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Reise in Südamerika. Erster Band.

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Die nächste Umgebung der Stadt, der Weg nach dem Berge selbst, der durch den bereits unweit der Stadt liegenden Urwald führt, die kostbaren Fernsichten, welche sich allenthalben, wo der Wald eine Lücke bildet, eröffnen, so wie die phantastischen Formen jener Vegetation, bieten einen unbeschreiblichen Zauber dar. Man wandert zwischen prachtvollen Stämmen riesiger Geoffracen, Rhexien, Cisalpinen und anderer gigantischer Bäume, die durch fast armsdicke Schlinggewächse decorirt und verbunden sind, und zwischen ihnen hindurch leuchten in brennenden Farben Bignonien, Lantanen, Pasifloren und hunderte jener Blumen, die bei uns mit Mühe gezogen werden.

Der Vordergrund jener herrlichen landschaftlichen Gemälde, die häufig durch Lichtungen des Waldes erblickt werden, wird bald durch vereinzelte Negerhütten in Mitte mit Früchten überschütteter Orangenbäume, bald durch pittoreske Felsparthieen, bald wieder durch gefallene und mit Parasiten bedeckte Stämme gebildet. Wohl blickt man auch, frei ab von der Höhe, über eine waldige Thalschlucht hinaus in die glänzende Ferne, auf den Hafen und einen Theil der Stadt und des Orgel- und Sterngebirges.

In geognostischer Beziehung habe ich dort manches Interessante gefunden, konnte aber leider nur wenige bezeichnende Stufen schlagen, da ich den Fehler beging, neue, noch ungeprobte Eisen mit mir zu nehmen, welche sämmtlich nach den ersten Schlägen zersprangen.

Schwarzer Glimmer scheint bedeutend vorzuherrschen in dem dortigen Granite, aber Form und Gepräge dieser Gesteine wechseln bedeutend. Schönen edlen Granat habe ich unter anderen Mineralien in einem frisch geöffneten Bruche dicht an der Straße gefunden. Die interessanteste Erscheinung aber, welche man dort aller Orten beobachten kann, ist die Verwitterung des Granits und die Zersetzung dieses Gesteins in einer Intensität, von welcher man sich bei uns kaum einen Begriff zu machen im Stande ist. An manchen Stellen finden sich Thonlager von 40 und mehreren Fußen Mächtigkeit, welche theils wohl von verwittertem ausgewaschenem Gesteine herrühren, theils aber auch blos umgewandelter Granit sind, welcher dort anstand und sich gänzlich gesetzt hat, bis auf unveränderte Quergänge und hier und da noch sichtbar auftretende Glimmerparthieen. Bisweilen aber glaubt man noch unverändertes, vielleicht nur höchstens an der Oberfläche verwittertes granitisches Gestein vor sich zu haben, so deutlich ist die Form der Bestandtheile derselben noch erhalten; aber man kann mit leichter Mühe einen Stock seiner ganzen Länge nach bis an die Faust in den scheinbaren Felsen stoßen, und ich habe mit einer sieben Fuß langen, am Wege liegenden Stange denselben Versuch mit gleichem Erfolge gemacht.

Ich habe dort mitten im unzersetzten frischen Granite flache, kaum einen Zoll mächtige plattenförmige Gebilde anstehen gefunden, welche ich auf einen Fuß Tiefe in das granitische Gestein verfolgen konnte. Diese Platten sehen so außerordentlich täuschend gewissen Formen des oberen Keupersandsteins ähnlich, daß ich an Ort und Stelle fast an die geognostische Unmöglichkeit geglaubt hätte, Nester von Keupersandstein mitten im Granite zu finden. Mitgebrachte Handstücke, welche ich noch heute besitze, belegen die Richtigkeit des Ausgesprochenen und sind von Sachverständigen stets als Keupersandstein angesprochen worden, obgleich sie blos zersetzter Granit sind.

Die warmen Regen, die dort zu gewissen Zeiten ziemlich häufig fallen, im Verein mit der bald wieder erscheinenden glühenden Sonne jenes Himmels, bewirken ohne Zweifel jene rasche und energische Zersetzung, welche für unsere Breitegrade ohne Beispiel ist. – Ich will nicht nochmals von der Aussicht sprechen, die von dem Gipfel des Corcovado sich darbietet und eben so wenig der baumartigen Farren weiter erwähnen, welche dort sich in aller Pracht entfalten, da gelehrte Botaniker den letzten Gegenstand wenn nicht erschöpft, doch hinlänglich berührt haben.

