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Reise in Südamerika. Erster Band.

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Ich habe die schwebende Zuckerfrage zu einem glücklichen Ende gebracht, und trügt mich mein treuloses Gedächtniß nicht, so wurden durch meine diplomatischen Verhandlungen selbst auf einige Zeit die Speckportionen um ein Unmerkliches größer.

Aber auch dem Kapitain leistete ich wichtige Dienste. Eröffnete ich nicht statt seiner den Passagieren, daß leider die Sauerkohlportionen kleiner werden und bald ganz aufhören würden? Beschwichtigte ich nicht jenen tobenden Sturm, als unter Absingung der Marseillaise und anderer aufrührischer Lieder, ein Stück Salzfleisch, welches zufällig grün statt roth war, über Bord geworfen wurde?

Ernsthaft aber gesprochen, so drehen sich, trägt nicht specielle üble Laune und widerwärtiges Benehmen eines Individuums die Schuld, die Uneinigkeiten an Bord zwischen Kapitain und Reisenden meist um das Essen, und es mag mir wohl bisweilen gelungen sein, ärgerliche Auftritte zu verhüten. Ganz aber war die Spannung nicht zu heben. Sie brach unangenehmer als vorher aus, als wir Brasilien wieder verlassen hatten und machte mir manche trübe Stunde. Ich weiß nicht mehr, ob jene Klagschrift in Rio de Janeiro übergeben worden ist. Unweit Valparaiso wurde aber eine zweite entworfen, unterzeichnet und dort wirklich dem Konsul eingehändigt.

Doch genug von diesen ärgerlichen Händeln. – Ich will einer lieblichen Erscheinung gedenken, welche ich unter diesen Breitegraden, 38° Länge, 22° S. B. in meinem Tagebuch verzeichnet finde. Ich glaube, daß wir dieselbe dort zufällig das erstemal beobachteten, obgleich sie bei günstigen Verhältnissen unter allen Breitegraden vorkommen muß, und später auch noch verschiedenemale gesehen wurde. Ich meine den Regenbogen, welcher bisweilen an der Leeseite des Bugspriets gesehen wird.

Die Erscheinung zeigt sich, wenn bei vollkommen klarem Himmel und nicht zu hohem Stande der Sonne ein schwacher Wind sich plötzlich erhoben hat, so daß das Schiff rasch durch eine noch nicht zu stark bewegte See geht. Die Sonne muß auf der Luverseite des segelnden Schiffes, nämlich auf der stehen, wo der Wind herkömmt. Da der Wind die am Bugspriet empor geschleuderten kleinen Wassertropfen nach der Leeseite treibt, so ist die dort entstandene regenbogenartige Erscheinung sichtbar, wenn man sich so stellt, daß man die Sonne im Rücken hat.

Aehnliche Phänomene kommen häufig bei Wasserfällen und selbst bei größeren Fontainen vor, und müssen auch an den Rädern der Dampfboote gesehen werden; der am Bugspriet der Segelschiffe sich zeigende farbige Bogen aber hat die Eigenthümlichkeit, daß er sich durch Reflex tief in den Grund der See fortzusetzen scheint, was, verbunden mit dem öfteren plötzlichen Verschwinden und dem raschen Wiedererscheinen desselben, einen wunderhübschen Anblick gewährt.

Noch muß ich des südlichen Himmels erwähnen, den wir später bei Kap Horn freilich »noch südlicher«, aber nicht in der Klarheit wie hier unter den Wendekreisen zu sehen bekommen. Jeder hatte vom südlichen Himmel gehört, gelesen, von seiner Pracht und Herrlichkeit sich je nach Begriff und Phantasie ein glänzendes Bild entworfen. So kam es, daß das edle Nil admirari auf der Reform gänzlich vernachlässigt wurde, und alle Welt schwärmte für den Glanz der südlichen Sternenwelt. Insbesondere war es das Kreuz, was zur Bewunderung hinriß. Leider aber zeigte es sich, daß die Ansichten über das Kreuz differirten, nämlich, daß sehr verschiedene Stellen am Himmel angegeben wurden, wo sich das Kreuz befinden sollte, und erst später hat der Kapitain mir das wirkliche Kreuz gezeigt. Die süße Henriette (es hatte aus mir unbekannten Gründen einer der Passagiere diesen Namen an Bord erhalten) äußerte bei dieser Gelegenheit, es gäbe nicht blos ein südliches, sondern auch ein nördliches, östliches und westliches Kreuz, und jeder sähe das seinige an einer andern Stelle des Himmels oder der Erde. –

