Im Kraftstrom des Satan-Seth

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Nach dem Krieg wurde das „Germanentum“ verständlicherweise diskreditiert, erhielt aber in den 70ern einen ersten Aufschwung. Diese „alternative“ Bewegung des Neuheiden- und Neugermanentums wurde von der neuen Rechten interessiert beobachtet und später zu nicht unerheblichen Teilen unterwandert. 1971 wurde der Armanenorden (Ariogermanen) von Adolf und Sigrun Schleipfer gegründet.

Zahlreiches ariosophisches Gedankengut, welches durch List und Liebenfels maßgeblich geprägt wurde, floß neben okkulten Praktiken ein („Guido-von-List-Gesellschaft“). Die Armanen versuchen über ökologische Ansätze Mitglieder aus dem eigentlich linken Lager zu rekrutieren. Aus der Zeitschrift Irminsul: „Arbeitet bei den Grünen, Alternativen, Nationalrevolutionären usw. mit. Bringt dort euer Wissen ein.“ Über die von Frau Schleipfer gegründete Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas (ANSE) existieren weitreichende Verbindungen zu anderen Gruppierungen. Schatzmeister von ANSE ist Klaus-Dieter Ludwig, Geschäftsführer der Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft, Beisitzer im Vorstand der Gesellschaft für freie Publizistik, Initiator der Gesellschaft für den Wiederaufbau osteuropäischer Kultur, Schatzmeister im Landesverband Deutsche Liga für Volk und Heimat. Der Armanenorden ist jedes Jahr zur Sommersonnenwende an den Externsteinen zu besichtigen, wo er verzweifelt versucht, über das Stichwort „Naturverbundenheit“ neue Sympathisanten zu gewinnen. Verbindungen zum rein politischen Arm der neuen Rechten werden vermutet, ebenso zu amerikanischen Neonazis, der NSDAP/AO und deren Begründer Gary Rex Laucks, die wiederum Überschneidungen mit dem Ku Klux Klan aufweist.

Die Armanen berufen sich u.a. auf Rudolf Steiners Atlantis-Mythologie, auf die Tradition der Katharer und Templer und, er wäre sicherlich amüsiert gewesen, auch auf die Schriften Aleister Crowleys.

Wir sehen, jeder beruft sich auf alles und ein derart wenig festgelegtes, historisches Gebilde, das mit soviel Fama und so wenig Fakten umgeben ist wie der Orden der Tempelritter, bietet sich für jeden Orden als reicher Brunnen an, aus dem „Ordensgeschichte“ geschöpft werden kann.

Der heutige Satanismus wurde durch jede okkulte Strömung inspiriert, hat jedoch durch die Vielzahl an starken Individuen, das Mehr an Hirten und Wölfen als an Schafen, schon früh ureigene Entwicklungen gehabt. Über die übliche Quellenauflistung von Hexenverfolgung, mittelalterlichen, klösterlichen Satansanbetungsperversionen und Sex-Spielchen frustrierter Priester möchte ich in dieser Ausarbeitung hinwegsehen, das kann man exakter an anderer Stelle nachlesen. Entscheidend für den modernen Satanismus ist die 1490 vom Bettelmönch François Rabelais geschaffene Utopie der „Abbaye de Theleme“, einer friedlichen und freien Gemeinschaft von Individualisten. An der Pforte dieser Abtei standen die Worte Fay ce que voudras!: „Tu, was du willst“. Diese Formel wurde im 18. Jahrhundert auch im Londoner Hellfire-Club verwendet.

