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Reise in Südamerika. Zweiter Band.

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Auf jenes Geräusch hin weckte nun Fricke seine vor seinem Zimmer schlafenden Knechte, man verfügte sich an seinen Posten und Alles wurde in bester Form ausgeführt, bis auf das Erlegen der Puma, welche im selben Augenblicke, in welchem Fricke die Thüre öffnete, ohne auf die Laterne Rücksicht zu nehmen, von dem Tische, auf welchem sie Platz genommen, mit einem gewaltigen Satze durch's Fenster sprang, Laterne und Knechte über den Haufen warf und im Dunkeln verschwand.

Des folgenden Tages oder vielmehr in der folgenden Nacht stahl das Thier ein Kalb unweit Corral. Unter unserm improvisirten Zelte liegend besprach ich eben mit Fricke das Abenteuer, welches er bestanden, als wir ein großes gelbes Thier über den vom Wasser verlassenen Grund der Bai laufen sahen, indem dasselbe den Weg von der östlichen nach der westlichen Seite zu einschlug und also auf uns zukam. Es blieb stehen, und wir erkannten alsbald, daß es eine Puma, ohne Zweifel Fricke's alte Bekanntschaft war. Als sie uns erblickte, wendete sie sich etwas gegen rechts, so daß sie etwa 200 Schritte von uns entfernt den Wald erreicht hätte, war sie einmal am Ufer. Was hätte ich in diesem Augenblicke darum gegeben, hätte ich mein Gewehr und ein Paar Kugelpatronen gehabt. Aber es war nicht möglich, das Land zu erreichen und wieder zurückzukommen, auch abgesehen davon, daß man stellenweise bis an die Hälfte des Schenkels hätte im Moraste waten müssen und daß es selbst mit Munition schlecht aussah. Da ich aber doch wenigstens die Puma sehen wollte, und wußte, daß dieselbe bei Tage kaum einen erwachsenen Menschen anfallen werde, so lief ich ihr den Weg ab, indem ich mich in der Eile mit einem kurzen Prügel bewaffnete, welcher am Boden lag. Ich war dem Thiere bis auf etwa dreißig Schritte nahe, als es das Ufer erreicht hatte, stehen blieb und mich in Augenschein nahm, während ich von meiner Seite aus dasselbe that. Man kann in jeder Naturgeschichte die Beschreibung einer Puma lesen, ich sage daher blos, daß dieselbe die Größe eines starken Fleischerhundes hatte, aber abgesehen von dem runden katzenartigen Kopfe, mehr den Eindruck eines Wolfes als eines Tigers machte, obgleich sie zierlichere Formen hatte. Die Farbe war hellgelb, vollkommen löwenähnlich.

Nachdem ich diese Beobachtungen angestellt hatte, frug ich mich, was es jetzt werden sollte. Das Thier rührte sich nicht von der Stelle, fing aber auf eigenthümliche mir etwas bedenkliche Weise mit dem Schweife zu wedeln an. Eins von uns beiden mußte nun davon laufen, die Puma oder ich, das war mir klar; denn da ich nicht einmal meinen Dolch hatte, so wäre ein Kampf wohl schlecht für mich ausgefallen. Da aber, lief ich, die Puma mir ohne Zweifel nachgelaufen wäre, so beschloß ich, sie wo möglich zum Fliehen zu bringen.

Ich ging also, mit kleinen Schritten zwar, aber heftigem Geschrei auf das Thier los, indem ich den Arm nach Art der Lasso-Werfenden schwang, und mich höchst kampflustig geberdete. Jetzt wendete sich die Puma, schritt langsam und würdevoll dem Gebüsche zu und verschwand in demselben, ohne Zweifel von dort aus meine ferneren Bewegungen beobachtend. Ich aber zog mich ebenfalls zurück, und ging zu den Gefährten, welche sich anfänglich erhoben hatten, als ich auf die Puma zuging, jetzt aber wieder Platz genommen hatten.

Das war mein Abenteuer mit dem chilenischen Löwen, bei welchem ich dem Leser ernstlich verbiete, an ein gewisses anderes Abenteuer mit Löwen zu denken, welches Miguel Cervantes in einem der besten Bücher schildert, welche je geschrieben worden sind.

