Za darmo

Reise in Südamerika. Zweiter Band.

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Der Jäger und ich richteten uns ein grobes Tuch, in welchem ein Theil der mitgebrachten Vorräthe eingeschlagen waren, zum Zelte zu, welches zwar nur etwa den Kopf und einen Theil des Leibes bedeckte, und vorne und hinten geöffnet war, indessen doch in Etwas gegen den fallenden Thau schützte. Wir hatten von Santjago Nägel mitgenommen, welche in einige Bäume geschlagen wurden und zum Aufhängen der Instrumente, des Barometers, Thermometers und Hygrometers, der Waffen und anderen Utensilien dienten, und so war unsere einfache Einrichtung bald vollendet.

Aehnlich wie in der Stadt wurde auch hier die Zeit eingetheilt, indem ein Tag zum Sammeln, Jagen und Beobachten, der andere zum Präpariren und Ordnen des Erworbenen bestimmt wurde. Bisweilen zusammen, meist aber vereinzelt, oder von einem der Knechte begleitet, unternahmen wir unsere Streifzüge, von welchen wir manchmal bei Zeiten, oft aber erst spät in der Nacht heimkehrten, denn wir hatten die Umgegend bald so kennen gelernt, daß an kein Verirren mehr zu denken war.

Große Gelehrte, so wie auch andere Reisende haben die Cordillera geschildert und die mächtigen Eindrücke, welche sie auf den Besuchenden hervorbringt, und ich glaube nicht, daß je einer derselben zu viel gesagt hat von der Großartigkeit jener Massen. Der Charakter des wild Pittoresken ist zwar stets der vorherrschende, aber in so unendlich vielen Abstufungen und häufig in so rascher Abwechslung, daß eben wie mir dünkt, hierin einer der größten Reize jenes mächtigen Gebirges liegt. Das Gebirge steigt fortwährend terassenförmig in die Höhe. Man steht auf einer solchen Terasse und vor uns steigt eine mit Firnschnee allenthalben bedeckte Felswand an, die man unbedingt für den höchsten Punkt der Umgebung halten muß. Endlich ist es gelungen, nicht ohne Gefahr einen Ausweg zu finden, man klettert an steilen Felsen, man geht über tiefe, hart gefrorene Schneemassen, welche glücklicherweise eine Schlucht ausfüllen, und der Fels, der anfänglich immer höher zu werden scheint, je höher man klimmt, ist endlich erstiegen. Man ist auf einer Ebene, wo sich kaum Schnee befindet, ja wo vielleicht selbst hie und da eine einzelne Saxi fraga am Gesteine wuchert. Aber in einiger Entfernung steigt eine neue Felswand empor, mächtiger als die vorige und spottend jedem Versuche, sie zu ersteigen. Ist aber bei einer oder der andern dies vielleicht doch gelungen, so wiederholt sich oben das Schauspiel und man sieht, daß in einer unzähligen Menge solcher Riesenstufen das Gebirge anwärts steigt. Häufig ist auf solchen Ebenen der lachendste Sonnenschein und eine fast drückende Hitze, aber vom Rande des Plateaus blickt man in ein Wolkenmeer, welches unterhalb sich ausbreitet und aus welchem in der Sonne glänzend, nur einzelne schneebedeckte Spitzen hervorragen. Plötzlich, man weiß nicht wie, denn nicht der leiseste Luftzug regt sich, sind die Wolken fast sämmtlich verschwunden, und nur in einer schwarzen kraterartigen Vertiefung mit steil abwärts fallenden Wänden, ist eine dichte Masse derselben geblieben. Ohne Zweifel sind solche Bildungen, die ich mehrfach getroffen, ausgebrannte Krater, oder wenigstens solche, die sich in tausendjähriger Ruhe befinden. Man wartet, um von oben herab gemächlich in's Innere des zu unsern Füßen liegenden vulkanischen Kessels blicken zu können, bis die Wolken auch aus ihm verschwunden sind, aber plötzlich gerathen dieselben in eine wallende Bewegung, sie erheben sich, breiten sich aus und man ist rasch und ehe man es vermuthet, selbst in eine Nebelschicht eingehüllt, so daß man kaum auf einige Schritte zu sehen vermag.

