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Reise in Südamerika. Erster Band.

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Bescheidene Zweifel hegend, daß jeder der freundlichen Leser diese Tabelle einer genauern Beachtung gewürdigt, ja beinahe überzeugt, daß der überwiegende Theil derselben dies nicht gethan hat, füge ich einige Mittelzahlen bei.

Vom 21° 10' bis 0° 4' nördlicher Breite war im Mittel von 17 Beobachtungen die Temperatur der Luft + 21.1 R., und in denselben Breiten und ebenfalls in 17 Beobachtungen, jene des Wassers + 20.5 R.

Von 0° 35' bis 20° 49' südlicher Breite ergiebt das Mittel von 12 Beobachtungen die Temperatur der Luft + 21.4 R., und in denselben Breiten in 13 Beobachtungen das Wasser eine Temperatur + 20.9.

Es war also, obgleich auf der nördlichen Halbkugel Sommer und auf der südlichen Winter war, die Luft und das Wasser auf der letzteren um etwas Weniges wärmer als auf der nördlichen. Man kann indessen nach dem Vorliegenden und mit Vernachlässigung dieser geringen Differenzen die Temperatur des Wassers und der Luft unter den Tropen und auf See für die nördliche und südliche Halbkugel als eine gleiche betrachten.

In Rio de Janeiro war im Mittel von 9 Beobachtungen des Morgens um 6, des Mittags und 8 des Abends die Temperatur in der Rua de Cotovello im Schatten:

Des Morgens 6: + 22.0 R., des Mittags 12: + 24.5 R., des Abends 9 + 22.8 R. Immerhin ein ganz artiges Winterwetter.

IV.
Die Fahrt um Kap Horn nach Chile

Wieder auf der Reform und geschaukelt auf den sanften Armen der alten Thetis, schien uns anfänglich Alles sich vereinigt zu haben, die Fahrt zu einer angenehmen zu machen. Segelnd bei dem Winde mit Nord-Ost, oder mit Nord vor dem Winde und bei aufgesetzten Leesegeln kamen wir so rasch vorwärts, daß wir in den ersten Tagen fast täglich drei Breitegrade durchfuhren und bald die Höhe von Buenos-Ayres erreicht hatten.

Am Bord war ein reges Leben. Die Passagiere suchten die in Rio de Janeiro gekauften Vorräthe, meist alle eßbarer Natur, unterzubringen. Ich verpackte und verstaute Naturalien, welche ich dort erworben, indianische Waffen und andere Gegenstände, und des Abends wurde dem erstandenen Lissabonwein, der an Portwein erinnert, aber süßer ist, nicht selten wacker zugesprochen. So machte es wenig Eindruck, daß, kaum aus dem Hafen von Rio ausgelaufen, uns der »Expreß« begegnete, ein Schiff unseres Rheders, welches vor uns von Bremen abgesegelt und auf der Höhe von Buenos-Ayres übel zugerichtet worden, so daß es umkehren und in Rio bessern mußte. Die Barke hatte am linken Mast Braam- und Royalstangen verloren und sah höchst jämmerlich und zerschunden aus.

Die Fauna des Meeres ist in jenen Breitegraden eine reichliche. Wir sahen häufig Quallen von allen Arten, unter welchen Scheibenquallen von mehreren Fußen Durchmesser nicht selten. Delphine begegneten uns, Züge von Butzköpfen wurden gesehen, und mannichfache Seevögel, worunter auch schon Albatrosse, begleiteten das Schiff.

Aber auf der Höhe von Buenos-Ayres schon begannen wir einen Vorgeschmack zu bekommen von den Freuden des Kap Horn. Die See ward stürmisch und die häufigen Gewitter, welche unter jenen Breiten herrschen, trieben uns bald ost- bald westwärts. Dort kamen die ersten starken Wellen über Bord und ich erinnere mich noch des eigenthümlichen Anblicks, welcher uns in der Kajüte während des Mittagessens durch einen solchen unwillkommenen Gast zu Theil wurde. Eine ziemliche Anzahl der Passagiere des Zwischendeckes standen an der Luvseite des Schiffes, als plötzlich eine mächtige See über Bord schlug, und da gleichzeitig sich das Schiff rasch auf die Leeseite legte, wurden sie sämmtlich ziemlich unsanft, aber desto rascher von der Backbordseite auf die Steuerbordseite geschleudert, begleitet und durchnäßt von einer mächtigen Wassermasse. Da unser Skylight mit vergittertem Glase gedeckt war, blieb es unbeschädigt, aber keiner von uns in der Kajüte konnte sich anfänglich erklären, was die Menge von Armen, Beinen und Köpfen zu bedeuten hatte, welche rasch und polternd und bunt durcheinander gemengt, das Skylight passirte.

