Za darmo

Reise in Südamerika. Zweiter Band.

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ich frug eine alte Frau, welche dort in der Sonne liegend ihre Cigarre rauchte, woher die Steine, denn mir war wohl bekannt, daß alte Weiber Vieles wissen, und ich erhielt die Antwort: »von den Schiffen!«

Das Räthsel war gelöst. Es war dort die Stelle, wo die Schiffer, vielleicht so lange der Hafen bestand, ihren Ballast löschten und auch wieder aufnahmen, und so war es nicht zu verwundern, daß dort sich die bunteste Musterkarte von Gesteinen vorfand, welche unschätzbar gewesen wäre für den Geognosten, hätten die Matrosen nicht vergessen die Fundorte auf den Exemplaren zu bemerken.

Der ganze landschaftliche Charakter des Hafens von Corral und seiner Umgebung ergiebt sich am besten aus einigen Excursionen, von welchen ich sogleich unten berichten muß, nur will ich hier noch des Blickes auf den 60 Stunden weit entfernten Vulkan von Villarica erwähnen, welcher bei heiterem Wetter als eine glänzende weiße Pyramide zu sehen ist, wenn man nur irgendwie einen halbweg erhöhten Standpunkt gewählt hat.

Ohne Zweifel ist dieser Vulkan einer der höchsten in der ganzen Kette der Anden und die trigonometrischen Messungen, welche in neuerer Zeit von Engländern angestellt worden sind, haben hohe Zahlen ergeben, welche ich aber nicht anführen will, da mir bestimmte Angaben über jene Untersuchungen bis jetzt noch fehlen. Der Vulkan ist noch thätig und von Zeit zu Zeit steigen von seinem Gipfel Rauchsäulen in die Höhe, welche vom Hafen aus gesehen werden können.

Einer meiner ersten Besuche galt einem Deutschen, Ernst Fricke, einem sehr gebildeten und tüchtigen jungen Manne, welcher dort eine Sägemühle besitzt. Zur Zeit meines Aufenthaltes war seine Wohnung, wenn gleich bequem und die Sägemühle gut construirt, doch nicht ohne den Reiz des romantischen Ansiedlerlebens. Ein älterer Bruder von Fricke, dessen Bekanntschaft ich einige Tage später machte, wohnt auf der Isla del Rey. Ich bin von den Brüdern auf das Freundlichste aufgenommen worden und es war mir ihre Bekanntschaft von großem Nutzen, da beide mehrfache Reisen in's Innere gemacht hatten und schätzbare Notizen über das Land mittheilten.

Auch auf der Insel Manzera wohnte ein Deutscher, welcher indessen dort nicht stabil war, sondern als Verwalter eines anderen Landsmannes später in's Innere abzugehen die Absicht hatte. Ich kam mit den eingebornen Bewohnern von Corral weniger in Berührung, doch machte ich die Bekanntschaft zweier liebenswürdigen Damen, der Gattin und Schwiegermutter des älteren Fricke, welche zur Zeit dort wohnten.

Am zweiten Tage unseres Aufenthaltes im Hafen fuhr ich zu Boote mit dem Kapitain nach Valdivia, welches die Hauptstadt der Provinz ist, und etwa drei oder vier Stunden vom Hafen entfernt liegt. Die mit Urwald bedeckten Ufer des Flusses gewährten einen prachtvollen Anblick, und entsprachen den Schilderungen, welche man vom Innern Nordamerika's entworfen hat. Dichtes Gebüsch reicht allenthalben bis an die Oberfläche des Wassers, mächtige Stämme überragen säulenartig das Unterholz und sind nur durch Schlingpflanzen mit demselben verbunden. Die Alerze, der rothe Cederbaum, der bisweilen einen Durchmesser von 15 Fuß erreicht, die Rotheiche, Pellin genannt, Roble, die Buche, dann Ulmen und Lorbeerarten bilden dort, so wie in der Provinz Valdivia überhaupt, vorzüglich den Baumschlag. Zwischen ihnen steht die Quila, ein Rohr, welches gegen oben ein so dichtes Flechtwerk bildet, daß dasselbe bequem einen Mann trägt, und die Colique, ebenfalls eine Bambusce, die eine Höhe von 40 Fuß erreicht, und aus welcher die Indianer ihre gefürchteten, oft 20 Fuß langen Lanzen verfertigen. Ein Hauptschmuck jener Wälder aber sind die kleinen Bäume der mehrfachen Lorbeerarten, die Myrthen, Fuchsien und andere, welche fast alle mit buntfarbigen zierlichen Blüthen geschmückt sind und ein prachtvolles Unterholz bilden.