Dagegen will ich eines Negertanzes erwähnen, den wir, heimkehrend, zu beobachten Gelegenheit hatten. Im Hofe eines jener Landhäuser, die schon unweit der Stadt beginnen, und dann stets isolirter und vereinzelter bis in weite Entfernung von derselben angetroffen werden, hatten sich die Schwarzen beiderlei Geschlechts versammelt und führten einen ihrer National-Tänze auf. Die Wahrheit zu gestehen, war bei diesem Tanze wenig zu bemerken von kindlicher Unschuld eines Naturvolkes oder ungekünstelter Grazie. Die Tanzenden waren je nach dem Geschlechte in zwei Reihen gestellt. Einer der Männer sprang vor und näherte sich mit hüpfenden Schritten, welche allerdings einige entfernte Aehnlichkeit mit regelrechten Pas hatten, der weiblichen Reihe. Die gewählte Dame, vor welcher er stehen blieb, trat vor, und nun begann der Tänzer eine Reihenfolge von Bewegungen, welche nichts weniger als zweideutig genannt werden dürfen, sondern vielmehr höchst unzweideutig und nicht näher bezeichenbar waren. Hatten sämmtliche schwarze Herren ihre Tour beendet, begannen die Damen dieselben Manöver. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß was, gelinde bezeichnet, bei den Männern als burlesk betrachtet werden konnte, von Frauen ausgeführt höchst widerlich erschien. Das Ganze löste sich in eine wilde, verworrene, jauchzende und tobende Gruppe, worauf wieder das vorher geschilderte Spiel begann.

Als begleitendes musikalisches Instrument diente ein rohes an der Sonne getrocknetes Kalbfell auf eine Tonne gelegt, nicht gespannt, und mit einem harten Holzstücke geschlagen und fast ununterbrochen von den Tanzenden mit einem eintönigen Gesange begleitet. Wir glaubten die ewig wiederholten Worte Aira, Aira, re! verstanden zu haben.

Man hat mich von glaubwürdiger Seite versichert, daß jener Tanz ein Nationaltanz der Neger sei und nicht die Parodie oder Nachäffung des Menuett, wie ich theilweise zu glauben geneigt war.

Das Interessanteste, was ich auf jener Excursion in zoologischer Hinsicht getroffen, war ein negatives Resultat. Ich habe nämlich keinen einzigen Käfer getroffen, obgleich mir die Fundorte dieser Thiere wohl bekannt sind, und ich kein ungeübtes Auge besitze. Ich glaube nicht, daß die Jahreszeit hieran die Schuld trug, denn Dipteren, Hymenopteren, Hemipteren und prachtvolle Lepidopteren waren zahlreich zu treffen. Am häufigsten unter den größeren Schmetterlingen war der schöne Bombyx Atlas, der dem chinesischen und japanischen kaum etwas an Größe nachgab. Auch Aeronauta phorbanta oder eine ihm wenigstens sehr ähnliche Species saß häufig an den glatten Stämmen jener mächtigen Bäume, mit den großen blau gefärbten Flügeln schlagend und ausschwitzende Säfte saugend. Für mich, der ehemals leidenschaftlich gesammelt hatte, war es ein eigenthümliches bittersüßes Gefühl, diese prachtvollen Thiere, die Idole meiner Knabenzeit, lebend und in solcher Menge zu sehen, ohne sie fangen zu dürfen. Aber ich hatte mir zum Grundsatz gemacht, hier in Brasilien wenigstens keine Schmetterlinge mitzunehmen, da Transport ohne Beschädigung auf der weiteren Reise kaum möglich gewesen wäre. Die leicht transportirbaren Käfer aber sollen, wie man mir sagte, in der Umgebung von einigen Stunden überhaupt sehr selten sein, da eine Menge von Speculanten ihre Neger ausschicken, um sie einzufangen und an europäische Naturalienhändler zu versenden. Auch in ornithologischer Beziehung sahen wir nur einige kleine finkenähnliche Vögel, hingegen drei Gesellschaften von Brasilianern, welche mit Vogelflinten bewaffnet jagten, indessen auch noch ohne sonderliche Beute waren.

Außer einem mächtigen Regenwurme, vielleicht eine neue Lumbricus-Art, welchen ich aber nicht mitnehmen konnte, war ebenfalls kein kriechendes Thier zu sehen.