Bald übrigens erlangt man die Uebung beurtheilen zu können, ob eine See über Bord kommen wird oder nicht, und kann so der namentlich in höheren Breitegraden unangenehmen Durchnässung ausweichen, oder sich schützen.

Die meisten Gewitter, welche uns dort überraschten, kamen des Nachts und waren von einem heftigen Winde begleitet. Das Schaukeln des Schiffes, das Brüllen des Donners und der über Bord schlagenden Wellen, in Gemeinschaft mit dem Lärmen, der durch Bergen der Segel und auf Deck nicht selten herumrollenden Gegenstände verursacht wurde, machten manchem der Genossen schlaflose Nächte, zudem da die Seekrankheit wieder alle dafür Empfängliche stark befallen hatte. Ich selbst blieb davon verschont und wurde auch von dem nächtlichen Lärmen nicht sonderlich beunruhigt, indem ich mich bald an denselben gewöhnt hatte.

Es wurde jetzt von Tag zu Tag die See stürmischer, und das, was wie es scheint beinahe allen Schiffern, die Kap Horn umsegeln, geschieht, begegnete auch uns, wir verloren unsere Hühner. Es wurde nämlich der Hühnerkasten eines Morgens von einer starken Welle zerschlagen und ein Theil seiner Insassen theils über Bord gespült, theils beim Bruche des Behälters getödtet, die wenigen wieder eingefangenen aber, welche trübselig und durchnäßt im nothdürftig reparirten Kasten ihres weiteren Schicksals harrten, wurden sammt dem Kasten in folgender Nacht vollständig in die See gespült.

Wir hatten jene Hühner in Brasilien eingenommen, sie waren von einer hochbeinigen Race und schienen das Seeleben überhaupt nicht gut zu vertragen, indem sie sichtlich abmagerten und überhaupt sich jämmerlich geberdeten, während die früher von Deutschland mitgenommenen frisch und munter blieben, wurden sie gleichwohl nicht übermäßig fett befunden.

Am 16. Juli unter 50° 54' Länge und 44° 50' südl. Breite, wurde mir von den Matrosen ein Regenbogen gezeigt, welcher am Himmel stand, während an dem Orte, wo wir uns befanden, weder Regen noch Sonnenschein war. Die Seeleute nennen die Erscheinung Sturmstack, wohl vom englischen Stake herkommend, welches Stock, Pfosten bedeutet. Wie der Ausdruck bezeichnet, bezieht man sie auf nahenden Sturm, welcher aber jenesmal sich nicht einstellte. –

War schon auf der Höhe von Buenos Ayres häufig Wasser über Deck gekommen, so war jetzt buchstäblich keine trockene Stelle mehr auf demselben, indem sich das Wetter täglich verschlimmerte, und neben den fortwährend einschlagenden Wellen häufiger kalter Regen fiel. Auch die Temperatur sank bedeutend, des Mittags z. B. stand am 16. Juli das Thermometer + 6.3 R. Dazu kam, daß während in der Kajüte selten gelüftet werden konnte, es doch auch dort kaum wärmer war, weil die fortwährende Nässe, erzeugt theils durch von oben eindringendes Wasser, theils durch die Menge der durchnäßten Kleidungsstücke, Alles erkältete. Geheizt wurde jetzt so wenig als später, da kein Ofen vorhanden, und dunkle Gerüchte, die sich von einem am Bord befindlichen Ofen verbreitet hatten, welcher in jenen Breiten aufgestellt werden sollte, sich nicht bestätigten. So wurde der Aufenthalt auf der Reform, je mehr wir uns dem Süden näherten, stets unbehaglicher, und diese Unannehmlichkeiten wurden noch vermehrt durch die erneut ausbrechenden Mißhelligkeiten zwischen Kapitain und Passagieren.

