Seewölfe - Piraten der Weltmeere 322

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 322
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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-719-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Hundewache!

Beliebt war sie nicht an Bord der „Isabella“, aber ebenso zwingend notwendig wie alle anderen Wachen.

Damit es dem Decksältesten Smoky nicht so schwerfiel, aus der Koje zu klettern, purrte ihn der belesene Kutscher mit einem aus Wismar überlieferten, aber humorvoll abgewandelten Text hoch. Der Kutscher stellte sich vor Smokys Koje und sang getreu nach der alten Überlieferung:

„Reise, Quartier, in Gottesnaam, Kain hett sien Broder Abel dootslahn,

Wenn ji nich ut de Koj rutkam, dann ward ji dat nich bäter gahn.“

Smoky erhob sich gähnend und sah den Kutscher mißmutig an.

„Darüber soll ich wohl auch noch lachen, was?“ brummte er etwas schlaftrunken.

„Mußt du nicht, das überlasse ich dir.“

„Ah, verdammt, Hundewache. Wie spät ist es, Kutscher?“

„Logischerweise kurz vor Mitternacht, du Rechengenie. Wenn deine Wache von Mitternacht bis vier Uhr …“

„Jaja“, knurrte Smoky, „logischerweise liege ich in vier Stunden wieder in der Koje. Wie ist das Wetter, welcher Kurs liegt an?“

Smoky kleidete sich brummig an, sah hin und wieder den Kutscher an und wartete auf eine Antwort.

„Eh, ich hab dich was gefragt, Kutscher.“

„Bin ich hier vielleicht als Wettergast an Bord? Das wirst du ja gleich selbst sehen, aber offenbar bist du noch leicht vernagelt. Wir haben bösartigen Wind aus West, haben die Danziger Bucht überquert und befinden uns in Höhe der Halbinsel Hela. Vor uns segelt die ‚Wappen von Kolberg‘, und wir müssen kreuzen. Polnische Bernsteinjäger haben wir nicht mehr gesichtet. Zum Frühstück gibt es Pfannkuchen mit Marmelade oder Sirup und Dünnbier. Carberrys Haare wachsen prächtig nach, die Mannschaft erfreut sich bester Gesundheit, und auf dem Achterdeck befinden sich zur Zeit Ben, Blacky, Bill, Matt und Gary. Die Tiefe beträgt etwa sechzig Yards. Wir segeln nach Rügenwalde und später nach Kolberg. Irgendwo auf der Halbinsel Hela habe ich vorhin einen Kauz schreien hören. Langt das, oder soll ich dir noch mehr aufzählen?“

„Du bist vielleicht ’ne komische Nudel“, brummte der Decksälteste. „Ist es kalt an Deck?“ wollte er dann noch wissen.

„Das hängt davon ab, wie man es betrachtet“, sagte der Kutscher grinsend. „Aus der Sicht eines Eskimos nicht. Aus Batutis Sicht ist es ziemlich kühl, und ein Eisbär würde transpirieren.“

„Ein Eisbär würde frieren?“

„Transpirieren“, verbesserte der Kutscher.

Aber das kapierte Smoky nicht.

„Dann muß es ja lausig kalt sein“, meinte er. Er gähnte noch einmal ausgiebig und schlurfte aus dem Quartier an Deck.

Bevor er nach achtern ging, hievte er erst einmal eine Pütz Wasser an Deck, tunkte den Finger hinein und putzte sich mit der Adamsbürste die Zähne, genau gesagt also mit dem Zeigefinger. Danach steckte er den Schädel in die Pütz und prustete erschrocken wie ein Wasserbüffel.

Die See war rauh und kabbelig. Der Wind heulte, und immer wieder jagte ein Bö heran, die die „Isabella“ hart überkrängen ließ.

Nichts erhellte die Nacht, nur helle Katzenköpfe waren auf den Wellen zu sehen und das Licht der Hecklaterne der voraussegelnden „Wappen von Kolberg“ unter dem Kapitän Arne von Manteuffel.

Es war die Nacht zum dritten April. Eine mondlose Nacht voller Wolken, die eilig unbekannten Zielen zustrebten, die wogten und durcheinanderquirlten, sich ballten und wie eilige Reiterscharen davonjagten.