Ich bedaure, meinen Lesern nicht von einem Kampfe mit einer Klapperschlange erzählen zu können oder vor ihren Augen eine Boa constrictor erlegen zu dürfen, aber ich vertröste sie auf Chile! Dort werde ich sie über die Gipfel eines Urwalds hinwegführen, sie werden auch ein höchst merkwürdiges Abenteuer mit einem Löwen bestehen sehen, und überhaupt die interessantesten Dinge vernehmen. Zwar nichts Neues, Alles schon dagewesen! Aber wer vermag lauter Nova zu liefern, wenn er wahr sein und nicht ungebührlich »decoriren« will!

Das lebhafte rege Leben, was in tropischen Städten erst mit dem Abende beginnt und bis in die späte Nacht fortdauert, ist so bekannt, daß eine Schilderung desselben vollständig überflüssig.

In Rio de Janeiro aber sind die Abende schon vor Sonnenuntergang prachtvoll, weil der Seewind, der dort herrscht, kostbar erfrischt. Ich brachte bisweilen, war ich gerade nicht auf einer größern Excursion, solche Abende in einer jener Restaurationen nahe am Hafen zu, welche einem Franzosen gehörte, und woselbst ich später kurz vor der Abreise auch einige Tage wohnte. In diesen Anstalten herrscht eine merkwürdige Mengung von französischer Eleganz, brasilianischem Ueberflusse und zugleich, wie soll ich mich ausdrücken, – einer gewissen Einfachheit der Sitten.

Die großen bogenförmigen Thüren sind in den zu ebener Erde und gegen die See liegenden Speisezimmern stets geöffnet, so daß die frische Luft ungehindert Zutritt hat, an den Wänden schöne Kupferstiche, die kleinen Speisetische mit Silber und Kristallglas geziert und in der Mitte des geräumigen Gemaches eine Art Buffet zierlich, ja malerisch geschmückt mit allen jenen eßbaren Produkten des Landes aus Thier- und Pflanzenreich, die bei uns mit Gold gewogen, dort um einige Kreuzer zu haben sind, eine Miniatur-Ausgabe des besprochenen Victualienmarktes. Hinter einem andern in der Tiefe des Zimmers befindlichen Buffet beaufsichtigt eine zierliche Französin die Spirituosen. Aber der Kellner geht in Hemdärmeln, in abgetretenen Pantoffeln, nicht selten ohne Strümpfe und die Bedienung ist, wenn gerade nicht langsam, doch eigenthümlich. Ich war Augenzeuge, wie ein Fremder ein Glas Cognac verlangte. Der am Buffet lehnende Garçon hatte zufällig die linke Hand in der Tasche seiner Beinkleider stecken. Es war ihm lästig, sie zu entfernen, und so ergriff er die in der Nähe stehende Cognac-Flasche mit der Rechten, beseitigte den Stöpsel mit den Zähnen, füllte ein Gläschen und verkorkte die Flasche wieder auf dieselbe Weise, ohne die Linke zu rühren. Hier wußte die Linke nicht, was die Rechte that und umgekehrt, wie es häufig in unsern Kammern der Fall ist.

 

In jener Restauration versammelte sich ein großer Theil der Reisenden, deren Schiffe im Hafen lagen, und das babylonische Gewirre aller Sprachen, welches meist dort herrschte, ist schwer zu beschreiben. So war ein nordamerikanisches Schiff, welches, wie wir, nach Kalifornien bestimmt war, bei Kap Horn wegen Havarie gezwungen gewesen, umzukehren, und dessen Passagiere gaben uns jeden Abend Gelegenheit, Yankee-Sitte vor Augen zu haben. Eine Cigarre oder Kautabak im Munde, und war es halbweg möglich beide Füße auf dem Tische, spuckten diese Gentlemen mit bewundernswürdiger Virtuosität weit ab von sich an Wände und Geräthschaften. Aber ich hatte auch Gelegenheit, den durchweg praktischen Sinn jener Leute zu beobachten. Sie hatten an einem Abend auf der Straße vor dem Gasthause Händel mit den Brasilianern angefangen, man hatte die Messer gezogen, und einige der Nordamerikaner waren, ich weiß nicht auf welche Art, durch tiefe Querschnitte über den Rücken verwundet worden. Es war nöthig, vor der Uebermacht auf der Straße sich durch das Haus auf die andere Seite in's Freie zurückzuziehen, und sie bewirkten diesen Rückzug, indem sie gänsemarschartig sich mit außerordentlicher Geschmeidigkeit durch alle Gäste schoben, den Einzelnen wegstoßend, größeren Gruppen ausweichend und die Verwundeten so mit sich schleppend, daß diese mit beiden Händen sich an den Schultern des Vordermanns festhielten, während ihr Hintermann sie selbst am Kragen gefaßt hielt.

