Za darmo

Reise in Südamerika. Zweiter Band.

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So schlürft man behaglich einige Gläser Fresco, die nebenher gesagt, aus Eiswasser30 besteht, gewürzt, je nach Wunsch des Consumenten, mit fast allen Früchten die Peru bietet, und verläßt gegen 10 Uhr die Plaza. In den Familien beginnt jetzt erst das eigentliche Leben, man empfängt Besuche, musicirt oder spielt. Der Fremdling aber geht in's Hotel und sucht sein einsames Lager. Er denkt über die Versuchungen nach, denen er auf der Plaza glücklich entgangen und preist seine Tugend, – aber, er bedarf ihrer noch ferner! Im Gasthofe, auf den dunklen, oder wenigstens nur halb beleuchteten Gängen, die zu seiner Schlafstube führen, schwärmen Gestalten flüsternd und lockend. Sie mehren und mehren sich! Führt man Robert auf? Soll er in der Kirchhof-Scene debütiren? Aber glücklich der erfahrene Mann! Die Senoritas tragen Jasmin-Kränze, und er hat vor einer halben Stunde auf der Plaza erfahren, was diese bedeuten. So gewinnt er sein Zimmer und verschließt seine Thüre, klopft man, so ruft er einfach no quiro, und nachdem er zehn- oder zwölfmal an stets neue Klopfgeister diese Zauberformel gerufen, kann er sich ruhig zu Bette legen mit dem Kranze der Unschuld, statt mit dem von Jasmin geschmückt, und eine willkommene Speise für Tausende von Flöhen, welche jetzt wie wüthend über ihn herfallen, und gegen welche weder Tugend noch kölnisches Wasser, weder Essigsäure noch männliche Festigkeit und Salmiakgeist hilft.

Beiläufig so wie eben geschildert, war mein erster Abend in Lima, auf und nach der Plaza.

Den folgenden Tag lief ich in der Stadt umher, planlos in Hinsicht auf die zu verfolgende Richtung, indessen in der Absicht, ein, wenn auch nur oberflächliches Bild derselben und ihrer Bewohner zu erhalten. Erinnern gleich die kuppelförmigen Dächer der Kirchen, ihre eigenthümlichen Portale und ganze Bauart, so wie die Balkons der Privatwohnungen stets den Beschauer daran, daß er sich in einem fremden Lande befindet, so haben doch wieder die gangbarsten Straßen viel europäisches. Man sieht allenthalben glänzende Buden, in welchen die Industrie-Gegenstände Deutschlands, Englands und Frankreichs ausgeboten werden und Restaurationen, so viel als möglich in gleichem Sinne eingerichtet, finden sich häufig.

Es herrscht ein reges Leben auf diesen Straßen, was bedeutend abweicht von der Ruhe, welche fast aller Orten in Santjago stattfindet, und in der That zeigen sich interessante Gestalten genug, die Stoff zur Beobachtung bieten. Fast gänzlich verschwunden ist gegenwärtig die alte Tracht, von welcher früher Reisende so vieles zu berichten wußten, und ich habe nicht viele Damen in der Saya und dem Manto gesehen. Die Saya ist ein Rock von Wolle oder Seide, welcher unten an den Füßen sich wieder verengte, so daß die Trägerin nur trippelnd gehen konnte. Der Manto ist eine Art Schleier von dickem, schwarzen Seidenzeug, welcher am Gürtel befestigt und so über den Kopf geschlagen wird, daß nur das eine, meist das linke Auge der Dame zu sehen ist. In der unten engen Saya habe ich nur noch einige ältere Frauen gesehen, während bei denen, welche noch jetzt die Saya und den Manto tragen, die erstere in malerischen, wenn gleich künstlich durch verschiedene Mittel hervorgebrachten Falten abwärts fällt.

Um die schlanke Taille noch mehr zu heben, wird das Unterkleid durch einen zweiten Gürtel in die Höhe geschoben und festgehalten, und dann über den Kopf die Saya und der daran befestigte Manto übergestürzt.

Ganz gut kann man begreifen, warum unter 12° südl. Breite sich die Damen so einhüllen, daß man blos ein Auge von ihnen sieht, denn bei vorliegenden Gründen kann man sich für jeden Unberufenen, oder wenigstens Ungewünschten, unkenntlich machen, während ein kaum sichtliches Zeichen zu dem Freunde deutlich genug spricht; aber es ist mir nie recht klar geworden, warum man die allerschwersten und wattirten Seidenzeuge zu diesen Verhüllungen angewendet hat.