Aufgegriffen wurde Rabelais Idee auch von Eliphas Levi. Crowley wurde im Todesjahr Levis geboren und sah sich als Reinkarnation von diesem. Und so gründete er später die Abteil Thelema in Cefalu/Sizilien, in der er mit seinen Anhängern arbeitete, bis ihn Mussolini auswies und das Innere der Abtei von aufgebrachten Christen zerstört wurde. Heute hat die Abtei, oder das, was von ihr übrig ist, Denkmalcharakter; selbst in Tourismus-Broschüren wird darauf hingewiesen. Die Zeiten ändern sich. Ich empfehle dem Interessierten die hervorragende Biographie Crowleys „Die tausend Masken des Meisters“ von Ralph Tegtmeier, die nur noch von Crowleys eigener „Autohagiographie“, der von ihm selbst erzählten Heiligenlegende, übertroffen wird. Er bezeichnete sich als „a hell of a holy guru“ und verschrieb sich bereits mit dreizehn den drei „Evil-Kings“ (Smo-King, Drin-King und Fuc-King). Der moderne Satanismus beruft sich zu einem nicht unerheblichen Teil auf die Schriften von Crowley, wobei bei weitem nicht jedes Wort von ihm Akzeptanz findet. Kernsatz bleibt „Tu was du willst, sei das ganze Gesetz“, der auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden kann und interpretiert wird. Eine eindeutige Fehlinterpretation als „tu alles, was dir gerade in den Sinn kommt“ (morden, vergewaltigen, Jungfrauen schlachten, Kerzen aus Kinderfett herstellen und ähnliche Dinge, die „zur alltäglichen Beschäftigung jedes ordentlichen Satanisten gehören“) ist jedoch die von vielen Sektenbeauftragten, Kritikern und um unsere Moral besorgten Medienvertretern.

„Du hast kein Recht, als deinen Willen zu tun.“ Du hast aber nicht das Recht, einen anderen zu versklaven. Was aber noch wichtiger ist: Du hast in der Crowleyanity auch kein Recht, dich selbst zu versklaven.

Dies ist das wahrhaft satanische Statement.

Bei Crowleys Einäscherung in Brighton wurde neben seiner „Hymn to Pan“ auch Giosuè Carduccis fünfzigstrophige Hymne „A Satana“ intoniert, die 1869 erstmals veröffentlicht wurde und auch in Freimaurerkreisen ein verwendetes Festlied wurde. „A Satana“ beschreibt Satans Weg durch die Welt- und Kirchengeschichte. Vom Flüchtling vor dem barbarischen Nazarener über die helfende Hand der heilenden Hexe, er war bei den Magiern und bei den Rebellen, schließlich siegt er und „fährt wohltätig von Ort zu Ort auf dem ungezügelten Feuerwagen“.

Salute o Satana

O ribellione,

O forza vindice

De la ragione!

Sacri a te salgano

Gl’incensi e i voti!

Hai vinto il Geova

De i sacerdoti!

(Sei gegrüßt Satan, Rebellion, rächende Macht der Vernunft! Heilig sollen der Weihrauch und die Gelübde zu dir emporsteigen! Du hast besiegt den Jehova der Priester.)

Crowley wies den Yezidi, einer heute etwa 10.0000 Mitglieder zählenden kurdischen Religionsgemeinschaft (bekannt aus „Durchs wilde Kurdistan“ von Karl May), die im Irak, in Syrien und der Türkei lebte (die heute größte Gemeinde befindet sich in Celle/Deutschland. Es sind Flüchtlinge, die aufgrund ihrer Religion vertrieben wurden), eine besondere Rolle in der Geschichte des Satanismus zu. Als angebliche Teufelsanbeter (sie verehren Melek Taus, der von Adam den Beinamen „Scheitan“ bekommen haben soll), waren die Yezidi schon immer der Verfolgung durch die orthodox-islamischen Umwelt ausgesetzt. Aus der Tradition der Yezidi hat der ehemalige Polizeiphotograph Anton Szandor LaVey ( der mit bürgerlichen Namen Howard Levi hieß) das Statement of Sheitan in seine „Satanic Rituals“ übernommen. Auch laut Crowley wurde Sheitan durch die Yezidi angebetet.

Von Beginn an war ein weiteres Hauptritual der von LaVey gegründeten Church of Satan das „Schibboleth“, bei dem der Magier im Ritual spielerisch seinen meistgehaßten Feind darstellt und in dessen Rolle schlüpft, was bei zwei Mitgliedergruppen besonders gute Erfolge gebracht haben soll: Bei Juden und antisemitischen Neonazis. Eine der Grundlagen des rituellen LaVey-Satanismus war und ist die Verhaltenspsychologie. Das „Tierdrama“ führt LaVey auf den Bayrischen Illuminatenorden des Adam Weishaupt zurück.

