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Reise in Südamerika. Erster Band.

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So siegten die Chilenen. Diese Revolution verdankt nicht dem Beispiele Nordamerikas ihren Ursprung, sie wurde nicht erzeugt durch Nachahmung französischer Grundsätze, nicht durch englische speculative Einflüsterungen, sie ging aus dem Bedürfnisse, aus der unabweisbaren Nothwendigkeit hervor, das spanische Joch abzuwerfen, sie wurde von Besitzenden des Landes, von den am meisten Begüterten, und von dem intelligentesten Theile der Nation entworfen und ausgeführt, und diese halten auch noch gegenwärtig die Zügel der Regierung in den Händen.

Die Form der Regierung ist etwa folgende: Ein Präsident, der das Prädicat Excellenz hat, steht an der Spitze. Er wird auf fünf Jahre gewählt, und kann hierauf auf's Neue für die gleiche Zeit, aber nicht für die folgenden fünf Jahre gewählt werden. Die Wahl des Präsidenten geschieht durch Wahlmänner, welche vom Volke gewählt werden.

Die Regierung wird durch die Nationalversammlung, den Congreso nacional, geleitet. Er besteht aus zwei Kammern. Die der Senatoren aus 20 Mitgliedern bestehend, welche 9 Jahre im Amte bleiben, und die der Deputirten, welche alle drei Jahre neu eintreten. Die Kammer der Senatoren hat unter andern das Recht die Ernennung der Erzbischöfe zu bestätigen oder zu verwerfen und spricht, im Falle ein Minister angeklagt wird, das Urtheil. Der gesammte Congreso nacional aber bestimmt die Stärke des Heeres, bewilligt die Etatsausgaben, stimmt für Frieden oder Krieg, nachdem der Präsident die betreffenden Vorschläge gemacht hat. Die Gerechtigkeitspflege wird durch verschiedene Gerichtshöfe geübt, welche von unten herauf folgende sind:

Inspectores, mit Urtheil ohne Appellation über Dinge von 12 Peso Werth, und mit Freiheit des Verurtheilten zu appelliren, bis zu 39 Peso.

Subdelegatos (wörtlich: Unterbevollmächtigte). Sie urtheilen in erster Instanz über Sachen von 40 bis 150 Peso Werth, und in zweiter Instanz über solche von 12 zu 40 Peso.

Alcades ordinarios, mit Urtheil in zweiter Instanz über Sachen von 40 bis 150 Peso und in erster Instanz über höhere Werthe.

Jueces de latras, entscheiden endlich alle Processe die über 150 Peso Werth haben, und in erster Instanz alle Processe gegen die vorher genannten Richter, ebenso in Strafsachen.

Dann folgen in höherer und höchster Instanz ein Appellationsgericht und ein Oberappellationsgericht.

Es mögen folgende Bestimmungen, Auszüge aus der Constitution und aus Gesetzbüchern, vielleicht am besten geeignet sein, einiges Licht auf den Geist der Regierung zu werfen:

Es darf Niemand verhaftet werden, außer durch Gerichtsbeschluß oder auf frischer That ertappt.

Die Sklaverei ist abgeschafft25.

Die Tortur und der Eid des Angeklagten in Kriminalsachen ist abgeschafft.

Das Briefgeheimniß ist garantirt.

Es besteht vollkommenste Preßfreiheit. (Hiebei muß indessen bemerkt werden, daß die Justiz, liberal im höchsten Sinne des Worts, kein Preßvergehen zu kennen scheint. Macht sich aber irgend Jemand unnütz, und zeigt sich als Feind der Regierung, so weiß ihn die Polizei zu fassen. Ausländer werden in diesem Falle auf das nächste beste Schiff einer befreundeten Macht gesetzt und friedlich in ein anderes Land gefahren. Einerlei wohin: Bolivien, Centralamerika, Peru.)

Alle Abgaben und Lasten sind gleich.

Die Industrie ist vollkommen frei.

Literarisches Eigenthum ist gegen Nachdruck geschützt.

Die öffentliche Macht gehorcht, sie deliberirt nicht.

Eine Maßregel, welche in Gegenwart oder in Folge einer Aufforderung der öffentlichen Macht getroffen worden ist, ist als nichtig zu betrachten.

Jede Repräsentation des Volkes, außer durch den Congreso nacional, ist Aufruhr.

Bei Aufruhr kann der Belagerungszustand eintreten.

Beim Belagerungszustand ist die Constitution örtlich und zeitlich aufgehoben.

