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Reise in Südamerika. Erster Band.

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Ich zweifle nicht, daß mit Schärfe und Genauigkeit und in kurzer Zeit sich Wahrheiten über das Leuchtevermögen aller dieser Thiere herausstellen ließen, wenn man sie im friedlichen Studierzimmer stets frisch zur Hand haben und gute Instrumente, vielleicht auch chemische Agentien anwenden würde. Meist aber fehlen auf See, bei dem reichlichsten Material, die meisten Hülfsmittel zur genauen Untersuchung, der mangelnden Literatur nicht zu gedenken. Ich hatte ein kleines Mikroskop von Plössel bei mir, aber ich konnte kaum eine stärkere Vergrößerung als eine dreißigfache lineare anwenden, und öfters selbst diese nicht. Es ist nicht leicht ein Thier, was häufig nicht die halbe Größe eines Nadelkopfes erreicht, aus einem Eimer Wasser herauszufangen, entweder beim Lampenlichte, welches selten sehr brillant ist, oder in der Dunkelheit, blos durch des Thierchens eignes Leuchten geleitet, zudem da nach einigemal wiederholtem Reize dieselben bald sterben oder wenigstens nicht mehr leuchten.

Die besprochenen Erscheinungen haben für den, der die See befahren hat, ein solches Interesse und erwecken so vielgestaltige an sie geknüpfte Erinnerungen, daß man es mir vielleicht verzeihen wird, so lange bei denselben verweilt zu haben. Ich werde hinfür nur selten und flüchtig des Gegenstandes mehr erwähnen. Doch muß ich, ehe ich ihn verlasse, noch eine eigenthümliche Erfahrung anführen, welche ich gemacht habe. Es gelang mir nämlich nie, ein des Nachts leuchtendes Seethier, im absolut finsteren Raume, auch bei Tagszeit leuchtend zu machen. Ich fing öfters während des Tages sowohl kleine, als auch größere Individuen, von denen ich wußte, daß sie des Nachts leuchteten, brachte sie in meine Koje, und reizte dieselben, um sogleich nachher bei Tageslicht und unter dem Mikroskope das leuchtende Organ näher prüfen zu können. Aber ich habe nie, auch nie eine Spur eines Lichtscheins gefunden. Ich habe diese Versuche auf der Rückreise von Peru nach Europa angestellt, wo auf dem Schiffe durch die Gefälligkeit des Kapitains alle möglichen Hülfsmittel zu meiner Verfügung standen. Das kleine Prisma, welches von oben die Koje erhellt, wurde auf das sorgfältigste verschlossen. Die Thür, in Fugen laufend, und zum Schieben eingerichtet, wurde zugeschoben und von außen so dicht mit Tüchern verhängt, daß absolut alles Licht ausgeschlossen war; ich blieb dann etwa 30 Minuten in dem verdunkelten Raum, um eine Spur etwa eindringenden Lichts zu entdecken, und um mein Auge empfindlicher für den geringsten Lichtreiz zu stimmen, aber ich habe nie ein anderes Resultat als das oben angegebene erhalten können. Manche der Thiere, meist größere Medusen, welche nicht zu heftig gereizt worden waren, und welche überhaupt länger leben, leuchteten nach eingebrochener Nacht und dann selbst auf Deck, wo bei Sternenhelle deutlich die nächsten Gegenstände zu erkennen waren.

Ist das Leuchtorgan jener Thiere an eine gewisse Zeit gebunden, hängt diese Zeit zusammen mit dem Zwecke, den die Natur überhaupt damit verbunden hat, oder war mein Auge in der verhängten Koje immerhin noch nicht genug an die Dunkelheit gewöhnt, um die Lichterscheinung wahrnehmen zu können? Ich weiß es nicht, aber ich habe die Erfahrung wiedergegeben, wie sie sich mir geboten.

So viel vom Leuchten der See.

Die Temperatur war in jenen Breitegraden in der That eine wahrhaft köstliche zu nennen, wenigstens nach meiner Ansicht. Wir hatten meist günstigen Wind, und die Stillen, welche hier und da eintreten, wie solches dort öfters zu geschehen pflegt, dauerten nicht lange, und waren, für mich den Medusenjäger, so wie für die Seekranken gleich erwünscht. Regenschauer und einzelne Gewitter liefen wohl mit unter, aber vorübergehend, indessen war dann die Schwüle in unserer sogenannten Kajüte einigermaßen drückend, da auf das Skylight eine luftdicht schließende, mit Glas versehene, Decke gesetzt wurde. Einige jüngere Passagiere, welchen die tropische Hitze keine so angenehme Zugabe wie mir war, dem nicht leicht (physisch nämlich) irgendwo zu warm geworden ist, wurden unwohl und dies meist solche, welche längst die Seekrankheit überwunden hatten.