Aber nicht allein am Lande und auf den Bergabhängen der Ufer stehen jene riesigen Stämme. Sie sind nicht selten in's Wasser gestürzt und von der Strömung des Flusses fest gerannt worden; so ist die Fahrt nicht ohne alle Gefahr, versteht man nicht geschickt ihnen auszuweichen. An manchen Stellen des Waldes haben Brände stattgefunden, meist absichtlich erzeugt, um vielleicht eine kleine Strecke zu cultiviren, wohl selbst einen Weg zu bahnen, und jene öden Stellen, mit den mächtigen aber erstorbenen Stämmen, und je nachdem nur eben wieder am Boden mit beginnendem Gebüsche bewachsen, bilden einen eigenthümlichen Contrast mit der üppigen Vegetation, welche neben ihnen wuchert.

Während wir so, bald dicht an den Ufern des Flusses, bald Baumstämmen ausweichend, auf dessen Mitte dahinfuhren, machten wir Jagd auf verschiedenes Vogelwild, das in reichlicher Fülle vorhanden. Wasservögel verschiedener Art, Enten, Taucher, Möven und am Lande vorzugsweise eine schöne große Taube, die Columba araucana, und eine Schnepfenart waren die vorzüglichste Beute, welche nach der Heimkunft redlich getheilt wurde zwischen meiner Sammlung und der Schiffsküche.

So hatten wir eine fröhliche Fahrt auf dem Flusse, gegenseitig wetteifernd, wer das meiste Wild erlege, und ich fand, daß der Kapitain ein trefflicher Schütze.

In Valdivia angekommen, trennten wir uns. Fricke, welcher ein leichtes, vortrefflich segelndes Boot hatte, war uns vorausgeeilt und empfing uns, indem er mich in das Haus eines dort beim Schulwesen angestellten Deutschen führte, wo ich so herzlich aufgenommen, wie allenthalben von den deutschen Landsleuten, und sogleich mit einigen Insekten beschenkt wurde. Doch blieb ich nicht lange bei jenen freundlichen Leuten, da ich die Stadt besichtigen wollte, und aus der Unterhaltung mit den anwesenden chilenischen Damen ist mir nur noch die Furcht erinnerlich, welche dieselben vor einem Einfalle der araukanischen Indianer bezeigten, welchen ein grundloses Gerücht zu jener Zeit in Aussicht gestellt hatte.

Die Stadt Valdivia hat ein sehr ländliches Ansehen. Die meisten Häuser liegen isolirt zwischen Gärten, Gebüsch und Rasenplätzen, und unfern der Stadt beginnt wieder der Wald. Die Wohnungen, meist einstöckig, sind von Holzarbeit und haben den eigenthümlichen Styl des Landes, der theils an alterthümliches Täfelwerk erinnert, doch auch wieder Aehnlichkeit hat mit der Art und Weise, wie man moderne Schweizerhäuschen in Anlagen und Gärten errichtet. Doch fehlen auch größere Gebäude nicht und eben als ich anwesend war, beschäftigte man sich mit dem Bau einer Kirche, deren Plan vom älteren Fricke entworfen war. Ich hatte die vier Matrosen, welche das Boot gerudert hatten, zum Mittagessen gebeten, und als wir uns in einem Gasthause versammelt hatten, welches so ziemlich, wenn auch nicht ganz nach europäischer Art eingerichtet, und in welchem man nicht übel aufgehoben war, staunte ich über den Anstand und Takt, welchen diese vier jungen Männer entwickelten. Bescheiden ohne blöde, heiter ohne übermüthig zu sein, waren sie so weit entfernt von dem Bilde, welches man sich meist von »dem Seemann am Lande« zu entwerfen gewohnt ist, daß ich kaum mein Erstaunen bergen konnte. Ohne Widerrede hatten sie meine Einladung angenommen, aber als sie nach einigen Tagen im Hafen die Erlaubniß erhalten hatten, an's Land zu gehen, unternahmen sie in meinem Interesse einen Streifzug und brachten mir des Abends einige Amphibien und schöne Insekten, welche mich doppelt erfreuten.