Smoky sollte Gary Andrews am Ruder ablösen. Der Gefechtsrudergänger Pete Ballie lag in der Koje und schlief seine wohlverdiente Runde ab.

Smoky durchquerte die Kuhl zum Achterdeck. So kalt war es gar nicht, fand er, und er war jetzt auch wieder völlig klar. Weit voraus war in der Dunkelheit die Hecklaterne der „Wappen von Kolberg“ als heller Lichtpunkt zu sehen. Sie warf milchigen Schein durch die Finsternis. Smoky verlor fast den Halt, als wieder ganz überraschend eine Bö einfiel und das Meer wütend hochstiebte.

Zur Zeit segelte die „Isabella“ über Backbordbug auf die Küste zu, in Richtung auf Rixhöft, und folgte dem Kurs der anderen Galeone, deren Männer sich in den Gewässern bestens auskannten.

Bei Rixhöft würden sie durch den Wind auf den anderen Bug gehen müssen und dann mit Backbordhalsen über Steuerbordbug segeln.

Doch bis dahin hatten sie noch eine gute Viertelstunde Zeit.

„Endlich“, sagte Gary Andrews, als Smoky auf dem Achterdeck erschien. „Mann, ich kann kaum noch aus den Klüsen gucken und könnte im Stehen einschlafen. Andauernd Böen abfangen, anluven, auf den Kompaß stieren und dann noch Kurs nach Vordermann segeln, das haut einen restlos zusammen.“

„Um die Hundewache von zwölf bis vier bin ich auch nicht gerade zu beneiden“, meinte Smoky.

„Aber du hast wenigstens gepennt.“

„Und du kannst jetzt pennen, das ist noch besser“, erwiderte Smoky. „Liegt noch irgend etwas an?“

„Alles klar. Du mußt nur verdammt auf die Böen achten. Die fallen so schnell ein, daß du meist zu spät reagierst.“

„Das habe ich gerade eben gemerkt. Mir hat es fast die Beine unter dem Leib weggerissen.“

Innerhalb kurzer Zeit trudelten auch die anderen ein, die zur Hundewache eingeteilt waren. Auch Dan O’Flynn erschien, um Ben Brighton abzulösen. Die beiden sprachen leise miteinander, aber dafür hatte Gary kein Ohr mehr. Er war hundemüde und sah nur noch die Koje vor sich. In Gedanken schlief er schon fast.

Smoky peilte auf den Kompaß, dann blickte er zu den Segeln, und schließlich sah er nach der Hecklaterne der „Wappen von Kolberg“, die, über Backbordbug rollend, durch die See zog.

„Dort bei Rixhöft wenden“, sagte Ben Brighton gerade zu Dan. „Ihr könnt euch ganz nach Manteuffels Galeone orientieren, der kennt hier alles wie seine Hosentasche. Unser Ziel ist Rügenwalde, wo die Freiin von Lankwitz zu Hause ist. Danach geht es nach Kolberg.“

„Hat mir Hasard schon gesagt“, erwiderte Dan.

Ben Brighton enterte ab, um seine Kammer aufzusuchen. Auch die anderen verschwanden. Der letzte, der das Achterdeck der alten Wache verließ, war Gary Andrews. Er schlief tatsächlich schon halb im Stehen.

„Ich denke, du bist so hundemüde“, lästerte Smoky, „dann hau dich doch endlich auf die Matte und horch die Koje ab.“

„Das tue ich jetzt auch. Macht’s gut.“

Er gähnte so ausgiebig wie Smoky zuvor, dachte nur noch an seine Koje und enterte ganz langsam ab zum Quarterdeck. Nur noch ein paar Yards, dann konnte er sich langlegen, ein wenig das Geschaukel der Wellen genießen, ohne am Ruder stehen zu müssen, und dann schlafen, nichts als schlafen.

Ist doch verdammt hart, so ein Törn, dachte er. Pete Ballie stand immer wie selbstverständlich da achtern, als hätte er zeit seines Lebens nichts anderes getan.

Aber für einen, der das nicht so oft tat, war das wahrhaftig kein Spaß, den man mit links erledigte.

Er reckte die Arme, drückte die Brust heraus und gähnte wieder. Seine Augen waren vor Müdigkeit schon halb geschlossen.