Ich gab den Patienten Brechweinstein und später Citronensäure, und sah auf diese Weise das Uebel leicht verschwinden.

Indessen brachte ich es auch beim Kapitain dahin, daß mittelst einiger Querhölzer jene Skylight-Decke hohl gestellt wurde, so daß zwar dem Regen gewehrt, nicht aber der Luft aller Zutritt abgeschlossen wurde. Eine weitere Verbesserung unserer Umstände brachte ich dadurch zuwege, daß ich den Genossen der Kajüte vorschlug, unser Kostüm zu vereinfachen. Leichte leinene Beinkleider und Hemden, Pantoffel dazu – und der Anzug für den Tag und für die Promenade auf Deck war beendet. Ich gestehe es mit Erröthen und Schamhaftigkeit. Wir hatten dort gewiß ein höchst ungebildetes Aussehen. Keine Strümpfe! nicht einmal jener Repräsentant der Cultur und Bildung, die Kravatte, wodurch sich, mit Ausnahme der behalsbandeten Kettenhunde, der Mensch vorzugsweise vom Thiere unterscheidet. –

Noch ein anderes Schutzmittel gegen die allzugroße Hitze in der Kajüte wurde am Skylight angebracht, ein Segel von etwa 12 bis 15 Fuß Höhe, gegen unten in einen Schlauch endend, welcher in die Kajüte führte. Die gegen das Segel strömende frische Luft wurde auf solche Weise stets in die Kajüte geführt und bewirkte auf diese Art eine in der That sehr angenehme Frische und perpetuelle Reinigung der untern Luft.

Ich muß gestehen, daß ich durch allerlei Kunstgriffe das Ende jenes Schlauches sehr häufig in unsere Koje zu leiten wußte, was den drei Mitbesitzern sehr wohl zu statten kam. Ich selbst schlief fast während der ganzen Zeit, in welcher wir uns unter den Wendekreisen befanden, unter freiem Himmel auf Deck.

Da mich die Matrosen gerne hatten, so weckten sie mich, ehe sie des Morgens das Schiff zu scheuern begannen, und ich entging so der Taufe, welcher nicht selten Passagiere ausgesetzt sind.

Anfänglich schleppte ich allabendlich mit Hülfe einiger freundlichen Genossen meine Matrazze nebst einigen wollenen Decken auf die Stelle, wo ich zu übernachten gedachte. Da aber einigemale Regen einfiel, und alle diese Requisiten schnell und ohne Beihülfe wieder hinabgeschafft werden mußten, beschränkte ich mich auf die wollenen Decken allein. Zuletzt ließ ich auch diese unten, und schlief à la Diogenes einfach in meinem Mantel auf den Brettern des Gangs. Ich lag etwas härter, aber ich hatte die große Bequemlichkeit, nicht mehr den Regen fürchten zu müssen. Bei größeren Schauern war ich rasch unter Deck, des Gepäckes ledig, kleinere aber wurden oben bestanden, öfters schlafend, im süßen Bewußtsein, daß die Sonne des morgigen Tages den einfachen Mantel leicht trocknen würde.

Ich komme bei dieser Gelegenheit auf einen eigenthümlichen Gegenstand, welchen ich mit einigen Worten behandeln will. Ich meine den schädlichen Einfluß, den das Mondlicht, und namentlich jenes des Vollmonds, unter den Wendekreisen äußern soll. Bei allen Seeleuten ist der Glaube verbreitet, daß der Mondschein giftig, wie sie sagen, einwirke. Im Mondscheine wird, selbst außerhalb der Tropen, nie ein Seemann mit unbedecktem Haupte auf Deck erscheinen.

Aber selten wird irgend ein ähnlicher Glaube allgemein unter einem ganzen Stande verbreitet sein, ohne daß irgend wie eine Wahrheit, ein Thatsächliches zu Grunde liegt. Die Folge des Schlafens oder überhaupt nur das Liegen mit unverhülltem Antlitze im Mondscheine soll Geschwulst im Gesichte, Lähmung, Blindheit, in manchen Fällen Wahnsinn und mit dem Tode endende Raserei herbeiführen. In Europa, irre ich nicht im südlichen Frankreich, sind ähnliche Erfahrungen gemacht worden.