Des Nachmittags besuchten uns mehrere andere in Valdivia lebende Deutsche im Gasthofe, und manches austauschende Wort wurde dort gesprochen über Chile und das Vaterland. Alle waren gut gestellt in ihrer neuen Heimath. Doch aber war eine leise Sehnsucht nach dem Vaterlande, nach dessen Sitte und Brauch nicht zu verkennen. Mag jeder es wohl bedenken, der das Land in dem er geboren für immer verlassen will. Es mag sich wohl treffen, daß in der Fremde er nach Zuständen sich zurücksehnt, die ihm hier gleichgültig, ja daß er an Persönlichkeiten mit Zuneigung denkt, welche er zu Hause kaum der Beachtung werth gehalten. Aber mit welcher Macht drängt sich in manchen Stunden die Sehnsucht nach verlassenen Lieben an's Herz, und mit welcher Versöhnlichkeit betrachtet man deren Fehler und Schwächen!

Spät des Abends und wohlzufrieden mit der kleinen Reise, kamen wir an Bord zurück. Aber einige Tage später, während der Kapitain und ich zufälliger Weise am Lande, kamen einige Damen von Valdivia zu Boote auf Besuch zu uns und brachten mir den sorgfältig verpackten Schädel eines Araukaners zur Erinnerung an unser Gespräch in der Stadt, und um meine Sammlung zu bereichern, wenn gleich, wie sie mir sagen ließen, mit mächtigem Grausen. –

Vieles Vergnügen verschaffte mir in der Bai von Corral die Jagd auf Papageien. Ich habe nur eine einzige Species dort getroffen, von den Einwohnern Choi genannt9, aber diese in großer Anzahl. Sie hausen auf den bewaldeten Hügeln, mit welchen die Bai umgeben ist, und leben des Tages über in Haufen von zehn bis zwölfen zusammen, wohl auch vereinzelt, indem sie meist auf den höchsten Bäumen sich aufhalten. Gegen Abend aber versammeln sie sich in großen Schwärmen und fliegen von einem der Hügel zum andern, indem sie, ähnlich wie in Deutschland die Dohlen, ein wahrhaft schauderhaftes Geschrei erheben. Stellt man sich versteckt in eine der Schluchten, über welche auf diese Weise der ganze Schwarm hinwegfliegt, so kann man, wenn das Gewehr weit trägt und man groben Hagel geladen hat, öfters in einem Abende zum Schusse kommen, und ich habe auf diese Art viele erlegt, da sie, wenn sie den Schützen nicht sehen, sich wenig um den Schuß zu kümmern scheinen und ihr Hin- und Herfliegen wiederholen. Indessen bietet es Schwierigkeiten, das geschossene Thier zu finden, da seine grüne Farbe sich kaum von der des Grases unterscheiden läßt. Nur verwundete Thiere verrathen sich hingegen selbst durch ihr furchtbares Geschrei und die Hast, mit welcher sie zu entkommen suchen.

 

Dieser Papagei wird von den Einwohnern der Bai nicht selten als Hausthier gehalten, und läuft frei, aber freilich mit arg und häßlich beschnittenen Flügeln in den Wohnungen umher. Er scheint sich sehr leicht zähmen zu lassen und ein zähes Leben zu besitzen. Ich habe eines Tages einen derselben, der, wie sich später zeigte, nur am Flügel verwundet war, um ihn zu ersticken, mit aller Kraft unter den Flügeln gedrückt, hierauf als er kein Lebenszeichen mehr von sich gab, die Rachenhöhle mit Löschpapier verstopft, um das Beschmutzen der Federn mit Blut zu verhindern, und alsdann in eine Düte gewickelt in die Pflanzenkapsel gelegt, da er zum Abbalgen bestimmt war. Aber als wir noch einige Stunden Rast hielten und zufällig die Kapsel geöffnet wurde, stieg der Vogel munter aus derselben, und ergab sich so leicht in sein Schicksal, daß er schon nach einigen Tagen aus der Hand Futter nahm, und allenthalben an Bord frei umher lief. Leider fiel er später in's Wasser und ertrank.

Das Fleisch dieser Thiere gewährt eine vortreffliche Speise und erinnert an jenes der wilden Tauben.

An den Ufern des Valdivia-Flusses, wo hauptsächlich jene schon oben erwähnte Sandsteinbildung vorkömmt, finden sich prachtvolle kleine Buchten und hie und da im Gebüsche versteckte Höhlen. Ernst Fricke führte mich in mehrere derselben, in welche man nur mittelst des Bootes gelangen konnte, und ich habe die romantische Lage dieser kleinen Asyle bewundert, deren Zugang ich bald besser zu finden wußte, als vielleicht mancher im Hafen Geborene. Auch im Glimmerschiefer findet sich unweit des Forts Corral eine Höhle, deren Wände stets von durch Felsenspalten eindringendes Wasser feucht und ganz mit Farrenkräutern überzogen sind. Ich war so glücklich dort zwei neue Arten aufzufinden10, und mache absichtlich hier auf diesen Fundort aufmerksam, weil ich sonst nirgends eine Spur derselben gefunden habe.

