Za darmo

Reise in Südamerika. Zweiter Band.

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ein alter, aber heute noch wie früher bestehender Gebrauch findet beim Abendläuten statt. Mit dem ersten Schlage der Abendglocke ruhen auf einige Augenblicke alle Geschäfte. Der Arbeiter läßt den Hammer sinken, die Näherin die Nadel, und das bereits erhobene Glas, welches der Durstige zu den Lippen führen will, wird niedergesetzt. Jedermann verstummt, auf den Straßen steht jeder Fußgänger stille, und Reiter so wie Wagen halten an. Mancher murmelt wohl einige kurze betende Worte, und die Senoritas bekreuzen sich. Aber nach einigen Momenten tritt wieder die lebhafteste Bewegung ein. Man ruft jetzt auf den Straßen dem Nebenumstehenden einen freundlichen guten Abend zu, mag man ihn kennen oder nicht, und geht dann seine Wege. Mag man diese Sitte recht altväterisch oder »abergläubisch« finden, mir hat sie gefallen. Sie ist eine Form, aber eine achtende gegen das Göttliche, eine wohlwollende gegen den Nebenmenschen. Eine andere Sitte (die Bezeichnung paßt nicht recht, aber ich weiß keine andere) ist so eigenthümlich, zugleich aber so charakteristisch, daß ich sie nicht übergehen kann, obgleich sie manchem meiner Leser wohl kaum glaublich erscheinen dürfte.

Jenes räthselhafte und doch leicht erklärliche Kind der tollsten Ehe, die je geschlossen wurde, die Eifersucht, ein Sprößling des Hasses und der Liebe, existirt auch in Lima.

So wie allenthalben, auch dort, und sonder Zweifel höchst irriger Weise, glauben bisweilen eigenthümliche Ehemänner, daß die Senorita irgend einem Caballero mehr Aufmerksamkeit schenkt, als eben nöthig oder zuträglich für den künftigen Frieden des Hauses ist. Hie und da wollen solche verblendete Männer selbst mit eigenen Augen solche Aufmerksamkeiten gesehen haben.

Man weiß, daß in manchen Familien in Europa bisweilen ärgerliche Geschichten entstehen durch solche optische Täuschungen. Nicht so unter jenem glücklichen Himmel. Es bestehen dort eigene Bußklöster für solche Fälle, bewohnt blos von alten ergrauten Nonnen und beaufsichtigt nur von einem sehr alten, allgemein würdig anerkannten Priester.

In ein solches begiebt sich, auf energisches Anrathen des scheinbar beleidigten Ehemannes, die Senorita, und stellt dort Buß- und Betübungen an, fastet und kasteit sich vielleicht mit Maaß und Ziel, ohne Zweifel aber hinlänglich und genügend, denn nach Verlauf von vierzehn Tagen oder drei Wochen verläßt sie in aller Augen vollständig entsündigt, das Kloster.

Und sie ist wirklich entsündigt, denn Jedermann hat den etwa bekannt gewordenen Skandal vergessen, oder betrachtet ihn wenigstens als ungeschehen. Die Verwandten der Frau, der Mann und seine Angehörige, holen die Weißgekleidete und köstlich Geschmückte an der Pforte des Klosters ab, und führen sie zurück in das ebenfalls verzierte Haus, wo gleichsam eine zweite Hochzeitfeier statt findet.

Vielleicht mag es dort in der ersten Schäferstunde mancher Frau gelingen, den Mann von ihrem erlittenen Unrecht zu überzeugen, dies vermuthe ich, nicht genau weiß ich wie oft diese Entsündigung mit genügendem Erfolge vorgenommen werden kann; ganz klar aber ist mir, daß derselben sich in Europa unübersteigliche Hindernisse entgegenstellen würden, selbst in den gläubigsten Ländern dieses alten halsstarrigen Welttheils. Mit Vergnügen aber füge ich bei, theils vielleicht als einen Beweis der großen Milde und Nachsicht der Frauen, theils auch als einen solchen für das solide Benehmen der Männer, daß ähnliche Buß- und Entsündigungs-Anstalten für Letztere in Lima nicht bestehen.

Große Autoritäten haben für viele Theile von Peru umfassende Berichte abgestattet, in Hinsicht auf meteorologische und klimatische Verhältnisse. Die wenigen und unzusammenhängenden Versuche zu veröffentlichen, welche ich in Lima und Callao angestellt habe, verlohnt sich daher auf keinen Fall der Mühe.