Hungrig und todtmüde, doch aber wohl zufrieden mit der Expedition, kehrten wir spät des Abends an Bord zurück.

Ich habe schon der Indianer erwähnt, und hoffe, daß es dem Leser nicht unangenehm sein wird, etwas über diesen höchst merkwürdigen Volksstamm zu erfahren, welcher ungleich seinen Stammverwandten sich Jahrhunderte lang unverändert in nächster Nähe der weißen Männer erhalten hat und welchen man nicht cultiviren und ausrotten konnte, wie es fast allenthalben geschehen ist, mögen nun die fremden Eindringlinge von Europa Grundsätze zur Schau getragen haben, welche sie wollten.

Ich spreche hier nicht von den Cuncos-Indianern. Diese letzteren haben sich in Folge von Streitigkeiten mit andern Stämmen zu Ende des vorigen Jahrhunderts von ihren Landsleuten getrennt und leben zerstreut allenthalben in Valdivia unter den Chilenen, doch sind sie denselben noch jetzt an Zahl überlegen. Fast alle sind getauft. Aber ihre Zahl scheint abzunehmen, je mehr sie europäische Sitte sich aneignen, ist auch ihr Aeußeres dem der unbezwungenen Indianer sehr ähnlich.

Die unbezwungenen, freien Indianer aber, die Araukaner, leben unter ganz andern Verhältnissen.

Sie bewohnen den Landstrich zwischen Conception und Valdivia, der sich unter 38° und 39° südlicher Breite quer durch das chilenische Land von der Andenkette herab bis an's Meer zieht.

Von der ersten Entdeckung ihres Gebiets durch die Spanier, bis auf den heutigen Tag, hat diese Nation ihre Selbstständigkeit nie verloren und ist auch in den blutigsten Kämpfen stets Sieger geblieben. Sie hat ihr Gebiet mit einer Energie und zugleich mit einer Intelligenz vertheidigt, von welcher sich bei keinem andern Indianer-Volke ein Beispiel findet, aber nie hat sie dasselbe zu erweitern gesucht.

Es scheint ein lange festgehaltener Grundsatz der Araukaner zu sein, von fremder Sitte und Kultur nur so viel anzunehmen, als ihnen eben zweckmäßig scheint, und als nöthig ist, nach und nach ihre Umstände zu verbessern, aber alles entfernt zu halten, was ihre ursprünglichen Gebräuche bedrohen könnte.

Die Geschichte der Missionen in Araukanien giebt hievon den deutlichsten Beweis. Es sind hie und da wie es scheint, die Lehren der frommen Väter auf fruchtbaren Boden gefallen, und es ließen sich einzelne Indianer taufen; aber diese Getauften wurden von ihren Nachbarn nicht etwa gehaßt oder verfolgt, sondern es wurde die sogenannte Bekehrung als etwas vollkommen Gleichgültiges betrachtet.

Es will behauptet werden, als habe sich der einmal Getaufte noch öfter taufen lassen, kam gerade ein anderer Priester in die Nähe. Man müsse den Europäern ihre Freude nicht verderben, sollen dann solche perfide neue Christen gesagt haben. Ebenso soll vorgekommen sein, daß ein Indianer sich bei verschiedenen Geistlichen verschiedene Frauen antrauen ließ, doch relata refero.

Indessen ist es gewiß, daß so lange auch Missionen bei den Indianern bestehen, sie dieselben blos begünstigten, um von den Missionairen technische Vortheile zu erlernen, und wenn sich auch einige Häuptlinge taufen ließen, so geschah dies ohne Zweifel blos um von der chilenischen Regierung einen gewissen Sold zu beziehen. Es hat nämlich die letztere verschiedene solcher getauften Häuptlinge mit dem Generalstitel betraut, und man giebt ihnen einen gewissen jährlichen Sold. Bräche nun Krieg mit den Indianern aus, so würde dieser araukanisch-chilenische General mit seinen Leuten nicht gegen Chile fechten können, ohne seine Besoldung zu verlieren, und so hat Chile an jedem getauftem General einen Feind weniger, wenn auch nicht eben einen Freund mehr. –

Vor einiger Zeit verlangten die Araukaner die Herstellung einer Mission, welche, verwüstet in der Revolution, durch das Erdbeben im Jahre 1835 vollends zerstört wurde. Die anfangs uneinigen Stämme einigten sich durch das Loos, welches für die Mission entschied, und es wurde jetzt alsbald einstimmig beschlossen, daß das Kloster gebaut werden sollte, aber eben so mit Bestimmtheit ausgesprochen, daß nicht ein einziger chilenischer Arbeiter bei dem Bau beschäftigt werden sollte.