Er hielt sich auch nicht am Geländer des Backbordniederganges fest, als er abenterte.

In diesem Augenblick holte der Wind kurz Luft. Dann hielt er eine Sekunde lang den Atem an und blies ihn unter fürchterlichem Getöse schlagartig aus. Die einfallende Bö ließ die „Isabella“ von oben bis unten hart erzittern. Gleichzeitig holte sie stark nach Lee über, und über das Schanzkleid der Kuhl stieg an Backbord wild und brüllend die See ein. Für Augenblicke war es durch Schaum und Gischt fast hell an Deck.

Dann erreichte das Wasser Gary Andrews und hob ihn hoch. Durch die starke Krängung des Schiffes verlor er augenblicklich den Halt.

Er war so überrascht, daß es ihm den Mund verschloß und kein einziger Ton über seine Lippen drang. Wild suchte er nach einem Halt, doch da war nichts, er griff nur in die Luft und spürte, daß er über die Backbordseite in die See flog.

Es ging alles so schnell, daß Gary Andrews im ersten Moment regelrecht verblüfft war und es noch gar nicht fassen konnte, was ihm da widerfuhr.

Er fühlte mehr, als er sah, daß er mit dem Körper fast auf der Backbord-Besanrüste landete, und streckte erneut abwehrend die Hände aus, um sich nicht die Knochen zu brechen.

Dann wollte er überrascht schreien, doch auch dazu blieb ihm keine Zeit mehr. Er klatschte in die See und ging sofort unter. In seinen weit geöffneten Mund drang ein Schwall kalten Salzwassers, das er vor Schreck prompt schluckte.

Er wußte nicht mehr, ob er oben oder unten war, ob er dem Meeresgrund entgegenschwamm oder an die Oberfläche geriet. Der „Hinauswurf“ war so überraschend erfolgt, daß er sich nicht orientieren konnte.

 

Um ihn herum war ein Wirbel aus schaumigem Wasser, ein Sog, der ihn mitriß, und ein Kochen und Brodeln, das ihn weiter in einen Strudel schleuderte.

Zum zweitenmal schluckte er Wasser und begann wie ein Irrer nach oben zu paddeln. Er hustete, würgte und spie Wasser aus, das ihm teuflisch in den Lungen brannte.

Aber seine Müdigkeit war schlagartig verflogen, denn was ihm nun bevorstand, das wußte er. Gary verfiel nicht in Panik – er hatte tausend gefährliche Situationen heil überstanden —, er versuchte nur, sich blitzschnell zu orientieren, was ihm ungemein schwer fiel.

Als er den Schädel über Wasser hatte, drückte ihn eine zweite Welle augenblicklich wieder nach unten, und erneut begann er aufgeregt zu paddeln und wollte durch einen Schrei auf seine Lage hinweisen. Die Männer auf dem Achterdeck mußten ihn doch noch hören.

Aber sie hörten ihn nicht, denn auch dieser Schrei wurde durch das kalte Salzwasser erstickt.

Zum zweiten Male tauchte er auf, und dann sah er die schreckliche Wahrheit deutlich und plastisch.

Die Heckpartie der „Isabella“ zog davon wie ein gigantischer drohender Schemen, riesig groß und mächtig wie ein Ungeheuer.

Ein milchiger Schein ergoß sich über das Wasser, ein Anflug von schützender und anheimelnder Helligkeit, der rasch verflog und in der Finsternis der Nacht gleich darauf unsichtbar wurde.

Entsetzt starrte Gary Andrews dem dunklen Gebilde nach, und in einer Art von Galgenhumor dachte er: Aus der Traum von der Koje, endgültig aus! Jetzt geht es ums nackte Überleben. Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, und diesmal gelang es ihm auch, einen Schrei auszustoßen, doch den drückte der Wind zurück, und er verhallte wiederum ungehört.

Jetzt schwamm er allein in der Ostsee, dem Meer, das sie immer so verächtlich als Pißrinne für Schwäne und Enten bezeichnet hatten.

Er wußte, daß ihm ein harter Kampf bevorstand, der letzte und längste vermutlich in seinem Leben, es sei denn, sie hätten auf der „Isabella“ seinen Schrei noch gehört.