Es mag nur im Allgemeinen bemerkt werden, daß die Temperatur keine so hohe ist als man den Breitegraden nach glauben sollte. Es mag + 23° R. bis + 24° R. im Schatten für die erste Hälfte des Monat März angenommen werden, als höchster Stand während des Mittags. Ich kann übrigens nicht sagen, daß die Nächte besonders erfrischend gewesen wären, und in der Stadt wenigstens stand das Thermometer in den Straßen nicht unter + 20°, in den Stuben aber wohl höher. Mein ganzes Leben hindurch wollte ich diese Hitze ertragen, vielleicht auch ein paar Grade höher, wäre es eben nöthig.

Die Nebel, welche sich schon in Bolivien des Abends auf den Bergen zeigen, treten in Lima und noch weiter in das Land hinein, ebenfalls auf, und zwar häufiger und verbreiteter. Sie erscheinen namentlich angeblich bei Mondwechsel, und sind während des Winters, vom Mai bis November täglich, indem sie mit dem Westwinde des Morgens erscheinen, Mittags verschwinden, aber des Abends mit dem stets auftretenden Südostwinde, wiederkehren. Ueber den unfern der Stadt liegenden Amancas und den Bartholomäus-Bergen schwebten auch während meiner Anwesenheit in Lima fast immer Nebel und Wolkenschichten, und im Hafen von Callao zeigte sich dieselbe Erscheinung.

Da es selten, ja fast nie regnet, so bedingen die Nebel ohne Zweifel die Fruchtbarkeit, welche in den meisten Bezirken von Peru herrscht.

Vielleicht in Folge dieser Nebel treten in Lima häufige Wechselfieber auf und zwar besonders im März und April und im September und Oktober. Auch Katarrhe und katarrhalische Fieber, so wie Lungenleiden, sind dort nicht selten, doch mag das Klima von Lima im Allgemeinen als ein sehr gesundes bezeichnet werden und man trifft dort Greise aus allen Ständen, welche das höchste Alter erreichen.

XIV.
Von Peru nach Europa

Am 14. März des Nachmittags drei Uhr gingen wir bei flauem Winde in die See. – Es war eine lange Reise, die wir vor uns hatten, und es hält schwer für eine solche die Zeit der Ankunft genau im Voraus zu bestimmen. Man hatte in besonders günstigen Fällen Hamburg von Peru aus schon in 85 Tagen erreicht, aber man hatte auch schon 150 Tage gebraucht und mehr, denn Kap Horn ist zu passiren, und Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich dort die Gelegenheit gestaltet32.

In solchen Fällen giebt man sich der besten Hoffnung hin, arbeitet so viel man kann gegen das Schlimme, und erträgt das Unvermeidliche mit stoischer Ruhe.

Wir hatten indeß alle Aussicht, eine gute Reise zu bekommen. Der Dockenhuden war ein neues und gut segelndes Schiff, der Kapitain ein tüchtiger und wohl erfahrener Seemann, eben so waren die Steuerleute, von welchen nach unserer Ankunft der Obersteuermann ebenfalls ein Schiff bekam, und die Matrosen, gewandte und kräftige Leute mit dem besten Willen von der Welt.

Schon oben habe ich mich über das Verhältniß zwischen Kapitain und Passagier ausgesprochen, und brauche daher kaum zu wiederholen, daß fortwährende Mißhelligkeiten zwischen beiden das Leben am Bord zu einer wahren Hölle machen. Aber mit desto größerem Vergnügen und mit aufrichtigem Herzen spreche ich hier aus, daß sowohl während der früheren Fahrten, welche ich mit Kapitain Meyer an der Küste unternommen, als auch auf der Fahrt, welche wir jetzt begannen, nie eine Störung in unserem guten Vernehmen stattgefunden hat. Lobend und dankend muß ich besonders anerkennen, welchen Vorschub mir derselbe bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten geleistet. Ich bin auf dem Dockenhuden nicht nur auf jede eigenthümliche Erscheinung aufmerksam gemacht worden, welche sich auf See oder am Himmel zeigte, sondern es wurden mir, erlaubte es nur halbweg der Gang des Schiffes, auch Alles aufgefischt und zugebracht, was von Seethieren nur irgendwie zu erreichen war. Da mir überdies, mit Ausnahme der Zeit, wo die Schiffrechnungen vorgenommen wurden, fast den ganzen Tag hindurch der Tisch in der Kajüte zur Verfügung frei stand, so hatte ich überflüssigen Raum, alle meine Arbeiten ungehindert vornehmen zu können, und war so im Stande, später im atlantischen Ocean eine ganze Reihe von mikroskopischen Zeichnungen zu entwerfen, welche mir in Bezug auf das Leuchten der See, wie auch in Hinsicht auf die Quallen, von großer Wichtigkeit waren, wenn sie auch großentheils nur als Privatstudien zu betrachten sind.