Ich habe, wie ich schon früher erwähnte, dort mehrfach begütigt und mancherlei ersonnen, um die streitenden Theile auseinander zu halten, bald mit mehr, bald mit minderem Erfolge, aber ich gehe über diese Dinge hinweg, die den Leser ermüden müßten, wie sie mir zu jener Zeit zum Ekel geworden sind.

Wir beobachteten am 21. Juli unter 56° Länge und 46° 54' südl. Breite den ersten Tang und einige Tage hindurch wurden von Zeit zu Zeit Stücke desselben gesehen und aufgefischt. Ueber 49° 5' Breite hinaus konnte ich kein Exemplar dieser Pflanze mehr entdecken, obgleich ich trotz des schlechten Wetters oft Ausspähe hielt. Es war Fucus pyriferus Linné, und bald darauf wurde auch Fucus antarcticus Chamisso an Bord gebracht. Diese von uns aufgefangenen Tange, welche sonst bisweilen eine Länge von 300 Fuß erreichen, hatten indessen nur höchstens eine Länge von 10 bis 15 Fuß, und es bleibt bemerkenswerth, daß wir weiter gegen Süden zu keine mehr zu sehen bekamen. Auch als ich etwa ein Jahr später Kap Horn abermals umschiffte, traf ich nur sehr wenige und kurze Stengel dieser Pflanzen, so daß es scheint, als sei das Fortkommen derselben in diesen Breiten veränderlich, oder unbekannten Zufälligkeiten unterworfen, indem andere Reisende von 80 Fuß langen Stücken des Fucus pyriferus sprechen, welche dort aufgefischt worden, und dessen Häufigkeit in jenen Breitegraden hervorheben. Auch war an den von mir aufgefangenen Fucus-Stücken kein lebendes Wesen zu finden, was sonst selten der Fall zu sein scheint, indem fast alle anderen Beobachter große Mengen der verschiedenartigsten Thiere auf denselben gefangen haben.

In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli hatte ich Gelegenheit eine eigenthümliche Modifikation eines Mondhofes zu beobachten. Der Mond stand bei leicht bedecktem Himmel etwa 15 Grade hoch. Genau dem Durchmesser des Mondes gleich zeigte sich in senkrechter Richtung ein leuchtender Streif ober- und unterhalb desselben, von einer Totallänge von ebenfalls etwa 15 Graden und ziemlicher Lichtstärke, welche am intensivsten in der Nähe des Mondes selbst war. Rasch vorüber ziehende Wolken oder Nebelschichten dämpften oder hoben, je nach ihrer Stärke, die Lebhaftigkeit des Lichtes, welches bisweilen ziemlich glänzend erschien. Man kann sich die Erscheinung am leichtesten versinnlichen, wenn man sich einen gewöhnlichen, aber ziemlich großen und hellen Hof um den Mond denkt, an welchem auf beiden Seiten, bis an die Ränder der Mondscheibe hin, zwei Segmente abgenommen worden sind.

 

Obgleich ich häufig Gelegenheit gehabt hatte, sowohl in Europa als auch auf und über der See den nächtlichen Himmel zu beobachten, habe ich doch blos einmal später in Nürnberg (März 1852) eine ähnliche Erscheinung gesehen, indessen, wenn ich mich so ausdrücken darf, blos angedeutet, nicht klar ausgesprochen, und von geringer Intensität5.

Wir gingen am 28. Juli des Morgens zwischen Staatenland und Good Succeß, der südlichsten Spitze des Feuerlandes, hindurch und hatten Gelegenheit bald die eine bald die andere der beiden Küsten ziemlich deutlich beobachten zu können. So viel theils mit freiem Auge, theils durch einen Feldstecher von Plössel zu beobachten war, möchte ich die sichtbar gewordene Küste des Feuerlandes in der massenhaften Bildung ihrer Formen sehr ähnlich bezeichnen mit dem Typus der Westküste Amerikas überhaupt. Kleine Hügel schienen mehr oder weniger weit in See vorgeschoben und bildeten die äußerste Küste. Sie waren dunkel, fast schwarz gefärbt, theilweise in pittoresken Formen und schienen basaltischen und doleritischen Gebilden oder plutonischen Conglomeraten anzugehören, wie solche so häufig allenthalben an der Westküste in größerer oder geringerer Ausdehnung getroffen werden. Das mit Schnee bedeckte Gebirge, das gegen das Innere zu sich über jene dunklen Vorgebirge erhebt, trägt den Charakter granitischen Gesteins in weiterer Ausdehnung des Begriffes, wie denn solches eben auch an der Westküste der Fall, wo mächtige Massen von Granit, Gneiß und Glimmerschiefer das Festland bilden, bis sie durchbrochen werden von der Andeskette, jener gigantischen Musterkarte aller plutonischen und vulkanischen Gesteine der Erde.