Doch – wie gesagt – nur wenige Damen werden jetzt mehr in dieser Tracht gesehen, und französische Mode hat auch hier das Landeseigenthümliche verdrängt. Doch muß ich gestehen, daß immerhin noch die Damen malerisch genug und wirklich mit Zierlichkeit auch jenen französischen Tand um sich zu schlingen wissen, den sie gegenwärtig tragen. Wunderbar und unglaublich klein sind die Hände und Füße der Damen in Lima, aber mir schien es fast, als sei man wenig eitel auf diese Zierde, da sie Gemeingut.

Da ich von den Damen und ihrem Anzuge gesprochen, muß ich natürlich auch der Herren erwähnen. Gänzlich verbannt ist bei diesen, im Stadtleben wenigstens, der Poncho und die ältere Landestracht, und die Mode hat vollen Eingang gefunden. Man trägt den engen, schwarzen Frack, um die Strahlen der Sonne aufzuhalten, bindet eine Cravatte um den Hals da man bei + 24° R. sich sonst leicht erkälten könnte, und trägt den schwarzen, runden Hut um das malerische und zweckmäßige des ganzen Anzugs zu vollenden. Der theure, aber für jenes Klima so passende Strohhut kömmt dort täglich mehr aus der Mode. So die Herren. Die Männer, d. h. die Männer aus dem Volke, tragen den Poncho, leichte Schuhe und weite Beinkleider, nebst einem stets breitkrämpigen Hut, in übrigens sonst verschiedener Form. Sie haben die alte Tracht des Landes beibehalten, so wie bei uns auf dem Lande an verschiedenen Orten Deutschlands auch deutliche Spuren älterer Moden zu finden sind. Aber ob sie nicht mit heimlichem Wunsche und mit Begehrlichkeit nach den neuen Moden blicken, will ich nicht entscheiden.

So drängen sich in den Straßen von Lima in buntem Gewühle der europäisch gekleidete Modeherr und der Arbeiter mit dem Poncho. Dazwischen reitet ein Früchteverkäufer mit mächtigen Körben und Säcken zu beiden Seiten des Maulthiers. Sein Poncho ist brennend roth und seine Beinkleider von schönster Indigfarbe. Ihm folgt stolz auf einem weißen Rosse ein Neger, ein Lieblingssklave vielleicht, oder ein Freigelassener. Seine Satteldecke ist blau, sein Poncho weiß, weiß sein Hut, und ein weißer Kragen, Andeutung des zukünftigen Vatermörders, wenn er ganz Caballero geworden sein wird, dehnt sich bis an die Ohren. Der solide Neger liebt die weiße Farbe.

Mit eben nicht überflüssigen Kleidungsstücken ausgestattet, aber rittlings nach Männerart im Sattel oder wohl auch auf ungesatteltem Thiere sitzend, begegnet uns dort eine ländliche Senorita. Unter dem blau-schwarzen Haare, welches wild über die braunen Wangen hängt, blitzen zwei kohlige Augen hervor, vielleicht nach einem Sohne des Mars, der eben wohlgenährt, wie fast alle seine Kameraden, und weiß uniformirt, mit der hohen, leichten Mütze durch die Straßen schreitet. Mönche in verschiedenen Ordenskleidern, ernst, würdevoll oder demüthig, wohl nach der Regel des Ordens, durchwandern, grüßend und gegrüßt das bunte Gewühl, was vervollständiget wird durch die Fremden, die eben angekommen sind, durch die Kapitaine und Seeleute überhaupt, durch Neger und Negerinnen und Staffage der verschiedensten Art, die zu schildern der Raum verbietet.

Verläßt man die volkreichsten Straßen, so treten wohl die von ungebranntem Lehm erbauten und weiß getünchten Häuser, die an Santjago erinnern, hervor. Dort zieht sich auch, wie in den meisten Straßen der genannten Stadt, ein schmaler Kanal der Länge nach durch die Mitte des Weges, und an diesem sitzt in stoischer Ruhe der schwarze Aasgeier, der häufig sich nicht bewogen fühlt, dem vorübergehenden Herrn der Schöpfung auszuweichen, oder höchstens einen Schritt zur Seite geht. Diese Thiere haben die Reinigung der Straßen übernommen, und erfreuen sich hiefür der allgemeinen Achtung und Sicherheit. Abfälle aller Art, Aas und Unrath, werden einfach und ohne Wahl von den Bewohnern auf die Straße geworfen und mit eben so wenig Auswahl auf's Schnellste von diesen Thieren verzehrt. Der Zweck ist edel, aber die Ausführung streift häufig an's Unappetitliche.