Fast alle Kapitaine der deutschen Handelschiffe sind gute und erprobte Seeleute, sie haben von unten auf gedient, und kaum wird einer ein Schiff erhalten, der nicht tüchtig befähigt ist; aber sicher haben eine weit geringere Anzahl den Takt, ihren Passagieren, ohne sich etwas zu vergeben, das Leben am Bord angenehm zu machen. Kapitain Meyer hatte hiezu den Willen und die Befähigung. Es ist dies nicht mein Urtheil allein, gebildete Passagiere, welche früher mit ihm gereist sind, haben dasselbe gefällt und aus vielfachen kleinen Anekdoten, welche ich von der Mannschaft des Dockenhuden ganz unbefangen erzählen hörte, sind mir sichere und zuverlässige Beweise genug geworden, daß Auswanderer aus allen Klassen und von sehr verschiedenem Bildungsgrade, welche mit ihm reisten, sich eben so lobend ausgesprochen haben.

Vielleicht am rechten Orte mag hier beigefügt werden, daß die Ausrüstung der Schiffe für Auswanderer von Godefroy in Hamburg alles Lob verdient. So will ich nur einfach bemerken, daß wir auf der ganzen Reise stets reichliches frisches und gutes Wasser hatten, da wir eiserne Wasserbehälter führten. Wer längere Zeit zur See war, wird dies gehörig zu schätzen wissen. Auch die übrige Verpflegung war genügend und gut. Derjenige aber, welcher frische Austern und Fasanen zu speisen wünscht, thut ohne Zweifel besser, zu Hause zu bleiben als auf See dergleichen zu suchen.

 

Es ist für den Reisenden auf See höchst nothwendig, sich eine bestimmte Beschäftigung zu schaffen. Die grenzenloseste Langweile und Mißbehagen an Allem und Jedem, ist die unausbleibliche Folge des Müssiggangs, und auf See in verdoppeltem Maßstabe als am Lande.

Ich habe mir in dieser Beziehung keine Vorwürfe zu machen, und habe, so lange das Wetter oder besser das Klima es erlaubte, stets gearbeitet. Vorzugsweise beschäftigte ich mich mit spanischen Studien, und habe namentlich Vieles vom Spanischen in's Deutsche übersetzt. Zur Zeit hingegen, wo die Fauna der See sich mehrte, war ich fast den ganzen Tag hindurch mit Untersuchung aufgefischter Thiere beschäftigt und mit Zeichnen derselben. Zugleich wurde täglich viermal der Barometerstand33 verzeichnet, einmal die Temperatur des Wassers, und dreimal jene der Luft genommen. Aber ich gestehe, daß auch ohne seekrank zu sein, und selbst ohne das mindeste Unwohlsein zu spüren, man sich dennoch zwingen muß, eine wissenschaftliche Arbeit zu unternehmen, wenn die See hoch geht, und das Schiff sich stark bewegt. Unzweifelhaft ist dieses Gefühl der Arbeitsscheu bedingt durch eine Verstimmung der Magennerven, und Aehnliches wird am Lande ebenfalls getroffen, dort aber mehr durch zu langes Sitzen als durch zu starke Bewegung

»Perser nennen's Bidamay baden,

Deutsche sagen Katzenjammer.«

Der Abend wurde dem Spiele gewidmet, ohne Zweifel auf die unschuldigste Weise, Kapitain Meyer und ich lagen nämlich dann mit Eifer dem edlen Sechs und Sechszig ob. Wir spielten umsonst, mit einem und demselben Spiele Karten, von Peru bis Europa, und Niemand mag daher behaupten, daß irgend eine Verschwendung, oder ein sträflicher Luxus bei dieser harmlosen Unterhaltung stattgefunden habe. Und dennoch, ich gestehe es, fehlte mir Etwas, unterbrach ein Zufall jenes Spiel, und ich ärgerte mich, wenn ich verlor, was häufig der Fall war.

Der Rest des Abends wurde in den Breitegegenden, wo es das Wetter erlaubte, auf Deck zugebracht, und dort habe ich nicht selten die Rolle des »Märchen-Erzählers« vertreten und Dichtung und Wahrheit gegeben aus meinem und Anderer Leben. So rasch aber als möglich will ich das stille Meer durcheilen, um an Kap Horn vorüber in den atlantischen Ocean und über diesen nach dem Ziele der Reise zu gelangen, und nur einzelne Notizen mögen Platz finden aus meinem Tagebuche, um den Leser nicht über die Gebühr zu ermüden.