Während wir im Hafen von Corral lagen, kam die schon oben bezeichnete chilenische Fregatte von Valparaiso aus dorthin, in Begleitung einer Corvette. Beide Fahrzeuge hatten Soldaten am Bord, welche eine Zeit lang im Hafen verweilen sollten.

Die Indianer von Araukanien hatten kurz vorher ein an ihrer Küste gestrandetes Schiff geplündert, zugleich waren bei dieser Gelegenheit einige Menschen verloren gegangen. Es hatten ohne Zweifel die Gestrandeten und die Indianer sich nicht hinlänglich verständigen können. Die Letzteren hatten vielleicht allzu großes Wohlgefallen an den Waaren gefunden, welche das Schiff führte, und die Europäer hielten allzu hartnäckig an ihrem Eigenthume, oder es mögen auch andere Mißverständnisse eingetreten sein, die Thatsache war die oben bezeichnete. Aber in Chile sprach man nicht gerne von derselben, legte indessen jene Truppen nach Corral und Valdivia, um eine Demonstration zu machen, und etwaigen weiteren Gelüsten der Araukaner Einhalt zu thun. Es kam dadurch viel Leben in den Hafen, welcher sonst ziemlich verödet war, indem zugleich mit jenen Schiffen auch noch eine Barke von Hamburg, die Victoria, einlief. Der Kapitän der Victoria war ein Bruder des unsrigen, und es war ein freudiges Wiedersehen der beiden Brüder, welche sich seit Jahren nicht gesehen, ja kaum sichere Nachricht von einander erhalten hatten.

Das Leben am Bord war jetzt ein anderes geworden. Während ich sonst früh mit Tagesanbruch meist allein an's Land ging, in den Bergen streifte und spät des Abends wieder heimkehrte, wurden jetzt gemeinschaftliche Jagden unternommen, und zugleich von meiner Seite das Sammeln großartiger betrieben, da die Passagiere der Victoria, nach Chile auswandernde Deutsche, mich zum größten Theile teilnehmend unterstützten. Kugelbüchse und Botanisirkapsel, Insektenschachtel und Mineralienhämmer hatten wieder, wie früher in Valparaiso, ihre freundlichen Träger gefunden, und es wurde mancher Tag fröhlich in den Bergen zugebracht. Kamen wir zeitig an Bord zurück, so statteten wir uns häufig gegenseitige Besuche ab, von welchen wir oft spät in der Nacht heimkehrten. Ich werde nicht leicht einer solchen Heimfahrt vergessen. Ich war mit Kapitän Maier an Bord der Victoria gegangen, aber während wir in der Kajüte plaudernd und zechend fast vergessen hatten, daß wir uns nicht auf festem Boden befanden, hatte sich außen ein heftiger Nordwind erhoben, und zugleich war Land und See mit solch einer undurchdringlichen Finsterniß bedeckt, daß man buchstäblich nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Da es des Zolles halber verboten war, Waaren, ja selbst eine einzige Flasche Wein von einem Schiffe auf das andere zu bringen, so hatte ich jenen Abend benutzen wollen, sechs Flaschen Portwein, welche ich auf der Victoria an mich gebracht hatte, auf den Dockenhuden zu schaffen, mit anderen Worten: zu schmuggeln. Man kann sich denken, daß ich, diese sechs Flaschen in den vielfachen Taschen meines Kapuzmantels geborgen, schon ziemlich schwerfällig vom Fallreef aus in das Boot gelangte. Denn wie schon bemerkt, bewegt heftiger Nordwind das gegen diese Seite nicht geschützte Wasser des Hafens oft auf bedenkliche Weise, und schon waren die Wogen so hoch, daß das Boot fünf bis sechs Fuß gehoben wurde, um im andern Augenblicke wieder eben so tief zu sinken. Mit den Händen an der Strickleiter mich festhaltend, suchte ich mit den Füßen das Boot zu erspähen, welches, fühlte ich es einmal einen Moment, im andern Augenblicke wieder verschwunden war. Ließ ich zur unrechten Zeit los, so fiel ich natürlich in's Wasser, und war unrettbar verloren mit meinem schweren Mantel und den sechs Flaschen. Dabei wurde kein Wort gewechselt. Es waren noch, wie ich glaube, andere Gegenstände im Boote, welche man ebenfalls nicht der Besichtigung der Zollbediensteten auszusetzen wünschte, und so vermied man unnöthigen Lärm. Endlich ließ ich los und kam glücklich in's Boot. Es gelang unseren Matrosen bald von der Steuerbordseite der Victoria zu kommen, aber nun tanzte das Boot in solch verzweifelten Sprüngen auf den Wogen, daß ich ernstlich an ein Umschlagen zu glauben anfing. Der Wind wuchs in bedrohlicher Heftigkeit, eine See über die andere schlug in's Boot und Wind und Wetter lärmten dermaßen, daß man die Zollbedienten nicht mehr zu fürchten brauchte. Wirklich stand jetzt der Kapitain, der steuerte, auf, und rief mit lautester Stimme den Matrosen seine Befehle zu.