Staatenland, uns, den Vorübersegelnden, auf der Backbordseite liegend, zeigte im Allgemeinen ähnliche Formen und jene in's Meer reichenden Felsgebilde traten bisweilen noch klarer ausgesprochen hervor. Es mag nicht bezweifelt werden, daß Staatenland verbunden gewesen mit dem Feuerlande, und entweder getrennt worden ist von demselben bei der Hebung beider über die Oberfläche des Meeres, vielleicht aber auch durch eine jener gewaltigen späteren Katastrophen, die periodisch eingetreten sein müssen noch nach der Entstehung jener Länder.

Wem, wohnend auf dem, wenigstens wie es scheint geognostisch ziemlich feststehenden Boden unsers guten alten Deutschlands, eine solche gewaltsame Trennung so bedeutender Massen in vorhistorischer Zeit unglaublich erscheint, den verweise ich auf die erst vor 100 Jahren (1746) vor sich gegangene Entstehung der Insel San Lorenzo bei Callao, welche früher ein Theil des Festlandes, im genannten Jahre durch ein Erdbeben losgerissen wurde und jetzt eine Viertelstunde weit in See liegt.

Wir hielten uns, verloren wir auch bald die Küste aus den Augen, doch stets nicht weit vom Lande entfernt, und die Temperatur sank in Folge dessen ziemlich bedeutend, so daß das Wasser jetzt stets um einige Grade wärmer war als die Luft; so stand des Abends am 28. Juli das Thermometer an 0° R., während das Wasser + 4° R. zeigte.

Eine kleine Tabelle über die Thermometerstände, welche ich weiter unten im Auszuge folgen lassen werde, erläutert am besten diese Verhältnisse, welche ich für jetzt in Zahlen ausgedrückt nicht weiter berühren werde.

Ich will aber hier eine kurze Schilderung unseres Lebens und Treibens während der Umschiffung des Kap Horn geben.

Jämmerlicher und trostloser kann nicht leicht etwas gedacht werden als eine solche Reise für den Passagier. Wir passirten das Kap unter 56° 18' südl. Breite, aber wie ich schon erwähnt, hatte das schlimme Wetter bereits auf der Höhe von Buenos-Ayres begonnen und so hatten wir über fünf Wochen mit Unannehmlichkeiten aller Art zu kämpfen.

Eine See, die fast unaufhörlich 20 Fuß hohe Wellen wirft, Regen, Schnee, Hagel und eisige Nebel, das waren die Erholungen auf Deck, wenn man sich retten wollte aus der Kajüte vor dem Gestöhne der Seekranken, der kalten dumpfen Luft, dem ekelnden Schmutze, der Nässe und der Finsterniß, welche dort herrschte.

Die Tageshelle begann zwischen 10 und 11 Uhr, und verschwand wieder vor 3 Uhr des Nachmittags. In der Kajüte aber war die einzige Helle die, welche durch die geöffnete Thür von oben eindringen konnte, oder die spärlichen Strahlen, welche durch die einen Zoll breiten und etwa sechs Zoll langen Prismen in die einzelnen Kojen fielen, denn das Skylight war durch einen hölzernen Kasten gedeckt worden, da die unaufhörlich über Deck einschlagenden Wellen dasselbe in kurzer Zeit zertrümmert hätten.

Trotzdem, daß die Fugen dieses Kastens mit Theer und Werg verklebt waren, drang doch hie und da, von besonders ungünstig einschlagenden Wellen, Wasser durch dasselbe in die Kajüte, und eben so kamen durch die geöffnete Thür häufig ganz artige Wassermengen in unser Gefängniß, und vermehrten die Nässe und den Schmutz.