Der Anfang der Reise zeichnete sich nicht durch besonders günstigen Wind aus; wir hatten theils Stille oder waren gezwungen, mehr als nöthig gewesen wäre, nach Westen zu gehen. Dabei hatten wir des Morgens meist Nebel oder Regen, und der Hygrometerstand war 50 ja 62' bis zum 22° südl. Breite, dann nahm aber die Feuchtigkeit der Luft ab, und begann erst gegen Kap Horn zu allmälig wieder zu steigen, doch giebt die beigefügte Tabelle das Nähere, und immerhin bezeichnend, wenn auch blos von relativem Werth.

Unter 15° 30' sahen wir einen Tropikvogel34 in einer Entfernung von etwa 200 Stunden vom Lande. Er umzog in weiten Kreisen das Schiff und bot einen zierlichen Anblick mit seinen wohl anderthalb Fuß langen Schwanzfedern. Der Vogel ist weiß, mit rothem Schnabel und hat die Größe einer starken Taube. Da er sich nicht auf Schußweite näherte, waren wir gezwungen, ihm freundliche Grüße in sein Heimathland mitzugeben. Im entgegengesetzten Falle wäre er weniger gastlich begrüßt worden, denn ich trug starkes Verlangen, ihn abzubalgen. Ich habe zu jener Zeit zuerst genauer beobachtet, wie der Sturmvogel, der so häufig auf allen Meeren getroffen wird, über die Wellen läuft. Das kleine Thierchen, in Größe und Färbung einer Schwalbe sehr ähnlich, fliegt nämlich dicht über dem Spiegel des Wassers, indem es unaufhörlich mit einem seiner, mit Schwimmhaut versehenen Füße, die Wellen tritt, ohne Zweifel um sich den Flug zu erleichtern. Dieses Auftreten geschieht indessen stets mit dem auf der Leeseite befindlichen Fuße, d. h. wenn der Wind von Rechts kömmt tritt der Vogel mit dem linken Fuß und umgekehrt. Es scheint hiedurch ein doppelter Zweck erreicht zu werden, indem einmal das Thierchen sich gewissermaßen dem Winde entgegenstemmt und zugleich leichter die vom Winde geglättete Seite der Welle erreicht als die entgegengesetzte.

Ich habe etwa von 20 zu 20 Breitegraden Seewasser geschöpft und in wohl gereinigten und gut gekorkten Flaschen mit nach Hause genommen, um es dort einer chemischen Untersuchung zu unterwerfen. Die Resultate dieser Analysen sind bereits veröffentlicht worden35, aber ich will hier ein Verfahren angeben, welches wir anwendeten, um aus größerer Tiefe Seewasser zu erhalten. Ich weiß nicht, ob dies Verfahren allgemein bekannt, mir aber wurde es von Kapitain Meyer mitgetheilt. Es ist nöthig, daß bei dem Versuche ganz vollständige Windstille herrscht. Man verkorkt mit einem festen Pfropf so dicht als möglich eine starke Flasche und senkt dieselbe mit einem schweren Bleiloth versehen, rasch in die Tiefe. Nach Verlauf von kaum einer halben Minute zieht man, so schnell es geschehen kann, die Flasche wieder aufwärts und findet die letztere durch den Kork hindurch vollständig gefüllt, und diesen, selbst wenn er auch vorher über den Hals der Flasche hervorragte, dennoch meist etwa einen halben Zoll weit eingedrückt. Der Druck der oben befindlichen Wasserschichten preßt durch die Poren des Korks hindurch das Wasser, und die niedere Temperatur des auf solche Art geschöpften Wassers zeigt, daß die Flasche zum größten Theile sich in der Tiefe gefüllt haben muß. Ist nicht vollständige Windstille, so wird von den sich fortbewegenden Schiffen die Flasche in schiefer Richtung nachgeschleift und die Tiefe, in welcher sie sich gefüllt hat, kann natürlich nicht ermittelt werden.

Wir hatten am 27. März unter 25° 11' südlicher Breite und 93° 24' Länge an der Oberfläche des Wassers eine Temperatur von + 18.9 R. gefunden, nach dem eben beschriebenen Verfahren fand sich in einer Tiefe von 70 Faden (etwa 420 Fuß), eine Temperatur von + 16.5 R., also eine Abnahme von 2.4 Graden. Das specifische Gewicht des Wassers an der Oberfläche war 1.0260, in der Tiefe 1.0264. Die Bestandtheile aber dieselben.