Da Lima mit Lehmmauern umgeben ist, welche etwa 9 Fuß Höhe und 6 Fuß Breite haben, so findet nicht jener allmälige Uebergang in immer kleiner und unansehnlicher werdenden Wohnungen statt, welchen ich früher für die südamerikanischen Städte überhaupt angegeben habe. Geht man aber über die wirklich schöne Brücke, welche über den Fluß Rimac führt, so kömmt man in die Vorstadt San Lazaro, welche meist von ärmeren Leuten bewohnt und wo allerdings der eben erwähnte Typus gefunden wird.

Nach langer Wanderung durch die Straßen Lima's mag mich der Leser in die Fonda italiana begleiten, eine Restauration, wo man fast zu allen Zeiten des Tages nach der Karte speisen, aber auf Abonnement auch festen Mittagstisch nehmen kann.

Es ist ein schönes, ja vollkommen großstädtisch angelegtes Etablissement, und man speist dort ziemlich billig, wenigstens nach »Westküsten-Preisen« und in zierlich ausgestatteten Räumen. Es waren auf der Speisekarte 154 warme Speisen, 20 kalte und eben so viele Weine und Spirituosen angegeben. Wirklich zu haben waren an jenem Tage 62 warme Speisen und alle kalten, nebst den verzeichneten Weinen. Da in der Fonda italiana auf den Geschmack aller seefahrenden Nationen Rücksicht genommen war, und sich die Lieblingsgerichte einer jeden vertreten fanden, war dort auch stets ein Zusammenfluß der meisten Fremden zu finden, und nebenher zugleich auch starker Besuch von Limanern selbst. Um einen kurzen Anhaltspunkt in Betreff der Speisen zu geben, führe ich Folgendes an: Suppen verschiedener Sorten ½ bis 1 Real. Rostbeef 1 Real. Bifsteko a la parilla, (auf dem Roste gebraten) 1 Real. Bifsteko a la francesca con papas, (mit Kartoffeln) 2 Realen. Ein Viertel Huhn 2 Realen. Ein Viertel Truthuhn 2 Realen. Kalbsbraten 1 Real. Hammel- und Lammsbraten 1 Real. Lendenbraten mit Spargeln, Artischoken, Blumenkohl oder irgend einem andern Gemüse 1½ Real. Von weniger bei uns bekannten Speisen, z. B. Seefische und Krebse verschiedener Art, ähnliche Preise von 1 bis 2 Realen. Die Weine kosteten meist 1 Thaler, 4 Realen (3 fl. 42 kr.) die Flasche, so z. B. Bordeos (Bordeaux) und ferner Vino de Oporto, Madera, Jerez, Moscatel, Hermitag, de Rhin, Suterne, aber Vino de Campanna 2 Thaler. Man sieht zugleich aus dieser kleinen Weinkarte, daß die Limaner nicht schüchtern sind im Uebersetzen. Ich habe, so lange ich mich in Lima aufhielt, häufig in jener Restauration gegessen und bin wie man sich denken kann, bedacht gewesen, so viel als möglich die fremdländischen Speisen zu kosten, da ich eine süße Ahnung hatte, daß mir die deutschen Kalbsbraten und die Bratwurst meines engsten Vaterlandes, später immer noch bleiben werde. Besonders aber habe ich gesucht, die Früchte des Landes kennen zu lernen.

 

Von diesen will ich nur eine ganz eigenthümliche, sehr angenehme Frucht erwähnen, deren Namen ich leider vergessen habe. Sie hat die Größe eines Gänseeies. Der uneßbare Kern ist in Farbe und Umfang einer wilden Kastanie ähnlich, aber hart und holzartig. Aber zwischen diesem und der äußersten grünen Schale liegt das weiche eßbare Fleisch, es wird reich mit spanischem Pfeffer und etwas Salz durchwürzt auf Brod genossen und ist ohne Zweifel ein vegetabilisches Fett, oder wenn man will, eine reich mit Oel durchsetzte Pflanzenfaser. Leider war die Frucht nicht zu transportiren und die verschiedenen Exemplare, welche ich mitzunehmen versuchte, faulten sammt dem Kern bald auf der See.