Das Militär in Chile besteht aus den Linientruppen und der Landmiliz.

Die Soldaten der Linie werden geworben. Ich kann keine Nachricht geben, ob blos nur Chilenen oder ob auch Ausländer eintreten können. Indessen weiß ich, daß während ich in Valparaiso war, ein Nordamerikaner als Militärarzt angenommen wurde. Der Stand der Landarmee ist im Frieden auf 3000 Mann festgesetzt. Zur Zeit meiner Anwesenheit betrug derselbe indessen nur 2770 Mann. Der chilenische Soldat liegt während des Friedens gerne im Schatten und raucht seine Cigarre, speist gerne und thut am liebsten Nichts. In Sauberkeit der Uniform wäre Manches zu wünschen. Im Kriege geht er wie toll auf den Feind und macht Märsche, deren Größe ich hier nicht niederschreiben will, weil man mir nicht glauben würde. Bei solchen Fällen herrscht strenge Mannszucht, und ich will ein Beispiel anführen, welches mir von einem höchst glaubwürdigen Augenzeugen erzählt wurde. Die chilenische Republik führte Krieg, ich glaube mit der argentinischen, doch weiß ich dieß nicht mehr so genau und ebenso nicht den Namen des Generals, welcher einsah, daß es durchaus nöthig war, zu einer bestimmten Zeit über der Cordillera zu sein. Die Jahreszeit war übel, die Wege gefährlich und mühsam zu erklimmen. Jener Anführer aber erließ fast wörtlich folgenden Tagesbefehl:

Mitbürger! Soldaten!

Wir müssen über die Cordillera. Ich habe nur zwei Dinge zu befehlen:

Bei dem Marsche über die Cordillera gibt es keine vollständige Musik, für je 30 bis 40 Mann reicht eine Guitarre aus!

Bei dem Marsche über die Cordillera gibt es keine Müdigkeit. Der zurückbleibende Müde wird erschossen!

Man kam in unglaublich kurzer Zeit über das Gebirge, indem man beim Klange der Guitarre marschirte und es meldete sich nicht ein Mann als müde.

Die Offiziere der chilenischen Linie haben durchaus die Haltung der europäischen und alle die ich gesehen habe, schienen mir feine Männer zu sein.

Da jeder Chilene in die Liste des Heeres eingetragen ist, so beträgt auf dem Papiere die Anzahl der Miliztruppen fast 80,000. Wie viele indessen hievon dienstfähig und ob alle Milizen verpflichtet sind über die Grenze zu gehen, weiß ich nicht. Indessen uniformirt und bewaffnet der Staat diese Landwehr auf seine Kosten, und wenn sie im Diente sind, werden sie besoldet. Den Rang eines Generals giebt der Congreso und vom Major aufwärts ernennt derselbe ebenso alle Offiziere der Miliz, welche Leute vom Fach sein und bereits bei der Linie gedient haben müssen. Vom Major abwärts wählt die Miliz sich ihre Offiziere selbst. Es kömmt kaum vor, daß hiebei Männer zur Wahl kommen, welche, wie soll ich sagen, mißliebig sind.

Es mag sich treffen, wie anderwärts auch der Fall ist, daß die militärischen Uebungen der Miliz nicht mit derselben Sorgfalt und Präcision ausgeführt werden, wie jene der regulären Truppen; aber im Kriege hat sich die chilenische Landwehr stets vortheilhaft benommen und Tüchtiges geleistet. Daß die Cavallerie vorzüglich ist, braucht kaum erwähnt zu werden, wenn man bedenkt, daß jeder Chilene ein geborener Reiter.

Der Stand der Marine ist kein glänzender. Chile hat eine Fregatte, zwei Corvetten und noch zwei andere kleine Schiffe. Es wollte mich bedünken, als segle die Fregatte nicht sehr rasch und sei zum Dienste auf hoher See nicht wohl zu brauchen. Obgleich nur allein Küstenland, hat Chile doch vielleicht eingesehen, daß im Fall einer Mißhelligkeit mit einer größeren Macht Europas oder mit Nordamerika, gegen jene bedeutenden Seemächte mit aller Aufopferung doch Nichts auszurichten sei; da aber Chile außerdem mit Ausnahme zweifelhafter Stationen in der Maghellanstraße, keine überseeischen Besitzungen oder Colonien hat, und überdem keine bedeutende Ausfuhr an Landesprodukten durch chilenische Schiffe stattfindet, hält man wohl die Kosten einer größeren Flotte für nicht äquivalent ihrem Nutzen. –

Ueber das Unterrichtswesen weiß ich nur wenig zu sagen.