Soldaten, welche des Nachts auf den Wällen einer Festung Schildwacht standen, wurden »mondblind.« Dies ist so viel ich weiß der wissenschaftliche Ausdruck für das Leiden, Mondblindheit, Nyctalopia und die vorzüglichste Erscheinung mit welcher es, nach der Aussage eines deutschen Arztes in Valparaiso, auftritt, ist eine mehr oder weniger verbreitete Geschwulst in der Augengegend, und die Eigenthümlichkeit, daß des Nachts vollständige Blindheit eintritt, sei nun Mondlicht oder Feuerbeleuchtung. Jener mir befreundete Arzt hatte als Oberarzt eine Abtheilung chilenischer Truppen über die Cordilleren begleitet und es fanden dort natürlich längere Zeit hindurch nächtliche Bivouaks im Mondscheine statt. Die Hälfte jener Soldaten wurden mit Mondblindheit befallen, und es dauerte einige Monate bis die Erkrankten vollständig geheilt waren.

Ich weiß nicht, ob der keusche unschuldige Mond wirklich die Schuld an dem Uebel trägt, ob es nicht vielleicht die rasche Abkühlung nach einem anstrengenden und erhitzenden Tagmarsche hervorgebracht hat, oder ob nicht andere klimatische, vielleicht nicht beachtete Einflüsse dasselbe hervorgerufen haben. So viel steht indessen fest, daß man dem Liegen im Mondschein alle Schuld aufbürdet, und daß eine leichte Verhüllung des Gesichtes dagegen schützen soll.

Es verdient noch bemerkt zu werden, daß unter den Seeleuten der Glaube herrscht, daß Fleisch geschlachteter Thiere, besonders aber das von Fischen, dem Scheine des Vollmondes ausgesetzt, leichter in Fäulniß übergehe als anderes, ja daß solches Fleisch beim Genusse selbst schädliche Eigenschaften habe. Es liegt eine eigene Mystik in diesem Glauben, der zusammenzuhängen scheint mit mancherlei Erfahrungen über die Einflüsse des Mondes, welche man von andern Seiten her gewonnen haben will. Indessen bedecken die Seeleute sorgfältig frisches Fleisch, was des Nachts über auf Deck bleiben soll und ich muß gestehen, daß ich eines Nachts sehr überrascht war, ein vollständig angekleidetes Schwein an der Schanzverkleidung stehen zu sehen, welches mit einem leichten Anstriche von Melancholie den Hauptmast zu betrachten schien. Die Sache klärte sich einfach dadurch auf, daß man das bei Tage geschlachtete Thier auf Deck gehängt, aber des Mondscheins halber mit alten Kleidern behangen und mit einem Hute bedeckt hatte. – Dem sei aber nun wie ihm wolle, sei die Sache ganz eine Fabel, oder sei sie halbe oder ganze Wahrheit, – so viel steht fest, daß ich nicht die geringste Anwandlung irgend eines Unwohlseins erfuhr, obgleich ich, während wir die Wendekreise durchschifften mit wenig Ausnahmen fast immer unter freiem Himmel und den Mondesstrahlen ausgesetzt schlief. Nicht selten brachten auch noch einige andere Passagiere die Nacht auf Deck zu, aber auch bei diesen zeigte sich Nichts dem Uebel ähnliches.

 

Aber ich habe an jene Nächte eine freudige dankbare Erinnerung bewahrt, die mich nicht verlassen hat in manchem Sturme der See und des Landes.

Wie oft habe ich dort jener lieben Herzen in der Heimath gedacht, von welchen ich sicher wußte, daß sie für mich schlugen, und deren Zahl ich nicht nennen will, weil Beispiel, Namen und Zahlen gehässig sind. Doch die feierliche Ruhe jener Nächte beschwichtigte den Kummer und die Sehnsucht. Die See, scharf abgegränzt bei Tage und scheinbar nur in mäßigen Dimensionen dem Auge erreichbar, erhält dort das Gepräge von Unermeßlichkeit durch jene fabelhaften Wolkengebilde, die vom Monde beleuchtet, die Gränze zwischen Himmel und Wasser verhüllen. Aber diese irdische Unendlichkeit, sie verschwindet, wenn sich der Blick zu den Gestirnen wendet, und weicht dem Gedanken an eine Ewigkeit, an eine Schöpfung ohne Anfang, ohne Ende, eine unumstößliche Wahrheit, eine unbegreifliche, und deshalb fast eine grauenhafte.