Nach dem Tode Crowleys wurde sein Anwesen Boleskine bei Loch Ness durch den Filmemacher und Autor („Hollywood Babylon“) Kenneth Anger aufgekauft, der auch Crowleys Kultbilder in der Abteil Thelema „auf Zelluloid bannte“, jedoch nicht verhindern konnte, daß die Sizilianer, von der Kirche aufgestachelt, die Originale zerstörten. Anger verarbeitete viel thelemitisches Gedankengut in seinen Filmen, die international Beachtung fanden. Kenneth Anger, Anton Szandor LaVey, die Schauspielerin Jayne Mansfield und andere gründeten zunächst einen magischen Zirkel, bis dann in der Walpurgisnacht 1966 die First Church of the Trapezoid, the Church of Satan gegründet wurde, die im Black House (dem „Hotel California“ der Eagles) in der California Street in San Francisco residierte.

Der ehemalige Löwendompteur LaVey, der einem Gerücht zufolge mal etwas mit der Monroe hatte, hielt sich in den ersten Jahren einen hundert Kilo schweren Löwen als Symbol für die Gewalt der Sonne. Sam Brody, Freund, Anwalt und Manager von Jayne Mansfield fürchtete um den moralischen Ruf des Stars und versuchte, sie gegen LaVeys Church of Satan aufzustacheln. Dieser verfluchte Brody rituell, woraufhin er einen Verkehrsunfall hatte. LaVey nannte dies eine „letzte Warnung“ und riet Jayne Mansfield, sich von Brody fernzuhalten. Zwei Wochen später stieß ein LKW mit Brody’s Wagen zusammen. Brody starb und auch die Beifahrerin Jayne Mansfield, die LaVeys Warnung nicht beherzigt hatte, wurde bei dem Unfall von einer Leitplanke buchstäblich geköpft.

Prominenz wie z.B. Roman Polanski und Mick Jagger hatten zwar eine sehr enge Verbindung zur Church, bekannten sich jedoch niemals öffentlich dazu, wie es z.B. die Eagles oder Sammy Davis jr. Taten.

LaVey selbst erschien in Roman Polanskis „Rosemarys Baby“ als Teufel. Übrigens war der Drehort vorgeblich das Haus, in dem (zu einer anderen Zeit natürlich) John Lennon wohnte und vor dem er erschossen wurde. Angeblicher O-Ton von John Lennon 1962 im Hamburger Starclub im Gespräch mit Tony Sheridan: „Ich weiß, daß die Beatles Erfolg haben werden wie noch keine andere Gruppe. Ich weiß es genau, denn für diesen Erfolg habe ich dem Satan meine Seele verkauft.“ Übrigens erschien auch das Konterfei von Meister Therion, Aleister Crowley, auf einem Beatles Platten-Cover. Unter der nach einem Beatles-Album benannten Magical Mystery Tour von Charles Mansons „Family“ mußte später Polanski leiden. Bei diesem Mordzug kamen 1969 in Polanskis Haus neun Menschen ums Leben, unter ihnen die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate. Manson hatte bis 1967 im Gefängnis u.a. Hubbards Scientology kennengelernt, von deren Lehren einige in die Final Church eingeflossen sein dürfte. Auch zwischen Scientology und Crowley existieren Verbindungen. Crowley-Schüler John Whiteside Parsons (1914-1952), der die Agape-Lodge in Amerika leitete, traf 1945 den Science-Fiction Autor und Dianetik/Scientology-Gründer L. Ron Hubbard. Daß seine Frau bald mit Hubbard ins Bett ging, nahm er gelassen hin, als die beiden sich von Parsons Geld schließlich eine Yacht kauften und sich über das Meer absetzen wollten, hetzte er ihnen Bartzabel hinterher, so daß die Yacht kenterte und das Pärchen, vermutlich vor Nässe triefend, wieder zu ihm zurückkehrte. Frater 210, Parsons, beschloß aus Enttäuschung über irdische Frauen, das von Crowley beschriebene Mondkind zu zeugen. Mit Hilfe Hubbards natürlich, der solange vom Geld Parsons lebte.