Daß das südliche Kreuz keine so außerordentlich glanzvolle Erscheinung darbietet, wie man im Norden nicht selten glaubt, geht vielleicht aus dem Gesagten hervor, denn es mögen die Urtheile Unkundiger, die noch dazu den besten Willen hatten, Herrliches zu erblicken, und sich doch nicht einigen konnten, wohl hiefür einen Beweis liefern. Ein schönes Sternbild aber ist immerhin das Kreuz. Auffallender aber, und für mich, den Nichtastronomen, interessanter waren die zwei maghellanischen Wolken und die schwarzen Flecke, oder die Kohlensäcke der Seeleute.

Die maghellanischen Wolken, besonders die größere, haben das Licht der Milchstraße, machen aber wegen ihres Vereinzeltstehens einen eigenthümlichen Eindruck. Man glaubt ein abgerissenes Stück derselben zu sehen. Es hat die größere dieser beiden leuchtenden Flecken des Sternenhimmels eine Größe von 42 Quadratgraden, während die kleinere nur 10 Quadratgrade hat. Sie bestehen aus Nebelflecken, Sternschwärmen, Sternhaufen und vielen einzelnen zerstreuten Sternen.

Die immensen Fortschritte, welche die Naturwissenschaften, besonders die »populären«, im gebildeten Publikum gemacht haben, überheben mich der Mühe anzudeuten, was Nebelflecken, Sternschwärme etc. eigentlich sind, und ich darf sogleich zu den »schwarzen Flecken« übergehn, welche am besten geschildert sind durch ihre Benennung selbst. Es sind in der That dunkle Stellen am Himmel, gerade das Gegentheil jener leuchtenden Wolken und von den Astronomen dadurch erklärt, daß an jenen Stellen sich im Raume eine geringere Anzahl von Himmelskörpern befinden, und daß ihre Dunkelheit noch hervorgehoben wird durch die Dichtheit der sie umgebenden Sternschichten.

Auffallend und fremdartiger noch werden ohne Zweifel dem Bewohner der nördlichen Halbkugel diese schwarzen Flecken erscheinen, als die maghellanischen Wolken, da auf unserer Erdhälfte Nichts Analoges sich am Sternenhimmel dem unbewaffneten Auge darbietet, während die Milchstraße uns schon an die ihr ähnliche Erscheinung der maghellanischen Wolken gewöhnt hat.

Wenigstens war dies der Eindruck, welchen jene beiden Eigenthümlichkeiten des südlichen Himmels auf mich hervorbrachten, der Totaleindruck aber war gegen jenen unserer Halbkugel kein günstiger zu nennen. Nur glänzendere Fixsterne erster Größe vermögen einigermaßen die Sternenleerheit des südlichen Himmels, namentlich in der Nähe des Pols, zu decken.

Daß der nächtliche Himmel unter den Wendekreisen überhaupt schöner und lieblicher, als näher den Polen, bedarf keiner Erwähnung. Die Helle und Klarheit dieser Nächte bei mondfreiem Himmel kommt nicht selten einer Nacht unter unseren Breitegraden gleich, die von halbvollem Monde erhellt wird, und das tiefe prachtvolle Blau entspricht allerdings den Schilderungen, die hievon entworfen worden sind.

Wir sahen am 17. Juni zum erstenmal die Küste von Brasilien. Scheinbar steile Abhänge, hier und da von fast kegelförmigen Formen unterbrochen. Aber die Abstufung dieser Kegel verscheuchte den Gedanken an basaltische oder doleritische Gebilde, und ließen granitische Massen vermuthen. Ich habe, wo es thunlich war, Profile der Küsten gezeichnet, und was mir dort während der Arbeit bisweilen als eine nutzlose Beschäftigung erschien, giebt mir jetzt, wenn ich mein Skizzenbuch durchblättere, eine klare Erinnerung an das Gesehene, ein, wenn auch schwaches, geognostisches Bild, und ruft mir jene Stunden der Erwartung deutlicher in's Gedächtniß zurück, als die Notizen meines Tagebuchs.

Kurz nachdem wir die Küste in Sicht gehabt hatten, fiel Regen und bald darauf verhüllte ein ziemlich dichter Nebel alle Aussicht, bis endlich plötzlich des Nachmittags die Nebel fielen, und wir in prachtvoller Sonnenbeleuchtung und nicht allzugroßer Ferne die brasilianische Küste vor uns hatten.