Oft habe ich in solchen Nächten jener ersten Blicke gedacht, wo ich als Knabe den Sternenhimmel betrachtet und wo ich nicht mehr recht die Erzählung meiner Wärterin glaubte, daß die Sternlein lauter Löchlein seien, durch welche der liebe Gott erlaube einen Theil seiner Herrlichkeit im Himmel zu erblicken, wohl auch herabblicke auf artige Kinder und sich freue über sie.

Später erfährt man freilich, daß der liebe Gott eine Constitution bekommen hat, daß alles nach Gesetz und Maaß gehen muß, und jene Bücher-Lehren oder wenigstens der Glaube daran nicht mehr zulässig und statthaft sei.

Ich mag den Freunden nicht bergen, daß ich dort zuweilen ein rechtes großes Kind gewesen und wohl bisweilen gewünscht, zu glauben wie ein kleines.

Während aber so in der Stille jener Nächte der Blick bald über das Wasser schweift und den Streiflichtern des Mondes folgt oder in den fernen Wolken mannichfache Gebilde zu erkennen glaubt, bald in der Tiefe des Himmels sich verliert und sich Spekulationen so verschiedener Art hingiebt, beginnen wir allmählig auf das Murmeln der neben uns vorüberziehenden Wellen unwillkürlich zu lauschen. Sie flüstern uns bisweilen seltsame Dinge zu diese Wellen, Dinge, die man nicht wieder erzählen kann und will, aber sie flüstern uns in den Schlummer.

Es ist Zeit, daß ich wieder einmal eines Datums erwähne, irgend etwas Wichtiges erzähle, was vorgefallen am Bord, ein Ereigniß melde. So will ich denn mittheilen, daß am 25. Mai (unter 22° 22' westlicher Länge und 4° 58' nördl. Breite) während einer Windstille ein Hai gefangen wurde. Dieses kann aber der vollkommensten Wahrheit gemäß an Bord, und besonders an Bord eines Passagier-Schiffes ein Ereigniß genannt werden. Ich hatte die Nacht auf Deck geschlafen, war aber gegen Morgen vom Regen vertrieben in meine Koje gegangen, als plötzlich gegen 5 Uhr ein furchtbarer Lärm auf Deck entstand. Der Ruf: ein Hai! der Alles übertönte, ließ auch mich so schnell als möglich auf Deck eilen, woselbst man eben beschäftigt war, jene »Hyäne des Meeres« an Bord zu ziehen. Man hatte schon seit einigen Tagen eine Angel ausgeworfen, welche unweit des Steuers befestigt, nachschleifte, aber obgleich schon mehrere jener Gäste den Köder, ein Stück Speck, umspielt, hatte doch erst am erwähnten Morgen einer derselben ernstlich angebissen. Das gefangene Thier war 7 Fuß lang und von beträchtlicher Stärke. Es ist übrigens keine ganz gefahrlose Sache, jene Ungethüme, welche natürlich an der Angel sich rasend geberden, an Bord zu bringen, und man muß sich wohl hüten in den Bereich des Rachens oder des Schweifes zu kommen. In letzterem entwickeln sie eine furchtbare Stärke und man versichert, daß unvorsichtig sich Nahenden öfters Arme und Beine zerschlagen worden seien. Der starke, 9 Zoll bis 1 Fuß große Angelhaken hängt an einer etliche Fuß langen Kette und diese an einem Taue. Sobald nun der Fisch auf Deck gezogen ist, wird durch einige Männer das Tau rasch um einen irgendwo befindlichen festen Gegenstand, etwa einen Kabelnagel geschlungen, so daß die Angel mit dem Kopfe des Thieres fixirt ist. Einer der Matrosen nähert sich dann behende dem wüthend um sich schlagenden Hai, und schlägt ihm mittelst eines breiten Beiles rasch den Schweif ab. Gewöhnlich wird hierauf auch der Kopf mit der Axt abgeschlagen, würde man aber dies zuerst thun, so würde der nicht mehr festgehaltene Körper arge Verwüstungen auf dem Decke anzurichten im Stande sein, da er, auch kopflos, noch lange Kraft und Bewegung besitzt.

Vom Körper des Hai nimmt man gewöhnlich die beiden Kiefer und das Rückgrat, welches die Matrosen trocknen und als »Rarität« zu Hause verkaufen. Alles übrige wird in See geworfen. Ich erinnerte mich in Chamisso's Reise um die Welt gelesen zu haben, daß der Hai von den russischen Seeleuten ohne Anstand gegessen wird. Auf mein Zureden gingen einige Passagiere mit mir zum Kapitain um ihn um den Hai zu bitten, d. h. um die Erlaubniß, daß der Koch ihn für uns bereiten dürfe. Wir erhielten zur Antwort, das sei gewiß unser Ernst nicht und überhaupt auf keinem Schiffe gebräuchlich. Ein Thier, was unsere Kameraden frißt, essen wir nicht, sagte mit einer gewissen Würde der Obersteuermann.