Ich habe in jener Fonda italiana einen alten Spanier kennen gelernt, keinen Peruaner, denn er selbst nannte sich so, und alle Welt bezeichnete ihn nur mit dem Namen il Espanol. Ich habe von dem Alten mehrere Notizen über das frühere Verhältniß von Peru erfahren, und ich, der Fremde, war vielleicht der einzige Mensch, der seit langer Zeit ihn freundlich behandelt hatte. Er war eine Ruine aus der vergangenen Zeit, ein Geduldeter. Unter der spanischen Herrschaft war er ein reicher, begüterter Mann und allgemein geachtet. Da brach die Bewegung aus und er hielt es mit der Sache des Königs. Sie ging verloren. Einen Theil seines Vermögens hatte er seiner Partei geopfert, er hatte ihn auf die eine Seite des vaterländischen Altars gelegt. Die neue Regierung confiscirte den Rest seiner Habe, und legte ihn auf die andere Seite des bekannten Opfersteins. Er war ein Bettler und stand allein. Sein einziger Sohn war in der Revolution getödtet worden, noch ein halbes Kind, sagte der Alte, indem er sein Gesicht verbarg; ob aber für oder gegen die Sache des Vaters, habe ich nicht erfahren. Er hatte sich, nachdem Alles verloren war, verborgen, und erreichte endlich ein Schiff, in welchem er später nach Spanien flüchtete, denn dort lebten ihm Verwandte, und vor allem war dort die Regierung, der er Alles geopfert. Man würde ihn nicht sitzen lassen im Vaterlande, meinte er. Man ließ ihn auch wirklich nicht sitzen, sondern gab ihm den guten Rath, so bald wie möglich wieder zu gehen, woher er gekommen, oder auch in Gottesnamen anderswohin, aber nur fort. Wer hatte ihn geheißen, dem Dinge, welches er seine Ehre nannte, so leichtsinnig Alles zu opfern. Niemand war ihm Etwas schuldig. Ein französischer Kapitain nahm ihn aus Barmherzigkeit wieder mit nach Peru. Er hoffte, einen Theil seiner Besitzungen wieder zu erlangen, indessen vergebens. Doch kümmerte sich die Regierung, jetzt stark genug, nicht weiter um ihn, aber ein alter Bekannter borgte ihm eine kleine Summe, und er begann einen Papierhandel und hielt einen kleinen Buchladen, der ihn spärlich nährte. Aber er wußte Herrliches zu berichten von der vorigen Zeit, von der Pracht, die geherrscht und von dem Gelde, das im Ueberfluß vorhanden. Zu jener Zeit, sagte er, kam es wohl, wie allenthalben vor, daß auch ein reicher Mann für den Augenblick kein Geld hatte. Er ging zu einem Freunde und entlieh eine Kleinigkeit von 500 oder 1000 Thalern. Wollte er aber nach ein paar Tagen oder Wochen das Geld zurückzahlen, so sagte der Andere: »Heilige Jungfrau! diese Kleinigkeit, wer denkt daran! Lassen Sie es doch gehen, ich komme wohl auch einmal zu Ihnen, und Niemand sprach mehr von der Sache!« Wenn diese Liberalität noch jetzt geübt würde, welch ein vortreffliches Land für die Auswanderung würde dieses Peru abgeben. Aber man bekräftigte auch von anderen Seiten, daß Aehnliches wohl vorgekommen sei.

Ein anderer Beweis von dem Reichthum jener Zeit, der indessen wohl schon bekannt, keinesfalls aber eine Fabel ist, ist der, daß wenn ein neuer Gouverneur aus Spanien kam und zum erstenmal ausfuhr, die Reichen aus ihren Häusern liefen, und spanische Thaler auf seinen Weg streuten, nicht einzeln, so wie bei uns bisweilen Blumen gestreut werden, sondern dicht. »Pferde und Räder liefen auf Silber.« Die Armen lasen dann diese Thaler auf. War der Gouverneur beliebt, so wurde auch später und zum öftern dieses Streuen wiederholt. Dies ist eine Thatsache, welche noch heute älteren Leuten dort wohl bekannt ist.

Auch der Luxus, der mit silbernen und goldenen Geräthschaften getrieben wurde, grenzte in jener Zeit an's Fabelhafte. Alles war von edlem Metalle, und ein gewisses Geräthe, so unentbehrlich im Schlafgemache, wie unnennbar in guter Gesellschaft, war selbst bei Leuten, die nicht zu den reichsten gehörten, stets von Silber, und gerade von diesem Artikel soll man sich am schwersten getrennt haben, als das eiserne Zeitalter viele Opfer nöthig machte.