Die Geschäftigkeit der Seeleute hielt der Schwärmerei der Passagiere die Wage. – Brasilien! Eine Menge fast unbewußter Begriffe verbinden sich mit diesem Namen, welcher mir wenigstens in früher Jugendzeit stets der Repräsentant aller tropischen Pracht, aller überseeischen Herrlichkeit gewesen. Kann ich aber leugnen, daß bei näherer Ansicht der Küste, bei der Hoffnung, wohl morgen schon das Land zu betreten, all das, was ich gelesen über dasselbe in den Werken gelehrter Reisenden, zurückgedrängt wurde von der Erinnerung an jene Phantasien des Knaben? Alle jene Bilder, welche seit mehr als 30 Jahren vergessen in irgend einem Gedächtnißwinkel gelegen, tauchten dort mit wunderbarer Frische wieder auf. Dort habe ich Bertuch's großes Bilderbuch wieder vor mir gesehen mit den riesigen Faltern und glänzenden bunten Vögeln, welche Zeugniß geben von der prachtvollen Fauna jenes Landes. Ich habe die ermahnende Stimme jener gütigen verehrten Frau, die Mutterstelle an mir vertreten, wieder gehört, warnend, nicht so in Affect zu gerathen und den Theetisch nicht umzuwerfen. Als aber dort die Küste plötzlich uns entgegentrat, vergoldet von der abendlichen Sonne und umdonnert von der Brandung des durchschifften Oceans, habe ich mich gefreut, daß ich alles das jetzt sehen würde, jene Falter und Vögel, die Palmen und die Neger und die mächtigen Stämme des Urwaldes mit ihren Schlinggewächsen. Ich habe mich fast verwundert, daß das jetzt doch geschehen, was ich als Knabe für so ganz unmöglich gehalten, trotzdem, daß so vieles geschehen, mir geschehen, was ich als Knabe, als Jüngling und als Mann für noch viel unmöglicher gehalten.

Ich habe vorhin von der Geschäftigkeit der Seeleute beim Anblicke der Küste gesprochen und ich komme darauf zurück. Theils rüstete man sich zur baldigen Landung und traf Vorkehrung, um die Anker werfen zu können, anderntheils aber schien es mir, als wisse man nicht ganz genau, wo man sei und sei bemüht, sich zu orientiren. Gegen Abend wurde etwas von der Küste abgehalten und es dauerte bei der in jenen Gegenden so rasch eintretenden Finsterniß nicht lange, als wir Feuer am Lande und zugleich einen Leuchtthurm mit Drehfeuer erblickten. Aber es war an diesem Drehfeuer nicht zu erkennen, ob wir Kap Frio oder Rio vor uns hatten. Ich kann mich nicht mehr der Unterschiede erinnern, durch welche beide Leuchtthürme erkannt werden. Im Allgemeinen sind die Drehfeuer so eingerichtet, daß einige Sekunden das Licht erscheint, dann eine bestimmte Anzahl von Sekunden verschwindet und hierauf wieder, und bisweilen mit verändertem Farbentone, sichtbar wird. Während wir aber nun sicher waren, eines der beiden Leuchtfeuer vor uns zu haben, traf keins der in den Handbüchern angegebenen Signale mit dem von uns an der Küste gesehenen zusammen. Ich habe mich hievon überzeugt, indem ich abwechselnd mit dem Kapitain die Zeitdauer des Lichts beobachtete. Da besonders für Schiffer, die das erstemal die Küste von Brasilien besuchen, und eben so bei nebligem Wetter die beiden Leuchtthürme, oder vielmehr die Orte, wo sie stehen, leicht zu verwechseln sind, so dächte ich, daß es ganz einfach und sicher unterscheidender wäre, dem einen der Thürme weißes, dem andern rothes Drehfeuer zu geben. Ein in gewissen Intervallen verschwindendes Feuer ist übrigens nothwendig, da in größerer Entfernung und bei Nebel das Signal leicht mit irgend einem andern, zufällig an der Küste brennenden Feuer verwechselt werden könnte, und umgekehrt.

 

Unser Kapitain, jung zwar, er machte die erste Reise als Kapitain, aber vorsichtig und gewissenhaft, entfernte sich wieder von der Küste, und da es bei Anbruch des folgenden Tages neblig war, kreuzten wir des Morgens, ohne uns zu nähern. Windstille folgte, und bald auf dieselbe gegen Abend eine ziemlich starke Boe. Es wurden die Segel gerefft, und alles angewendet, um uns von der Küste zu entfernen.