In Santjago ist eine Universität und ein höheres Gymnasium; Realgymnasien (Collegio) sind in jeder Provinz, niedere Bürgerschulen in jeder Stadt. Außerdem ist in Santjago eine Militärakademie, ein geistliches Seminar, ein Schullehrer-Seminar und eine Hebammen-Schule. Eine Navigationsschule ist in Valparaiso, eine Bergwerksschule ist in Coquimbo.

Das Laboratorium der Universität zu Santjago ist vollständig zweckmäßig erbaut und reichlich mit Instrumenten und Geräthschaften ausgerüstet. Ich habe mich in demselben heimischer gefühlt als fast irgendwo auf meiner ganzen Reise. Domeyko steht demselben vor und ist überhaupt die Seele aller naturwissenschaftlichen Unternehmungen des Landes. Ich bin erstaunt über das vielseitige und gediegene Wissen dieses Mannes und über seine rastlose Thätigkeit. Aber ich habe nie auf die in mein Fach einschlagenden Gegenstände des Unterrichts näher eingehen können, und vermag keine Aufschlüsse zu geben über den Gang der Gymnasialbildung, die Form und die Gesetze, welche dort eingehalten werden bezüglich des Uebertritts auf die hohe Schule und ob dort alte Sprachen, wie bei uns, vorzugsweise betrieben werden.

Im Uebrigen weiß ich aus guter Quelle, daß die Regierung sich lebhaft für das Erziehungs- und Unterrichtswesen interessirt, dasselbe cultivirt und nach ihrem Sinne regelt.

 

Obgleich Chile nach seinen gegenwärtigen Verhältnissen eher bestimmt ist, den Ackerbau und das Bergwesen zu cultiviren, als vorzugsweise ein Handel treibender Staat zu sein, ist der Handel doch einer der wichtigsten Gegenstände für das Land und das schon deswegen, weil sowohl wirkliche Luxusgegenstände, als auch zum Leben unentbehrliche Bedürfnisse von Außen eingeführt werden. Obgleich ich vielleicht im Stande wäre, ziemlich ausführliche Nachrichten in Betreff des dortigen Handels mitzutheilen, muß ich mich doch auf einen kurzen Raum beschränken, da der Zweck der gegenwärtigen Notizen nur der ist, eine allgemeine Uebersicht zu geben.

Die Artikel, welche ausgeführt werden, sind vorzugsweise: Silber, plata pinna und plata en barras, d. h. in kurzen runden Blättern und Barren, und gemünzt, Pesos, als Zahlung nach Europa; Gold, doch weniger. – Kupfer, ein Hauptartikel, in Erzen sowohl nach England und Hamburg, vorzugsweise aber cobre in ejes, d. h. schon einmal geschmolzenes, ferner in Barren und fast vollständig rein. Das chilenische Kupfer geht nach ganz Europa und nach den Vereinigten Staaten.

Wolle, Schafwolle; indessen scheint es als würden blos geringere Sorten ausgeführt, und man behielte die feinsten im Lande.

Ochsenhäute, die Felle der Chinchilla, letztere als ganz feines Pelzwerk häufig nach Europa.

An Produkten des Ackerbaues, jedoch fast einzig für die benachbarten Länder der Westküste, wird am häufigsten ausgeführt Waizen, dann Gerste und Bohnen. Mit Ausnahme dieser letzteren Gegenstände, welche meist durch chilenische Handelsschiffe verfahren werden, geschieht die Ausfuhr der anderen durch fremde Schiffe, welche sie in den chilenischen Häfen abholen.

Der Import aber ist ohne Zweifel in Chile der bedeutendste Handelszweig. Dies wird vollständig klar werden, sobald ich weiter unten die gewerbliche Thätigkeit Chiles erwähne.

Dieser Handel ist durchgängig in den Händen von Europäern. Deutschen, Engländern und Franzosen, und durch sie werden die Erzeugnisse ihrer Länder nach Chile gebracht. Handelshäuser in Europa haben dort, meist in den Häfen und vorzugsweise in Valparaiso, ihre Agenten, diesen werden die verlangten und gangbaren Waaren zugeschickt und von ihnen in größeren Parthieen an die Handelsleute verkauft, welche sogenannte offene Geschäfte, d. h. Läden haben. Nicht blos alle Eisen-, Stahl- und Messingwaaren, sondern auch Gläser, Papier, Linnen, Kattune, Seidenzeug und tausend Artikel, die unter dem Namen der kurzen Waaren begriffen sind, werden auf diese Weise eingeführt.