Es war durchaus nöthig von Zeit zu Zeit auf Deck frische Luft zu schöpfen. War man aber auch durch Uebung im Stande, meistens den einschlagenden Wellen auszuweichen, so wurde man doch durch den fast unaufhörlich fallenden Regen unbedingt durchnäßt und kehrte in die Kajüte mit nassen Kleidern zurück. Da diese aber nie getrocknet werden konnten, so besaß in kurzer Zeit Niemand mehr ein halbweg trockenes Kleidungsstück.

Man kann sich eine Vorstellung machen von der Atmosphäre in dem engen uns angewiesenen Raume, in welchem 18 Menschen aßen, schliefen, theilweise Tabak rauchten, ihre nassen Kleider aufbewahrten und nebenbei zum großen Theile seekrank waren, mit allen Erscheinungen jener Krankheit, welche ich nicht näher bezeichnen will. –

Kap Horn ist als die Region des fortwährenden Regens bezeichnet, oder besser als die Region der continuirlichen meteorischen Niederschläge, und in der That wechseln dort Schnee, Regen und Hagel ohne Aufhören, und nur selten wurde auf einige Augenblicke die Sonne gesehen als eine gelbliche, schwach leuchtende Kugel, verdrießlich zwischen Wolken hervorblickend und sofort wieder von diesen verdeckt. Bisweilen fiel ein so dichter Nebel, daß auf keine 20 Schritte weit gesehen werden konnte und vom Steuer aus am Bugspriet stehende Männer vollkommen unkenntlich waren.

Schlimmes Wetter, wie es die Seeleute nennen, herrscht immer in jenen Breiten, aber es ist von der Art, daß man es getrost heftigen Sturm nennen kann. Bisweilen aber treten plötzliche Windstillen ein, die einige Stunden anhalten, so daß das Schiff dem Steuer nicht mehr folgt und buchstäblich treibt. Aber die heftige Dinung, d. h. die hohen stoßenden Wellen, welche vom kurz vorher stürmenden Winde zurückgeblieben sind, werfen das Schiff dann so nach allen Seiten hin, und ohne eine bestimmte Richtung, daß wie die Seekranken sagen, diese Bewegung unangenehmer ist, als die des höchsten Sturmes. Meist wird eine solche Windstille durch eine plötzliche heftige Boe beendet, bei welcher nicht selten die Schiffe zu Schaden kommen. Strömungen des Meeres von West nach Ost erschweren die Fahrt in jenen Regionen, wenn man beabsichtigt westwärts zu gehen, wozu noch kommt, daß am Kap Horn und in jenen Breiten überhaupt fast stets Westwinde wehen.

Unser Leben war dort ein kümmerliches und trübseliges, und blieb ich auch von der Seekrankheit verschont, so hatte ich desto mehr von der Kälte zu leiden, welche stets mein arger Feind gewesen ist. Es ist eine schlimme Aufgabe Tag und Nacht Frost und Nässe zu ertragen, mehrere Wochen hindurch, ohne sich nur ein einzigesmal halbweg erwärmen zu können. So kam, trotzdem, daß die Temperatur in der Kajüte nicht unter + 6° R. fiel, doch häufig Erfrieren der Hände und Füße vor, und ich selbst hatte viel daran zu leiden, obgleich ich früher in Deutschland zu manchen Zeiten bei hohen Kältegraden den Tag und die halbe Nacht hindurch im Freien zugebracht hatte. Das Uebel machte sich bemerkbar durch Röthung und Anschwellen der Finger und Zehen und brennenden Schmerz in denselben. Ich habe als das beste Mittel gegen dasselbe, bei andern und bei mir, Bleisalbe erprobt, welche rasch heilend wirkte, und bei mir wenigstens keine der später wiederkehrenden Folgen erfrorener Glieder bemerken ließ.