Jeder, der einige Zeit lang Salzfleisch gegessen, weiß, daß auf hoher See nur weniges zu befürchten, daß aber eine gewisse Gefahr immerhin an der Küste in Aussicht steht. So war auch bei den Reisenden hie und da ein Anhauch von Aengstlichkeit nicht zu verkennen, und bedenkliche Mienen zeigten sich, als die Feuer an der Küste nicht verschwinden wollten, der Wind stärker und das Schwanken des Schiffes immer heftiger wurde. Doch ging die Nacht ohne Unfall vorüber.

Wir kreuzten des andern Vormittags fortwährend an der Küste, näherten uns aber endlich derselben so weit, daß wir den Eingang zum Hafen in Sicht hatten. Bereits wurde die See belebter. Vögel, Möven in großer Anzahl schwärmten umher, Quallen von ein bis anderthalb Fuß Durchmesser und scheibenförmig gestaltet, zogen ganz langsam am Bord vorüber und Züge von Delphinen wurden nahe und ferne gesehen. Da nur ein sehr schwacher Seewind wehte, so hatten wir Gelegenheit Alles mit Muße beobachten zu können. So war nicht weit von uns ein eigenthümliches Schauspiel zu bemerken. Ein Zug Delphine schwamm in gleichem Curse mit der Reform, und eben so langsam wie sie dem Hafen zu, und wurde von den allenthalben umherschwimmenden Möven bemerkt. Alsbald versammelten sich diese Vögel über den schwimmenden Delphinen, anfänglich einzelne, bald mehrere Hunderte, und begannen ein eigenthümliches Treiben. Sie stürzten sich aus der Luft mit Blitzesschnelle auf die Delphine, verweilten dort entweder einige Sekunden, oder schwangen sich eben so schnell wieder in die Luft. Entweder nehmen diese Vögel irgend eine Art Parasiten von der Haut der schwimmenden Thiere ab oder benützten sie die Gelegenheit um kleine Fische zu fangen, welche nicht selten die Züge größerer warmblütiger Seethiere begleiten. Ich habe deutlich beobachtet, daß sich einzelne Möven an Delphine anklammerten und unter Wasser gingen, wenn diese tauchten, und erst beim Wiedererscheinen derselben sich in die Luft schwangen. Die Delphine selbst schienen sich nicht im Mindesten um die Vögel zu kümmern, sie setzten mit größter Unbefangenheit ihren Weg fort, und die letzteren gaben ihre Beschäftigung erst auf, als der Zug der Delphine sich uns auf Schiffsweite genähert hatte.

Kurz hierauf kamen wir an einige Stellen, woselbst die See ganz roth gefärbt war. Die Ursache war eine Unzahl kleiner rother Krebse, von welchen ich einige aufgefischt, sie aber leider später in Chile verloren habe.

Bereits sahen wir schon den Leuchtthurm des Hafens. Er scheint von ferne gesehen hart am Ufer zu stehen, befindet sich aber in Wirklichkeit weit ab von demselben, auf einem isolirt in See stehenden Felsen, – erinnere ich mich recht, vielleicht zwei englische Meilen vom Eingange des Hafens entfernt.

Wir ließen den Leuchtthurm Backbord liegen und hatten uns kurz vor Untergang der Sonne dem Eingange des Hafens bis auf eine kurze Strecke genähert.

In nächster Nähe hatten wir einige vereinzelt liegende ziemlich steile Felseninseln vor uns, und auf ihnen sahen wir die ersten Palmen. Weiter entfernt gegen rechts bewaldete Höhen, auf welchen die scheidende Sonne eben noch erlaubte, die wunderbaren Formen der tropischen Vegetation zu begrüßen. Noch weiter gegen das Land zu, gegen rechts, liegt am Eingange des Hafens das Fort Santa Cruz, welchem gegenüber der Zuckerhut, ein steiler, etwa 1300 Fuß hoher Felsen, den anderen Theil des Hafeneinganges bildet. Ihm schließen sich Berge und Felsen an, prangend im tiefsten prachtvollen Grün des Pflanzenwuchses.

Es wurde das Loth geworfen, um Tiefe und Beschaffenheit des Ankergrundes zu erforschen und der Kapitain bat die Passagiere um Ruhe und Stille auf einige Zeit, um ungestört jene Arbeit vornehmen zu können.