Aber noch heute glänzt dort Gold und Silber in den Zimmern der Reichen und ich habe Nipptische gesehen, welche eine kleine Schatzkammer waren.

Gleich in den ersten Tagen meiner Ankunft besuchte ich das Museum, Museo national y latino genannt. Diese Sammlung befindet sich auf dem Standpunkte, auf welchem etwa vor 40 Jahren fast alle europäische ähnliche Sammlungen waren.

Ohne allen Plan hat man alles »Merkwürdige« zusammengestapelt, dessen man eben habhaft werden konnte, und so ist ein vereintes Kunst- und Naturalienkabinet entstanden. Aber wie bei uns, so wird wohl auch in Peru der Sinn für die Schätze der Natur und Kunst geweckt werden durch solche Sammlungen, es wird wenigstens einigermaßen vorläufig der blinden Zerstörungswuth entgegengewirkt werden, und wie beim einzelnen Individuum das anfängliche Sammeln endlich zum Studium führt, so wird hier der bessere Theil der Nation selbst zuerst zum Erhalten, später zum Beachten aufgefordert.

Man findet im Museum zu Lima die alten peruanischen Gefäße und Götzenbilder ziemlich reich vertreten, wenn gleich ein bei weitem größerer Theil derselben entweder bei zufälligem Funde zerstört, oder außer Land gebracht worden ist, wohl auch sich noch in Privathänden befindet.

Die Wichtigkeit solcher Funde, wenn die Ausgrabung gehörig geleitet wird, scheint jetzt bei uns erst in neuerer Zeit mehr und mehr anerkannt worden zu sein, und es ist kaum glaublich, daß bisher fast allgemein die bei solchen Gelegenheiten gefundenen Schädel entweder zerstört oder wieder begraben wurden und daß nur wenige daran gedacht zu haben scheinen, wie wichtig ihre Erhaltung für die Ethnographie gewesen wäre. Die im Museum befindlichen alten Götzenbilder, meist von Silber, einige von Gold und alle mit dem Hammer getrieben, scheinen mir großentheils altperuanischer Abkunft, einige indessen scheinen älter und auf die Titicaca-Race hinzudeuten, wenigstens ist dieß aus der Gesichtsform einiger Figuren abzuleiten. Die aus Thon gearbeiteten Vasen oder Töpfe stellen in einer gewissen Periode sehr häufig Menschen- oder Thierformen dar, ein von diesen verschiedener Typus aber spricht sich deutlich bei andern aus, mehr antiker Form sich nähernd, gehören sie offenbar einer andern Zeit an. Welche Vortheile können aus der näheren Erforschung und Entwicklung dieser Verhältnisse für die früheste Geschichte des Menschengeschlechts erworben werden!

Da sich ziemlich viele dieser Ausgrabungen im Privatbesitze befinden, habe ich mehrere derselben erwerben können, und bin so ziemlich im Stande das eben Gesagte nachzuweisen.

Die Mumien im Museum zu Lima sind vollständig wohl erhalten und noch mit den Decken versehen, mit welchen sie gefunden wurden. Sie wurden ebenfalls in sitzender Stellung gefunden, wie fast alle dort ausgegrabenen Leichen, und ganz so wie ich die der alten Titicaca-Race fand, aber sie gehören nicht dieser Race, sondern der altperuanischen an, wie sich deutlich aus der Form der Schädel ergibt.

Ueber diese Gegenstände, vorzugsweise aber über die Thongefäße und Idole von Metall, hat der frühere General-Director der Bergwerke in Peru, Herr de Rivero, geschrieben, und ich bin im Besitz eines im Jahr 1841 in Lima erschienenen Buches mit Illustrationen, in welchem treffliche Aufschlüsse gegeben werden.

Mitten unter den alten Resten dieses früheren Kunstfleißes sah ich plötzlich zu meiner Ueberraschung einen alten Bekannten stehen, den ich seiner sonderbaren Gesellschaft halber anfänglich kaum zu erkennen mich getraute. Es war eine Sicherheits-Lampe von Davy, die wie Saul unter den Propheten, friedlich unter den alten Götzen Platz genommen hatte. So steht eben dort, wie ich vorher bemerkt, Alles bunt durch einander.