Schwer wäre in solchen Fällen der Rückweg zu finden, weilten jene Wolkenschichten lange auf ein- und derselben Stelle, aber rasch wie sie gekommen, verschwinden sie auch wieder. –

Einen eigenthümlichen Eindruck machen die oft mehrere Stunden langen Felsenthäler, die bald mehr erweitert, bald aber so enge geschlossen sind, daß ihre Sohle kaum zwanzig Schritte Breite hat. Während oben auf den Felskämmen, welche die Thalwände bilden, eine freundliche Sonne ruht, ja, erlaubt es der Stand derselben, Sonnenblicke oft bis in's Thal reichen, so ist nicht selten die Schlucht durch eine dichte Wolkenmasse geschlossen, welche Stunden lang an ein und derselben Stelle verweilt, bis sie sich gänzlich vertheilt oder verschwindet und ein doleritischer Kegel vor uns steht, der halb mit Gletschereis bedeckt ist, welches das tiefe Schwarz des Gesteins noch mehr hervorhebt. Aus solchen doleritischen oder basaltischen Kegelbergen brechen stets Quellen hervor, oder stürzen sich von den schneeigen Wänden derselben herab, wie denn wohl überhaupt die meisten dieser wild und tief gefurchten Thäler heftigen Wasserströmungen früherer Zeit ihren Ursprung verdanken mögen.

Auch der Proceß der Verwitterung hat an manchen Stellen stattgefunden und theilweise eine eigene Erscheinung hervorgerufen. Größere, häufig von der Sonne getroffene, bald wieder von ziehenden Wolken berührte Flächen nicht ganz abschüssiger Felswände, sind mit verwittertem und zersetztem Gerölle bedeckt. Durch eigenthümliche plattenförmige Spaltung mancher Gesteine hat das von oben herab kommende Wasser des gethauten Schnees sich hier bisweilen gefangen, aus den verwitterten Felsarten ist Erde geworden, stets befeuchtet durch nachsickerndes Wasser und so sind grünende Oasen entstanden unweit der Grenze des Schnees, und mitten auf einer kahlen und sonst allenthalben mit Gesteinfragmenten bedeckten Fläche. Eine mannshohe, gelb blühende ginsterartige Pflanze, eine Colletia, die Fabiana imbricata und einige Berberis-Arten bilden dort meist die Vegetation in dem sonst nicht selten sumpfigen Grunde.

Während man aber längere Zeit in einer der geschilderten Schluchten gewandert, oder eine Felswand erstiegen hat, um von einer zweiten oder dritten sich den weiteren Weg versperrt zu sehen und schon die Hoffnung aufgegeben hat, für den Tag etwas weiteres als Felsmassen, Wolken und Schnee zu sehen, biegt man um die Ecke eines Felsens, und bleibt plötzlich überrascht und entzückt stehen vor der prachtvollsten Fernsicht die sich bietet. Weit weg über das herrliche Chile bis an die Küste des Meeres schweift der Blick, nur begrenzt durch den tiefblauen Himmel der über jenem gesegneten Lande lacht. Auf eine prachtvolle Weise wird aber das in der Sonne glänzende Flachland gehoben durch die schwarzen Felsenmassen des Vordergrundes und die Gletschermassen, zwischen welchen hindurch sich jene Fernsicht öffnet. Der Mangel der Lichtperspektive, von dem ich schon vorher gesprochen, kömmt dem landschaftlichen Bilde hier unendlich zu statten, und man möchte fast sagen, daß bei der Großartigkeit des Ganzen die Natur hier keiner beschönenden Tinten bedürfe.

Der unbegreifliche und fast erschütternde Zauber, der für manche Gemüther in einer erhabenen und reizenden Fernsicht liegt, ist es aber nicht allein, was in jenen Bergen so mächtig das Herz erhebt, es ist das wohlthätige Gefühl absoluter Einsamkeit und Abgeschlossenheit, das Bewußtsein unbedingter persönlicher Freiheit und das Fernsein aller störenden Einflüsse, aller menschlichen Kleinlichkeit und Lüge. Ich habe mich dort sicherer und fröhlicher gefühlt, als irgendwo, freilich ohne daran zu denken, daß man auch auf der Spitze der Anden getäuscht und betrogen werden kann, wenn gleichwohl nur par distance.

Auf diese landschaftlichen Skizzen mag mit wenigen Worten der geognostischen Verhältnisse gedacht werden, und eines kleinen Theils der Gesteine, welche jene malerischen Massen bilden. Es ist unmöglich, ein klares Bild zu geben von dem geognostischen Charakter des von mir besuchten Theils der Cordillera, weil es unmöglich ist, ein solches aufzufassen in der kurzen Zeit meines Dortseins.