Denken läßt es sich, daß Alles auf Deck war, was sich rühren konnte an Bord; aber mit Ausnahme der beschäftigten Seeleute, welche hie und da einen Befehl empfingen und Antwort gaben, sprach dort Niemand eine Sylbe und es wurde dem Willen des Kapitains die möglichste Folge geleistet. War es die Achtung vor dem Worte desselben, war es die stille Lust am neuen nie gesehenen Anblicke, hatte sich Aller eine stille beschauliche Stimmung bemächtigt? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, daß wenig Momente im Leben (angenehmen Andenkens nämlich) mir so unvergeßlich sein werden, als jene nächtlichen Stunden.

Wir hatten die Anker geworfen und ein leichter Landwind brachte uns eine Fülle von Wohlgerüchen an Bord, während große Nachtschmetterlinge um das Kompaß-Licht flatterten und dann wieder verschwanden.

Der Mond, welcher nur kurze Zeit geleuchtet, hatte den Sternen gestattet, uns das prachtvolle Blau jenes glücklichen Himmels in seiner ganzen Herrlichkeit zu zeigen. Dabei Klänge vom Land, Musik in der Entfernung, in größerer Nähe menschliche Stimmen in fremder unverständlicher Sprache und bewegliche Feuer. Im Hintergrunde und durch das Thor des Hafens ersichtlich die Stadt, beleuchtet von Tausenden von Lichtern längs dem dunklen Saume der Küste.

Alles das ist nichts besonderes. Aber es macht einen eigenen Eindruck wenn man es erfährt nach einer fast zweimonatlichen Seereise an der Küste eines Landes wie Brasilien und mit der Hoffnung, morgen jenes Land betreten zu können!

III.
Rio de Janeiro

Der freundliche Leser, welcher in Geduld mich bis hieher begleitet hat, hat ohne Zweifel eine beträchtliche Dosis Langweile ausgestanden. So mag man mir denn nicht widerstreiten, daß ich recht treffend geschildert, und es dahin zu bringen gewußt, die Gefühle des Autors überzutragen auf den Leser. Denn trotz des Zaubers der Tropennächte, der Poesie des südlichen Himmels und des Reizes der »dunkelblauen« Wogen, ist ein achtwöchentlicher Aufenthalt in der Atmosphäre von Salzfleisch und Zwieback immerhin höchst langweilig.

Leider vermag ich nicht glänzende Genugtuung zu geben, und jetzt durch Schilderung des Aufenthaltes in Rio de Janeiro den Leser in die Heiterkeit meiner Stimmung zu versetzen.

Wir fuhren am 22. Juni gegen Mittag in den Hafen von Rio ein. Vielfach ist seine Einfahrt und die wirklich prachtvolle Lage des Hafens beschrieben worden. Ich will deshalb so rasch als möglich über die dennoch unvermeidliche Schilderung jener ersten Eindrücke hinweggehen.

Die Einfahrt in den Hafen ist etwa 3000 Schritte breit und ist links gebildet durch den sogenannten Zuckerhut, einen steilen, etwa 1300 Fuß hohen Felsen, rechts durch das Fort Santa Cruz. Von dieser Einfahrt bis zur Stadt sind aber wenigstens noch ein und eine halbe englische Meile zu durchschiffen bis man das Land erreicht. Weiter aber noch in der Breite dehnt sich der Hafen aus, um ihn liegt die Stadt, im Hintergrunde das Orgel- und Sterngebirge.

Abgesehen von verschiedenen Forts, welche neben dem genannten, sowohl die Einfahrt als auch in Nähe der Stadt diese letztere selbst decken, sind im Hafen selbst zwei Inseln mit Forts, von welchen namentlich das auf der Ilha das Cobras, die Schlangeninsel, die Stadt gut zu schützen vermag.

Ich muß offen gestehen, daß sowohl zur Zeit wo ich in den Hafen einfuhr, als auch gegenwärtig, die strategische Wichtigkeit dieser sämmtlichen Fortificationen mir nicht besonders am Herzen lag, aber ihre wirklich malerische Vertheilung an und im Hafen selbst, hat mich entzückt und gewährt in der That einen reizenden Anblick.

Allenthalben hebt das glänzende Grün jener tropischen Vegetation die Weiße der Mauern, und unfern der Kanonen steigen schlanke Palmen empor, oder das riesige Blatt der Banane beschattet dieselben.