Ich bin in jener Zeit täglich, wie sonst des Morgens auf Deck gegangen und habe mich mit Seewasser gewaschen, wobei ich mich freilich sonderbar genug behelfen mußte, da des heftigen Schwankens halber kein Waschgefäß gestellt werden konnte, oder vielmehr stehen blieb. Den übrigen Theil des Tages brachte ich größtenteils in der Koje liegend zu, welche ich mir möglichst artig und behaglich mit in Brasilien gekauften Schaffellen ausgefüttert hatte. Halb schlafend, halb wachend, habe ich dort böse Träume gehabt, und wer sich je eine erlaubte anständige Erholung damit verschaffte, mich zu quälen und zu kränken, kann mit Satisfaction diese Zeilen lesen. Die stündlichen Beobachtungen des Barometers und die der Temperatur waren die einzige nützliche Beschäftigung, welche ich dort vorgenommen habe.

Noch jetzt ist die eigentliche Gefahr bei der Umschiffung des Kap Horn nicht ganz beseitigt und manche Schiffe werden dort übel zugerichtet. In früherer Zeit aber gehörte diese Fahrt zu den berüchtigten. Manche Schiffe waren gezwungen, umzuwenden, und um das Kap der guten Hoffnung segelnd, den großen Ocean und das Ziel ihrer Bestimmung zu erreichen. Anson's Reise in den Jahren 1740-1744 giebt hierüber interessante Aufschlüsse und Beispiele wie ganze Geschwader zerstreut und verschlagen wurden, und wie gegen die Jetztzeit eine unverhältnißmäßig große Menge von Schiffen vollkommen zum Dienste untauglich wurden, oder selbst verloren gingen.

Man verdankt den Verbesserungen in der Schifffahrt, vor allem wohl den Aenderungen im Bau der Schiffe selbst die gegenwärtige sehr verringerte Gefahr, denn eine bedeutende Veränderung in den klimatischen Verhältnissen, in Windrichtung und Strömung und in der Intensität beider ist nicht wohl denkbar und geht aus den Schilderungen jener Zeit und den Erscheinungen der Gegenwart auch nicht hervor. –

Wir hatten am 31. Juli des Morgens Kap Horn in Sicht. Ich zeichnete die Felsengruppe, wie ich es vorher auch bei den Küsten von Feuerland und Staatenland gethan hatte. Kap Horn ist eine wild und grotesk aus dem Meere hervorgehobene Felsenparthie und gehört, so wie Diego Ramirez und andere Felseninseln jener Region wohl unzweifelhaft den basaltischen und doleritischen Formen an, deren ich schon vorher erwähnte, als ich von der Küste des Feuerlandes und Staatenland gesprochen habe. Zwei dunkle mächtige Felsen, scheinbar dicht an einander liegend, wurden uns als das eigentliche Kap bezeichnet, dann aber breitet sich gegen Osten hin eine kleine Kette mit Schnee bedeckter kegelförmiger Berge aus, welche wohl in der Wirklichkeit höher sind, da sie aber weiter zurück liegen, niedriger erscheinen.

Kap Horn in Sicht hatten wir nach kurz vorausgegangener Windstille eine heftige Boe aus Nordwest und dann plötzlich Ostwind, so daß wir, was selten der Fall, mit ganzen Leesegeln rasch vorüber segelten. Es ist übrigens kein seltener Fall, daß man näher vorüber fahrend dennoch das Kap nicht zu sehen bekömmt, da häufig dichte Nebel dort alles verdecken; viele Schiffe gehen auch weiter südlich, so daß man sich immer glücklich preisen kann, bei der Umschiffung den berüchtigten Felsen selbst gesehen zu haben.

 

Den meisten Passagieren stieg der Muth als wir so rasch dahin flogen und der größte Theil der Beschwerden war vergessen, trotz des Hagels, der dicht auf unsere Köpfe fiel, und des Eises am Tauwerk, welches trotzdem, daß das Thermometer + 2° R. zeigte, erst gegen Mittag verschwand.

Des folgenden Tages, am 1. August, stieg gegen Abend das Barometer plötzlich sehr rasch, und es stellte sich alsbald ein so heftiger Nordostwind ein, daß wir die schlimmste Nacht der ganzen Reise hatten, und selbst der alte Steuermann versicherte »nicht oft« so schlimmes Wetter erlebt zu haben.

