Ufer von Japan, ist aber nicht ganz ungefährlich, und das Dampfschiff muss daher von einem Lotsen geleitet werden. Der zur Marie Valerie herangekommene Lotse ist ein Norddeutscher, welcher schon seit 25 Jahren diesen Dienst versieht, und der sich hierbei ein hübsches Vermögen erspart hat, wie ich mich des anderen Tages durch Besichtigung seiner ihm gehörigen Villa überzeugen konnte.