Es läßt sich kaum die Belebtheit des Hafens schildern. Hunderte von Booten von allen Größen durchkreuzen nach jeder Richtung hin denselben. Die meisten sind mit Negern bemannt, halbnackten, kräftigen Gestalten. So ist das in der Sonne blitzende Grün des Wassers mit der buntesten Staffage decorirt. Obgleich ich dort noch nicht die Bekanntschaft des edlen Onkel Tom gemacht, stiegen doch allerlei philantropische Gefühle in mir auf, als ich die ersten dieser Boote erblickte.

Eins derselben näherte sich unserem langsam vorwärts treibenden Schiffe, und obgleich am Steuer ein Weißer, mit einem etwas verfänglich aussehenden Bambusstabe stand, schien dennoch im schwarzen Volke der Geist ungestörter Heiterkeit zu herrschen. Schnell vorübergleitend an unserm Borde streckten uns sämmtliche Neger die Zunge entgegen, und solches war der erste Gruß, den wir von unsern schwarzen Brüdern und überhaupt von menschlichen Wesen im neuen Lande erhielten.

Bald folgte ein zweiter. Unweit eines jener Forts angelangt, rief man uns von demselben aus in englischer Sprache zu: Anker geworfen! Mag es nun sein, daß von uns der Befehl nicht gehörig verstanden oder nicht rasch genug befolgt wurde, gleich darauf donnerte ein Kanonenschuß über uns hinweg und unmittelbar nach demselben der zweite Ruf: »Anker geworfen, oder ich schieße scharf!«

Etwas verwirrte hastige Thätigkeit an der Ankerspille und obligate, vielleicht auch hier und da etwas ängstliche Verwunderung der auf Deck befindlichen Passagiere war die Folge der freundlichen Mahnung. Der Grund derselben aber, daß kein fremdes Schiff jene Linie überschreiten durfte, ohne vorher von Douane und Sanitätscommission besucht worden zu sein.

Als der Anker geworfen, kamen bald Boote in unsere Nähe, welche uns in Augenschein nahmen, theils Leute, welche Geschäfte zu machen suchten, theils müßige Gaffer. Die Neger schnitten uns wieder Fratzen und riefen uns, wie ihre Geberden zeigten, Schimpfworte zu, von welchen uns indessen blos das Wort »Californi« verbindlich, wenn gleich nicht erklärlich war. Wir erfuhren erst später dessen Bedeutung und Ursprung.

Douane und Sanitätscommission kamen kurz nach einander an Bord. Es wurde geprüft, gezahlt, was allenthalben auf der Welt die Hauptsache zu sein scheint, und hierauf die Erlaubniß gegeben an's Land zu kommen.

Jetzt legten fast zu gleicher Zeit zwei Boote bei uns an, und es kamen die Agenten zweier Kaufleute an Bord in der Absicht, Kapitain und Passagieren ihre Dienste anzubieten. Die Sache hatte auf den ersten Blick etwas seelenverkäuferisches an sich und erinnerte an die lieben Landsleute, welche in Nordamerika landende unerfahrene Reisende um den Rest ihrer Habe bringen. Aber es zeigte sich das Gegentheil. Diese Leute suchten nur jene Vorräthe und Bedürfnisse an uns zu verkaufen, von welchen sie wissen, daß sie Reisenden nöthig, und dafür helfen sie uns über eine Menge Schwierigkeiten hinweg, die sich dem Ankömmlinge im fremden Lande entgegenstellen. Ich schloß mich mit einem großen Theil der Passagiere dem Agenten eines Schweden, Holm, an, von welchem wir später alle unsere Bedürfnisse kauften und gut bedient worden sind. Nur wenige Gegenstände, welche überhaupt in Rio zu haben sind, fehlten im Verkaufsgewölbe dieses Mannes, und verlangte, nicht vorhandene wurden sogleich aus andern Läden herbeigeschafft. Holm besorgte alle Briefe der Passagiere, ließ dieselben in Häuser führen, welche sie nicht zu finden wußten, und wohin man etwa Empfehlungen hatte, und wurde nicht müde eine Unzahl müssiger und unnützer Fragen zu beantworten, welche unaufhörlich an ihn gethan wurden.

Vorläufig fuhr ich mit seinem Boote vom Bord aus an's Land. Hier erst im raschen Durchgleiten des Hafens konnte ich seine ganze Schönheit bewundern und fand die ganze Bestätigung dessen, was ich schon in Europa gehört, daß nämlich der Hafen von Rio zu den schönsten Punkten der Erde gehört.