Oefter habe ich in ähnlichen Fällen empfunden, welch eine einfältige Rolle der Passagier bei solchen Gelegenheiten zu spielen verdammt ist. So gut wie der Seemann wird er ertrinken, tritt ein Unfall ein. Aber er kann nichts thun, ihn abzuwenden, ja er ist allenthalben im Wege, sucht er zu helfen. Seine Obliegenheit ist sich zu ducken, sich möglichst klein zu machen, und wo möglich zu schweigen. Das Alles habe ich in jener Nacht gethan zum allgemeinen Besten, in meinem eigenen Interesse aber zog ich leise die Arme aus den Aermeln des Mantels und löste die Riemen meiner Schuhe, um in einem Momente alles abstreifen zu können und schwimmfertig zu sein.

Es war glücklicher Weise nicht nöthig. Wir sahen endlich, denn nach und nach hatte sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt, in unbestimmten Umrissen den Dockenhuden vor uns und waren bald am Fallreef. Man kömmt, am Fallreef wenigstens, leichter aufwärts, als abwärts, so war ich bald oben. Einige Sekunden war eine Laterne auf Deck, auch auf der Victoria blitzte ein Licht auf und verschwand alsbald wieder. Man hatte sich die Ankunft signalisirt, denn man mochte von beiden Seiten nicht ohne alle Bedenklichkeit gewesen sein, und unsere Fahrt hatte fast eine halbe Stunde gedauert, obgleich beide Schiffe nicht ganz vierhundert Schritte entfernt von einander lagen.

An Bord wurde, wie gewöhnlich, keine Silbe über die Fahrt gesprochen, nur sagte der Kapitain, nachdem wir etwa 10 Minuten angelangt, zu mir. »Portwein verstaut?« Worauf ich antwortete. »Schon verstaut.« Er war es auch bereits, der liebe Portwein, verstaut, d. h. ge- und verborgen unter lebenden Taranteln, Scorpionen und Schlangen und zum Ueberflusse von einigen menschlichen Schädeln bewacht, und kein chilenischer Zollbediente hätte ihn weder gesucht wo er war, noch angerührt, hätte er ihn gefunden. Aber sie kamen nicht in jener Höllennacht, wohl aber einige Tage später bei hellem Sonnenscheine11.

Ich will noch einer Jagdpartie gedenken, welche ich in Begleitung der beiden Kapitäne und des Ernst Fricke in die St. Johns-Bai unternahm. Wir benützten hiezu das mit einem guten Segel versehene Boot von Fricke, und zogen des Morgens um 6 Uhr aus, indem zwei Matrosen ruderten, wenn der Wind nicht eben günstig war.

Wir machten zuerst auf einer kleinen Landzunge Halt, welche mit hohem Grase bewachsen war, um Schnepfen zu schießen. Die Schnepfenart, welche sich dort aufhielt und überhaupt fast die Ufer der ganzen Bai bevölkerte, ist etwas, jedoch unbedeutend, kleiner als unsere Waldschnepfe, aber heller gefärbt als diese. Ich habe versäumt, sie mit nach Europa zu bringen, da sie so häufig war, und ich das Abbalgen einiger Exemplare von einem Tage zum andern verschob, bis es endlich zu spät war. Diese Thiere spazierten in Truppen zu fünfzig und hundert Stück ganz ruhig am Strande oder flogen dicht vor uns aus dem hohen, feuchten Grase auf, so daß mit leichter Mühe einige Dutzende derselben zu erlegen gewesen wären, hätte eben ihre Menge uns anfänglich nicht zu unbedachtsam schießen lassen, so daß wir ohne sonderlichen Erfolg den größten Theil unseres Wildes verjagten; erst später, regelrecht zu Werke gehend, schoß ich etwa 10 Stücke derselben.

Nachdem wir jene Landzunge verlassen und in eine kleine wirklich reizende Bucht gekommen waren, trennten wir uns, um einzeln unser Glück zu versuchen.