In diesen höllischen Augenblicken war er der einsamste Mann auf der ganzen Welt. Er rechnete sich auch keine große Chance zum Überleben aus.

Aus, dachte er nüchtern, das ist das Ende!

Ein paar Augenblicke vorher:

Als die „Isabella“ hart überkrängte, griff Smoky zwar noch blitzschnell und hart nach den Ruderspeichen, um anzuluven, doch der Griff erfolgte zu spät. Zu schnell war die Bö eingefallen, und so konnte er sich am Ruder nur noch festhalten.

Sam Roskill, der ebenfalls auf dem Achterdeck erschienen war, bemerkte auch nichts. Beim plötzlichen Wegkrängen knallte er gegen das Ruderhaus und fluchte erbittert.

Dan O’Flynn beugte sich im Ruderhaus hinter Smoky gerade über eine Seekarte und versuchte beim schwachen Licht der Öllampe etwas zu entziffern, als ihn der Schlag an die Innenwand warf. Sein lästerlicher Fluch galt dem Rudergänger und Decksältesten Smoky.

„Himmel Herrgott noch mal!“ brüllte er den selbst überraschten Smoky an. „Kannst du Affenarsch denn nicht aufpassen! Du weißt doch, daß wir mit Böen rechnen müssen, verflucht noch mal!“

„Tut mir leid“, brummte Smoky, „aber die haute so schnell rein, daß ich nichts mehr tun konnte.“

„Wenn man dich schon mal ans Ruder stellt“, brummte Dan zurück, „dann gibt’s gleich Kleinholz. Du solltest mal bei Pete wieder in die Lehre gehen und ein paar Stunden Unterricht nehmen.“

„Verdammt, ich konnte nichts mehr tun“, verteidigte sich Smoky. „Die anderen flogen auch alle durcheinander.“

Das stimmte allerdings, wie Dan zugeben mußte, denn die anderen Männer der Hundewache griffen wahllos zu und klammerten sich an alles, was sie packen konnten. Die See war wie eine riesige weiße Wand hochgestiegen, hatte das Schiff auf die Seite gelegt und lief nun zischend und rauschend durch die Speigatten ab. Der Gischt stäubte bis an die Hecklaterne.

So hatte also niemand etwas gehört oder gesehen, als Gary Andrews über Bord ging. Jeder der Arwenacks wähnte ihn jetzt im Quartier und damit in der Koje.

Die abgelöste Wache befand sich auch gerade dort, und beim harten Wegkrängen flogen Blacky, Matt Davies und Bill durcheinander und landeten bei den anderen Schläfern in den Kojen.

Entsprechend laut war das Gebrüll und Gefluche, das nun auch die letzten Mitternachtsschläfer unsanft aus ihrem Schlummer riß.

Matt Davies konnte sich nicht halten und sauste auf Blacky zu, und als der auszuweichen versuchte, schlitzte ihm der scharfe Haken von Matts Prothese die Hose auf. Auch ein Stückchen Fleisch nahm der Haken vom Oberschenkel noch mit.

„Paß doch auf, du Meisenarsch!“ brüllte Blacky. „Wenn du deinen Haken ausprobieren willst, dann tu das am Holz und nicht an meinen Knochen. Du hast mich von oben bis unten aufgeschlitzt.“

„Und du Blödmann mußt mir gerade in den Weg rennen!“ schrie Matt erbost zurück. „Auf meinem Schädel wächst eine Beule, und die tut auch verdammt weh.“

„Eine Beule!“ rief Blacky verächtich. „Eine scheißkleine Beule, he? So was zählt man nicht als Verletzung. Dein Haken …“

Aus einer der Kojen fuhr Luke Morgan hoch, aus der anderen Jeff Bowie, und in der dritten setzte sich Jack Finnegan auf und knallte prompt mit dem Schädel ans Holz.

„Was schreit ihr Affen hier herum?“ brüllte Luke Morgan. „Wenn da nicht gleich Ruhe herrscht, dann stopf ich dem nächsten Schreihals meine Faust in den Rachen, das verspreche ich euch, ihr Saftsäcke.“

„Halt du doch die Schnauze, und brüll nicht noch lauter als die anderen, du aufgebraßter Klotzkopf!“ schrie Jeff Bowie. „Das ist ja hier schlimmer als im Affenzirkus!“

Nach und nach wurden auch die anderen wach, und jetzt begannen sie sich gleichzeitig gegenseitig zu beleidigen. Die Bö war längst vorbei und vergessen, aber die Gemüter der aufgeschreckten Schläfer erhitzten sich jetzt daran, daß die anderen fluchten.