In diesen Tagen und auch noch später wurden Tintenfische und Quallen aufgefischt und Kapitain Müller und ich bemühten uns zugleich eines Haies habhaft zu werden, welcher aber hartnäckig die Angel verweigerte. Der Quallen gedenke ich weiter unten, wo ich überhaupt einige Worte über dieselben sprechen werde, den Hai aber fertigte ich, als er seine Rückenflosse koquettirend über dem Wasser zeigte, mit einer Kugel ab, die gut sitzen mochte, denn der Bursche machte einige wüthende Sprünge und verschwand. Selbst vor dem mildesten Herzen mag die der Hyäne des Meeres geschickte Kugel gerechtfertigt werden, weniger gut aber werde ich vor einem Anti-Thierquäler bestehen, wenn ich erzähle, daß ich nach einem Wallfische geschossen habe, einem zarten Jüngling von nur etwa dreißig Fuß Länge, der auf 40 bis 50 Schritte von Bord vorüberzog. Das Thier sprang hoch auf, so daß es fast auf der Spitze des Schwanzes zu stehen schien, überschlug sich dann und ging in die Tiefe. Ich glaube nicht, daß sie, mit der Harpune getroffen, sich eben so toll geberden, und vermuthe, daß die Kugel edle Theil getroffen haben muß.

Bereits auf der Höhe von Valparaiso fingen die Wellen an häufig über Bord zu schlagen, zugleich aber kamen wir bei gutem Winde wacker vorwärts. Der Skylight wurde jetzt mit dem Glassturze versehen und alle Oeffnungen und Ritzen mit getheertem Werg verstopft. Zugleich aber vermehrte sich die Gesellschaft in der Kajüte. Mein einziges noch lebendes Chinchilla nahm in meiner Koje Platz, deßgleichen wurden meine zwei kleinen Papageien aus Peru, und ein großer, wunderschöner roth und grün gefärbter Papagei, den ich in Valparaiso bekommen hatte, um ihn mit nach Hamburg zu bringen, in der Kajüte aufgehängt. Auch das Guanaco des Kapitains leistete uns Gesellschaft. Ich habe nicht leicht ein eigensinnigeres und widerwärtigeres Thier gesehen, als eben dieses Guanaco. Alles benagend was eben nicht Nahrungsmittel war, verschmähte es später Kresse und Salat, welche wir in ein wenig Erde gesäet und mühsam für dasselbe gezogen hatten. Die wollenen Hemden der Matrosen hingegen zernagte es hartnäckig und unverbesserlich aller Orten, wo es ihrer habhaft werden konnte, so daß, wenn ein Matrose irgendwo mit beiden Händen bei der Arbeit beschäftigt war, er sicher sein konnte, von dem Thiere gezupft zu werden. Gegen mich schien es übel gesinnt zu sein. Indessen kann ich nicht läugnen, daß ich mir auch bisweilen die Freiheit nahm, es ein wenig zu ärgern. Ich durfte zu diesem Behufe dasselbe nur mit einem Auge schielend ansehen, während ich das andere zudrückte. Es suchte nun zu beißen, drehte sich wohl auch um und schlug wacker aus, und spuckte zuletzt den Gegenstand seines Hasses an. Diese letzte Zornesäußerung habe ich bei zwei Guanacos, welche sich bei einer Menagerie in Deutschland befanden, ebenfalls gesehen.

Ein heiterer Geselle aber war der junge Philipp, ein liebenswürdiger, langschwänziger Affe, der in Lima an Bord gekommen war, um ebenfalls nach Hamburg zu reisen. Man hatte denselben meiner speciellen Aufsicht anvertraut, und so war ich denn endlich, nachdem ich schon Schiffsarzt und Supercargo gewesen, noch zum Range eines Affenhofmeisters befördert. Wie alle Thiere am Borde leicht zahm werden, da man sich viel mit ihnen abgibt, und sie sich stets in nächster Nähe des Menschen befinden, so entwickelte auch Philipp merkwürdige Fortschritte in Bildung und Kultur, und ich habe, ernsthaft gesprochen, oft gestaunt über die Beweise von Ueberlegung, welche dieses Thier gegeben hat. –