 

To Mega Therion dazu: „Offenbar produziert er oder Hubbard oder irgend jemand ein Moonchild. Ich werde ganz wahnsinnig, wenn ich die Idiotie dieser Tölpel betrachte.“ Er bezeichnete die eigenartige Verbindung zwischen Hubbard und Parsons als „gewöhnliche Bauernfängerei“. Parsons vollbrachte jedoch zumindest zwei große Leistungen in seinem Leben. Er war ein Pionier der Raketentechnik und ohne seine Erfindungen in der Treibstofftechnik wären alle Flüge ins All ein frommer Wunsch geblieben. 1970 ehrte die Internationale Astronomische Union den Raketenpionier und benannte einen Mondkrater nach ihm. Der Krater John Whiteside Parsons liegt auf den Koordinaten 37 Nord und 171 West, wenn du in der Nähe bist, besichtige ihn halt mal. Sein zweites großes Werk war sein Gnostisches Glaubensbekenntnis:

Es gibt keinen Gott außer der Liebe, und alle seine Wege sind Liebe, und es gibt keinen Weg zu Gott als Liebe. Der Weg zu Gott ist nicht bloße Gottesliebe, sondern auch Menschenliebe, und die Liebe zu allen geschaffenen Dingen, die Liebe zu Freunden und Geliebten, die Liebe zum Selbst, zum Leib, zum MIND und zum Geist, die Gott gemacht hat, sowie zu allen deren Wegen, Gedanken und Wünschen, in der Liebe zu dem allen besteht der Weg zu Gott. (...) Diese unsere Leiber sind Gottes Tempel. Deshalb müssen wir uns bei der Liebe zueinander in das Gewand der Ewigkeit kleiden und die immerwährende Vereinigung Gottes zelebrieren. (...) Das macht uns zu Teilhabern am immerwährenden Sakrament der Liebe.

Der große Wissenschaftler und Magier Frater 210 sprengte sich mit Labor und Tempel beim Experimentieren mit einer hochexplosiven Substanz in die Luft. Er war gerade 38 Jahre alt. (Dies war jedoch nicht der einzig mysteriöse Todesfall in magischen Kreisen: Am 29. Juli 1875 brachte sich Pascal Beverly Randolph (Bruderschaft von Eulis) bei dem Versuch, Madame Blavatsky (Theosophische Gesellschaft) telekinetisch zu erschießen, versehentlich selbst um; 1905 starb O.T.O.-Gründer Karl Kellner wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, daß er ein selbstentwickeltes Lebenselixier im Selbstversuch getestet hat.)

L. Ron Hubbard jedoch gründete frei nach seiner Ankündigung: „Wenn überhaupt kein Geld mehr zu beschaffen ist, gründe ich eine Religion“ die Scientology Church, die sich später nicht entblödete, die Beziehung zwischen Hubbard und Parsons zu dementieren. Hubbard sei lediglich von der Regierung mit der Observierung Parsons beauftragt worden, damit dieser nicht die nebenan wohnenden Kernphysiker des California Institute of Technology auf magische Gedanken bringen konnte. Hubbard, längst Milliardär, verschwand 1986 spurlos von seiner Ranch in Kalifornien und ist seither angeblich verschollen.

Die Church of Satan bekam in den USA erheblichen Zulauf durch die Studentenbewegung und die kulturelle Gegenbewegung zum Bürgertum. 1972 kaufte die Gruppe um Schauspieler Maarten Joost Lamers eine der ältesten Kirchen der Niederlande und etablierte die Church of Satan mit der Hilfe von LaVeys Tochter Karla in Amsterdam. Von dort aus breitete sie sich über Europa aus. Lamers bewohnt mittlerweise ein Schloß im Süden Frankreichs.

Großes Kirchengeschrei und ein Aufflammen der Satansdiskussion gab es, als Ende der 80er bekannt wurde, daß der damalige US-Präsident Bush und sein Außenminister Shultz Mitglieder im Order of Skull and Bones waren, in dem kultische Handlungen und mystische Todesrituale neben einer eindeutig rassistischen Gesinnung eine Rolle gespielt haben sollen. Im Tempel des Ordens in Yale soll der Schädel des indianischen Freiheitskämpfers Geronimo aufgestellt sein und Anlaß für makabre und rassistische „Späße“ bieten. Die Mitglieder sind weiß, protestantisch und aus wohlhabenden Familien.