Der für die Mission bestimmte Priester, ein Italiener, wenn ich nicht irre, sagte. »Aber Kinder, ihr könnt nicht bauen.« Die Araukaner aber antworteten »Vater, Du wirst es uns lehren.« Ein einziger Mann zur Verfertigung der Backsteine und Ziegel wurde dem Missionär zugestanden, das Kloster wurde erbaut, die Araukaner nahmen Arbeitslohn ein, denn sie ließen sich ihre Dienste bezahlen und obendrein lernten sie das Backstein- und Ziegelmachen.

Was die eigentliche Religion und den Cultus bei den Araukanern betrifft, so mag dieses Volk vielleicht einzig dastehen. Aus den kurzen Umrissen über ihre staatliche Einrichtung und ihre Sitten und Gebräuche, die noch folgen werden, sieht man, daß sie durchaus auf keiner niedern Stufe der Cultur stehen, aber sie haben Nichts, was einem Cultus gleich sieht!

Von frühester Zeit an bis jetzt glauben die Araukaner an das Bestehen höherer Wesen und an eine Unsterblichkeit der Seele, und wie die Missionäre behaupten, hat sich bis auf den heutigen Tag dieser Glaube unverändert erhalten. Sie nennen den guten Geist Pillan, den bösen, Cuecuban, und das Gute und Böse, was sich ereignet, schreiben sie diesen beiden Mächten zu. Pillan hilft ihnen die Feinde schlagen und begünstigt die Ernte, Cuecuban schickt dann und wann übermäßigen Regen, regiert die bösen unfolgsamen Weiber und läßt die Erde erzittern. Aber der einzige Dienst, oder die Verehrung, welche diesen beiden Geistern gezollt wird, besteht darin, daß bei öffentlichen Feierlichkeiten die ersten Tropfen des Getränkes auf die Erde geschüttet werden und eben so die ersten Tropfen Bluts der Thiere, welche bei diesen Gelegenheiten geschlachtet werden. Höchstens sucht man noch bei Unglücksfällen durch Anrufungen den Zorn des bösen Geistes zu versöhnen. Aber sie haben keine Vermittler zwischen diesen Geistern und sich, keine Priester und eben so keine Tempel, keine Götzenbilder, keine heiligen Haine, und auch die Häuptlinge verwalten auf keinerlei Weise das Priesteramt.

Durchschnittlich ist die Gesichtsfarbe der Araukaner braun, aber nicht rothbraun wie die der amerikanischen Indianer. Das Gesicht ist länglich, die großen Augen sind schwarz, ausdrucksvoll, und die Brauen gewölbt. Der Mund ist gut geformt, mit Ausnahme der Unterlippe, welche bisweilen etwas hervorsteht. Die Nase ist oft gebogen und die Naslöcher sind nicht so weit geöffnet, wie bei vielen andern Stämmen. Das tiefschwarze Haupthaar ist straff, nie gerollt. Ihre Größe ist die mittlere, indessen eher noch darunter als darüber.

 

Nahrung und selbst Kochkunst ist bei den Araukanern ähnlich wie bei den Chilenen, welche auf dem Lande wohnen, doch wird Pferdefleisch bei allen Stämmen, bei einigen aber kein Ochsenfleisch gegessen. Alle Speisen aber sind scharf gewürzt. Ihr gewöhnliches Getränke ist der Aepfelwein.

Die Kleidung der Araukaner besteht aus dem in der ganzen Westküste allgemein eingeführten Poncho, dann kurze Beinkleider und Strümpfe, welche aber am Knöchel abgeschnitten sind, so daß die Sporen oft am bloßen Fuße getragen werden.

Eine spitze Filzmütze ist die Kopfbedeckung der Männer. Die Frauen tragen eine Art Mantel, welcher in der Mitte des Leibes durch einen Gürtel festgehalten wird, und meist durch eine silberne Nadel von ungeheurer Größe auf der linken Schulter in die gewünschten Falten gebracht ist.