Pete Ballie war ebenfalls wach und sah in die Runde. Da waren nur schattige Gesichter zu sehen, dunkle oder helle Flecken, die im Rhythmus der See an den Wänden tanzten und mal größer oder mal kleiner wurden.

Der einzige, der mit unerschütterlicher Ruhe auf dem Rand seiner Koje hockte, war der Kutscher, der Smoky hochgepurrt hatte. Als er die Kerle fluchen hörte, grinste er nur, gab aber keinen Kommentar.

Daß Gary Andrews fehlte, bemerkte ebenfalls keiner. Dafür ödeten sie sich weiter an und stritten sich herum.

Auch Pete Ballie sparte nicht mit höhnischen Bemerkungen.

„Smoky steht natürlich am Ruder“, verkündete er, „das merke ich schon am Segeln. Der alte Decksknüppel segelt wohl unter Wasser, statt obendrüber. Der Kerl ist doch blöder als Schifferscheiße, und als Rudergänger ist er so geeignet wie ein alter Ziegenbock zum Eierlegen. Knurrt jetzt nicht länger rum, ich will meine Ruhe haben. Beschwert euch bei Smoky, und seht lieber mal nach, ob der wirklich das Ruder in der Hand hat. Oder ob er sich nicht bäuchlings achteraus gehängt hat und das Ruderblatt mit den Fingern bewegt.“

„Jawohl, Smoky ist schuld“, pflichtete ihm Blacky bei. „Aber Matt hat auch schuld, der hat mir mit seinem Haken …“

„Gleich zieh ich dir Zähne mit dem Haken, du Vollidiot!“ brüllte Matt. „Nimm doch deinen Arsch zur Seite!“

„Nimm du doch deinen Eierkopf ab!“ rief Blacky sauer. „Wenn der fehlt, hat die Welt nichts verloren.“

Der Kutscher hockte immer noch da und grinste still vor sich hin. Jetzt fehlt nur noch Carberry in dem allgemeinen Gemotze, dachte er, doch der schlief achtern in der Kammer.

Die Motzerei ging weiter. Lediglich Paddy Rogers hörte und sah nichts und grunzte zufrieden in seiner Koje. Paddy ließ sich weder beim Schlafen noch beim Essen stören.

Auf Smoky hackten sie jedoch weiter herum, und der konnte von Glück sagen, daß er auf dem Achterdeck stand, denn im Quartier hätte er sich eine Menge unflätiger Sachen anhören müssen.

Als Matt Davies dachte, daß der Streit zwischen ihnen jetzt beigelegt wäre, sah er sich getäuscht, denn Blacky hatte eine Stinkwut im Bauch.

Matt zog sich gerade aus, um sich in die Koje zu hauen, als Blacky ihn an der Schulter berührte.

„Eh“, knurrte er gallig, „von wegen auf die Matte hauen, Mister Davies, und klar bei allen Klüsen. Sieh dir mal meine Hose an, die ist von oben bis unten aufgeschlitzt. Glaubst du vielleicht, ich hole mir bei Will ’ne Rolle Kabelgarn und näh sie wieder zusammen? Das wirst du tun. Du flickst das Ding, und wenn du das nicht tust, dann besorgst du mir gefälligst ’ne neue Hose.“

Der Kutscher grinste, schüttelte den Kopf, stand auf und verließ immer noch kopfschüttelnd das Quartier, um in der Kombüse für die Achterdecksgasten heiße Brühe zu kochen.

Matt Davies lief ebenfalls die Galle über. Luke Morgan drohte aus seiner Koje, daß er jedem das Maul stopfen würde, wenn nicht gleich Stille wie auf dem Friedhof einkehren würde. Doch daran dachten die beiden überhaupt nicht.