Bald begann jetzt das schlimme Wetter. Wechselnd eisige Regen und Sturm. Jeden Augenblick gab es Arbeit auf Deck, Kürzen der Segel oder ähnliche Dinge. Der Skylight wird mit einem hölzernen Gehäuse verdeckt und in der Kajüte herrscht Grauen und Dunkelheit. Die Seeleute speisen Grütze und Syrup, was unbedingt noch grauenhafter, die beiden Passagiere aber, Kapitain Müller und ich, machen die Probe, wie viel Stunden des Tages der Mensch zu schlafen vermag. Ich habe dort Perioden gehabt, in welchen ich sicher 18 Stunden durchschlafen habe. Aber ich habe auch gewacht und üble Stunden gehabt. Auf Deck Regen, Sturm und jeden Augenblick Seen über Bord, unten kalt und finster. So bin ich nicht selten in meinen Mantel gehüllt, in meiner Koje gesessen, umgeben von Finsterniß, frierend und mich kümmernd und härmend über die Heimath, denn dort fiel mir's schwer auf's Herz, daß ich während anderthalb Jahren keinen Brief erhalten und keine Nachricht. Allein es ist eben einmal nicht anders bei Kap Horn!

Auf der See war wenig zu sehen. Am 11. April unter 44° 49' Breite beobachtete ich des Morgens bei Aufgang der Sonne jene Spiegelung der Sonnenstrahlen am entgegengesetzten Horizonte, welche ich schon früher beschrieben, so klar und deutlich, daß, während die Sonne im Osten aufging, eine zweite im Westen unterzugehen schien. Gleich darauf aber bewölkte sich der Himmel wieder und es regnete den ganzen Tag.

Albatrosse und Kapische Tauben, die Staffage Kap Horns und seiner Umgebung, fehlten indessen nicht, und wurden geangelt und abgebalgt, so gut es eben ging, auch schwarz und weiße Delphine zogen am 15ten 53° 13' südl. Breite am Bord vorüber.

Wie man aus der Tabelle ersieht, welche die Länge und Breite bezeichnet, kamen wir aber rasch vorwärts, wir überholten am 15. ein englisches Schiff und passirten am 18. Diego Ramirez unter 56° 32' südl. Breite. So hatte ich das Glück, die beiden berüchtigten Südspitzen Amerika's zu sehen, und dort war die Sonne so artig, auf etwa eine halbe Stunde nothdürftig die Nebel zu zerstreuen, so daß ich die Felseninsel von verschiedenen Seiten aufzeichnen konnte.

 

Unwirthlich genug stehen sie dort, jene schwarzen Kegelberge, umtobt von ewiger Brandung, schneebedeckt auf den Gipfeln und ohne alle Zeichen von Vegetation. Aber doch immer Land und ein Anderes als jene Wasserwüste, die länger als einen Monat schon uns umgab. Ein Raubvogel umkreiste die Insel, stieg dann ziemlich hoch und verfolgte das Schiff. Wacker Sturmvögel schmausend, welche sich fangen ließen, als müsse es so sein, begleitete er uns so weit, daß uns, und ohne Zweifel auch ihm, die Felsen außer Sicht kamen, denn plötzlich stieg er hoch auf, entfernte sich eine Strecke vom Schiff, kehrte aber bald wieder und ließ sich wie vorher, als er seine Beute verzehrte, auf dem Tauwerke nieder. Ich habe weiter oben bereits einmal von den Schwalben berichtet, welche trotz dem, daß sie so bedeutende Wanderungen machen, dennoch auf einige Stunden Entfernung das Land nicht mehr zu finden wußten, und es war mit unserm Raubvogel derselbe Fall. Vollständig entmuthigt wich er nicht mehr vom Schiffe, und es begann jetzt eine eigenthümliche Jagd, indem einige Matrosen aufwärts gingen, um ihn zu fangen, der Vogel aber stets nur einen oder zwei Fuß weiter zu rücken, oder sich auf eine andere Raa zu setzen brauchte, um wieder einige Zeit gesichert zu sein. Man gab endlich die Verfolgung auf, aber nach Einbruch der Dunkelheit hörten wir in der Kajüte plötzlich ein klägliches Geschrei, und der Untersteuermann brachte den Gefangenen. Er hatte sich die Stelle gemerkt, wo er im Schlafe Platz genommen. Es war Falco peregrinus. Er wurde des andern Tags abgebalgt und gewissermaßen das Vergeltungsrecht geübt, indem die Seevögel mit seinem Fleische gefüttert wurden.