Im Allgemeinen muß ich wiederholen, was ich schon früher ausgesprochen, daß das Ganze den Eindruck macht einer unendlichen Menge der verschiedenartigsten Formen von Porphyren, Doleriten, Dioriten, Melaphyr und Trachyt-Gebilden nebst allen Verwandten ihres Stammes, welche wild über- und durcheinander aus der Tiefe empor geschoben worden sind, sich theilweise durchdrungen haben, theilweise wieder zusammen gestürzt, oder durch furchtbare Erschütterungen gespalten worden sind, während aus diesen Spalten neue Massen hervor drangen, welche stellenweise wieder ein ähnliches Schicksal erlitten. Granitisches Gestein, bisweilen verändert, manchmal aber vollkommen normal, steht hie und da an, offenbar gehoben von den vulkanischen Formen, öfter aber auch eingeschlossen in dieselben, losgerissen von unten und mit emporgetragen. Allgemeine weiter verbreitete Hebungen und Senkungen, bedingt durch den Vulkanismus der Tiefe, und kolossale Einstürzungen in Folge dieser, vermehren noch den Typus großartiger Verworrenheit in der Cordillera.

Häufig habe ich basaltische Breccie getroffen und will eine solche wirklich prachtvolle Felsparthie schildern, welche ich häufig besuchte, da sie nicht sehr weit vom Lager entfernt lag, und in ihrer Nähe, unweit des ewigen Schnees, Colibri zu schießen waren.

Eine ziemlich steil ansteigende Wand aus grau-rothem Dolerite, welche sich aber mehrfach in terassenartige Plateaus abflacht, und vollkommen gut erstiegen werden kann, bildet auf ihrer Höhe ein zweites Plateau, eine zweite Felsparthie, die vollständig mauerartig ansteigt, so daß sie kaum an einigen Stellen zu erklimmen ist, und selbst dort nur auf eine kurze Strecke.

Jene Felsenmassen gleichen, von einiger Entfernung aus gesehen, vollständig den Ruinen eines alten Schlosses, und die Tendenz des Gesteins, sich in größeren Parthien säulenförmig abzusondern, wodurch thurmartige Formen hervortreten, erhöht noch jene Aehnlichkeit. Der untere Theil dieser Felsmassen, welche einen bedeutenden Umfang haben, und wenigstens eine halbe Stunde Längen-Erstreckung, besteht aus Basalt, welcher indessen Olivinfrei ist. Auf diesem Basalte liegt, scheinbar aufgelagert, eine basaltische Breccie, in einer wechselnden Mächtigkeit von 80, 100, an manchen Stellen wohl 200 Fuß. Diese Breccie hat ein verwittertes, tuffartiges Ansehen. Sie besteht aus scharfkantigen Basalt-Fragmenten von sehr verschiedener Größe, und aus einem verwitterten Feldspathe, wohl Albit. Neben diesen Bestandtheilen, welche die Hauptmasse des Gesteins bilden, liegen noch hie und da andere Einmengungen von Felsarten zerstreut, welche indessen kaum zu bestimmen sind.

 

Das Cement scheint selbst wieder aus einem Gemenge von höchst kleinen und innig verbundenen Feldspath- und Basalttheilen zu bestehen. Nicht weit von dessen Bildung steht eine stark hervorgeschobene groteske Basalt-Masse, la casa de Dios meines poetischen Carlos. Jene Breccien-Masse habe ich Reinholdstein geheißen, und der Name wurde von meinen Chilenen sogleich angenommen und gebraucht, wenn es sich z. B. um die Bezeichnung einer Zusammenkunft handelte, aber schwer verstümmelt in der Aussprache. –