Nicht leicht habe ich den Ausdruck heiterer und harmloser Freude über eine ganze Bevölkerung ausgebreitet gesehen als in Rio de Janeiro am Vorabende des Johannis-Festes.

Sicher ist es eine der glücklichsten Segnungen der meisten warmen Länder, daß ihre Bewohner eine gewisse kindliche Gemüthlichkeit, einen eigenthümlichen gütlichen Leichtsinn bewahren, die sich bei jeder Gelegenheit äußern. Am Johannis-Feste freut sich alles, eben weil man sich freut. Auf den Straßen eine heitere, wogende, jubelnde Menge, in den Häusern geladene Gäste, freundliche Hausherren und geschäftige Diener, Scherz und Lust in jedem Winkel des Hauses, in jeder Laube des duftenden Gartens. Sobald es zu dunkeln beginnt, erheben sich tausende von farbigen Ballons in die Luft, die entweder in der Höhe verschwinden oder durch ein angebrachtes Feuerwerk in Flammen gerathen und Leuchtkugeln oder Raketen auswerfen. Aber auch auf der Erde entzünden sich allenthalben plötzlich farbige Leuchtsätze und nicht selten wird irgend eine zärtliche Gruppe unfreiwillig beleuchtet, Raketen steigen in die Höhe, Schwärmer und sogenannte Frösche blitzen und knallen aller Orten. Das eigentliche Johannisfeuer aber, von welchem sich auch in Deutschland an mehreren Orten noch Spuren erhalten haben, brennt vielfach in jeder Straße und auf größeren Plätzen in mächtigen Flammen. Alte Kisten und Tannen, unbrauchbares Hausgeräthe und hundert andere brennbare Dinge werden aufgespart auf diesen Tag, und Jedermann sucht sein Scherflein beizutragen für diese allgemeinen Freudenfeuer.

Mich hat dort verwundert, wie geduldig die Pferde über jene Feuer hinwegliefen, denn da die letzteren in ganz engen Straßen brannten, wo an kein Ausweichen zu denken war, mußten alle Wagen, welche zu hunderten die Stadt durchzogen, durch die Flammen fahren, so daß brennende Holzstücke oft zwanzig Schritte weit von den Rädern hinweggeführt wurden.

Die Heiterkeit des Abends wurde wieder durch eine Anzahl Nordamerikaner gestört, welche Unfug verübten und durch die Polizei zur Ruhe gebracht werden mußten. Wir erfuhren bei dieser Gelegenheit die Bedeutung des Wortes »Californi!« welches man uns bei der Einfahrt in den Hafen zugerufen hatte. Es hatten schon vor unserer Ankunft die Passagiere mehrer gleichzeitig im Hafen von Rio verweilender nordamerikanischer Schiffe manchfache Tollheiten und Unarten verübt, in Schenken z. B. statt die Zeche zu zahlen, Geräthe zerschlagen, Raufereien begonnen, Dirnen mißhandelt u. s. w. Da jene Schiffe nach Kalifornien bestimmt waren, so kam unter dem Volke als Schimpfwort jener Name in Umlauf, mit welchem man ohne Unterschied alle nach Kalifornien Reisenden belegte. –

Man wird von mir keine statistische Notizen über Rio verlangen, die allenthalben eben so gut oder schlecht als ich sie geben könnte, nachzuschlagen sind. Daß die 100,000 Einwohner, welche mit Einschluß der Neger die Bevölkerung ausmachen, sich durch das, einige Monate nach meiner Anwesenheit ausbrechende gelbe Fieber bedeutend vermindert haben, ist bekannt; aber solche Verluste ersetzen sich schnell in der neuen Welt, theils durch fremde Ankömmlinge, theils wie hier in Rio, durch Schwarze.