Medien und Kirchen schossen sich erneut auf alles ein, was irgendwie okkult (außer den okkulten Traditionen innerhalb der christlichen Kirche) und kultisch anmutete (ausgenommen der kirchlichen Kulthandlungen). Wildeste Gerüchte kursierten, geschätzte zwei Drittel der deutschen Gymnasiasten waren dem Satan angeblich bereits verfallen. Immer, wenn dann neben den Phantasiegebilden einmal tatsächlich ein magisch arbeitender Orden auftaucht, werden die Messer gewetzt und wird der Dummheit freien Lauf gelassen. Die Medien quellen in solchen Zeiten über vor den vielen Berichten über Bluttaten, gespickt mit gestellten Bildern unbekleideter Hexen und Ausschnitten aus Horrorfilmen. Sektenbeauftragte der christlichen Kirchen werden dafür bezahlt, gegen die ungläubige Konkurrenz zu polemisieren. Von ihnen wurde das Schlagwort „Jugendokkultismus“ kreiert, um von vorneherein klarzustellen, daß Okkultismus eben nichts für erwachsene Menschen ist, sondern ausschließlich für arme, hilflose, verleitete und desorientierte Jugendliche. Problematisch wird es in dem Moment, in dem kirchliche Sektenexperten in der Öffentlichkeit eben nicht mehr als Vertreter ihrer Religion gesehen werden, sondern als neutrale Experten.

Vermißt werden in den diversen Talk-Shows Religionswissenschaftler, die möglicherweise anmerken könnten, daß der organisierte Satanismus gewaltfrei ist, die wenigen psychisch gestörten Spinner, die sich in das kirchliche Bild eines Satanisten fügen, im Blutbad der Religionen nicht ins Gewicht fallen. Sie könnten aufrufen, die Proportionen zu wahren und darauf hinweisen, daß zu Sektenbeauftragten immer nur diejenigen Menschen kommen, die mit dem Komplex „Okkultismus“ auf irgendeine Weise nicht zurecht kommen. Die vielen Menschen, die erfolgreich magisch arbeiten, kommen eben nicht beim Sekteninfo auf Kaffee und Kuchen vorbei. Dies muß bei den Beauftragten zu einem arg schiefen Bild von der magischen Szene führen.

Aber eine wissenschaftliche Herangehensweise an diesen Themenkomplex läßt sich bei weitem nicht so gut verkaufen, als wenn man die Gebrüder Grant als das große Duo der Desavouierung auf dem Talk-Sofa sitzen hat.

Die moderne Magieszene ist vielschichtig vernetzt, Informationen fließen besser, die verschiedenen Schulen befruchten sich gegenseitig und jeder Magier kann sich aus den mehr oder minder offenstehenden Steinbrüchen, in denen seit Jahrtausenden von den differenten magischen Systemen mit dem Selbst gearbeitet wird, jene Steine brechen, die er für sein eigenes Haus benötigt.

Magier des Lebens, quo vadis? Dies ist wahrlich der satanische, individuelle Weg, das Bauen persönlicher Brücken auf dem schmalen Pfad nach Hause.

Leser dieses Buches, der du möglicherweise die Linie magischen Wissens fortführst und die magische Weisheit erhältst, indem du sie wandelst:

QUO VADIS?


Malen wir den Teufel an die Wand

Gloria in excelsis et in tenebris, Satan aeternus!

Amamus te, laudamus te, glorificamus te: Satan!

Satan nobiscum. Yallah! Yallah! Yallah!

Amen.


Nachdem wir die Geschichte des Satanismus etwas beleuchten konnten, möchte ich dich nun einladen, mit mir exemplarisch ein Bild des modernen Satanismus zu betreten. Wir haben bereits gesehen, daß Anton Szandor LaVeys Church of Satan den Satanismus wieder emanzipierte und zu einer selbstbewußten, eigenständigen Philosophie entwickelte. Michael Aquino’s Temple of Set führte dies fort und verband LaVeys Satanismus mit Crowleys thelemischen Konzepten. Beiden Ansätzen ist zueigen, daß sie bewußt sehr viele Fragen unbeantwortet lassen und sich kaum in Spekulationen verlieren.

Da die großen Wahrheiten meist die einfachen Wahrheiten sind, läßt sich das Heer von Dämonen, Unterteufeln, Oberteufeln, Gegengöttern sehr schön reduzieren, wie dies bereits LaVey mit seinen von Abramelin übernommenen höllischen Kronprinzen tat. Ziel ist es, ein einfaches System zu schaffen, in dem sich die Magie des Magiers heimisch fühlt und funktioniert, ohne Gefahr zu laufen, sich in kabbalistischen Zahlenlabyrinthen zu verirren. Wie wir dieses System nennen oder wie es gestaltet ist, bleibt letztlich egal.