Kaum braucht bemerkt zu werden, von welcher Wichtigkeit für die europäische Industrie diese Verhältnisse sind, wenn man bedenkt, daß die stets wachsende Bevölkerung von Chile, ja fast der ganzen Westküste, diese Produkte unsers Fleißes von uns zu beziehen genöthigt ist, indem keine Fabrik in jenen Ländern existirt, und wohl nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge auch Manufaktur- und Fabrikwesen so bald keine festen Wurzeln dort fassen dürfte.

Ohne unseren dortigen europäischen Landsleuten irgendwie zu nahe treten zu wollen, läßt sich doch von vorne herein denken, daß dieselben sicher der Errichtung und dem Aufblühen einer Fabrik mit allen Kräften entgegentreten werden, denn der Absatz europäischer Waare würde stocken, und mithin ebenfalls ihr Verdienst.

Auf der andern Seite glaube ich nicht, daß die Chilenen selbst gute Arbeiter für solche Geschäfte abgeben würden; sie haben wenig Sinn für sitzende Lebensart und überhaupt ist das Land, welches allenthalben noch Feld genug bietet zum Ackerbau, nicht bestimmt, seine Kinder in dem Baumwollstaube einer Spinnerei verkümmern oder in einer Farbfabrik chronisch vergiften zu sehen26.

Endlich aber wird wohl schwerlich die chilenische Regierung selbst besonders lebhaft sich für die Errichtung von Fabriken interessiren. Einestheils hat sie wohl eingesehen, daß dauernder Wohlstand in Chile vorzugsweise nur durch Acker- und Bergbau begründet werden kann. Auf der andern Seite aber würde durch das Aufhören des Imports fremder Waaren ein unersetzlicher Ausfall in den öffentlichen Finanzen entstehen, denn es ist der Eingangszoll, welcher vorzugsweise die Ausgaben des Staats decken muß.

Ich will kurz die Einnahme des Staats und mithin zugleich die Abgaben berühren. Es kömmt sogleich nach dem Zolle das Tabaksmonopol in Betreff der Ergiebigkeit für den Staat. Es darf in Chile kein Tabak gebaut werden und die Einführung unterliegt der Aufsicht der Regierung. Im Jahre 1845 hat die Einfuhr des Tabaks und der Verkauf im Estanço publico des Staates, demselben 663,356 Pesos getragen.

Der Zehnte, vorzugsweise von Vieh und Getreide erhoben, ist nicht bedeutend, da er nicht strenge eingefordert oder vielmehr geringer gegeben wird, doch will ihn das Volk nicht abgeschafft wissen, da man dann eine andere Steuer fürchtet.

Der Catastro, eine Art Grundsteuer, unbedeutend.

Der Alcabala, welches mit »Handlohn« übersetzt werden kann, wird mit 4 Procenten beim Verkaufe von Grundstücken entrichtet; er trug im Jahre 1845 102,176 Peso.

Die Patente, Gewerbsteuer, beim Kaufmanne 50 Peso nicht übersteigend, beim Gewerbtreibenden nicht 25.

Ferner. Die Post, das Wegegeld, das Stempelpapier und die Münze, Alles aber nur spärliche Einnahmen, so, daß die Münze im Jahre 1845 nur 23,959 Peso, die übrigen drei Punkte aber eine noch geringere Einnahme boten.

Der Eingangszoll aber betrug im gedachten Jahr 1,763,739 Peso, und weder die Regierung noch das Volk werden diese glücklich erdachte Steuer missen wollen. Glücklich erdacht nämlich für Chile, indem die ganze Masse der Fremden und alle Schiffe, welche Bedürfnisse einnehmen, dieselbe mittragen müssen und beider Anzahl, gerade für Chile, das Küstenland, eine bedeutende ist.

Außerdem besteuert sich durch den Zoll gewissermaßen das Publikum selbst, indem der Luxus theuerer besteuert ist als Nothwendiges, feinere Waaren höher als geringere. So richtet sich z. B. bei Linnen und Baumwollenzeugen die Größe der Steuer nach der Anzahl von Fäden, welche auf einen Quadratzoll gehen.

Der Empfänger gibt den Werth der Waaren an und scheint derselbe der Zollbehörde zu gering, so hat sie das Recht gegen Erlegung des Preises sie zu behalten.