Die Verfertigung dieser Zeuge, das Färben derselben, das Schmieden von Eisenwaaren, ihren Sporen und so weiter, auch die Fertigung silbernen Schmuckes, wird von den Araukanern selbst betrieben.

Die staatliche Einrichtung der Araukaner ist eine modificirt aristokratische zu nennen. Sie stehen dorfschaftenweise unter einzelnen Häuptlingen, so daß manche derselben bisweilen über größere Gebiete herrschen, einzelne aber auch nur über 10 bis 12 Familien. Bei besonderen Gelegenheiten werden Volksversammlungen abgehalten, bei welchen die mächtigeren Häuptlinge den Ausschlag geben. Man scheint zur Friedenszeit den Befehlen derselben nicht stets genaue Folge zu leisten, zur Kriegszeit indessen und wenn ein feindlicher Ueberfall droht, sind sie fast immer alle einig, und versammeln sich, durch Feuerzeichen gerufen, schnell auf schon vorher bestimmten Sammelplätzen. Die Häuptlingswürde ist erblich, indessen trifft es sich nicht selten, daß Indianer, welche sich ein bedeutendes Vermögen erworben haben, ebenfalls zu dieser Würde gelangen. Manche dieser Häuptlinge haben fast ganz europäische Gesichtszüge und als vor einigen Jahren einmal Engländer und Franzosen mit den Araukanern Verträge abschließen wollten, ich glaube wegen des von den Indianern ausgeübten Strandrechtes, waren sie sehr verwundert, mehrere jener Anführer ziemlich fertig ihre Landessprache reden zu hören und zugleich eine diplomatische Gewandtheit entwickeln zu sehen, welche ihnen zu schaffen machte.

Fast scheint es als seien solche Häuptlinge wirklich europäischer Abkunft. Es hatten die Spanier gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts in und um das Gebiet der Araukaner Städte gegründet und Festungen angelegt. Aber plötzlich standen unter dem Oberbefehle des Paillamacha sämmtliche Indianer auf, zerstörten sieben Städte und Festungen, tödteten die Männer und entführten Weiber und Kinder. Man will die Spuren dieses Menschenraubes noch jetzt bei den Araukanern erkennen.

Wirft nicht Cultur und Luxus, welche man mit der Zeit in das Gebiet jener Natursöhne einschmuggelt, ihre Kraft zu Boden, so werden sie auch lange unbezwungen bleiben, denn die Kräfte der chilenischen Regierung reichen schwerlich aus, sie im offenen Kriege zu unterjochen.

Es ist ihre Art Krieg zu führen allgemein gefürchtet, und vor allem ist es die lange araukanische Lanze, welche so mächtigen Respekt einflößt. Diese Lanze ist an 20 Fuß lang und aus dem leichten und biegsamen Stengel der Colique gefertigt. Der gegen den Feind anrennende Indianer erhält das dünne, mit der Spitze versehene Ende derselben in fortwährender vibrirender Bewegung, so daß ein Pariren des Stoßes fast unmöglich ist, während er selbst mit außerordentlicher Sicherheit zu treffen weiß. Häufig wird aber die Lanze auch so geführt, daß der auf den Feind ansprengende Indianer die Lanze im Ricochet wirken läßt, indem er sie mit der vordern Hälfte auf die Erde schleudert, während er sie hinten fest hält und mit der aufschnellenden Spitze den Gegner durchbohrt.

Wenn man dabei bedenkt, daß die Araukaner von frühester Jugend an alle jene Fertigkeiten besitzen, welche wir nur gewohnt sind im Circus von Kunstreitern ausführen zu sehen, und daß ihre Pferde sie auf's trefflichste unterstützen und alle Strapazen mit Leichtigkeit ertragen, so glaubt man wohl, daß sie furchtbare Feinde sind. Während man noch das Land in tiefer Ruhe glaubt, flammen ihre Feuerzeichen, und der anrückende Feind sieht sich plötzlich von allen Seiten umgeben von Indianern, die nackt und mit bemaltem Gesichte, mit aufgelöstem, im Winde flatternden Haare und mit einem thierähnlichen Wuthgebrülle auf ihn einstürzen, keine Schonung mehr kennen, und Tod und Wunden nicht achten in der Vertheidigung ihres Vaterlandes und ihrer Freiheit.