Hoch oben auf dem Gebirge, wo schon zwanzig bis dreißig Fuß hoher fester Firnschnee lag, habe ich eine Moräne getroffen, welche ein wahres mineralogisches und geognostisches Kabinet der Umgegend bildete; diese Moräne war indessen noch ziemlich weit vorgeschoben in die jetzt nicht mehr mit immerwährendem Schnee bedeckte Region und gab Zeugschaft von der Richtigkeit der Theorien, die unsere Geognosten aufgestellt haben. Ich fragte den einen der Knechte, wie diese Menge von Steinen wohl dorthin gekommen sei, und er gab mir zur Antwort: »das thut der Schnee!« Mit Vergnügen habe ich im fernen Lande und aus dem Munde eines einfachen Mannes die Bestätigung der Ansichten unserer Gelehrten gehört. Veränderungen der Form im größeren Maßstabe kommen gegenwärtig auf der Cordillera nicht mehr vor. Daß aber in der Nähe der thätigen Vulkane alles das stattfindet, was sich unter ähnlichen Verhältnissen anderwärts ereignet, Einstürzen alter Krater, Emporhebung neuer, mächtiger Lavaströme u. s. w. versteht sich von selbst, und ebenso braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Schluchten und Thäler durch abwärts strömende Wassermassen fortwährend, wenn auch langsam erweitert werden. Auch die Erdbeben tragen zu kleinen Veränderungen das Ihrige bei. Häufig finden sich in den Schluchten große abgeschliffene fast glänzend polirte Blöcke der verschiedenen Gesteine des Gebirgs. Aber nicht selten liegen mitten unter ihnen scharfkantig und höchstens an einigen Stellen mit Anzeichen der Verwitterung versehen, Felsentrümmer, welche unmöglich wie die ersteren vom Wasser dorthin geführt worden sein können. Ich hatte das Vergnügen durch den Augenschein hierüber belehrt zu werden. Eines Morgens, während der Jäger und ich noch auf unseren Fellen lagen, wurden wir plötzlich ziemlich fühlbar geschüttelt, und zugleich hörten wir den, bei jedem Chilenen unerläßlichen Ruf unserer Knechte »il tiembla.« Es war ein nicht unbedeutender Erdstoß, der, wie alle derartigen Erschütterungen, im Flachlande stärker gefühlt wurde als auf dem hohen Gebirge, und unten auch, wie wir später erfuhren, an einigen Orten Schaden gestiftet hatte. Aber während des Stoßes, der etwa 5 bis 6 Sekunden anhielt, rollten Steine von nicht unbeträchtlicher Größe in's Thal, welche wohl durch frühere ähnliche Vorgänge gelockert und allmählig abgelöst, jetzt vollkommen losgerissen waren. Daher nun die scharfkantigen Felsfragmente in den Sohlen der Thäler und bisweilen auch auf den Plateaus, wohin sie von einer höher stehenden Terrasse aus gestürzt sind. Die zu Zeiten ansteigenden Wasser, welche die meisten dieser Schluchten durchströmen, führen einen Theil dieser Felsstücke wieder mit sich hinweg, um sie vielleicht weiter unten mehr oder weniger abgerundet abzusetzen, wohl auch später als Flußgerölle gänzlich der Cordillera zu entführen, wenn eben ihre Wassermasse stärker und anhaltender angeschwollen.

Schluchten und enge Thäler, welche nicht von Wasser durchflossen sind, werden oft auf eine nicht zu ermittelnde Tiefe mit solchen Fragmenten angefüllt getroffen, doch hat durch theilweise Verwitterung abgelöstes Gestein auch hier das Seinige beigetragen. –

Der Jagdfreund wird sich denken können, mit welchem Vergnügen ich meine Jagdzüge auf der Cordillera vollführt, da dort doppeltes Interesse im Spiel war, ganz abgesehen von dem alten Jagdteufel früherer Zeit, der, ich leugne es nicht, doch auch dort wieder ein wenig erwachte. Aber jedes erlegte Thier wurde mir, dem Naturforscher dort zum Exemplar, während es abgebalgt im Lager von Jose Maria als Wildpret in Empfang genommen wurde, war seine Eßbarkeit nur halbwegs zu vermuthen.

Häufig war der kleine zierliche Colibri, Trochilus leucopleurus, der Gegenstand meiner Mordlust. Rücken und Flügel des Thierchens sind graugrün, mit Metallglanz und die Kehle des Männchens ist prachtvoll goldgrün gefärbt, während das Weibchen etwas bescheidenere Farben trägt. In jenen bereits erwähnten Oasen schwärmt dieser Colibri um die Blüthen und kann so geschossen werden, wenn man sich ihm vorsichtig nähert, doch ist er ziemlich scheu und fliegt so schnell, daß man sein Schwirren von einer Blume zur andern kaum mit den Augen verfolgen kann. Zudem ist das erlegte Vögelchen schwer zu finden, da es bisweilen in den sumpfigen Grund des Bodens fällt, nicht selten aber auch in den Zweigen hängen bleibt an Stellen, wo man es am wenigsten vermuthet. Blos auf den höchsten Gegenden der Anden, ich weiß indessen nicht in welcher Verbreitung gegen Nord und Süd, wird dieser Colibri unweit der Schneegrenze getroffen. Der Trochilus Sephanoides hingegen kömmt blos im Flachlande vor und nie in den Bergen.