Einige, durchschnittlich berechnete, Einfuhr-Ansätze sind folgende:


Diesen Notizen füge ich bei, daß die Zollbeamten artig sind und Privatleuten, von welchen sie voraussetzen, daß dieselben keinen Handel treiben, durch die Finger sehen. So habe ich offen einen großen Theil meines Tabakes und meiner Cigarren vor das Mauthhaus in Valparaiso gebracht, aber man that, als bemerkte man denselben nicht, nachdem man erfahren, daß ich »medico i naturalista« sei.

Den Schiffkapitänen aber der Kauffahrteischiffe lauern sie ganz speciell auf, da dieselben fast alle schmuggeln. Ich selbst habe die chilenische Zollbehörde um nichts gebracht, als um den Zoll von 100 Flaschen englisches Bier, welche ich bei meiner Abreise von einem amerikanischen Schiffe27 auf das unsrige schmuggelte.

Jene Geschichte hat mir 40-50 Peso erspart und viel Vergnügen, d. h. romantisches, verschafft, leider aber kann sie nicht ganz erzählt werden, eben so wenig wie eine andere analoge Schmuggel-Expedition, welcher ich später beiwohnte. Man muß oft das Interessanteste verschweigen, und kann als »naturalista« nicht berichten von jedem Schmetterling, den man gefangen, und von jeder Jagd (caza) die man unternommen.

Der Stand der Gewerbe in Chile geht zum Theil aus dem vorher über den Import Gesagten hervor. Man kann z. B. annehmen, daß der größte Theil der nach europäischem Schnitte verfertigten Kleider auch von Europa aus schon fertig eingeführt werden, obgleich es Schneider in Chile giebt, die ganz gut arbeiten und es ist mit analogen Dingen, Schuhen, Hüten u. s. w. derselbe Fall.

Geht man auf die einzelnen Gewerbe ein, so findet man, daß viele Gewerbe, welche bei uns in sehr verschiedene Fächer zerfallen, dort in ein einziges vereinigt sind. Selbst Ausländer, die dort ansässig sind, betreiben auf diese Art ihr Geschäft. So habe ich in Valparaiso die ziemlich bedeutende Werkstätte eines Franzosen gesehen, der Schmied, Schlosser, Waffenschmied und Büchsenmacher zu gleicher Zeit war, und welcher zwar gute, indessen ziemlich theuere Arbeit lieferte. Ich mußte demselben für einen ganz einfachen Mineralienhammer drei und für einen Ladestock mit Krätzer vier Peso bezahlen.

Viele Gewerbe sind sehr schlecht vertreten, z. B. das der Dreher; fast alles in diese Fächer Einschlagende wird importirt. Ein gleicher Fall ist mit Optikern und Mechanikern, und wohl größtentheils auch mit Uhrmachern. Leder- und Riemenzeug wird im Lande sehr solid gefertigt, doch zieht man, wenn es halbweg angeht, europäischen, oft wenig dauerhaft gefertigten Kram vor.

Ich glaube fast, daß unter den Gewerben, welche reine Luxusartikel fertigen, Gold- und Silberarbeiten am besten vertreten sind. Die Zierlichkeit und Dünnheit europäischer Schmuck-Gegenstände findet man nicht bei den dort gefertigten, obgleich viel eingeführte theuer genug verkauft werden; aber noch sind Anklänge vorhanden altspanischer Luxusliebe und des Reichthums und Ueberflusses an edlen Metallen, der bei Entdeckung der Westküste angetroffen wurde. Von den schweren Beschlägen an Sattel und Reitzeug habe ich schon oben gesprochen, aber auch andere Dinge werden schwer und reich gefertigt. Ich habe mir dort eine silberne Mechara, eine Lunte zum Anzünden der Cigarren für vier Peso gekauft, aber ich habe solche von Gold gesehen, welche zwölf Unzen kosteten. Aehnlich sind die im Lande gefertigten Ketten, Dosen und dergleichen.

Während meiner Anwesenheit in Santjago kam bei einem mir bekannten deutschen Goldarbeiter eine Sendung kalifornisches Gold im Werthe zu etwa 9000 bis 10,000 Peso an. Alles wollte Schmucksachen von diesem Golde besitzen, und der Vorrath war rasch aufgearbeitet. Ich wohnte öfters diesen Arbeiten bei und kann behaupten, daß aus einer Tabatière, wie sie dort gefertigt wurden, sicher sechs von jenen hätten gemacht werden können, wie sie bei uns im Gebrauche sind, und dabei fehlte eine gewisse, wenn auch eigenthümliche Eleganz jenen Arbeiten durchaus nicht.