Da wir keinen günstigen Wind hatten, mußten wir längere Zeit östlichen Cours halten, und die Temperatur war stets noch keine erfreuliche zu nennen, stieg sie gleich um etliche Grade; dabei fortwährend Sturm, Nebel und Regen. Auch bei dieser Umschiffung von Kap Horn fanden wir nur wenig Tang, und nur hie und da wurden kleine Stücke auf See treibend gesehen. Indessen begleiteten uns fast täglich Delphine von sehr verschiedener Größe und Färbung; so sahen wir schwarze mit weißem Bauche, ganz weiße und weiße mit schwarzen Flecken auf dem Rücken. Erlaubten es die Umstände, so wurde Jagd auf sie gemacht, aber mit demselben ungünstigen Erfolge wie früher, indem die harpunirten Thiere stets verloren gingen, wenn man sie über Bord holen wollte.

Endlich schien sich die »Gelegenheit« denn doch in etwas bessern zu wollen, wir kamen vorwärts und es wurde mithin auch allenthalben wärmer und behaglicher. In der Kajüte wurde Licht, und die paradiesischen Zustände in derselben modificirten sich, indem Philipp eine eigene Koje auf Deck bezog, und auch das Guanaco wieder dorthin versetzt wurde. Der große grüne Papagei indessen war bei Kap Horn gestorben, und auch unter meinen andern Thieren richtete der Tod arge Verwüstungen an, zwei Schlangen aus Chile, mehrere Eidechsen aus der Algodonbai, Scorpionen und eine große Vogelspinne (Mygale) erlagen zu meiner Bekümmerniß. Nur die zwei kleinen Papageien aus Peru überstanden glücklich die schlechte Zeit, und geberdeten sich wie unsinnig, als sie zuerst wieder auf Deck, in Luft, Licht und Sonne gebracht wurden. Wir sahen in jener Zeit ziemlich häufig Wallfische, so begegnete uns am 5. Mai unter 36° 6' südl. Breite und 28° 46' Länge ein wenigstens 70 Fuß messendes Thier. Der Wasserstrahl, welchen dasselbe auswarf, war sicher 30 Fuß hoch, und ich beneidete die Ruhe, mit welcher es an uns vorüberzog. Ueberhaupt scheinen die Wallfische nur wenig Notiz von den Schiffen zu nehmen. Am 8. Mai kam ein sicher 60 Fuß langes Thier so nahe an Bord, daß die Entfernung kaum 15 Schritte betrug. Es kreuzte unsern Cours und blieb still liegen als wir uns ihm näherten, als wolle es uns vorüber passiren lassen. Natürlich eilte Alles an Bord auf die Backbordseite, wo das Thier lag, und da wir eben langsam segelten, so konnten wir dasselbe mit der größten Bequemlichkeit beobachten. An der rechten Seite hatte es eine Verletzung, indem die Haut etwa in Länge und Breite von 10 Zoll abgeschunden war, für einen Wallfisch freilich nur ein kleiner Hautriß. Als das Schiff fast vorüber gesegelt war, beschleunigte er seine Bewegung und tauchte plötzlich unter Wasser, indem er unter dem Bugspriet hinwegging, noch eine kurze Zeit gesehen wurde, und dann verschwand. Indem so das riesenhafte Thier durch das Meerwasser eine tiefe dunkelblaue Farbe annahm, gewährte es wirklich einen prachtvollen Anblick. Am 13. Mai, 21° südl. Breite, kam der erste fliegende Fisch auf Deck, und in der Nacht beobachtete ich zugleich zum erstenmale wieder das Leuchten der See, schwach zwar, aber mir immer eine erfreuliche Erscheinung. Weniger erfreulich war eine heftige Boe, welche sich so rasch erhob, daß man alle Hände voll zu thun hatte, die Segel zu bergen. Die See geberdete sich, kurz nachdem dies geschehen, ganz verrückt, warf unsinnige Wellen und schleuderte das Schiff auf jämmerliche Weise nach allen Seiten. In höheren Breitegegenden blieb ich bei ähnlichen Ereignissen friedlich im Bette liegen, ja ich schlief meistens, denn da mich die Sache Nichts anging, da ich nicht zu arbeiten oder zu sorgen hatte, bewahrte ich meine vollständige Ruhe, und kümmerte mich wenig um den Höllenlärm, den häufig Wind und Wellen vollführten. Daß etwas Unangenehmes passiren würde, dachte ich nicht, und wäre es wirklich passirt – je nun, es ertrinkt sich ohne Zweifel gleich unangenehm oben, wie unten. Hier aber, bei einer wirklich angenehmen Temperatur von + 19° oder 20° R., setzte ich mich auf den Hühnerkasten und sah, meine Cigarre rauchend, die Sache mit an. Eine unsinnige Woge nach der andern wälzte sich einher, tobend und krachend auf Deck schlagend oder gegen die Seiten des Schiffes, als wolle sie alles zertrümmern. Da krachte es plötzlich am Bugspriet. Der Klüver war zum Teufel gegangen, d. h. eine Welle hatte den vordersten, wohl über anderthalb Fuß dicken Mast zersplittert, den großen und kleinen Klüverbaum sammt den entsprechenden Segeln in die See geworfen und das Vorstengstagsegel flatterte in großer Bedrängniß in der Luft.