„Ich deine Hose nähen?“ schrie Matt. „Du bist ja besoffen, Mister Blacky, stockbesoffen, sage ich. Bei dir dröseln ja die Gehirnbändsel langsam auf. Du kannst mich mal! Deine verdammte Pflicht wäre es, meine Beule am Schädel zu massieren, die du mir mit deinem dämlichen Holzkopf verpaßt hast.“

„Na gut, Mister Davies, ich massiere deine verdammte Beule. Aber dazu borg ich mir vom Profos die großen Stiefel, und dann kann’s losgehen. Oder ich hol mir ein paar Belegnägel, dann kriegst du deine Massage.“

„Jedenfalls ist Smoky schuld!“ rief Jack Finnegan aus seiner Koje.

„Halt’s Maul, schlaf weiter!“ brüllte Luke.

„Du kannst mir mal den Heckanker klarieren!“ schrie Matt sauer. Dann haute er sich wütend in die Koje, während Blacky fluchend nach dem Kutscher rief.

„Der ist weg“, sagte Bill. „Was willst du denn von ihm?“

„Die Schramme, die mir der Blödmann Davies verpaßt hat, die blutet jetzt!“ schrie Blacky. „Soll ich hier etwa wie ein abgestochenes Schwein herumlaufen? Die Wunde muß behandelt werden. Wer weiß, was Mister Davies wieder für Dreck an seinem Haken hatte.“

„Halb so schlimm“, sagte Bill abschwächend.

„Halb so schlimm?“ grollte Blacky. „Das kennt man ja. Ich hau mich in die Koje, kriege ’ne Blutvergiftung, und wenn ich wieder aufwache, dann …“

„Bist du tot“, sagte Jack Finnegan dumpf.

„Richtig. Dann bin ich vielleicht tot. Ich will aber keine Blutvergiftung kriegen, und deshalb muß der Kutscher her.“

„Der ist weg“, sagte Bill noch einmal. „Weck doch Mac Pellew auf, der kann das auch.“

Auf Mac Pellew hatte keiner geachtet. Der schlief ganz hinten im Quartier und ebenso unerschütterlich wie Paddy Rogers.

Blacky nahm fluchend die Lampe und leuchtete Mac Pellew ins Gesicht.

„Mein Gott, was träumt der denn!“ sagte er entsetzt.

Mac Pellew sah schon tagsüber grämlich, verdrossen und unendlich traurig aus, aber jetzt im Schlaf gesellte sich noch ein deutlich melancholischer Zug hinzu, und Blacky hörte ihn entsagungsvoll leise seufzen. Dieses Gesicht war so leidend und von innerer Trauer überzogen, daß Blacky glaubte, Mac Pellew liege auf dem Totenbett und erhalte gerade seine Letzte Ölung. Und es schien Mac selbst furchtbar leid zu tun, diese Welt verlassen zu müssen.

Seinen theoretischen Abgang aus diesem Jammertal begleitete er daher mit einem beständigen, kaum hörbaren Seufzen.

„Vielleicht träumt er von Svanhild Detlevson“, meinte Bill, „oder von den Räucherheringen.“

Blacky rüttelte den traurigen Schläfer an der Schulter.

Mac Pellew tauchte aus der Traurigkeit auf, und dabei verwandelte sich sein Gesicht auf erstaunliche Weise. Der klagende Jammer darin verschwand, ein paar düstere Falten erschienen, dann Zorn und Trauer gemischt und schließlich eine grämliche Empörung, daß man es wagte, ihn zu wecken. Er blinzelte total verdrießlich in die Lampe und versuchte, die Gestalt dahinter zu erkennen.

„Ich hab ’ne Blutvergiftung!“ schrie Blacky. „Du mußt mich retten, Mac, ganz schnell!“

„Er hat ’ne Blutvergiftung“, höhnte Matt aus seiner Koje. „Am besten amputierst du ihm gleich seinen dämlichen Quatschkopf, Mac.“

„So ’n Scheiß“, sagte Mac vernehmlich und stand erbittert auf. „Laß mal sehen.“

Etwas schlaftrunken starrte er auf die leicht blutende Schramme.

„Wo ist die Blutvergiftung?“ fragte er grämlich.