Unter den andern Dingen, welche ich getroffen habe, ist das Modell eines chinesischen Schiffes hervorzuheben. Es ist chinesische Arbeit, ganz von Elfenbein, vollständig gut erhalten und außerordentlich zierlich bis auf die geringfügigste Kleinigkeit ausgeführt. Eine Unzahl Figuren sind allenthalben angebracht, und nach Urtheil des Kapitains Müller, der das Museum mit mir besuchte, gibt die Nachahmung des Tauwerks und der Segel den deutlichsten Begriff von der Art und Weise, wie solches noch heute bei den Chinesen construirt ist. Erinnere ich mich recht, so beträgt die Länge des ganzen Modells sicher nicht unter fünf Fuß.

Die Fauna von Peru ist leider nur ungenügend im Museum vertreten, hingegen habe ich schlecht genug ausgestopfte deutsche Finken und Sperlinge getroffen und auch einige brasilianische Vögel.

Eine Suite von Versteinungen aber, und schöne Silberstufen, zeigen, daß der erste Anleger der Sammlung, Rivero, sein Fach gut vertreten hat.

Ich habe mehrere Ausflüge zu Pferde in die Umgegend von Lima unternommen, wobei mich meistens Deutsche begleiteten. Allein reitet oder geht man ungern vor die Stadt aus Furcht vor Räubern, welche allenthalben lauern sollen.

Außer einem Ueberblicke über die Gegend habe ich aber bei jenen berittenen Excursionen wenig erworben. Man reitet in Peru fast eben so toll und besessen wie in Chile, so stürmten wir im Galopp stets vorwärts, und kaum waren die Genossen zu bewegen, irgendwo einige Augenblicke zu halten.

Als ich aber eines Abends meinen Vorsatz äußerte, des andern Tags zu Fuß die Umgegend zu besehen, lachte man mich geradezu aus und versicherte mir, theils der Hitze halber, vorzugsweise aber wegen des Raubgesindels, sei dies eine vollkommene Unmöglichkeit.

Da ich mit der Hitze auf gutem Fuße stehe und nicht zu jenen unaufhörlich transpirirenden und schnaubenden Subjekten gehöre, welche lieber mit Eisbären verkehren, als unter Palmen wandeln, so ging ich dennoch. Wegen der Räuber hoffte ich, daß sich das Weitere ebenfalls finden würde. Ich durchstreifte zuerst einen Theil des alten Flußbettes des Rimac, welches dort nur selten bewässert erscheint und mit 8 bis 10 Fuß hohen Büschen eines hiftenartigen Strauches bewachsen ist, von welchem ich Saamen mitgebracht habe, der in Europa trefflich anschlug.

Verdächtig aussehende Bursche traf ich allerdings gelagert in jenen Sträuchern, aber keiner machte nur im Entferntesten Miene mich anzufallen. Als ich dicht zu zwei derselben trat, und um sie anzusprechen fragte, wohin der Weg zur Stadt gehe, hob einer von ihnen den Fuß, die allgemeine Richtung zu bezeichnen, und sagte: »aqui« (hier) – dann legte er sich auf die Seite, um, wie es schien, von der Anstrengung auszuruhen, und würdigte mich kaum mehr eines Blickes. Möglich, daß es ein verwegener Räuber gewesen, allein entweder war er im Augenblicke nicht disponirt, »befand sich nicht in der Lage« wie man sich auszudrücken pflegt, sein Metier zu betreiben, oder hielt es nicht der Mühe werth, indem mein Aeußeres eben nicht sehr glänzend beschaffen war. Hierauf wendete ich mich gegen den Monte San Cristoval und erstieg dessen kahlen Gipfel. Ich hatte nicht Zeit, die geognostischen Verhältnisse des Berges näher zu untersuchen, doch schien mir der Granit, aus welchem der größte Theil desselben bestand, welchen ich bestieg, von Gängen anderer Gesteine durchsetzt. Ich habe von dort einen Diorit, einen schönen Porphyr und zwei Stufen Granit mitgebracht, von welchen der eine so feinkörnig ist, daß man kaum mit unbewaffnetem Auge die Gemengtheile zu erkennen vermag. Vom Gipfel aus hat man eine reizende Aussicht und es macht Lima, von dort aus gesehen, fast den Eindruck einer orientalischen Stadt, der begründet durch die vielen Kuppeln der Kirchen, noch verstärkt wird durch die zahlreichen Palmen in der Nähe, und die eigenthümlichen Formen des aus der Ferne herüberblickenden Forts von Callao.