Mit innerem Wohlbehagen habe ich immer bei solchen Gelegenheiten die Seeleute beobachtet. Dort zeigen sie sich als Männer im ächten Sinne des Worts, ruhig, muthig, unerschrocken, und ihre Pflicht erfüllend mit einem Eifer, der Bewunderung erweckt. Jeder sucht das kleinste Stückchen Tau zu erhalten für das Schiff, als wäre es Tausende werth und scheint nicht im Mindesten zu beachten, ob er selbst dabei über Bord gehen könne oder nicht. Während man beschäftigt war, einen Theil des über Bord gegangenen Tauwerkes wieder auf Deck zu holen, saß ich ruhig auf meinem Hühnerkasten, getreu meinem Grundsatze, bei solchen Gelegenheiten auf See nie zu fragen, und keine Verwunderung, kein Erstaunen zu äußern. Als mir einer der Matrosen im Vorübergehen sagte: »der Klüver ist flöten, Herr Doctor!« nickte ich mit dem Kopfe und brummte bejahend: »Hm!« Doch denke ich noch heute an den Lärm der Elemente, welcher in jener Nacht stattfand.

Nachdem wir uns innerhalb der Wendekreise befanden, begann für mich ein neues und thätiges Leben. Die See belebte sich, und während bei Tage buntfarbig und glänzend Quallen aller Ordnungen an Bord vorüber zogen, trat des Nachts das Leuchten der See mehr und mehr in der Pracht auf, in welcher ich es schon früher geschildert habe. Zu jener Zeit habe ich des Tags hindurch die gefangenen Individuen gezeichnet und Versuche mit ihnen angestellt, während ich halbe Nächte hindurch auf Deck beschäftigt war, das Leuchten der See zu beobachten und namentlich die kleinen Individuen, meist Entomostraca, herauszufischen, welche, dem unbewaffneten Auge kaum sichtbar, dennoch auf kurze Zeit ein ziemlich großes Gefäß mit Wasser leuchten machen können. Ich zweifle nicht, daß ich manches Neue dort gefunden und auf den 26 Tafeln, welche ich dort gezeichnet, fixirt habe, aber dennoch sind meine Erfahrungen kaum mittheilbar, und nur für mich selbst als bildend und belehrend zu betrachten. Zu wenig erfahren auf diesem Felde der Zoologie, würde ich längst Bekanntes ohne Zweifel häufig als Neues berichten, vielleicht aber würde manches Neue, was ich gesehen habe, als eine Unrichtigkeit betrachtet werden. So will ich also nur wenige kurze Notizen folgen lassen.

Ich habe z. B. bei Quallen von etwa 6 Zoll Länge ein Organ gefunden, welches sich regelmäßig ausdehnte und zusammenzog, und von welchem Gefäße ausgingen. Ich habe es für ein Herz gehalten, aber ich bin aus der mir zu Gebote stehenden Literatur nicht klar geworden, ob man bei den Quallen irgend etwas überhaupt für ein Herz halten darf. Auch bei kleineren Quallen fand ich dasselbe Organ mit Dyastole und Systole. Die Individuen, bei welchen ich dieses fragliche Herz und überhaupt noch mehrere andere, bei verschiedenen Arten dennoch sehr übereinstimmende Gefäße fand, bestanden aus einer Röhre mit unten anstehender Seitenröhre und die besprochenen Organe oder Gefäße lagen in den Wendungen, welche die größere der Röhren bildeten.

32Ein guter Wind wird von den deutschen Seeleuten häufig eine gute Gelegenheit genannt.
33Ich lasse am Schlusse diese Tabellen ausführlich folgen, da sie vielleicht nicht ganz ohne Nutzen, wenn gleich nur von einem »organischen Chemiker« beobachtet sind.
34Phaeton aethereus.
35Liebig und Wöhler, Annalen der Chemie. N. R. B. I. Seite 90.