Auch der große in Chile sich findende Trochilus gigas, der fast die Größe einer Hausschwalbe hat, wird ebenfalls in der Cordillera getroffen, doch mehr noch in den Schluchten, als ganz oben in der Nähe des Schnees. Alle diese Colibri leben von ganz kleinen Insekten, welche sie mit der Zunge aus den Blüthenknospen ziehen, und ihr Magen ist stets mit denselben angefüllt. Zufällig wird hiebei denn auch Blüthenstaub eingeschluckt, weshalb man wohl geglaubt hat, daß sie vom Blumenstaub lebten. Ich habe indessen in ihren Eingeweiden Zucker nachgewiesen.

Ich will nach diesem kleinsten der Vögel sogleich des größten in Chile lebenden, des Condor, erwähnen, der nur auf den höchsten Regionen der Anden gefunden wird. Er soll zwar auch auf der Küsten-Cordillera vorkommen, allein ich bezweifle dies bedeutend. Ich habe nie dieses Thier dort gefunden, und so oft ich Nachricht erhielt, daß da oder dort sich ein Condor aufhielte, fand ich, wenn ich zum Schusse kam, oder das Thier schon kannte, stets, daß es andere Geier waren.

Es braucht das Thier, welches man gegenwärtig in jeder halbweg bedeutenden Naturaliensammlung sehen kann, nicht näher beschrieben zu werden, und man kann sich dort überzeugen, daß die Sagen, welche man über seine Stärke und Größe verbreitet hat, großenteils in's Reich der Fabel gehören. Kaum wird ein ausgewachsener Condor mehr als 15 Fuß Flugweite haben. Indessen thun sie den Viehherden dadurch Schaden, daß sie den Kühen, welche oben Kälber geboren, dieselben rauben; auch verfolgen sie vereinzelte jüngere Rinder. Es haben mir Landleute, welche die Cordillera und ihre Thierwelt genau kannten, versichert, daß die Condore solche Thiere einschließen und dann vereint den Angriff machen, indem sie theils nach den Augen ihres Opfers hauen, vorzüglich es aber im Rücken anfallen, es zu verwunden suchen, und ihm dann die Eingeweide aus dem Leibe ziehen. Ein krankes, oder vielleicht durch einen Sturz verwundetes Thier wird aber unbedingt ihre Beute, sei es auch noch so stark.

Legt man die Eingeweide eines getödteten Thieres an irgend einer Stelle nieder, so kann man gewöhnlich versichert sein, mehrere dieser Riesengeier zum Schusse zu bekommen; ein derartiger Versuch mit dem Ausbruche eines getödteten Guanaco mißlang uns indessen. Meist in bedeutender Höhe, selbst über den höchsten Gipfeln des Gebirges schwebend, zieht der Condor bisweilen doch seine Kreise auch tiefer. Man kann sich denken, mit welchem Vergnügen ich den ersten mir auf diese Weise näher kommen sah. Sie scheinen in solchen Fällen den unter ihnen am Boden umherkriechenden Herrn der Schöpfung vollständig zu ignoriren, kommen und entfernen sich wieder, ohne auf uns die mindeste Rücksicht zu nehmen. Ich schoß in einer Entfernung von etwa 30 Schritten auf den ersten, welcher sich mir so genähert hatte, und das zwar mit einer guten Ladung des stärksten Hagels. Es ist auch für einen wenig geübten Schützen kaum möglich bei der großen Flugweite des Vogels denselben zu fehlen. Ich hörte trotz der kurzen Entfernung die Schrote am Gefieder des Vogels anschlagen, derselbe stieß einige zornige Schreie aus, schwenkte den Hals und senkte sich rasch einige Schritte abwärts, als wolle er auf mich stoßen. Ich hatte im zweiten Laufe Vogeldunst, um vorkommenden Falles kleinere Vögel zu schießen. Eine Kugel in den Lauf rollen zu lassen, wäre es zu spät gewesen, so blieb mir nichts anderes übrig als das Thier in nächster Nähe zu erwarten, wo dann auf schuhweite Entfernung auch der andere Lauf wirksam gewesen sein würde. Aber der Condor hielt es doch für besser, das Weite zu suchen und entfernte sich gravitätisch. Dieses Stoßen auf den Schützen zu, und die bezeichneten Aeußerungen des Aergers habe ich meist an diesen Thieren bemerkt, wenn ich später ohne sie ihres dichten Gefieders halber zu verwunden, mit Hagel nach ihnen schoß.