Das Militair hat keinen sehr günstigen Eindruck auf mich gemacht. Es besteht, mit Ausnahme von Fremden, welche in brasilianische Dienste getreten sind, aus Negern, und es ist in der That kein Scherz, wenn ich sage, daß der erste Anblick dieser Krieger mich an eine Affen-Komödie erinnert hat. Sich selbst überlassen, stehn die Schwarzen meist mit gebogenen Knieen, wodurch die ohnedies langen Arme noch länger erscheinen und dies, vereint mit den schwarzen, bisweilen wirklich fratzenhaften Physiognomien bringt jenen pavianartigen Typus zuwege. Doch stehen sie wacker und ernsthaft Schildwacht und wissen, ganz auf europäische Weise, Zudringliche von verbotenen Stellen zu entfernen.

Ich habe den Kaiser Dom Pedro mehrmals auf der Parade gesehen, welche er zu Pferde besuchte. Die Generäle und hohen Stabsoffiziere fahren in kleinen einspännigen, geschlossenen Wagen dorthin. Der Kaiser scheint durchgängig beliebt zu sein und zwischen den beiden dort herrschenden Parteien die Wage zu halten. So viel mir während meines kurzen Aufenthaltes von den dortigen politischen Verhältnissen klar geworden, besteht eine sogenannte altportugiesische Partei, welche die früheren Verhältnisse zurückwünscht, und auf der andern Seite die Partei der Brasilianer, welche das constitutionelle Kaiserthum erhalten wissen will, wohl auch noch weitere Fortschritte in diesem Sinne wünscht. Der Kaiser, welcher eine sehr geringe Civilliste bezieht, soll bei ernstlichen Händeln zu verschiedenen Malen mit Bestimmtheit gedroht haben, abzudanken, was stets eine rasche Vereinigung der streitenden Kräfte herbeiführte. Von beiden Seiten mag man wohl eingesehen haben, daß einestheils ein Kaiser in Brasilien wenigstens für die Gegenwart und ohne eine vollständige Anarchie herbeizuführen, nöthig, vielleicht haben auch gefürchtete Eingriffe von Außen, im Falle einer Umwälzung, das ihrige beigetragen. Wohl aber ist es auch beiden Parteien klar, daß man mit so wenigen Opfern wie gegenwärtig kaum irgendwie ein Staatsoberhaupt werde erhalten können. – Vielleicht ist hier, da ich doch einmal begonnen, von politischen Dingen zu sprechen der passendste Ort der Sklaverei zu gedenken.

Die Sklaverei ist in Brasilien zwar nicht aufgehoben, indessen insofern beschränkt, daß keine neuen von Afrika aus eingeführt werden sollen. Das heißt, es existirt ein Gesetz4, welches dies verbietet; nichts desto weniger kommen indessen fortwährend Ladungen dieser schwarzen Waare an die Küste, werden heimlich ausgeladen, in die Pflanzungen geschafft und dann endlich nach und nach in die Städte gebracht, wenn man ihrer bedarf.

Man braucht nicht zu sagen, daß die Behandlung der Sklaven eine schlechte sei, es reicht hin, zu bedenken, daß sie eine willkürliche ist.

Wenn aber ein Individuum der Willkür eines andern, und wie hier, kaum mit dem Schatten eines Gesetzes geschützt, überlassen ist, kann man die Folge wohl errathen. Selbst bei bessern Gemüthern liegt es leider oft nahe, Aerger und üble Laune an der Umgebung auszulassen. Es ist klar, daß gemeine und boshafte Naturen jede üble Disposition den unbeschützten Schwarzen fühlen lassen. Ein verfehltes Handelsgeschäft trägt dem Sklaven Prügel ein von seinem Herrn, und die Frau, der etwa ein Liebeshandel entdeckt oder vereitelt worden, peinigt ihre Sklavin bis auf's Blut, wie die Damen überhaupt mit eigentlichem methodischen Quälen in jeder Beziehung besser umzugehen wissen, als Männer, welche einmal derb darein schlagen, physisch oder moralisch, und dann Ruhe geben, wenigstens auf einige Zeit.

Was mich am meisten empört hat, ist das Mißhandeln der Mütter in Gegenwart ihrer Kinder und umgekehrt. Ich habe zehnmal und öfter vielleicht in einem Morgen gesehen, wie die Herrin in der Küche der dort beschäftigten Sklavin im Vorübergehen einige Hiebe versetzte, je nach Bequemlichkeit auf Kopf oder Rücken, und mit dem Gegenstande, den sie eben gerade in der Hand hatte, während ihre Gehülfin das Kind der Negerin mit einem Fußtritte aus der Küche schleuderte.