Die Gewerbe, welche die zum Leben unentbehrlichen Dinge liefern, werden meist von eingebornen Chilenen betrieben, so z. B. sind Maurer und Zimmerleute meistens Landeskinder. Ich habe da die Bemerkung gemacht, daß gewisse Handthierungen vollständig den Unterschied der Nationen aufzuheben scheinen. Der chilenische Maurer z. B. ist das lebendige Ebenbild seines deutschen Collegen. Hier ist alle spanische Grandezza, alles Feuer des Südamerikaners verschwunden. Er ist Maurer mit Herz und Seele. Er nimmt aus einer großen Dose, die sich knarrend öffnet, seine Prise, und bedient sich mit Geräusch eines blauen Taschentuches. Er bedarf die dreifache Zeit, welche jeder andere Mensch bedarf, um von einer Stelle des Baues zur andern zu gehen und streicht den Mörtel so langsam und bedächtig auf, als wolle er dessen Erhärten abwarten. Mit dem ersten Schlage der Feierstunde aber läßt er die Kelle aus der Hand fallen und geht unerwartet raschen Schrittes von dannen.

Auch der chilenische Tüncher braucht, wie der deutsche, stets zwei Tage länger als er versprochen hat zur Arbeit, und beschmutzt nach Kräften alle benachbarten Gegenstände.

So umschlingt ein großes gemeinschaftliches Band alle Menschen als Brüder!

Andere Gewerbe befinden sich noch auf der Stufe möglichster Einfachheit. So z. B. die Weberei. Das Spinnrad und der eigentliche Webstuhl sind unbekannt. Man spinnt mit der Spindel, und wie früher unseren Frauen einzig die Weberei oblag, wird sie noch heute in Chile allein von denselben betrieben, und das zwar auf mühsame und beschwerliche Art. Die Kette wird an zwei Stäben von der Breite des zu verbindenden Tuches befestigt, und diese Stäbe werden Anfangs in der ganzen Länge der Fäden an der Kette angespannt und sechs Zoll hoch über dem Boden an Pflöcken befestigt. Auf einem langen dünnen Stabe ist der Einschlag aufgewunden und wird zwischen den Fäden der Kette durchgeschoben, und diese wird durch Schlingen mittelst eines durchgeschobenen schweren Holzes in die Höhe gehoben. Diese Arbeit ist sicher mühevoll und beschwerlich, und je nach der Feinheit des Gewebes können des Tags hindurch eine bis drei Ellen gefertigt werden. Aber dennoch weben die Frauen und Mädchen jene feinen Ponchas, von welchen ich schon gesprochen habe und welche theuer bezahlt werden.

 

Auch das Färben besorgen die Frauen, und die gewebten Wollenzeuge sind schön und dauerhaft gefärbt; ich weiß indessen nicht auf welche Weise und mit welchen Farben sie dieß bewerkstelligen, obgleich ich mich mehrfach bemühte, es zu erfahren.

Ich will noch kurz der Mühlen und Töpferei gedenken.

Die chilenische Mühle wie solche auf dem Lande allenthalben im Gebrauche, besteht aus einem niedern horizontal und festliegenden Steine. Durch diesen geht eine Welle und in dieser läuft der obere Stein. Unten sind horizontal eine Art keilförmige Speichen angebracht, die man am Ende löffelförmig ausgehöhlt hat. Ein Wasserstrahl gegen dieselben geleitet, treibt das Rad. Es giebt auch Mühlen, bei welchen der Mühlstein in einer hölzernen Rinne auf und ab bewegt wird, ganz auf ähnliche Weise wie bei uns an manchen Orten Aepfelwein bereitet wird.

Ausländer aber haben großartige Mühlen eingerichtet nach neuem amerikanischem System und deren befindet sich eine in Conception und eine andere in Santjago, welche letztere einem Amerikaner gehörte. Dicht an neben diesem Etablissement, welches außer der eigentlichen Mühle noch aus verschiedenen großen Höfen, Speichern u. s. w. besteht, befindet sich eine jener kleinen ärmlich construirten, bei welcher der Mühlstein in einer Rinne läuft, eine Maus neben einem Elephanten. Ihr Besitzer verlachte den Amerikaner als er seinen Bau begann und wartet noch jetzt auf seinen Ruin, aber der Amerikaner macht die besten Geschäfte. Der Windmühlen bei Valparaiso habe ich bereits gedacht. Ihr Eigenthümer ist ein Engländer.