Des ersten, den ich mit einer Kugel verwundete, wurde ich nicht habhaft. Ich lag hoch oben auf dem Gebirge hinter einem Felsblocke versteckt, um vielleicht einen Guanaco erlauern zu können, welche dort wechselten, als ich ohne vorher etwas gesehen zu haben, das ganz eigenthümliche Schwirren hörte, welches der mächtige Flügelschlag jener Thiere hervorbringt und welches schwer zu beschreiben ist. Aufblickend sah ich den Condor langsam vorüberschweben, kaum 30 Schritte hoch, den Hals gesenkt und offenbar mich genau beobachtend. Ich hatte eine gute Kugel im Rohr, und anschlagen und feuern war das Werk eines Augenblicks. Der Vogel überschlug sich in der Luft und stürzte in schiefer Richtung zu Boden, woselbst er auf den Füßen stehend in eigenthümlicher Bewegung Hals und Kopf schwang. Ich rannte, soll ich es gestehen, in toller Lust auf ihn zu, mich seiner zu bemächtigen, indem ich ein gutes, wenn gleich etwas schwerklingiges Jagdmesser führend, den Condor nicht fürchtete. Aber als ich näher kam, wendete er sich und ergriff rasch laufend die Flucht, jetzt blieb ich stehen und schoß zum zweitenmal mit starkem Hagel nach ihm, aber obgleich man auf solche Weise stark befiederte Vögel leichter tödtet, weil die Federn geringeren Widerstand leisten, und ich zugleich sicher war, nicht gefehlt zu haben, so hatte doch mein Schuß keine weitere Folge als die Flucht des Thieres zu beschleunigen, welches mit ausgespannten Flügeln laufend, am Rande des Plateau zu fliegen begann und mir das Nachsehen ließ. Er schwebte über niederer stehende Felsen hinweg, und stürzte dann endlich in eine entfernte Schlucht, jedenfalls verendet, aber für mich nicht mehr zu erreichen, da ich sicher vier Stunden bedurft hätte, um bis in die Schlucht zu gelangen, ohne die Gewißheit zu haben, das Thier zu finden.

Das Exemplar, welches ich mit nach Deutschland brachte, schoß ich in einer bedeutenden Entfernung ebenfalls mit einer Kugel. Es stürzte momentan und blieb auf einem Felsenvorsprung liegen, wo ich seiner mit leichter Mühe habhaft werden konnte.

Später hatte ich Gelegenheit mich von der außerordentlichen Schärfe des Auges dieser Thiere zu überzeugen. Ich trug eine rothe Schärpe, wie es dort im Lande gebräuchlich, diese befestigte ich einstens an meiner Jagdtasche, legte dieselbe auf einen Felsen und versteckte mich in die Nähe, indem ich mit einer Schnur die Vorrichtung bisweilen in Bewegung setzte, so daß das Ganze das Aussehen eines blutenden zuckenden Thiers hatte. Obgleich anfänglich kein Condor zu sehen war, schwebten doch bald einige, nur wie schwarze Punkte sichtbar, ober mir, und kamen dann, Kreise betreibend, näher. Aber nur kurze Zeit bedurften sie um zu unterscheiden, daß kein wirklicher Köder oder kein Thier sich unter ihnen befand und keiner näherte sich weiter als auf etwa 5 bis 600 Schritte, um sich hierauf wieder zu entfernen.

Unter den Jagden auf Vogelwild war für die Küche die ergiebigste jene auf eine wilde Taube, Chamae pelia melanura Reichenb., welche unserer Turteltaube sehr ähnlich ist, und am Spieße gebraten oder mit Zwiebeln und Pfeffer gedünstet eine gute Speise abgab. Ich habe diese Species nie im Flachlande von Chile getroffen, aber auf den Anden, und das zwar so weit aufwärts, als sich nur noch spärlicher Graswuchs findet, ist sie so häufig, daß wenn der Jäger und ich in Gesellschaft jagten, wir nie auf eine allein schossen, sondern es stets so einzurichten suchten, mehrere zugleich zu treffen.