Wißt ihr, Freunde der Humanität, was ich dort gethan habe? Ich habe jenem schlagenden Drachen Confect überreicht, welches ich zufällig vorher gekauft hatte, und der Schwägerin, welche dem Kinde ihre Aufmerksamkeit durch Fußstöße erzeigte, sagte ich einige Schmeicheleien, denn beide Damen waren sanfte, deutsche Landsmänninnen. Man begreift, daß verdoppelte Mißhandlungen die Folge gewesen wären, hätte ich gewagt, Gegenvorstellungen zu machen. War man Zeuge einer solchen Behandlung, und ich habe Analoges öfter gesehen, so begreift man schwer, wie der lustigste heiterste Theil der Bevölkerung doch unbedingt immer die Neger sind. Der kurz vorher durchgeprügelte Schwarze entwickelt ganz ungetrübt Fröhlichkeit, wenn die Folgen der Strafe ihn nicht allzudeutlich an dieselbe erinnern, ja er wird unverschämt, wenn er nicht stets im Zaum gehalten oder an sein »Verhältniß« erinnert wird.

Ich will jetzt erzählen, wie ich selbst Neger geprügelt habe.

Fast sämmtliche Passagiere der Kajüte hatten bei Kaufmann Holm sich Bedürfnisse für die weitere Reise gekauft und einer der Passagiere und ich hatten aus Gefälligkeit den Transport dieser Gegenstände auf unser Schiff übernommen. Ich muß hier ausdrücklich bemerken, daß jener Passagier, ein junger begabter Mann, für Freiheit, Menschenrechte und dergleichen großartig schwärmte und in Folge des Jahres 1848 sich 1849 etwas rasch aus Deutschland entfernt hatte.

Wir hatten etwa 20 Neger gemiethet, denselben unsere verpackten Waaren gegeben, und wollten sie so zum Hafen führen. Aber schon nach den ersten Straßen, welche wir zurückgelegt hatten, schnitten uns die Neger Fratzen, führten allerlei Kapriolen aus, und machten ersichtlich Anstalt, sich nach allen Richtungen hin zu zerstreuen. So machte mir mein junger Freund selbst den Vorschlag, um uns »Respect« zu verschaffen, einige, allenthalben zum Verkaufe ausstehende Bambusröhre zu erstehen. So rasch dies geschah, so schnell waren die Neger wieder in Reihe und Glied, singend und guter Dinge zum Hafen wandernd.

Ich bin mir dort sonderbar vorgekommen, mit meinem Bambusstocke eine Reihe Sklaven führend.

Angekommen am Kai, lohnten wir die Neger bedungenermaßen ab, aber einige derselben gaben uns durch leicht verständliche Zeichen zu erkennen, sie wünschten ein Trinkgeld. Ich gab mehreren eine Kleinigkeit, nun aber hatten sie mich vollständig zum Besten, drängten uns immer weiter an den Rand des Kai, und gerade die, welche etwas erhalten hatten, waren die tollsten und ausgelassensten.

Als mich endlich einer bei den Schultern faßte, riß meine Geduld, ich holte aus, und schlug derb auf die wolligen Krausköpfe nach allen Richtungen hin, während mein freisinniger Freund, gleiches thuend, mich getreulich unterstützte. Der Erfolg war, daß die Neger auseinanderstoben und sich mit Gelächter zerstreuten. So waren wir also, eigentlich buchstäblich um uns zu schützen, genöthigt, eine Handlung auszuüben, welche wir wohl beide vorher als eine Rohheit erklärt hatten.

Ich glaube, daß eine strenge Behandlung nöthig ist, wo einmal Sklaverei herrscht, ja daß dieselbe eines der Mittel ist, wodurch eine allgemeine Empörung verhütet wird. Exempla sunt odiosa.

Aber der Hauptgrund, weshalb wenigstens in Rio de Janeiro und Brasilien überhaupt kein eigentlicher Sklavenaufstand ausgebrochen, ist der, weil die meisten der Sklaven, wenigstens der importierten, sich unter einander tödtlich hassen. Sie gehören verschiedenen Stämmen Afrika's an, die, in der Heimat sich bekriegend, und selbst gegenseitig als Sklaven an die Weißen verkaufend, hier in Brasilien ihre Feindschaft um so eifriger fortsetzen, da sie sich wechselseitig als die Ursache ihres gegenwärtigen schlimmen Looses betrachten.