Vergebens wendete ich ernsthaft ein, es gebe keine bessere Revanche, als Jemanden, der die Gewohnheit habe, unsere Freunde zu speisen, wieder zu essen. Mit genauer Noth erhielt ich soviel, daß gestattet wurde, den mit einem Stücke des Halses abgehauenen Kopf vom Koche sieden zu lassen. Sollte uns die eklige Speise munden, so sei uns das übrige vergönnt. Die Speise mundete uns aber ganz ausgezeichnet und nur wer längere Zeit fast einzig auf Salzfleisch angewiesen war, weiß den Genuß frischen Fleisches gehörig zu schätzen. Als wir aber uns auf Deck nach dem Uebrigen des Fisches umsahen, war Alles längst von den Matrosen über Bord gebündelt worden.

Ich habe den Kopf jenes Haies skeletisirt und mit zurück nach Europa gebracht. Er befindet sich gegenwärtig im Besitze eines geehrten Freundes, welchem ich durch diese Zeilen freundlichsten Gruß zu bringen mir erlaube, wenn anders sein streng wissenschaftlicher Sinn es über sich gewinnen kann, diese nicht sehr wissenschaftlichen Fragmente zu durchblättern.

Schon am 21. Mai, unter 8° Breite, beobachtete ich das erste Zodiakallicht. Merkwürdig ist, daß diese Erscheinung, welche auffallend genug ist, um von jedem Unbefangenen bemerkt zu werden, erst spät, Mitte des 17. Jahrhunderts beobachtet worden ist. Auch unsere Schiffsmannschaft beachtete das Zodiakallicht nur wenig, oder ignorirte dasselbe; aus welchem Grunde kann ich mir indeß nicht erklären. Diese Leute besitzen ein scharfes Auge, dem der geringste Punkt auf der Fläche der See nicht entgeht, und von welchem eine kleine von uns kaum beachtete Wolke entdeckt und mit Interesse behandelt wird: und sie sollten jenes Phänomen nicht bemerken, welches so augenfällig ist?

Indem ich aber hier der chronologischen Ordnung vorgreife und des in Chile beobachteten Zodiakallichtes erwähne, muß ich bemerken, daß ich bei den chilenischen Dienern, welche mich auf die Cordillera begleiteten, dieselbe Unempfindlichkeit gefunden habe. Dort, und besonders auf der Cordillera, tritt die Erscheinung glänzender auf, als ich sie irgendwo gesehen habe, klar, leuchtend, so daß nur die Sterne erster Größe durch sie hindurch zu bemerken sind. Als ich aber jene Chilenen fragte, was denn jener Lichtschimmer eigentlich sei, was sie davon hielten, bekam ich zur Antwort: el es nada, und die deutschen Seeleute sagten mir, »das ist Nichts, das ist ein Schein, sonst Nichts.«

Die Chilenen aber besitzen im Uebrigen einen lebhaften Sinn für die Schönheiten der Natur, welchem sicher eine poetische Anschauung nicht fehlt. Das Resultat dieser Untersuchungen ist aber, daß gewisse Leute auf das Zodiakallicht nicht reagiren.

Das Zodiakallicht ist eine leuchtende Pyramide, welche etwa eine Stunde nach Untergang der Sonne bei eingebrochener Dunkelheit an der Stelle, wo die Sonne verschwunden, sichtbar wird. Die Basis, scheinbar etwa 30 Grade betragend, wird von den beiden andern Seiten an Länge übertroffen. Indessen muß ich das soeben Ausgesprochene dahin abändern, daß nicht direkt an der Stelle, wo die Sonne verschwunden, sondern einige Grade nach Norden hin die Erscheinung sichtbar wird. Sie folgt also dem Stande der unter den Horizont gesunkenen Sonne, sie scheint von der letztern bedingt zu werden. Das Zodiakallicht hat den Ausdruck einer kosmischen Erscheinung, es hat deren geheimnißvolle Ruhe.

Oft und lange des Nachts im Freien, habe ich in Süddeutschland nie ein Zodiakallicht beobachten können, und alle Wahrnehmungen, welche man hier und da auf dasselbe bezogen, erwiesen sich als einer andern Ursache angehörig; es dürfte mithin als eine, für unsere Breitegrade höchst seltene Erscheinung betrachtet werden.