Aber dieser wüthende und wilde Krieger ist nicht mehr zu erkennen, wenn es Friede ist. Stolz zwar und hartnäckig an seiner alten Sitte haltend, ist auch der Araukaner dann gastfrei gegen den Fremden und herzlich, wenn die steifen Förmlichkeiten des ersten Empfangs beendet sind.

Fast will es scheinen, als habe jenes Volk die Nothwendigkeit eines gewissen Anstandes und einer continuirlichen ceremoniellen Lüge erkannt, die bei uns täglich ausgeübt wird, ohne daß sonder Zweifel die Meisten daran denken, welch ein festes Bindemittel für die menschliche Gesellschaft sie ist.

Niemand, selbst der nächste Anverwandte der Familie, darf bei den Araukanern sogleich dicht an das Haus reiten, oder dasselbe etwa gar betreten. Es sind an der Grenze des Hofraums einige Pfähle angebracht, an welchen man hält und ruft, oder den Dollmetscher rufen läßt, welcher überhaupt, wenn der Reisende der Sprache13 nicht mächtig ist, die ganze fernere Verhandlung führt. Der Reisende giebt hierauf an, was er für Geschäfte hat, woher er kömmt, wohin er geht, dann tritt der Hausherr hinzu, reicht ihm die Hand, und ersucht ihn auf eine höchst förmliche Weise und fast allein durch Zeichen und ohne ein Wort zu sprechen, vom Pferde zu steigen. Hierauf beginnt ein umständlicher und fast eine halbe Stunde dauernder Austausch von Höflichkeiten. Der Hausherr fragt, wie sich der Gast befindet, ob er gute Reise gehabt hat, und erkundigt sich nach dem Wohlbefinden sämmtlicher Anverwandten im entferntesten Gliede, mag er sie kennen oder nicht. Aber die Höflichkeit wird noch weiter ausgedehnt, denn er fragt nach dem guten Stande der Ortschaften, durch welche die Reise geführt, nach Heerden, Feldern, kurz nach Allem, was der Reisende nur entfernt berührt oder gesehen haben kann. Nun beginnt der Fremde alle diese Fragen im gleichen Sinne zu beantworten, und giebt ähnliche Fragen zurück. In der weitläufigsten Form erkundigt er sich nach allen Genossen des Hauses, deren Anverwandten, Nachbaren und Nachbarsnachbarn, nach dem Stande der Ernte, der Heerden u. s. w. Beide Vorträge sind mit fortwährenden Wünschen begleitet, daß Alles im besten Stande sein möge und werden in einem eigenthümlichen näselnden Tone vorgebracht.

Sind die Ceremonien beendet, so nähert sich der Hausherr dem Fremden und umarmt ihn, indem er sein Haupt abwechselnd über die rechte und linke Schulter des Gastes legt. Hierauf beginnt das Mahl, zu dem schon während der Begrüßungen alle Vorbereitungen getroffen worden sind, und bei welchem es, selbst nach europäischen Begriffen, höchst anständig zugeht.

Die Ceremonien der Brautwerbung und der Verehelichung scheinen etwas einfacher. Man kauft sich ein Weib vom Vater oder Bruder, und hat man im Verlaufe des ehelichen Lebens das Unglück die treue Gefährtin zu verlieren, so muß man – ist es erwiesen, daß man dieselbe todt geschlagen hat – die Begräbnißkosten, bisweilen selbst noch eine nachträgliche Entschädigung zahlen. Die besten Aufschlüsse über das araukanische Weib geben Notizen, welche ich von Domeyko erhalten habe und welche ich hier mittheilen will.

Das araukanische Weib ist klein, hat ein rundes Gesicht und eine niedrige Stirn. Sein Auge hat einen gewissen Ausdruck, welcher Sanftheit und Schüchternheit bezeichnet, und der leise, weiche Ausdruck der Stimme scheint Unglück und Sklaverei auszudrücken Ihre Sprache scheint ein halber Gesang zu sein, und sie verlängern jede letzte Silbe mit einem seufzenden und sehr hohen, feinen Tone. Der Gang der araukanischen Frauen ist leise und schleichend, und ihre, bereits oben beschriebene Kleidung höchst einfach. Sie flechten das Haar in Zöpfe, welche sie mit Glasperlen schmücken und hierauf turbanartig um den Kopf winden.