 

Die Sklaverei ist allerdings etwas Schändliches und das Empörende derselben ist noch augenfälliger für den, der nicht von erster Jugend an diesen Anblick gewöhnt ist, und für den – welcher keinen Vortheil davon hat.

Man hat eingewendet, daß man von den frühesten historischen Zeiten an Sklaven gehabt, und sie behandelt, wie man es gegenwärtig thut; man hat gesagt, daß im Vaterland der Neger selbst die Sklaverei zu Hause; das ist Alles richtig, ja es ist sogar wahr, daß man bei sehr vielen Negerstämmen nicht selten einen wohlgenährten Sklaven, welcher ein zartes Fleisch zu liefern verspricht, aufspeist.

Aber giebt das frommen und gläubigen Christen, oder den aufgeklärten freien Republikanern ein Recht, solche heidnische und barbarische Gebräuche beizubehalten? Oder hat es Grund, daß die Fortschritte des Menschengeschlechts vorzugsweise repräsentirt werden durch Dampfmaschinen und Schnellpressen, durch Kleider ohne Naht und Streichfeuerzeuge, durch vulkanisirten Kautschuck, Missionsgesellschaften und die Anwendung der Galvanoplastik?

Eine traurige Thatsache ist, daß unter den Tropen weiße Männer kaum oder gar nicht Feldarbeit verrichten können und daß der dort geborene Indianer nie zu gedungener Arbeit zu bringen ist, so daß afrikanische Arbeiter unvermeidlich erscheinen, wenn Weiße jene Länder überhaupt benützen und bewohnen wollen.

Die ganze Welt weiß, daß diese Wahrheit eine der wichtigsten Lebensfragen für die Einigkeit wenigstens der nordamerikanischen Freistaaten ist.

Der Preis eines Sklaven ist sehr verschieden, 200 Thaler (à 2 fl. 30 kr.) für ein männliches Individuum, was halbweg rüstig, ist wohl das Minimum, aber diese Preise steigen mit der Kunstfertigkeit des Negers bedeutend, 800, 1000 Thaler und auch höher, wie man mir sagte. Weiber sind im Verhältnisse billiger, indessen bestimmen auch hier körperliche Vorzüge und Geschick den Preis.

Wer sich kürzere Zeit in Brasilien aufhält, kann sich Sklaven miethen und hier sind die Preise ebenfalls wieder bedingt durch die Fähigkeiten derselben, durchschnittlich 20-30 Thaler per Monat. Ja man kann sich in Rio de Janeiro aller Orten Sklaven auf Tag und Stunde miethen, indem es dort eine häufige Spekulation ist, die Schwarzen beiderlei Geschlechts des Morgens hinauszuschicken, um eine gewisse Summe zu verdienen, welche des Abends abgeliefert wird. Der Mehr-Verdienst gehört den Sklaven, was beim Weniger geschieht, braucht kaum erwähnt zu werden.

Ein freundlicheres Bild als diese Sklavenzustände giebt der botanische Garten, aber in allen Notizen über Rio de Janeiro ist dessen erwähnt, so daß ich nur wenig über denselben berichten werde. Der Stifter dieses Gartens war ein Mönch, und die Grundidee, welche denselben leitete, die, alle Kulturpflanzen der Erde, einheimisch unter gleichen Breitegraden oder im wärmeren Klima überhaupt, dort zu vereinigen, die Bedingnisse ihres Gedeihens zu studiren, und sie dann in Brasilien zu verbreiten. So viel ich weiß, ist dieser Zweck nur unvollkommen erreicht worden, obgleich von Zeit zu Zeit die Regierung ihn kräftig unterstützt hat. Ich halte diesen Garten für den schönsten der Welt und habe ihn an Ort und Stelle für eine lebende Illustration zu »Tausend und eine Nacht« erklärt.

Die Anlage desselben ist einigermaßen im altfranzösischen Style gehalten, aber jene Kinder der tropischen Flora haben sich nicht binden lassen durch Schnürleib und Perücke, und so ist nur das Zierliche der Etikette geblieben, und deren Steifheit verschwunden.

Man kann sich denken, welchen Effect mächtige Baumgruppen machen, die zusammengestellt sind aus den abenteuerlichsten und prachtvollsten Blattformen der Erde.