Das Boot sollte über die Bai fahren, dort am östlichen Ufer anlegen, und wir uns des Nachmittags daselbst wieder versammeln, um heimzufahren.

Während die anderen vorläufig sich am Ufer der Bai hinzogen, drang ich sogleich tiefer in den Wald ein. Ich hatte einen Compaß bei mir und konnte sicher sein, mich zurecht zu finden.

Es ist die Pracht des Urwaldes so vielfach und von so großen Autoritäten geschildert worden, daß ich es nicht versuchen will, hier ein Gleiches zu thun. Kaum braucht auch bemerkt zu werden, daß hier unter 40° südl. Breite die glänzende Vegatation der Tropen natürlich fehlt, aber dennoch der urwaldliche Typus nicht verloren gegangen ist. Wie dort sind hier mächtige himmelanstrebende Stämme mit Schlingpflanzen geziert, und die schon erwähnte Colique und die Quila bilden nicht selten hoch oben ein so dichtes pflanzliches Gewebe, daß am Boden fast Dunkelheit herrscht. Dabei fehlen nicht Blumen und Blüthen, wenn auch nicht von brasilianischer Pracht. Aber etwas ist in Chile, was das Durchstreifen jener Wälder sehr angenehm macht; es ist dieß der vollkommene Mangel an giftigen Thieren. Der Scorpion und die Tarantel werden zwar dort ziemlich häufig getroffen, in Valdivia zwar auch kaum der erstere, aber beide sind nicht gefährlich und namentlich ist die Tarantel, welche in Valdivia mit ausgespannten Füßen bis an 7 Zoll groß vorkömmt, vollständig harmlos, wenn sie gleichwohl ein ziemlich martialisches Aeußere zu affectiren sucht.

Ich machte an den mächtigen umgestürzten Stämmen, welche oft überstiegen werden mußten, gute Beute, indem ich verschiedene Insekten fand und manches Schätzbare erwarb, da fast der dritte Theil der gefangenen Individuen neue Arten waren. Endlich, nachdem ich weit vorgedrungen in Schluchten und manchen Abhang erstiegen, wandte ich mich wieder rückwärts, um an's Ufer der Bai zu gelangen. Ich durchwatete den St. Johns-Fluß und kam endlich an eine flache Stelle des Ufers, wo ich die Bai übersehen konnte. Aber ich sah weder das Boot, noch eine Spur von den Gefährten. Ich ging weiter um die Bai zu umschreiten und auf das jenseitige Ufer, den bestimmten Sammelplatz, zu gelangen, indem ich richtig schloß, daß das Boot hinter irgend einem schattigen Felsenvorsprunge beigelegt habe.

 

Mittlerweile war eine ziemliche Hitze eingetreten, indem unferne des Wassers die Sonne doppelt brannte, und zugleich wurde ich von einer Unzahl Fliegen verfolgt. Es war vorzüglich Tabanus latus, eine schwarze und gelbe Bremse, welche in Schwärmen von mehreren Dutzenden über mich herfiel, und, wenn auch in geringerer Anzahl, zwei kleinere graue Tabanus-Arten. Die Folgen des Stichs der beiden kleinen Arten halten länger an, als jene der größeren, welcher zwar anfänglich einigermaßen belästigt, aber in einigen Minuten nicht mehr gefühlt wird und keine Beulen hinterläßt, wie die Stiche der deutschen Pferdebremse. Ich fand bald, daß je rascher ich mich fortbewegte, die verwünschten Fliegen mich um so hitziger verfolgten, so ergab ich mich in mein Schicksal, haschte eine gute Menge derselben und schritt langsam weiter, indem ich auch einige Vögel schoß, worunter eine schöne gold-grün glänzende Kibizenart. Endlich kam ich an menschliche Wohnungen, Hütten, welche aber leer standen, und zugleich an eine sich in den Wald ausdehnende Fortsetzung der Bai, denn für eine solche hielt ich das Wasser an dessen Ufer ich stand. Leider aber fand ich, das Ende und eine überschreitbare Stelle suchend, bald, daß ich einen Fluß vor mir hatte. Ich mußte über denselben, denn abgesehen davon, daß ich ungerne unser Rendezvous versäumte, konnte ich kaum rückwärts längs dem Ufer zurück in den Hafen von Corral gelangen, ohne endlose Umwege zu nehmen, da an vielen Stellen die Ufer aus steilen Felsenwänden bestehen, an welchen wir vorher zu Boote vorüber gefahren waren. Vorwärts also! Aber wie! Ich wußte nicht, waren die Kapitaine und Fricke schon hinüber, oder waren sie vielleicht während ich im Walde Insekten einfing, zu Boote über die Bai. Also suchte ich den Lauf des Flusses aufwärts verfolgend, nach menschlicher Fährte, und fand auch bald im gefallenen Laube Spuren von Fußtritten, denen ich folgte und endlich an die Brücke kam. Dort fiel mir ein, welche vielfache Anforderungen an einen reisenden Naturforscher gestellt werden. Denn abgesehen davon, daß er Zoologe und Ethnograph, Botaniker, Mineralog, Geognost, Meteorolog und Zeichner sein soll, muß er auch, wohl oder übel, fabelhafte fremde Sprachen sprechen, kochen, waschen, nähen, reiten und schwimmen können. Hier aber stand die edle Turnkunst in Aussicht, denn jene Brücke bestand aus einem verzweifelt glatten und schlanken Baumstamme, der über den etwa 25 bis 30 Schritte breiten Fluß quer übergelegt war, und sonder Zweifel von einem Eichhörnchen mit vieler Bequemlichkeit überschritten worden wäre, von mir indessen mit wenig Behagen.