 

Vom Berge herabgestiegen, erbeutete ich einige schöne Farrenkräuter31 und einige Species einer Landschnecke. Auch mehrere schöne Tagfalter sahe ich, konnte aber mit dem Fang mich nicht befassen, hingegen wurde ich auch nicht eines einzigen Käfers gewahr, was mir eigenthümlich genug erschien. Indem ich durch eine Schlucht gehend auf Umwegen die Stadt wieder zu erreichen suchte, hörte ich plötzlich Schritte dicht hinter mir, und mein erster Gedanke war jetzt wirklich ein räuberischer Anfall. Ich griff in die Tasche und spannte den Hahn meiner einen Pistole, denn diesmal hatte ich sie nicht wie in Callao vergessen, und drehte mich dann rasch um. Aber statt in das tückische und mordlustige Gesicht eines braungelben peruanischen Ladron zu sehen, blickte ich in ehrliche blaue Augen und das gemütliche Gesicht eines Deutschen aus dem gesegneten Schwabenlande, den ich schon einmal früher in Valparaiso gesehen hatte, und der sich nicht genug verwundern konnte, wie ich gerade hieher käme. Tausend! Tausend! sagte er, die Deutschen kommen doch überall herum, und schlagen überall gut an. Er war auch wirklich gut angeschlagen, d. h. er befand sich gut in Lima, und war Aufseher in einer Mühle. Wir aßen später zusammen in einer unweit der Stadt gelegenen Fonda, und als ich ihm von den Befürchtungen wegen Unsicherheit durch Räuber sprach, versicherte er mir, daß er in den acht Wochen, seit welchen er in Lima sei, nicht das mindeste Verdächtige bemerkt habe, obgleich sein Geschäft ihn täglich, und oft noch spät des Abends, in ziemliche Entfernung von der Stadt geführt habe. Die Unsicherheit des Weges nach Callao bekräftigte er indessen.

In Valparaiso hatte ich mehrere Empfehlungen nach Lima erhalten und wurde mittelst derselben von den dortigen Deutschen, an welche sie gerichtet waren, ebenfalls auf das Freundlichste angenommen. Ich hatte in einem dieser gastfreien Häuser Gelegenheit, weitere Studien zu machen in Betreff des Obstes sowohl, als auch der übrigen Culturfrüchte, da man dort theils zum Vergnügen die feinsten Sorten von Früchten selbst zog, theils auch überseeische Geschäfte in größerem Maßstab mit Landesprodukten überhaupt machte. So sah ich dort alle Sorten des Kaffee, welcher im Lande gebaut wird, und von welchen einige ganz ausgezeichnet sind. Ich erwähne, um einen Anhaltspunkt zu geben, daß das beiläufige Gewicht von hundert Pfunden eines solchen 40 Thaler kostet, während eine geringere Mittelsorte 4 Thaler kostet.

Auch von Zuckerrohr, Cacao, Vanille, Chinarinde und Baumwolle wurden mir die verschiedenen Proben gezeigt, welche in den Handel gebracht werden, desgleichen drei Sorten von Mais, Reis, Weizen, Bohnen, Manioc, Oliven und analoge Dinge.

Unter den Früchten bemerke ich neben Weintrauben, welche dort an kühleren Stellen gezogen werden, der süßen Kartoffel (Batata), der Liebesäpfel, Granatäpfel, der Pfirsiche, Aprikosen, Quitten, Melonen, der Brodfrucht, der Palta und anderer. Lebhaft im Gedächtnisse ist mir noch die Tuna und die Cheremoya. Der letzteren habe ich schon in Chile Erwähnung gethan, aber in Peru wird sie noch schöner und geschmackvoller getroffen als dort. Die Tuna hingegen ist eine Frucht von der Größe eines Gänseeies und kann am besten mit einer kolossalen Stachelbeere verglichen werden. Ihr Fleisch hat dieselbe Consistenz wie bei jener, und ist eben so wie sie mit einer Menge von kleinen Kernen durchwachsen. Auch im Geschmacke ist eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit vorhanden, doch ist jener der Tuna gewürziger.

Sicher das unparteiischste Urtheil über die Sklaverei in Peru habe ich ebenfalls bei den dort wohnenden Deutschen erfahren. Es lautet günstig und wirft ein gutes Licht auf den Charakter der Limaner. Bei der Herstellung der Republik wurde die Sklaverei gewissermaßen aufgehoben. Ich vermag nicht die Worte der Akte anzugeben, mittelst welcher dieser Beschluß in's Leben trat, aber der Sinn derselben war der, daß keine neuen Sklaven eingeführt, die alten aber beibehalten werden sollten. Man hat dies treulich gehalten, und keine neue Zufuhr von schwarzer Waare findet statt. Daß hiedurch das Institut der Sklaverei nur modificirt wurde, versteht sich freilich von selbst, indessen hat sich das Verhältniß, selbst im philantropischen Sinne betrachtet, erträglich gestaltet.