Eine lange Allee des australischen Brodfruchtbaums fällt beim ersten Anblick in die Augen und überrascht durch die eigenthümliche Form der Stämme. Mächtige Gruppen von Bambusrohr imponiren durch ihre Höhe, während anderwärts ein Feld mit Theestauden, ferner Kaffeebäume, Baumwollenbäume, Cacaobäume und alle Gewürze Indiens vor unsern Augen blühen oder Früchte tragen. Lauben, mit phantastischen Schlinggewächsen überzogen, kleine künstliche Bassins, das mystische Dunkel mehrerer Partien des Gartens, so wie die allenthalben beschäftigten Neger vollenden das prachtvolle Bild, jener Abtheilung des Gartens gar nicht zu gedenken, in welcher man die kostbarsten Blumen blühen sieht und wo selbst europäische Zierpflanzen, möglichst kühl gehalten und durch Tücher vor der Sonne geschützt, gezogen werden.

Wenn man das über den Hafen fahrende Dampfboot benützt, hat man von der Stadt aus etwa eine Stunde bis zum botanischen Garten. Auf jenem Wege habe ich wieder auffallende Beweise von der stellenweise so starken Verwitterung des Granits gefunden und bezeichnende Handstücke erworben.

Einige Tage, ehe wir Rio verließen, liefen abermals einige Schiffe ein, welche theils bei Buenos Ayres, theils näher bei Kap Horn so bedeutend beschädigt worden waren, daß sie umwenden und im Hafen von Rio den erlittenen Schaden ausbessern mußten. Zugleich verbreitete sich das Gerücht, als sei in diesem Jahre die Schifffahrt bei Kap Horn gefährlicher als je. Das schien bedenklich.

Mehr aber noch war die fast gleichzeitig eingelaufene Nachricht vom Vaterlande aufregender Art. Die Revolution sei erneut und vollständig ausgebrochen. Ein Theil der Fürsten sei getödtet, die anderen verjagt, die Armeen zum Volke übergetreten. Blutige Rache werde genommen an Besitzenden, und Deutschland gehe einer freien, schönen Zukunft entgegen.

Vielleicht hat selten eine Nachricht bei Leuten verschiedener Parteien einen gleicheren Eindruck hervorgebracht.

Diejenigen, welche an die Schönheit jener Zukunft glaubten, bedauerten, das Vaterland verlassen zu haben im entscheidenden Augenblicke. Wir anderen, die bescheidene Zweifel hegten, waren in Sorge, der zurückgelassenen Angehörigen halber. So bedauerte jeder, nicht anwesend zu sein in der Heimat, und wir trösteten uns beinahe gegenseitig, statt uns zu befeinden.

Es war die erste Nachricht vom badischen Aufstande, welche also vergrößert über die See gedrungen war. Erst in Chile erfuhren wir durch vor uns gekommene Dampfer den wirklichen Verlauf der Sache.

Nun aber, ehe ich Rio de Janeiro verlasse, will ich noch einige Angaben über die Temperatur des Wassers und der Luft beifügen – auf See, und über die in Rio selbst.

Ich habe von Bremen an täglich dreimal die Temperatur der Luft genommen und die des Wassers einmal, die Barometerstände wurden anfänglich nur einmal verzeichnet, später indessen, vom 31. Grade nördlicher Breite an bis zum Aequator, von da bis zu Kap Horn und wieder weiter bis Chile, stündlich von früh 9 Uhr bis des Abends 10 Uhr.

Für die vorliegenden Blätter wäre die Angabe dieser bedeuteten Reihe von Zahlen natürlich eine zu ausgedehnte, und eine langweilige Zugabe für den Leser. Ich habe daher unten gewissermaßen nur einen Auszug gegeben, indem ich von Bremen an bis zum 21. Grade nördlicher Breite die Temperatur der Luft und des Wassers blos wochenweise gebe, von dort an aber bis zum Aequator und weiter bis nach Rio de Janeiro die täglichen Stände anführe. Die Barometerstände habe ich gänzlich weggelassen, eben so die Angabe des Windes. Durch die Angabe der Länge und Breite aber kann genau die Stelle gefunden werden, wo sich das Schiff am bezeichneten Tage befunden und der ganze Kurs desselben liegt mit etwaiger Beihülfe einer Karte vor.

Es ist die Länge von Greenwich aus genommen und die Temperatur, genommen im Schatten auf Deck, nach dem Thermometer von Reaumur angegeben. Das Seewasser war mit passender Vorrichtung von der Oberfläche geschöpft.

4Dieses Gesetz wurde bereits im Jahre 1830 gegeben.