Der Töpferei erwähne ich vorzugsweise wegen der eigenthümlichen Form der dort gefertigten Arbeiten. Es bedienen sich Wohlhabende meist aus Europa eingeführter eiserner Töpfe und nur ärmere Leute, und nur solche, welche weiter im Innern wohnen und das eiserne Geschirr schwer erhalten können, haben irdenes. Die Form dieses irdenen Geschirres ist merkwürdiger Weise ganz dasselbe wie sie noch heut zu Tage in allen germanischen Gräbern gefunden wird, welche man von Zeit zu Zeit in Deutschland öffnet. Ich habe früher in Franken mehrfach solche Ausgrabungen geleitet, und dabei Mittel eingeschlagen die Gefäße ganz aus der Erde zu bekommen; ich habe aber dort nicht eine Form ausgegraben, welche nicht in Chile noch täglich gefertigt wird, und im Gebrauch ist. Eine zufällige Aehnlichkeit ist nicht möglich, denn die Uebereinstimmung ist allen Einzelnheiten der verschiedenen Gefäße ist zu groß. Es findet also irgendwie ein Zusammenhang statt. Aber welcher? Ich habe später in der Algodon-Bai Gräber der alten Titicacaner geöffnet und Reste von Töpfergeschirr gefunden, welche allerdings Aehnlichkeit mit dem in Rede stehenden hatten, aber aus jenen Fragmenten war eine Gleichheit kaum mehr zu entwickeln. Die Titicacaner-Race aber ist bereits 1000 bis 1500 Jahre von der Erde verschwunden. In den Gräbern der ihnen folgenden Inca-Race finden sich Gefäße von ganz anderer Form, hingegen bedienen sich die Ureinwohner, welche von Panama an bis nach Kalifornien gefunden werden, ganz derselben Geschirre, wie man sie in Chile findet, und fast an der ganzen übrigen Westküste sind sie in Gebrauch. Ist die Form dieses Töpfergeschirres von den Spaniern nach Südamerika gebracht worden, oder haben dieselben jene von den Eingeborenen angenommen? Weder an Ort und Stelle habe ich etwas Näheres hierüber ermitteln, und hier in Deutschland eben so wenig erfahren können, welches Kochgeschirr man gegenwärtig noch in Spanien gebraucht, so einfach dieß auch erscheint. Die wichtigen Fragen, welche in ethnographischer Beziehung sich hieran knüpfen lassen, brauche ich wohl nicht anzuführen. –

Fast ähnlich wie es mit dem Mühlenwesen in Chile geht, verhält es sich auch mit dem Ackerbaue. In größeren Hacienden wird, ähnlich wie in jener amerikanischen Mühle, mit verbesserten Hülfsmitteln und vergrößertem Vortheile gearbeitet, auf kleineren Gütern aber ist die Art und Weise des Ackerbaues noch auf niederer Stufe. So hat man gegen den Süden zu kaum eisernes Geräthe, außer eine Axt, eine Sichel mit gekerbter Schneide, also ganz antike Form, und ein starkes Messer. Der Pflug ist ein gekrümmtes Holz mit einer ebenfalls hölzernen Pflugschaar und die Egge ein Bündel irgend einer dornigen Staude. Die Schaufeln bestehen aus dem Schulterblatte eines Ochsen oder Pferdes. Gewöhnliche Transporte oder Lasten, die für Maulthiere zu schwer sind, werden auf Ochsenhäuten fortgeschleift, zweirädrige Karren sind fast schon ein Luxus und bei diesen bestehen die Räder einfach aus dem Querschnitte eines starken Stammes. Aber auch weiter gegen den Norden und auf größeren Besitzungen sind noch sehr einfache Methoden im Gebrauch, so z. B. das Dreschen vermittelt Pferden. Es war dieß eine der ersten Eigenheiten des Landes, welche ich, als ich mich Santjago näherte, bemerken konnte und welche mir noch vollkommen neu war. Man hatte einen großen Fleck des Landes geebnet, eingezäunt, dort das Getreide aufgeschüttet und jagte nun etwa mit 100 Stuten im tollsten Rennen auf demselben umher. Die ausgefallenen Körner werden gegen den Wind geworfen und so von der Spreu gereinigt. Wie viel Getreide auf solche Weise verloren geht, kann man sich denken.