Man erkennt ein gutes System daran, daß es einem paßt wie ein Maßanzug. Magische Systeme müssen wie Anzüge an- und ausprobiert werden, dann stellt man sehr schnell fest, ob sie zum Magier passen; weder beim einen noch beim anderen ist es vonnöten, jahrelang damit umherzulaufen. Der Magier wird augenblicklich feststellen, wo der Anzug nicht paßt. Wenn er im Schritt kneift, dann weiß er, daß der Anzug dort weiter sein muß. Wenn du dieses Buch liest und bearbeitest, dann probierst du meinen Anzug an, der zwar wahrscheinlich nicht perfekt für dich ist, aber hoffentlich ausreichend Bewegungsfreiheit läßt. Schließlich lerne Schneidern und fertige deinen eigenen Anzug. Geeigneter Stoff dafür liegt überall herum.

Wichtig ist der Erfolg. So ist alles, was ich in diesem Buch vorstelle nur ein Beispiel, das verändert, verworfen, nachgespielt, neu entworfen oder auch übernommen werden kann. Wirf einen Blick auf das folgende Bild:


Der Dreizack ist ein Anker, mit dem wir in der Unterwelt, den eigenen Tiefen, verankert sind, er ist das Schwert im Stein, die Verbindung zur Konstanten des Lebens selbst. Stein und Erde sind Belial zugeordnet, die unabhängige Basis dieser Welt. Durch das nach unten geöffnete Trapezoid und das inversen Pentagramm verliert sich die Ankerkette in namenloser Unendlichkeit, verläuft durch die gesamte Evolution des Lebens und knüpft uns im Irgendwo möglicherweise an die ursprüngliche Einheit. Dieser Hinweis auf Belial ist auch ein Hinweis auf die Ur-Mutter und Belial ist in diesem Bild eher weiblich als männlich. Das Schwert ist dem luftigen Prinzip zugeordnet, und so ist der Anker in unserer Mitte, im Pentagon, „verankert“. Der Kronprinz der Luft ist Luzifer, der in seinem prometheischen Aspekt den Lichtfunken von den alten Göttern stahl und ihn den Menschen brachte. Im Herzen des Pentagon wirkt der Wille des Magiers, eine schöpferische Kraft, die göttlich ist, da sie ihn von allen anderen Geschöpfen trennt und ihm so die Macht gibt zu herrschen. Dieser Funken Göttlichkeit ruht im Pentagon, das sich aufstrebend in unserer Mittel befindet und damit den Gegenpol zum hinabzeigenden Pentagramm bildet. Diesen Funken zur Flamme werden zu lassen heißt, frei zu werden. In dieses Pentagon könnte man ein aufrechtes Pentagramm zeichnen, welches dann ein absteigendes Pentagon beinhalten würde, in das man wieder ein inverses Pentagramm zeichnen könnte und so fort, bis unsere Augen die kleinen Pentagramme nicht mehr sehen können. So ist im kleinsten Lichtfunken das Ganze verborgen.

Es ist Luzifer, das Licht in der Dunkelheit, der uns vorantreibt, unsere Köpfe über die Himmel ragen zu lassen. Göttlichkeit zu kosten, während unsere Füße tief in der Erde Belials verwurzelt sind. Und so ist es Satan, der Bruder der Menschheit, der laut kirchlicher Meinung genau wie der Mensch sein Reich auf dieser Erde hat, der durch das inverse Pentagramm dargestellt wird und vielleicht ist es der Mensch selbst. Jener Mensch, der sich der ursprünglichen Einheit und seiner Existenz als Kind der Erde bewußt ist, denn das Pentagramm ist zu Belial geöffnet. Belial ist der Kronprinz, der ohne Meister ist, unabhängig von der Existenz des Menschen und so von ihm nicht zu „meistern“. Was macht man mit einer Kraft, die man nicht beherrschen kann? Man schließt einen Pakt mit ihr. Der Pakt mit Belial resultiert aus der Erkenntnis der Natur, der Satanist achtet das Gesetz der Erde und bekommt als Gegenleistung die fruchtbare Kraft des Mutterbodens, in den im wahrsten Sinne des Wortes seine „Wurzeln“ ragen.