Aber ich mußte hinüber und war bald entschlossen. Mineralienhammer, Insektenschachteln und alles Gesammelte wurde zu den Vögeln in die Jagdtasche gesteckt und diese über die Doppelflinte gehängt, welche ich in der Hand hielt, um im Falle eines Sturzes schwimmen zu können und nicht von all diesen Gegenständen gehindert zu sein. Aber ich hatte keine Lust über den verwünschten Baumstamm zu gehen, – rittlings wollte ich übersetzen, vorsichtig, wie es sich für einen verheiratheten Mann, für einen Familienvater geziemt. Es sah mich ja kein menschliches Auge, und war ich einmal drüben, – nun es kriecht mancher auf Händen und Füßen und spricht später davon, wie er aufrecht gestanden! Da, ganz zur Unzeit erschallte ein lautes Hallo! und Fricke wand sich aus den Gebüschen des jenseitigen Ufers, mir zurufend, ich solle mich eilen, die beiden Kapitäne seien schon voraus, denn er habe in der Ferne schießen gehört und wir müßten noch vor Eintritt der Ebbe bei'm Boote sein.

Große Macht der Eitelkeit! Ich nestelte an meinen Schuhen, als wolle ich sie besser befestigen, denn bereits saß ich rittlings auf dem Stamme, dann stand ich auf und überschritt mit scheinbarer Gleichgültigkeit den Stamm, der immer dünner wurde und höchst widerwärtige Oscillationen verführte, je mehr ich mich seinem Ende nahte. Ich schämte mich vor Fricke, dem rüstigen Hinterwäldler, wie ich ihn nannte, hinüber zu kriechen. Zuletzt mußte ich noch einen kräftigen Sprung machen, um das Ufer zu erreichen. Jetzt erzählte ich Fricke meine Noth, welcher mich auslachte und die Brücke im Vergleich zu andern eine königliche nannte.

Wir gingen nun zusammen weiter und kamen bald wieder in hochstämmigen Wald, wo wir noch einige Papageien schossen und bald darauf an eine Hütte, welche eine Cuncos-Indianerin12 bewohnte. Das Weib knieete mit ihren Kindern um ein Feuer in der Mitte der Hütte, ohne Zweifel um sich zu räuchern, denn außen war eine tüchtige Hitze und man bedurfte wahrlich keines Feuers, um sich zu erwärmen.

Ich dachte an den Besuch Reineckes in der Höhle der Meerkatze,

»Welch ein Nest voll süßlicher Thiere, größer und kleiner!

Und die Mutter dabei, ich dachte es wäre der Teufel.«

und redete die Frau zwar nicht als »Frau Muhme« sondern mit Sanoritta an, um etwas zu essen zu erhalten, aber es war nichts zu bekommen als Milch. Ich habe selbst dort den Abscheu vor diesem Getränke nicht überwinden können, tauchte das Stückchen Zwieback, welches ich bei mir hatte, in's Wasser eines unweit fließenden zweiten Flusses und überließ die Milch den Gefährten, welche sich mittlerweile zu uns gefunden hatten. Nach einiger Ruhe setzten wir unsern Weg um die Bai fort. Bald waren wir gezwungen, abermals mittelst eines Baumstammes über den zweiten Fluß zu setzen, allein hier ging dies leichter, denn der Stamm hatte noch einen Theil seiner Aeste und war theilweise mit überhangendem Gebüsche umgeben, so daß man sich im Nothfalle anhalten konnte. Wir bestiegen kurz darauf eine kleine Anhöhe, und da dort eine Lichtung war, sahen wir unser Boot in einiger Entfernung liegen, leider im buchstäblichen Sinne des Wortes, nämlich auf der Seite und etwa zweihundert Schritte vom Wasser entfernt. Wir erriethen sogleich, was sich später bestätigte. Die beiden Matrosen, nicht wissend, daß das Wasser der Bai dort sehr seicht war, legten sich zur Ruhe und schlummerten sanft im benachbarten Gebüsche, während sich die See bescheiden zurückzog, und das Boot, wenn nicht auf dem Trockenen, doch wenigstens auf schlammigem Grunde zurückließ.