Die Viehzucht ist in Chile sehr blühend, obgleich auf ziemlich andere Weise betrieben, als bei uns. Kleinere Gutsbesitzer lassen ihr Vieh in der Nähe ihrer Häuser weiden wie es ihm gutdünkt und man fängt, je nachdem man vielleicht zum Verkauf oder zum Schlachten ein Stück bedarf, das ausgewählte mit dem Lasso. In der Nähe des Gebirges aber treibt man das Vieh jährlich dorthin, wo es unter der Aufsicht von Kuhhirten den Sommer über bleibt, und nur in den Wintermonaten, wo der Schnee sich in tiefere Regionen herabzieht, wird es ebenfalls weiter abwärts gebracht.

Ich bin, als ich aus der Cordillera zurückkehrte, einem solchen Zug von Rindern begegnet, aber glücklicher Weise durch eine Schlucht getrennt. Es wurde dort eine Heerde von etwa 6 bis 8000 Stück getrieben, obgleich oben schon eine bedeutende Anzahl zerstreut war. Wir waren froh, zur Heimkehr nicht jenen Weg auf der entgegengesetzten Seite der Schlucht gewählt zu haben, denn dort wäre kein anderes Mittel gewesen, als umzukehren und mit dem rennenden Vieh bis an den Ort seiner Bestimmung zurück zu reiten. Der ganze Haufe rannte in der That wie toll und besessen auf dem schmalen und gefährlichen Bergpfade, dessen eine Seite von einem tiefen in die Schlucht führenden Abgrunde begrenzt wurde, vorwärts, blökend und brüllend und ohne Zweifel alles niederwerfend, was nicht gleichen Schritt hielt. Einzelne Vaceros mit furchtbaren Spornen und starken bis an die halben Schenkel reichenden Ledergamaschen, hie und da mit langen speerartigen Stachelstöcken, alle aber mit dem Lasso bewaffnet, ritten mit, leitend und antreibend, und es gab das ganze wilde Treiben ein wirklich anziehendes Bild.

Oben angelangt, zerstreut sich das Vieh in den Bergen, indem es bereits die dortigen Weiden kennt, wird indessen von den Vaceros in steter Aufsicht gehalten. Die trächtigen Kühe werden näher zum Lagerplatz getrieben, um die jungen Kälber gegen den Puma und den Condor beschützen zu können, widerspenstige Thiere aber werden mit dem Lasso niedergeworfen und so wird ihnen ein gewaltiger Respekt vor demselben beigebracht.

Einmal im Jahre bringt man einen Theil des Viehes in die Nähe der Hacienda und sucht dort dasjenige aus, welches zum Schlachten bestimmt wird, ich glaube, daß auch bei dieser Gelegenheit die einjährigen Kälber gebrannt, d. h. mit dem Zeichen des Besitzers versehen werden. Man hat dann in der Nähe der Hacienda einen sogenannten Corral aufgerichtet, nämlich eine starke Umzäunung in welche die Rinder getrieben werden. Man sucht diejenigen aus, welche zum Schlachten bestimmt sind, trennt sie von den andern und läßt sie noch einige Monate auf gut bewässerten Wiesen in der Umgegend der Hacienda weiden, bevor sie getödtet werden; das übrige Vieh aber wird wieder in's Gebirge zurückgeschickt.

Auch Schaf- und Schweinezucht werden betrieben und in neuerer Zeit hat man englische Schweine eingeführt, welche sehr gut gedeihen.

Ich habe von allen den Gegenständen, welche ich im Vorhergehenden berührte, keineswegs ausführliche Nachrichten geben wollen, sondern ich beabsichtigte eine Skizze der Zustände und der Verhältnisse des Landes zu geben. Aber es ist auch Zeit diese abzubrechen.

25Sie war in Chile nie sehr im Gebrauche. Mir scheint, als bethätige sich hier, was ich oben bei Brasilien über die Sklaverei ausgesprochen. In Chile, wo der Weiße arbeiten kann, war die Sklaverei nie sehr im Schwunge, durch die Einführung der Republik wurde sie gänzlich aufgehoben. Auch in Peru hat man Republik gemacht, aber die Sklaverei hat man gelassen. Der Transport der schwarzen Waare ist zwar aufgehoben, aber die einmal vorhandenen werden fortgezüchtet wie nützliche Hausthiere. Aber Peru liegt unter den Tropen.
26Es wurde vor drei Jahren eine Tuchfabrik in Santjago etablirt, sie ist jetzt bereits wieder eingegangen.
27Jeder Gegenstand, der im Hafen von einem Schiffe auf das andere gebracht wird, muß verzollt werden, als sei er am Lande verkauft worden. Streifende Boote der Zollwacht führen scharfe Aufsicht.