Ich habe wohl später Gelegenheit auf diesen Gegenstand zurückzukommen.

Am 26. Mai wurden wir ein Segel gewahr, welches bald als ein Bremer erkannt wurde. Man signalisirte, der Landsmann näherte sich uns und da eben ruhige See war, wurde Back gelegt und der Kapitain des befreundeten Schiffes kam zu Boot an unser Bord. Er hatte die Westküste Amerikas besucht, war in Kalifornien gewesen und wußte viel zu berichten von dort und den Fahrnissen bei Cap Horn. Alles Dinge, die wir bald bestehen sollten. Er hatte Passagiere nach Kalifornien gebracht, welche sich fast sämmtlich bei Kap Horn die Finger erfroren hatten. Angenehme Zukunft das, welche uns in Aussicht gestellt wurde, und nicht ermangelte manche trübe Miene zu bewirken! Bei Kap Horn hatte er einen Matrosen verloren. Der Unglückliche war in die See gestürzt und konnte nicht mehr aufgefischt werden, ob er gleich, ein guter Schwimmer, dem Schiffe eine Stunde lang folgte. Es ist schon schwierig einen in See Gefallenen wieder zu bekommen, selbst wenn die See nicht eben sehr hoch geht; bei den stets stürmischen Wogen unweit Kap Horn und in jener Gegend überhaupt, erscheint es geradezu als Unmöglichkeit. Während der Anwesenheit jenes Kapitains an Bord wurden Briefe geschrieben in die Heimath und demselben mitgegeben. Ich schrieb nicht, indem ich von Rio Janeiro als eine größere, bereits begonnene Epistel zu senden beabsichtigte. Nachdem wir dem Kapitain einige Victualien gegeben, welche wir bald in Rio zu erneuern hoffen durften, kehrte er auf sein Schiff zurück, und kam bald außer Sicht.

Ich kann nicht umhin bei dieser Gelegenheit auf eine eigenthümliche psychologische Erscheinung aufmerksam zu machen, welche sich bei vielen der Reisegefährten, bei allen, welche ich befragte und auch bei mir selbst zeigte.

Es war dies ein unangenehmes Gefühl, welches mehr oder weniger bei Allen auftrat, die theure Erinnerungen an die Heimath bewahrten und welches sich unklar auf die Heimath und jene Lieben bezog. Es war nicht das peinliche Gefühl der Unentschlossenheit, ob man etwa umkehren und mit jenem Schiffe wieder nach Hause wolle, was endlich hätte geschehen können. Es war nicht einfache Erinnerung an das Vaterland, welche wohl der Bremer Flagge nicht bedurfte, um erweckt, aufrecht gehalten zu werden. Es war ein unklares Gefühl, welches eben deshalb schwer zu beschreiben, kaum zu analysiren ist.

Die Trauer um einen geliebten Todten wird milder, ruhiger, wenn er der Erde übergeben ist, und das zwar in der Stunde, wo solches geschehen; ein bekanntes Gefühl, ein deshalb aber dennoch sicher nicht hinlänglich erklärtes. Es ist nicht gleich mit dem erwähnten, aber hat Aehnlichkeit mit demselben.

Mag man aber nicht glauben, daß solche wehmüthige Regungen lange gedauert, denn bald hatte das leichtsinnige Völkchen der Reform vergessen, was es bewegt hatte und trotz der Einförmigkeit, welche an Bord herrschte, suchte man sich zu erheitern, wo es halbweg anging. Hier unter den Tropen war es möglich auf Deck zu sein, und so wurden denn häufig die Matrazzen hinaufgeschafft und man ruhte eine Stunde lang auf der rechten Seite liegend aus von den Beschwerden, welche man eine Stunde vorher erduldet hatte. Dort war man auf der linken gelegen. Die Passagiere des Zwischendeckes hatten in diesem Betrachte gemüthlichere Winkel zur Disposition als wir. Das große Boot, mitten auf Deck, in dem ihnen zuständigen Bereiche aufgehängt, erlaubte mancherlei Lager und Plätzchen sich einzurichten, welche vielfach benützt wurden. So hatte der oben erwähnte Franzose sich ein artiges Zelt improvisirt, in welchem er, gehüllt in den Burnus eines von ihm getödteten Beduinen, selbst beduinenähnlich, die Abende und Nächte zubrachte. Hier und da wurde Schafskopf gespielt, oder das edle Sechs und sechszig. Auch ich habe dieses Spiel erlernt und lange Zeit des Abends sowohl auf der Reform, als wie auch später auf dem Dockenhuden gespielt, und das genau eben so schlecht wie ich mein ganzes Leben lang alle andern Kartenspiele gespielt habe.