 

Eine andere höchst mühsame aber deßhalb anregende und interessante Jagd war die auf eine sehr seltene, ebenfalls nur die Gebirgswasser der hohen Cordillera bewohnende Entenart, Merganetta armata. Das Thier hat an dem Flügelgelenke einen scharfen und fast dreiviertel Zoll langen Sporn. Es schwimmt rasch und selbst gegen die reißende Strömung jener Gebirgswasser und schwingt sich von Zeit zu Zeit auf aus dem Wasser hervorstehende Felsblöcke, wozu ihr die Spornen an den Flügeln behülflich sind. Längere Zeit verfolgt, taucht es unter und verschwindet. Man muß häufig die Wasser durchwaten oder überspringen, um der Ente folgen zu können, da oft die Ufer so steil werden, daß man auf der Seite, auf welcher man sich eben befindet, nicht mehr fortkommen kann, aber hat man auch die Ente auf Schußweite, was oft der Fall ist, wenn sie auf irgend einem Felsblocke ausruht, so ist es ganz nutzlos, sie hier zu schießen, indem sie in das Wasser stürzend, unbedingt für den Jäger verloren ist, und stets von der heftigen Strömung mit abwärts gerissen wird. Man muß ihr deßhalb so lange folgen, bis sie sich freiwillig erhebt und über eine größere Felsenplatte oder das Ufer hinwegfliegt und beim Stürzen auf festen Grund fällt. Ich habe blos ein Exemplar dieser Ente mit nach Europa gebracht. –

Andere Entenarten und verschiedene kleinere Vögel wurden eben so in mehr oder minder großer Anzahl erlegt. Ich erwähne z. B. der Muscisaxicola maculirostris, ein kleiner in der Färbung lerchenähnlicher Vogel. Er ist, ehe man seine Art und Weise kennt, schwer zu beschleichen, indem er sehr rasch fliegt und sich auf die Spitze eines kleinen Strauches niederläßt, aber nach einigen Sekunden verschwindet. Geht man an den Strauch, so ist der Vogel nirgends zu finden, denn wahrscheinlich um Insekten zu haschen, schlüpft er rasch von Zweig zu Zweig auf die Erde, läuft auf derselben durch das Gras verborgen fort, und erhebt sich dann, um auf einen andern Strauch fliegend, dasselbe Spiel zu wiederholen.

Häufig und in Zügen von etlichen Hundert zusammenlebend, aber auch nur auf den höheren Theilen des Gebirges, findet sich die Chrysomitris xanthomelaena Reichenb., eine neue von mir zuerst nach Europa gebrachte Art, glänzend schwarz und hochgelb gefärbt und in der Größe eines Zeisigs.

Auch der schon früher erwähnte und allenthalben in Chile anzutreffende Tapaculo und el Turco leben auf der Cordillera. Ersterer hat seinen Namen deßhalb erhalten, weil er stets mit hoch aufgerichteten Schwanzfedern einherläuft, denn Tapaculo heißt wörtlich: Bedecke deinen Steiß. Beide Vögel gewähren eine treffliche Speise, und ihr Fleisch kommt jenem des Haselhuhns sehr nahe. Auch Thinocorus Orbignianos, eine große Wachtelart, und paarweise nur dicht an der Schneegränze lebend, war ein schätzbares Wildpret.

Es fehlte uns, wie man sieht, nicht an frischem Vogelwild, und abgesehen von dem Interesse des Naturforschers und selbst der Nothwendigkeit, Material für unsere Küche beizuschaffen, bestand auch zwischen dem Jäger und mir eine Art Wettstreit, wer, jagten wir getrennt, des Abends am meisten heimbrachte. Die Knechte waren stets auf meiner Seite, und sahen es als eine Gunst an, wenn ich einen derselben, meist Carlos, mit mir nahm. –

Von Säugethieren bewohnen nur wenige Arten die hohe Cordillera, wie denn Chile überhaupt arm an denselben ist.

Der Cordillera-Fuchs, Canis Azarae, soll dort häufig vorkommen, aber ich habe nur ein einziges Exemplar erlegt. Oefters aber fanden sich des Morgens Fährten derselben um unser Lager, die Füchse umkreisten es, ohne Zweifel angezogen von dem Geruche der Speisen und der geschossenen Vögel. Der Cordillera-Fuchs ist etwas größer als der unsrige und ein wenig heller, in's Grau spielend. Aber sein Benehmen und seine Lebensweise gleicht ganz der des deutschen. Eben so vorsichtig, liebenswürdig und geschmeidig wie diese, sprang jener, den ich belauerte, von Stein zu Stein und drehte sich mit derselben Gewandtheit zur Flucht, als er plötzlich meiner ansichtig wurde. Ja, es gleichen sich alle Füchse, tragen auch nicht alle »rothe Bärte.«