 

Rio de Janeiro ist vielfach beschrieben worden, und die naturhistorischen Schätze Brasiliens wurden ausgebeutet und geschildert mit Gelehrsamkeit und Phantasie von Reisenden, welche das Glück hatten, Jahre lang jenes Land durchziehen zu können. Wir hielten uns etwa nur vierzehn Tage in Rio auf und selbst während dieser Zeit konnten wir nur kleine Ausflüge in die Umgegend machen, da der Kapitain die Dauer des Aufenthaltes niemand mittheilte, und uns anbefahl, jeden Tag der Abreise gewärtig zu sein.

Naturhistorische Forschungen waren mithin kaum anzustellen, wenigstens wäre wohl nur meist schon Bekanntes zu erzielen gewesen. So war ich darauf hingewiesen, dort nur das Leben und Treiben zu beobachten und – selbst zu leben, weshalb nur kurze Schilderungen zu erwarten aus jener glänzenden Tropenstadt.

Ein Theil der Passagiere, zu denen auch ich gehörte, wurden von Holm in einen ziemlich guten Gasthof, Nationalhotel von August Sprengel, gewiesen, und ich brachte den ersten Abend und den größten Theil des folgenden Tags damit zu, in der Stadt umher zu streifen, um einen Totaleindruck zu erwerben. Ich kann ihn nicht wiedergeben, denn viele Bogen würden nur ein unvollständiges Bild hervorrufen. – Mit Ausnahme einzelner größerer, und meist öffentlicher Bauten sind die meisten Häuser zweistöckig und haben die Bauart des südlichen Europa, unbedingt aber modificirt durch den Einfluß der Tropen. Daß die farbige Bevölkerung für ein ungewöhntes Auge anfänglich wohl den meisten Reiz hat, läßt sich denken. Kann ich aber hier Neues berichten? Wohl schwerlich, denn je nach der Auffassungsgabe einzelner Individuen sind alle diese Dinge uns schon unzählige Male erzählt worden.

Als recht charakterisirend und bezeichnend aber für den reichlichsten üppigsten Ueberfluß, welchen jener glückliche Himmelsstrich erzeugt, muß ich des Victualien-Marktes erwähnen. Ich habe selten vorher ein reizenderes, lieblicheres und zugleich belehrenderes lebendes Bild gesehen. In einer großen, im Viereck gebauten Halle liegen alle jene Früchte aufgehäuft in massenhafter Menge und um einige Pfennige zu kaufen, welche bei uns theils mit so viel Thalern bezahlt werden müßten, theils gar nicht zu haben, ja kaum dem Namen nach bekannt sind.

In Mitte mächtiger Hügel von Ananassen, Orangen von allen Arten und von unglaublicher Größe, von eßbaren süßen Citronen, Bananen, Cocosfrüchten, Feigen, Yams, süßen Zwiebeln, Artischoken und einer Unzahl anderer Dinge mit barbarischen Namen aber höchst kultivirtem Geschmacke, sitzen frische, reizende Negerinnen, lustig und guter Dinge ihre Waare anpreisend, singend und trällernd, wohl auch kokettirend, und um sie und zwischen den Früchten glänzen die glühenden Blüthen des Landes zum Verkauf oder zur Zierde dorthin gestellt. Andere jener schwarzen, plaudernden Dirnen sind fast gänzlich versteckt hinter Bergen von riesenhaften Gemüsen. Dort habe ich mich kaum getraut, den biedern deutschen Kohlkopf als Landsmann zu begrüßen, so mächtig war sein Haupt, so tropisch seine Haltung.

Fabelhaftes Seegethier, lebend und todt, wird in andern Regionen zu Kauf und Schau geboten. Fische in allen denkbaren Formen und Farben, Krebse, Hummer, Krabben, Austern und Muscheln aller Art, und dort könnte der Zoologe reiche und ganz gewiß noch unbekannte Schätze erwerben, welche vielleicht hundert Jahre lang verkauft und gespeist worden sind, ohne die Ehre gehabt zu haben, wissenschaftlich beachtet zu werden.

So habe ich selbst später in Valparaiso, dessen Fauna gegen jene von Rio eine ärmliche zu nennen, einen neuen Schmarozerkrebs gefunden, der ohne Zweifel, so lange jene Stadt besteht, in einem Seeigel zu Markte gebracht und täglich dort gegessen wird.