 

Auch dem, der am Lande sich wenig aus den Freuden der Tafel macht, wird auf See die Essenszeit bedeutungsvoll. Wer gesund, das heißt nicht seekrank ist, pflegt an Bord meist Hunger zu haben. Aber sehr oft pflegt dieser Hunger ihm auch nach Tische ein unwillkommener Begleiter zu bleiben, wenn er sich der Seemannskost nicht bald befreundet. Ich spreche hier von der Reform und von den meisten Passagier-Schiffen. Auf dem Dockenhuden, mit welchem ich die Rückreise machte, war zwar auch Seemannskost, aber gut, und das Möglichste gethan für die Umstände. Auf Kriegsschiffen ist die Tafel des Kapitains meist eine ausgewählte zu nennen.

Wir auf der Reform bekamen des Morgens etwa um 7 Uhr Kaffee, ohne Milch; dies war natürlich, denn für die 70 Passagiere hätte man einer halben Schweizerei an Bord bedurft; aber auch ohne Brod, ohne Butter und was das Uebelste war, ohne Saft und Kraft, eine wahre Parodie auf den ächten, edlen, braunen Trank der Levante. Hinfällig und dünn, so schwach, daß der Unglückliche eben noch im Stande war, den unförmlichen Blechtopf zu verlassen, in welchem er uns vorgesetzt wurde. Da die meisten der jungen Leute in der Kajüte gewohnt waren ein etwas consistentes Frühstück zu sich zu nehmen, waren sie natürlich nicht sehr erbaut von jener dünnlichen Flüssigkeit. Ich habe oben gesagt, daß die Essenszeit bedeutungsvoll sei auf dem Meere, jene Kaffeestunde aber war leider ziemlich bedeutungslos.

Ich für meine Person habe indessen das erwähnte Getränke verschluckt, ohne zu murren, einestheils, weil ich wußte, daß Murren nicht half, und ferner, weil ich seit langer Zeit gewohnt war, des Morgens nichts zu genießen als schwarzen Kaffee, ohne alle Zuthat, wenn gleich etwas besser als der reformische. Zur Entschuldigung des See-Kaffees aber, der überhaupt auf den meisten Schiffen nicht von besonderer Stärke ist, muß bemerkt werden, daß man, was an Qualität abgeht, durch die Quantität zu ersetzen sucht. Es ist mit dem Thee der des Abends gereicht wird, derselbe Fall, und eine alte Gewohnheit auf Schiffen. Leider ist das Wasser meist verdorben und übelriechend, so daß der Seemann nur selten solches für sich unvermischt genießt, aber die für den Organismus nöthige Menge Wasser im verdünnten Kaffee und Thee einnimmt. Der schlechte Geschmack des Wassers wird durch jene Beimengungen einigermaßen verdeckt.

Dem Mittagsmahle will ich eine verhältnißmäßig kürzere Zeit widmen, als dem Morgenbrode, und in der That ist die Speisekarte auch rasch entworfen. Abwechselnd Linsen- oder Erbsensuppe, einmal in der Woche Fruchtsuppe, nicht süß nicht sauer, eine schauderhafte Erfindung, bestehend aus Wasser, mit welchem man einige getrocknete Kirschen oder Preiselbeeren abgebrüht hatte. Es hatte sich an Bord ein unbestimmtes Gerücht verbreitet, als seien hier und da einige Rosinen in jenem Wasser gefunden worden, aber dieses Gerücht wurde durch wirkliche Augenzeugen nie zur Thatsache erhoben. Der Suppe folgte entweder Salzfleisch und Kartoffel, an einem Tage der Woche gesalzener Speck mit Sauerkohl. Dies letztere Gericht war das genießbarste.

Des Nachmittags wurde Kaffee gereicht, analog dem Morgentranke. Des Abends: Thee, oder ein Schnittchen Käse, oder endlich eine »Lapscaos« genannte Speise, – ich weiß nicht wie das Wort geschrieben wird. – Es ist der Abhub des Mittagstisches, der, gemengt und unter einander gequetscht, des Abends aufgetragen wird. Gesalzene Butter und wirklich guter Senf waren indessen reichlich vorhanden.