Thut man einen Blick in die Haushaltung eines Indianers, so überzeugt man sich sogleich, daß die Weiber nur die Sklavinnen der Männer sind, der Mann hat dieselben entweder erzogen (d. h. vor der Verheirathung, und als Kind) oder er hat sie von ihrem Vater gekauft. Er führt Krieg, wohnt den Berathungen bei, geht auf die Jagd, oder raucht im Schatten liegend Tabak, aber das Weib muß arbeiten. Arbeit und Liebe ist aber bei vermögenden Araukanern unter mehrere Frauen getheilt, indem sich diese mehrere Weiber kaufen.

Domeyko giebt eine Schilderung von einem Besuche bei einem Indianer, welche ich hier anführen will, da sie höchst bezeichnend ist.

Ich suchte, sagt er, einmal in einer stürmischen, regnerischen Nacht Schutz gegen das Unwetter in dem Hause eines Häuptlings an der Meeresküste. Der Indianer nahm mich mit offener und herzlicher Gastlichkeit auf, und noch unbekannt zu jener Zeit mit den bei'm Eintritte in ein Haus gebräuchlichen Ceremonien, suchte ich sobald als möglich zum Feuer zu kommen, und in weniger als einer Viertelstunde saß ich mit meinen Reisegefährten an demselben. Es waren dieß zwei Häuptlinge und drei andere Araukaner. Bald hatten wir am Feuer den außen wüthenden Sturm vergessen, und das Gespräch belebte sich. Die einen rauchten Cigarren, die andern trockneten ihre durchnäßten Ponchos, während ein hübsches Weib mit großen schwarzen Augen und einem bis auf die Knie reichenden Haare so schnell als möglich das Abendessen bereitete.

Ohne daß Jemand ihr geholfen hätte, hatte sie bereits, als wir eintraten, Holz herbeigeschafft und das Feuer entzündet, nun schnitt sie das Fleisch, trug Wasser, schälte Kartoffeln und rüstete die Töpfe, aber Niemand half ihr, oder nahm irgendwie Notiz von ihr, während sie geduldig und emsig ihrer Arbeit oblag, ohne ebenfalls irgend Jemand anzusehen.

Ich saß, fährt Domeyko fort, an der Seite des unbeweglichen und nachdenklichen Hausherrn und fragte ihn, wie viele Weiber er habe. Er antwortete mir: ein einziges. Auf meine weitere Frage, ob wohl deßhalb, weil er Christ sei, erwiederte er: nein, sondern weil gegenwärtig die Frauen leider bei den Indianern sehr theuer wären. Sehen Sie, sagte der andere Indianer, welcher mir als Dollmetscher diente, sehen Sie, welche Ungerechtigkeit; wir müssen, wenn wir uns verheirathen, dem Vater nicht nur acht oder zehn Prendas14 für das Auge geben, sondern auch noch demselben Vater acht oder zehn weitere Prendas für die Geschwister oder Verwandte des Weibes, wenn sie stirbt. Aber doch begraben sie die Todte nicht eher, als bis sie in Verwesung übergeht, und plagen den armen Ehemann, daß er nicht weiß, was er anfangen soll.

Bei diesen Worten schürte der Häuptling die Kohlen mit einem Stäbchen, und sagte: Hm! acht bis zehn Prendas, und wenn einmal ja einer ein Weib todtschlägt, sind sie mit zwölf und fünfzehn Prendas nicht zufrieden, so daß der Mann auf zeitlebens zu Grunde gerichtet ist.

Der erste Indianer aber fuhr fort zu klagen und sagte: Bisweilen können sie es gar nicht beweisen, daß die Frau gerade an einem Hieb oder einer Wunde gestorben ist, welche ihr der Mann beigebracht hat.

Bisweilen, erwiederte der Häuptling, können sie gar Nichts beweisen, und verdächtigen und chikaniren nur den armen, unschuldigen Indianer.