Während wir nun beschlossen abwärts zu gehen und jene Stelle zu besuchen, kamen wir immer dichter und verworrener in's Gebüsche, so daß wir endlich blos auf Laub und Aesten fußten. Mir fiel auf, daß Fricke, der uns vorschritt, langsamer als sonst ging, ja selbst bisweilen die Haltbarkeit eines Astes prüfte, doch dachte ich an nichts Arges, als ich zufällig abwärts blickte und einen Sonnenstrahl sah, der nicht zu, sondern etwa 30 Fuß tief unter meinen Füßen die Erde beschien. Wir gingen zwischen den Aesten hindurch, wie, da mir eben kein poetischer Vergleich einfällt, wie Mäuse, welche durch einen Wellenhaufen schlüpfen, aber auch mit eben so wenig Gefahr für uns wie für jene, denn ein Hinabstürzen war kaum denkbar. Wir erreichten endlich den Boden und bald die Stelle, wo das Boot lag. Da nach Fricke's Aussage die Fluth erst gegen neun Uhr des Abends so gestiegen sein konnte, daß an ein Flottwerden zu denken war, blieb das Fahrzeug an der Stelle, wo es gegenwärtig lag, man schnitt deshalb Hebel und wälzte es allmälig seewärts. Wir hatten das Segel aus dem Boote genommen, und um gegen die Sonnenhitze einigermaßen Schutz zu haben, uns von demselben eine Art Zelt construirt. Die Gewehre aber hatten wir dafür in's Boot gelegt um freier zu sein, im Falle wir etwa später noch eine Strecke durch das Wasser waten mußten. Zudem hatten wir kaum noch Schießbedarf, da die Schnepfen uns des Morgens viel Pulver und Blei gekostet hatten.

Schon einige Tage vorher hatte uns Fricke erzählt, daß eine Puma ihm Besuch abgestattet habe. Sie war durch eine Lücke in den unteren Raum des Hauses gestiegen und hatte dort befindliche Fleischvorräthe geraubt. Fricke hatte Abrede mit seinen beiden indianischen Knechten genommen, was im Wiederholungsfalle zu thun sei, obgleich er nicht glaubte, daß das Raubthier so bald wiederkehren würde; allein schon des andern Tages hörte er während der Nacht verdächtiges Geräusch. Das Gemach, in welches die Puma eingestiegen war, hatte nur ein einziges Fenster. An dieses, so hatte man verabredet, sollten mit einer in Bereitschaft stehenden verdeckten Laterne sich die beiden Knechte schleichen, und in demselben Augenblicke, in welchem Fricke die Thüre aufstoßen würde, die Laterne von außen auf das Fenster setzen. Die Puma, glaubte man, würde nicht wagen, durch das beleuchtete Fenster zu springen und Fricke würde jedenfalls einige Augenblicke Zeit haben, dieselbe mit seinem Doppelgewehre zu tödten.

9Enicognathus leptorhynchus, Gray.Psittacus rectirostris, King.
10Hymenophyllum Bibraianum. J. W. Sturm und Blechnum acumiratum. J. W. Sturm.
11Wir hatten verschiedenen Schiffsbedarf von der Victoria geholt und die Zollbedienten waren fünf Minuten später an Bord, um Alles wieder zu confisciren, und überdem sollten wir Strafe zahlen. Es stellte sich später heraus, daß wir nicht im Unrecht waren, wir erhielten das Vorzüglichste jener Gegenstände wieder, und es mag sich vielleicht getroffen haben, daß ich einigen Theil an dieser günstigen Wendung der Angelegenheit nahm. Das Wie indessen ist zu umständlich, um hier näher entwickelt werden zu können.
12Cuncos-Indianer werden die Indianer genannt, welche in Valdivia unter den Chilenen leben. Sie nähren sich, wie man zu sagen pflegt, friedlich, und sind selbst halb und halb Christen, wenigstens vorläufig getauft.