Auch die bestmöglichst verstauten Effekten der Passagiere flogen in allen Ecken umher; Fässer und Kisten, unsere Privatvorräthe, Mützen, Pfeifen und Schuhe, kurz, all unser ärmliches Geräthe wurde bunt durch einander gewürfelt, und Manches zerstört und verdorben. Bei dieser Gelegenheit ging auch der Rest der für unsern Gebrauch bestimmten Trinkgläser in Stücke, und die einzige Wasserkanne entleerte im Sterben ihren Inhalt in die Koje eines Freundes, der sich übel geberdete, und anfänglich die plötzliche Nässe den durch einen Leck eindringenden Meeresfluthen zuschrieb.

Es hat sich nicht selten getroffen, daß in jenen Breiten auf ein Steigen des Barometers etwas weniger übles Wetter folgte, und mein pariser Aneroid, vermöge welchem ich leichter, als es auf des Kapitains Quecksilber-Barometer geschehen konnte, ein leichtes Steigen oder Fallen anzugeben im Stande war, hatte sich Ruf erworben am Bord, aber in jener Nacht erlitt sein prophetischer Ruf einen bedeutenden Stoß.

Bis zum 5. August blieb der Himmel stets so bedeckt, daß weder Länge noch Breite genommen werden konnte, und zugleich fiel unaufhörlich ein kalter Regen, häufig mit Hagel wechselnd. Wir sahen, muthmaßlich unter dem 50.° südl. Breite die ersten Wallfische an der Westküste, und häufige Züge von Butzköpfen, aber sonst mit Ausnahme weniger Vögel, Albatrosse und der kapischen Taube, kein lebendes Wesen, eben so keine Spur von Leuchten der See. Delphine indessen und eine ziemliche Anzahl Vögel verschiedener Art zeigten sich wieder am 6. und die folgenden Tage. Endlich am 10. August sahen wir zum erstenmale die Küste von Chile, welche ich mit speziellem Interesse betrachtete, da ich beabsichtigte, dort längere Zeit zu verweilen.

Die erwähnten schwarzen doleritischen und basaltischen Formen fehlten hier, und es schien, von der Ferne gesehen, die Küste aus einer Reihe flacher und sanft abgerundeter Hügel zu bestehen, hinter welcher aber direct sich eine Kette schroffer mit Schnee bedeckter Berge erhob, in welcher Piks und groteske Formen nicht fehlten.

Wir sollten in einigen Tagen, so hieß es, in Valparaiso, wörtlich: im Thal des Paradieses sein, und konnten uns nicht recht erklären, wie die Palmen und Orangenhaine dieses glücklichen Landstriches so dicht bei wilden eisigen Bergen liegen sollten.

Man vergaß das wieder, als wir, abhaltend von der Küste, sie bald wieder aus dem Auge verloren; aber ich, der ich später in Chile blieb, trug den Glauben, als seien die Gipfel dicht an der Küste liegender Berge mit Schnee bedeckt wohl zehn Tage mit mir umher, und habe gezeichnete Skizzen auch in diesem Sinne, wie ich es sah, behandelt.

Erst später habe ich erfahren, daß jene schneeigen Gipfel, welche wir schon von Bord aus gesehen, die Andeskette waren, die Cordillera alta, das vielbesprochene, aller Welt bekannte Gebirge. Eine eigenthümliche optische Täuschung, welche fast allenthalben in Chile auftritt, ließ die 40 bis 50 Stunden weit von jenem niedern Küsten-Gebirge entfernte Kette der hohen Cordillera uns als dicht hinter demselben aufsteigend erscheinen. Es fehlte das, was die Maler Lichtperspective nennen, und ich hatte später von der Cordillera aus, gegen See blickend, eine ähnliche Erscheinung.

Noch an demselben Tage beschied mich der Kapitain in seine Kajüte und eröffnete mir, daß wir demnächst in Valparaiso einlaufen würden, zugleich stellte er mir die Schiffsbücher zur Disposition, so daß ich zu meinen Thermometer- und Barometer-Beobachtungen die tägliche Länge und Breite beizufügen im Stande war.