Das bunteste und lebendigste Gemälde aber bietet auf jenem Markte in Rio der Geflügel-Verkauf, oder besser der Wildpretmarkt, der einen weitern Theil der Halle einnimmt. Wildhühner und Enten, alle Variationen des Haushuhns, Perlhühner und Truthähne, wechseln mit lebenden glänzenden Aras und bunten Papageien. Dazwischen sind in Käfigen jene großen schwarzen Schweine ohne Rückenborsten zu sehen, deren Fleisch ganz dem Schwarzwild ähnlich, oder ein Stachelschwein, oder ein kleines unzenartiges Thier, was sich anständig und zahm geberdet, dann Affen von allen Arten und anderes fremdländisches Gethier.

Fremde von allen europäischen Nationen, die sich jenes Treiben besichtigen, Schwarze aus allen Stämmen Afrikas, verkaufend und einkaufend, arbeitend und müßig einherschlendernd, beleben das Ganze und vermehren dessen Reiz. Die ersten Tage in Rio benützte ich um einige Empfehlungsbriefe abzugeben, die ich dahin hatte. Die Mehrzahl derselben habe ich später bei Kap Horn in die See geworfen, und sie sind ohne Zweifel von den Albatrossen verschluckt worden, die dem Schiffe folgten. Binden nicht spezielle Bande den Schreiber und Empfänger solcher Briefe, oder walten nicht besondere günstige Verhältnisse ob, so bringen sie meistens wenig Nutzen.

Halb Nabob halb Englishman steht der Empfänger des Briefes vor euch, die Daumen in den Armlöchern der Weste, mit den Augen halb den Schützling musternd, halb zur Thüre hin bekomplimentirend, und aus allen diesen Halbheiten wird euch bald ganz klar, daß ihr am besten sogleich wieder geht. Ich habe es redlich gethan, freundlich, lachend, und mit höflich ausgesprochenem Troste, daß ich nicht wieder kommen werde. Zu Schutz und Entschuldigung aller jener Empfänger braucht aber kaum bemerkt zu werden, daß, wenn jeder derselben nur einen halben Tag einer solchen Empfehlung opfern wollte, der Leichtsinn, mit welchem sie häufig gegeben werden, ihm wohl wenig freie Zeit übrig lassen würde.

Als ich am ersten Tage des Abends in das Gasthaus zurückkehrte, fand ich einen ziemlichen Theil der Schiffsgenossen krank und in jämmerlichem Zustande. Der unmäßige Genuß von Früchten trug ohne Zweifel die Schuld. Ich empfahl Mäßigkeit für die Folge und ließ heißen starken Thee ohne irgend eine andere Zuthat nehmen. Durchfall und Erbrechen hoben sich überraschend schnell und die gefürchteten Fieber blieben aus. Ich für meine Person habe während meines dortigen Aufenthaltes ganz nach Belieben meine Lieblingsfrucht, die Orange, und eben so Ananas gegessen, dazwischen selbst mit Einschluß des Wassers, jedes Getränke genommen, ohne je irgend ein Uebelbefinden zu spüren. Auch die gefürchteten Muskitos ließen sich erträglich an, und ich habe in Franken in manchen Jahren während einer Nacht mehr von den dort sogenannten Schnaken (Culex pipiens) ausgestanden als während meines ganzen Aufenthalts in Brasilien von den Muskitos. Im Innern des Landes und in der Nähe von Sümpfen leugne ich natürlich nicht das Beschwerliche dieser Gäste. Diejenige Art derselben, welche uns heimsuchte, war klein, etwa zwei Linien lang und mit gefiederten Fühlfäden. Sie summt und pfeift nach Art unserer deutschen Schnaken und ihr Stich hinterläßt einen kleinen Hugel, der mehrere Tage bleibt und in der Mitte einen schwarzen Punkt hat. Wir hatten auf dem Schiffe, nachdem wir Rio verlassen hatten, einige Tage lang fast mehr von ihnen zu leiden, als am Lande selbst.

Einen der lohnendsten Ausflüge in der Umgegend von Rio de Janeiro machte ich nach einigen Tagen meines dortigen Aufenthaltes nach dem Corcovado, dem höchsten Berge in der Nähe der Stadt. Man geht eine große Strecke längs einer Wasserleitung, welche allenthalben berühmt ist und sicher diesen Ruf verdient. Ueber zwei Stunden weit wird vom Corcovado aus das Wasser einer Quelle des Rio Catetes in die Stadt geführt. Der Bau besteht aus achtzig Doppelbogen, und ist an manchen Stellen über hundert und sechzig Fuß hoch. Das Wasser läuft in demselben gedeckt und verschlossen, aber an vielen Stellen kann der Vorübergehende seinen Durst löschen, indem Oeffnungen mit eisernen Gittern das Schöpfen erlauben.