Der wahrhaft lucullischen Tafel, welche uns des Sonntags servirt wurde, muß ich indessen noch erwähnen. Hühnersuppe: so lange nämlich die Hühner reichten, für die 18 Passagiere der Kajüte zwei Hühner. Ergo jedes Huhn in neun Theile getheilt. Obgleich diese Thiere entweder durch Heimweh oder andere Verhältnisse, vielleicht auch durch die Schiffskost selbst ziemlich heruntergekommen und schlank geworden waren, behagte doch das Stückchen frisches Fleisch, welches auch mit unbewaffnetem Auge deutlich wahrnehmbar und für jeden von uns der entsprechende Antheil war, ganz ausnehmend. Dann Salzfleisch, jene sauere Unvermeidlichkeit, endlich aber Pudding, und letzterer derb zwar aber doch schmackhaft und reichlich. Ich vergaß zu bemerken, daß wir des Sonnabends gekochten Reis bekamen, ebenfalls ziemlich genießbar.

Zum Genuß des Salzfleisches muß man übrigens, wie ich glaube, nothwendig von früher Jugend an gewöhnt worden sein; mir widerstand dasselbe instinktartig in den ersten Tagen, und ich glaube nicht, daß ich während der ganzen Ueberfahrt mehr als etwa 5 Pfunde jener unangenehmen Speise genossen habe.

So gut wie möglich suchte man nun sich bei Tische zu belustigen, und es fehlte nicht an scherzhaften, hie und da wohl auch ärgerlichen Auftritten. Man suchte zu vergessen, daß nach vierwöchentlicher Fahrt für sämmtliche Passagiere nur noch einige Gläser vorhanden waren, denn daran war man theils selbst, theils war die See schuld. Man suchte zu übersehen, daß im Schiffs-Lexikon das Wort Serviette ausgestrichen schien, daß Messer und Gabeln in ihren Heften bedrohlich wankten, und blos hier und da kamen Ausbrüche des Tadels zum Vorschein, welche, als sie häufiger wurden, eine unangenehme Stimmung zwischen dem Kapitain und den Passagieren zuwege brachten. Des Abends bildeten sich je nach Geschmack und Neigung verschiedene Gruppen, theils wenn es nicht regnete, einem Erzähler zuhörend, theils in der Kajüte trinkend, rauchend, spielend. Die meisten von uns hatten sich von Bremen aus mit einem Vorrathe von geistigen Getränken versehen, und wo es fehlte wurde wohl nicht selten getauscht oder freundlich nachgeholfen. So vergingen die Abende heiter. Was mich anbelangt, so hatte ich des Tages über hinlängliche Beschäftigung. Ich nahm täglich einmal zu einer bestimmten Zeit die Temperatur der See, viermal jene der Luft und stellte des Tages über von früh 7 bis Abend 10 stündliche Barometer-Beobachtungen an. Das Zeichnen gefangener Seethiere, die nöthigen Notizen in das, wenn gleich nur skizzenhaft geführte Tagebuch, füllte ebenfalls viele Zeit aus.

Was meine Abende betraf, so ging ich wohl häufig auf Deck um mich umzusehen nach irgend etwas Absonderlichem oder Neuem, obgleich ich augenblicklich gerufen wurde, sobald sich irgend eine Erscheinung zeigte in Luft oder Wasser; aber da ich schon gestanden, daß ich dazwischen dem Laster des Spiels mich ergeben, und dem Sechs und sechszig gefröhnt, so will ich noch beifügen, daß ich allabendlich eine Flasche Ale getrunken, und nicht selten dabei an die Fleischtöpfe Aegyptens gedacht habe, das ist an ächtes, aufrichtiges bayerisches braunes Bier.

Solches war der Tageslauf auf der Reform unter dem lieblichen Klima der Tropen, mit ähnlichem Typus, doch hier und da mit unangenehmen Modificationen, auch unter anderen Breitegraden.

Am 1. Juni (24° 5' Länge, 0° 38' nördl. Breite) sahen wir einen Zug von etwa 80 bis 90 Schwertwalen, von den Seeleuten Butzköpfe genannt (Delphinus gladiator). Die Thiere zogen nicht weit von unserem Schiffe vorüber und schwammen ganz nach Art der Wallfische, indem sie nämlich von oben nach unten, im Vorwärtsschwimmen tauchen, mit dem Kopfe wieder hervorkommen und wieder tauchen, so daß sie eigentlich eine Reihe bogenförmiger Bewegungen machen. Diese Art sich von Ort und Stelle zu bewegen, verleiht dem ganzen Zuge den Anschein lebhafter Beweglichkeit.