Die Neger, aufgewachsen in den Häusern ihrer Herren, gewöhnen sich leichter an sie und ihre Launen, und werden fast ohne Ausnahme von diesen gut behandelt, wenn gleich, wie man mir sagte, namentlich bei den schwarzen Damen, hie und da eine etwas lebhaftere Ansprache nöthig werden sollte.

Aber ich war nie Zeuge der Mißhandlung eines Negers, wie in Brasilien dies fast täglich der Fall war, und die Sklaven in Lima sehen so zufrieden, ja selbst wohlhäbig aus, daß man von vornherein auf ein nicht allzuschlimmes Loos schließen darf.

Zur Zeit als ich in Valparaiso war, lag im dortigen Hafen ein Schiff mit Chinesen vor Anker, welche nach Lima bestimmt waren, um dort den Seidenbau einzuführen, oder vielmehr zu cultiviren. Da ich mehrmals auf jenem Schiffe war, um verschiedene chinesische Gegenstände, Waffen u. dergl. zu kaufen, und die wunderlichen Gestalten der Chinesen selbst, so wie der ganze abenteuerliche Typus derselben mir lebhaft im Gedächtniß geblieben waren, verfehlte ich nicht, über deren weiteres Loos Erkundigungen einzuziehen, aber man konnte mir nichts weiter angeben, als daß jene Menschen in's Innere gebracht worden seien. Selbst später habe ich nicht in Erfahrung bringen können, ob der Seidenbau in Peru einigermaßen Wurzel geschlagen, und es will fast scheinen, als habe dessen Cultur nicht den günstigsten Fortgang.

Ohne Zweifel hat mancher der Leser tadelnd und mißbilligend auf die spärliche und noch überdem ziemlich verworrene Reihenfolge der Notizen gesehen, welche ich über Callao und Lima gegeben habe. Aber die kurze Zeit, welche ich mich dort aufhalten konnte, reichte nicht aus, ein auf die strenge Wahrheit basirtes abgerundetes Ganze zu bilden. So habe ich vorgezogen, die gemachten Wahrnehmungen und Erfahrungen so bunt gemengt und abgerissen zu berichten, wie sie mir selbst vorgekommen sind, anstatt durch eine künstliche Verbindung vielleicht allzusehr in Ausschmückung zu verfallen.

In diesem Sinne mögen hier noch einige Bemerkungen über den religiösen Cultus von Lima einen Platz finden.

Man glaubt dort, wie man in allen warmen Ländern glaubt, ohne viel zu untersuchen was und warum, und man hält die Gebote der herrschenden Kirche, im Falle sie nicht allzuschwer zu befolgen sind. Ohne Zweifel hat dies seine Nachtheile, aber es hat auch sein Gutes. Es schützt den Laien einerseits vor einem gewissen geistlichen Hochmuthe, mit welchem er auf Andersdenkende so gerne herabsieht, und auf der andern Seite den Halbgebildeten gegen gänzlichen Unglauben.

Die glänzenden Feierlichkeiten der Kirche erbauen und beschäftigen zu gleicher Zeit den Limaner und er vergnügt sich, indem er betet, er betet also mit Vergnügen. Processionen sind beliebte Volksfestlichkeiten, und bei allen kirchlichen Ceremonien denkt man mehr an den zukünftigen Himmel als an die Hölle.

Sicher ist ganz bezeichnend, was ich sowohl in Peru als auch in Chile häufig gesehen habe: vor einem Muttergottesbilde brennt eine Lampe, ein Caballero tritt an dieselbe und nimmt grüßend seinen Hut ab, aber hierauf zündet er seine Cigarre an der Lampe an, und geht friedlich rauchend weiter. Freilich aber betrachtet man in jenen Ländern das Rauchen nicht als etwas Unanständiges wie bei uns, trotzdem daß hier so wie dort fast alle Welt raucht.

30Man bringt das Eis von der etwa 20 Stunden weit entfernten Cordillera, indem man es dort zwischen trockenen Pferdemist packt, Maulthiere damit beladet und des Nachts im Galopp, und mit stationsweise stets erneuten Maulthieren in einigen Stunden Lima erreicht.
31Gymnogramme trifoliata, Desveux. Aspidum patens, Swartz, und Equisetum Bogatense. H. B. K.