Es ist Gebrauch auf den meisten Schiffen, auf welchen sich viele Passagiere befinden, sorgfältig die Länge und Breite geheim zu halten. Ja selbst die Matrosen wissen kaum wo sie sich befinden, und vermögen nur muthmaßlich zu schätzen. Es hat dies seinen guten Grund. Abgesehen davon, daß der Kapitain sich kaum retten könnte vor der Unzahl müßiger Fragen taktloser Reisenden, warum man z. B. westwärts und nicht mehr nach Osten steure, und umgekehrt, warum es heute so langsam gehe, und bis zu welcher Zeit man diesen oder jenen Ort erreichen werde, würde auch der Mißmuth der Passagiere besonders bei Reisen, wie die um Kap Horn, bedeutend gesteigert werden, wenn man sich plötzlich um einige Grade zurückgeworfen oder verschlagen sieht, oder wenn der Kapitain zu laviren gezwungen ist. Bei bedrohlicher Stimmung der Mannschaft aber, und offener Meuterei, hat der Kapitain immer die Mittel in der Hand irgendwo einzulaufen oder wenigstens in die Nähe eines Hafens zu gelangen, wo Hülfe und Schutz erwartet werden mag. Mir speciell hatte der Kapitain die freundliche Erlaubniß schon in der ersten Zeit der Reise gegeben, täglich nach dem Journale die Länge und Breite verzeichnen zu dürfen. Aber ich lehnte dankend ab, da ich einerseits, als Mitwisser des alle interessirenden Geheimnisses, ebenfalls bestürmende Fragen befürchtete, auf der andern Seite aber Sorge trug, für den Verräther desselben gehalten zu werden, wenn etwa der Wahrheit nahe kommende Vermuthungen laut geworden wären. So zog ich vor, erst jetzt das Fehlende nachzutragen in den freigelassenen Spalten meiner Tabellen.

Wir sahen am 11. des Nachmittags zum zweitenmale die Küste von Chile und liefen am 12. August des Morgens in den Hafen von Valparaiso ein.

Verwöhnt von der üppigen Pracht Brasiliens, wollten uns die kahlen, verbrannten Hügel, die vor uns lagen, keinen besonders glänzenden Eindruck hervorbringen, doch tröstete man sich für die Folge mit Ausflügen »in's Innere«, für die nächste Gegenwart aber mit der Hoffnung, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und, vor Allem, Landkost zu verspeisen.

Ehe ich aber für immer die Reform verlasse, will ich, wie es oben geschehen, Auszüge mittheilen aus meinen Notizen über die Temperatur, um einen Ueberblick zu geben über diese Verhältnisse bei Kap Horn.



Es fällt bei Durchsicht dieser kleinen Tabelle und bei etwaiger Vergleichung derselben mit der vorher gegebenen, die Tropen betreffend, sogleich in die Augen daß, während dort die Temperatur des Wassers stets eine etwas niedere war als jene der Luft hier in höheren Breitegraden, etwa von 40° südl. Breite an bis am Kap Horn und wieder auf dieselbe Höhe, das Wasser durchschnittlich, ja fast immer, eine höhere Temperatur als die Luft zeigte.

5Bei dieser Gelegenheit muß ich der Uneigennützigkeit unserer Matrosen auf der Reform lobend erwähnen. Ich hatte vorher gegen dieselben ausgesprochen, daß ich für jede eigenthümliche Erscheinung am nächtlichen Himmel, welche man mir zeigen werde, zwei Thaler geben wolle. Sie hatten mich des Nachts gerufen, um mich auf jenen Mondhof aufmerksam zu machen, aber keiner war auch durch die freundlichsten Worte zu bewegen, die bedungenen zwei Thaler zu nehmen. Ich habe Aehnliches bei allen deutschen Matrosen getroffen. Gerne verdienen sie Geld durch wirkliche Arbeit und Mühe, aber was ihnen keine Aufopferung, keine Anstrengung kostet, lassen sie sich nicht bezahlen. Eine andere Sache ist es mit Wein und ähnlichen Dingen, z. B. Cigarren, welche gerne jederzeit von dem Matrosen angenommen werden. Ja er hält es nicht für unanständig, kann er irgendwie über den Vorrath des Passagiers gerathen, sich selbst zu bedienen. Stellt man aber selbst solche Gegenstände unter die Obhut der Matrosen, schenkt man ihnen Vertrauen, so wird kein Atom derselben verschwinden. So mag ich wohl sagen, daß ich die Seeleute derb, ja roh getroffen, nie aber gemein. Als solcher mag der bezeichnet werden, der unbedingt geschenktes Vertrauen mißbraucht, und auch wohl den Vertrauenden für einfältig oder schwach hält.