Auch die Felis concolor, der sogenannte amerikanische Löwe, wird in der Cordillera getroffen. Als wir einstens schon bei vollkommener Dunkelheit von der Guanaco-Jagd heimkehrten, fanden wir das Feuer fast abgebrannt, die Speisen beinahe eingekocht, und Jose Maria verschwunden. Wir waren ängstlich, allein da auf Rufen und einige Signalschüsse keine Antwort erfolgte, warteten wir in Geduld das Weitere ab. Später erschien er mit den Pferden. Er hatte unfern des Lagers eine Löwenfährte gefunden, und war gegangen die Pferde einzufangen, um sie in der Nähe desselben zu versorgen.

Etwa gegen ein Uhr in der Nacht begann der Hund, den wir bei uns hatten, unruhig zu werden und zu knurren. Es war Mondschein, doch in der Thalschlucht ziemlich dunkel. Ich bedeutete durch Zeichen den Jäger nach der einen Seite der Schlucht hin aufmerksam zu sein, wand rasch meine Binde mir um den Leib, steckte meinen Dolch in dieselbe und kroch mit meiner Doppelflinte bewaffnet nach der Stelle zu, nach welcher hin der Hund Laute gegeben hatte. Stille und lautlos war ich, meiner Idee nach »indianerartig«, auf diese Weise etwa zwanzig Schritte weit in ziemlich hohem Grase vorwärts gekommen, als ich plötzlich ein leises Geräusch zu hören glaubte. Mein Herz pochte. Alle Indicien eines heftigen Jagdfiebers waren vorhanden! Ich nahm mir vor, der Puma »auf's Blatt zu halten,« um den Schädel nicht zu verderben. Da sah ich plötzlich im schwachen Strahle des Mondes, und etwa zehn Schritte von mir entfernt, zwei blitzende Augen, die mich anstarrten, wie ich sie. Aber unter den Augen war nicht der Rachen eines Löwen, sondern ein blitzendes Messer zwischen den Zähnen eines menschlichen, ziemlich braunen Antlitzes festgehalten. Indianer!

Wenn ich in Kapiteln schriebe – welch eine herrliche Gelegenheit hier ein frisches zu beginnen! Einfach im Texte forterzählend aber muß ich berichten, daß jene Augen Carlos gehörten, der durch den Hund geweckt, ohne von mir zu wissen, denselben Streifzug wie ich unternommen hatte. Er hob lautlos den Finger mit demselben die Richtung bezeichnend, ich nickte, und wieder im Grase untertauchend, setzten wir unsere Wanderung fort.

Der günstige Leser entschuldige, daß Alles blinder Lärm gewesen, wenigstens sahen wir nichts und krochen vom Thaue bis auf die Haut durchnäßt, wozu bei unserm Anzug nicht viel gehörte, in unsere Pelze zurück.

Es mochte vielleicht die Puma gewesen sein, vielleicht aber auch nur Füchse, welche das Lager umschwärmt hatten. Bessere Resultate erzielten wir auf der Guanaco-Jagd. Der Jäger berichtete eines Tages Eines geschossen zu haben, welches aber, schwer verwundet in eine unzugängliche Schlucht gestürzt sei. Zwar zogen hinter seinem Rücken die Knechte schauderhafte Fratzen, welche Zweifel und Unglaube beurkundeten. Aber es wurde doch beschlossen, des andern Tags eine große Jagd auf diese Thiere zu veranstalten.

Die Expedition wurde zu Pferde unternommen, einmal weil, wie die Knechte und selbst der Jäger sagten, es zu gefährlich sei jene Stellen zu Fuße zu besteigen, zweitens aber, weil wir ohne Pferde schwerlich in einem Tage hin- und zurückgekommen wären.

Ich will nicht wieder jene verwünschten Pfade beschreiben, welche wir zu reiten hatten, um den Jagdplatz zu erreichen. Es war jener schon vorher geschilderte Felskamm, die Mauer mit Stufen in erhöhter Potenz, aber dabei oft so steil aufwärts gehend, daß die Pferde sich häufig zu besinnen schienen, ob sie anklimmen, oder sich rücklings überschlagen sollten. Wir hatten fast vier Stunden zu reiten, bis wir auf dem gewünschten Platz angelangt waren.