„Na hier, Mann, das sieht man doch.“

„Ich seh gar nichts“, knurrte Mac übellaunig. „Ich seh nur ’nen läppischen kleinen Ritzer, wie ihn sich jeder Rotzbengel mal beim Spielen holt, aber ich seh keine Blutvergiftung.“

 

„Aber es wird eine werden“, behauptete Blacky. „Mister Davies hat mich mit seinem dreckigen Haken aufgespießt.“

„Haha!“ tönte es verächtlich aus Matts Koje. „Meine Beule ist inzwischen so groß, daß ich zwei Kojen zum Schlafen brauche.“

„Ihr spinnt ja“, sagte Mac sauer. „Aber gut, damit mir keiner nachsagt, ich hätte die Mannschaft sterben lassen. Ich hole dir was zum Verbinden.“

„Aber beeil dich, Mac.“

„Sonst muß Blacky sterben“, sagte Matt höhnisch. „Du mußt wie der Blitz zurück sein, Mac.“

„Ihr seid ja bescheuert“, grollte Mac. Als er aus dem Krankenraum wieder zurückkehrte, säuberte er den Kratzer und fuhr den besorgten Blacky an: „Stell dich bloß nicht so an mit deinem blöden Kratzer. Einmal hattest du ein Messer zwischen den Rippen stecken und hast es nicht bemerkt, und heute heulst du rum wie ein altes Weib.“

„Jedenfalls will ich wegen Matts blödem Haken nicht gleich abnippeln. Man weiß ja nie.“

Inzwischen verging die Zeit, und immer bemerkte noch keiner das Fehlen von Gary Andrews. Garys Koje lag im Dunkeln, und so schaute auch niemand hinein.

Mac verband den Kratzer und sah Blacky an.

„Einen wegen so ’m Scheiß zu wekken“, sagte er. „Wenn du mich noch mal hochpurrst, klopfe ich dir eins mit der Bratpfanne auf den Schädel. Und jetzt hau dich in deine Koje. Du wirst ganz sicher hohes Fieber kriegen und ein paar Wochen im Krankenraum verbringen müssen. Vielleicht überlebst du es auch nicht. Aber ich sage dann Will Thorne Bescheid, damit er dir einen schönen Segelsack näht. Und die Fahne werden wir natürlich auch halbstocks setzen.“

Blacky wurde immer kleinlauter, bedankte sich schließlich etwas mürrisch und haute sich in die Koje. Mittlerweile war es im Quartier wieder ruhiger geworden.

Die „Isabella“ lag inzwischen längst über Steuerbordbug und segelte den Kreuzschlag, der von der Küste weg auf die See hinausführte, um wieder Höhe zu gewinnen. Den Holebug nannte man das.

In der Koje drehte Blacky sich noch einmal um, und rein zufällig streifte sein Blick dabei auch Garys Koje, die der seinen gegenüber auf Steuerbord lag.

Er stutzte und blickte über den Mittelgang noch einmal hin. Da lagen nur die Decken in der Koje, aber kein Gary Andrews. Erneut vergewisserte er sich, daß die Koje leer war.

Sehr merkwürdig war das!

„He, Matt“, raunte er, „weißt du, wo Gary ist? Seine Koje ist leer, aber Gary ist doch gleich nach uns auch nach vorn gegangen. Glaube ich jedenfalls.“

Der Hakenmann war schon halb im Tran und im ersten unruhigen Schlaf und wälzte sich ärgerlich herum.

„Hör bloß mit deinen dämlichen Fragen auf, du Blutvergifter. Vielleicht kannst du dir denken, wo Gary ist. Nämlich da, wo du auch hin und wieder mal hingehst, wenn du mußt.“

„Du meinst, auf dem Abtritt des Galions?“

„Kackst du vielleicht auf die Kuhlgräting, du Hering?“ schrie Matt verärgert zurück. „Oder ins Steuerhaus, he?“

Die Antwort war ein unfreundliches Brummen. Blacky sagte dem Hakenmann noch, was er ihn könne, dann zog er sich die Decke über die Ohren und war kurz darauf eingeschlafen.

Er träumte ziemlich wirres Zeug, hatte im Traum wieder Streit mit Matt Davies und starb schließlich an einer Blutvergiftung.

Will Thorne nähte ihm einen großen Segelsack, und dann feuerten sie Blakky unter höllischem Gelächter in die See.

Im Schlaf begann er zu schwitzen und wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere.

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