 

Stumm, schweigend und unterwürfig bediente uns das arme Weib während dieser Unterredung, und nachdem das Essen beendigt war, streckte sich der Häuptling zuerst auf sein Bett von Colique. Die Gäste folgten, und hierauf die andern Hausgenossen, wobei sich jeder einen Platz suchte, so gut als möglich. Das mächtige Feuer schwand allmälig, bis es nur noch einen unsichern Schein verbreitete und mit einzelnen Streiflichtern die kräftigen und markirten Züge der liegenden Indianer beleuchtete.

Nur die Indianerin mit ihren prächtigen Haaren und ihren schönen, zu Boden geschlagenen Augen allein blieb auf und stützte ihre Rechte auf das Kopfende des Bettes ihres tyrannischen Ehemannes. Sie blieb wach, und suchte ihr Lager nicht eher, bis das Feuer erloschen und sie vollständig den Blicken der Fremden entzogen war.

Eben so barbarisch wie sich das Verhältniß der Arauka-Indianer gegen ihre Frauen gestaltet hat, sind ihre Sitten und Gebräuche bei Beerdigungen. Stirbt z. B. ein alter Häuptling in Mitte seiner Anverwandten und Kinder, so wird, je nachdem er Küstenbewohner war oder mehr im Innern lebte, der Leichnam in ein Canoe oder eine Mulde gelegt und in Mitte des Hauses unweit des Feuerheerdes an einen Balken aufgehängt. Man hat dem Todten sein bestes Kleid angezogen und überläßt ihn ruhig seinem Schicksale, während man sich einzig mit den Vorbereitungen zum feierlichen Begräbniß beschäftigt. Vor allem wird eine unendliche Menge Chicha bereitet, berechnet auf ein drei- bis viertägiges Zechgelage. Dann schafft man Mais und Weizen herbei, um eine Anzahl von 200 bis 300 Nachbarn zu bewirthen.

Alle diese Gegenstände werden neben dem Todten in der Hütte aufgehangen und später mit demselben zur Begräbnißstätte getragen, aber es vergehen oft zwei bis drei Monate, bis alle diese Vorbereitungen beendet sind. Der Leichnam ist mittlerweile in Fäulniß übergegangen und verpestet die Luft auf solche Art, daß man nicht selten in einer Entfernung von tausend Schritten das Haus bezeichnen kann, in welchem sich die Leiche befindet.

Endlich erscheint der Tag der Beerdigung, und mit ihm kommen mehrere Hundert der geladenen Gäste, alle zu Pferde und mit ziemlichem Lärm. Die Leichenfeier beginnt mit einem großartigen Zechgelage und einer reichlichen Mahlzeit, welche oft mehrere Tage und Nächte hindurch dauern, und noch fortwährend kommen Nachzügler, wild einhersprengend, und wie zum Kriege gerüstet mit wildem, flatterndem Haare und bewaffnet.

Wird endlich die Leiche in das mittlerweile bereitete Grab gelegt, so finden verschiedene Ceremonien statt, welche bewirken sollen, daß der Geist des Verstorbenen nicht in sein Haus zurückkehrt, und man giebt ihm deshalb eine Menge Dinge mit, welche er im Leben gern hatte. So z. B. seine Lanze und übrigen Waffen, seinen Sattel, Zaum und Sporen, sein Ballspiel und andere Kleinigkeiten. Aber man versäumt auch nicht, ihm Speise und Saatkorn mitzugeben und die Leiche reichlich mit Getränke zu übergießen.

Nun bedeckt man dieselbe mit Steinen und die Beerdigung ist beendet.

Die Rückfahrt von Valdivia nach Valparaiso dauerte zwei und einen halben Tag, und wir hatten fast immer die Küste in Sicht. Ich wüßte nichts Besonderes zu berichten, was ich dort erlebt hätte.

13Es wird in Araukanien noch die ältere Sprache des Landes gesprochen, welche früher in ganz Chile allgemein war, gegenwärtig aber durch das Spanische vollkommen verdrängt ist, und weiter gegen den Norden, über Conception hinaus, nicht mehr gehört wird.
14Eine Prenda ist eine Kuh, ein Pferd, ein Poncho, ein Paar Sporen oder auch mehrere dieser Gegenstände zusammen. Es giebt große und kleine Prendas und bei einem Handel wird vorher bestimmt, aus was die Prenda besteht.