Im Siegel der Church of Satan ist in das Pentagramm ein Bockskopf gezeichnet, seine Hörner sind identisch mit den oberen Spitzen des Pentagramms, der aufstrebende Satan trifft hier auf die dialektische Welt, auf Tag und Nacht, Frau und Mann, Links und Rechts, Oben und Unten. Er verbindet sich mit seiner Umwelt, vereinigt alles in sich und transzendiert die Begrenzung, ohne sein Selbst, aber auch ohne sein Ego aufzugeben. Er wird Baphomet. Und dies ist der Knackpunkt: Viele mystische Schulen und Religionen lehren, daß das Ego zerstört werden muß, um zur Erleuchtung zu gelangen. Satanisten, auch jene im Temple of Set, wünschen, daß es fortbesteht, möglichst über den Tod hinaus. Das Selbst ist nicht „gut“ und das Ego „schlecht“. Das Ego ist ein schillerndes Gewand, in das sich das Selbst hüllt.

 

Wenn du Erfolg beim anderen Geschlecht suchst, ist es wichtig, die Kleider von Zeit zu Zeit zu wechseln, denn sonst werden sie schmutzig und beginnen zu riechen; keine gute Visitenkarte für dich. Genauso wandelt sich das Ego, und indem es immer neue Verbindungen eingeht, ist es göttlich. Das einzige, was in unserem Empfinden von Leben feststeht, ist der Wandel, der das Leben ist. Alles, was lebt, ist göttlich. Es ist Sünde, Gott darin zu behindern, er selbst zu sein. Der Satanist gibt weder das Selbst noch sein Ego auf, aber er hört endlich auf, beide zu verwechseln. Indem sich Mensch-Satan mit den Ausdrucksformen des Lebens selbst verbindet, gelangt er ins Leben hinein, gelangt ins Dasein.

Dies ist die altägyptische Formel von Xeper. Im Liber Al vel Legis, dem „Buch des Gesetzes“, steht geschrieben: „Gieret nicht nach Ergebnissen“. Und so ist der Satanist ein Wanderer auf äußeren und inneren Pfaden, ein Werdender. Xeper ist nicht auf ein Ziel ausgerichtet, sondern Werden um des Werdens willen. Was dann kommt, bleibt offen, aber wenn man fragt, nicht immer unbeantwortet.

Das inverse Pentagramm wächst, wird, dehnt sich aus, doch es erreicht das Trapezoid, das sich um Mensch-Satan schließt, immer nur mit den äußersten Spitzen, um von dessen Existenz zu wissen. Je größer das Pentagramm wird, desto größer wird auch das Trapezoid. Je höher ich auf einen Turm steige, desto weiter kann ich sehen. Wenn ich sehnsüchtig in den Horizont blicke und mich auf den Weg mache, ihn zu erreichen, so schiebt er sich mit jedem meiner Schritte ein Stück weiter nach hinten, aber immer gerade so weit, daß ich ihn noch sehen kann.

Das Trapezoid symbolisiert die Drachenschlange Leviathan, Kronprinz des Wassers, auch Ouroboros, jener Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, ein Bild, das viele Kulturen kennen. Sie ist unser Horizont auf jeder Ebene unseres Daseins und verschlingt sich fortwährend selbst. Aus dem Wasser Leviathans, das sich mit der Erde Belials verbindet, ist der fruchtbare Boden der Menschheit gemacht; doch Leviathan hält uns gleichzeitig die Mohrrübe vor die Nase, Luzifer sendet uns den Impuls, danach zu streben, und der Esel (der eselsköpfige Set) Satan, der wir sind, setzt sich in Bewegung. Set erkennt durch die Schwarze Flamme, die namenlos im Herzen des Pentagons brennt, daß es zu nichts führt, hinter dem Horizont Leviathans herzurennen. Es führt zu nichts, außer dazu, daß er geht, wird, voranschreitet in ein Dasein, welches reine Freude ist.

Und Leid und Schmerz sind nichts als Schatten, sie ziehen vorüber und sind vorbei.

Liber Al

Satan wählt die Formel seines Weges selbst: Dilige et quod vis fac.