Verwehte Spuren

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»John, das ist gewagt.«



»Denke, sie reiten schon jetzt, wollen uns nur glauben machen, daß mit Büchse im Anschlag.«



»Dann geh mit Gott.«



Der Indianer warf sich zu Boden und glitt mit der Gewandtheit und Schnelligkeit einer Schlange durch das hohe dürre Gras, während Jones, der Graf und Heinrich abstiegen und die Bodenanschwellung hinaufkrochen, um sich dort mit den Büchsen im Anschlage im Grase niederzulegen und den Wald zu beobachten, während Grover und der Farmer unten die Pferde hielten.



Nach ganz kurzer Frist trat Athoree ganz offen aus dem Walde hervor und winkte mit der Hand.



Schnell bestiegen die Abgesessenen die Pferde wieder und Athorees Roß mit sich führend, bewegten sie sich eilig auf den Indianer zu. Dieser sprang in den Sattel und sagte dabei: »Wie ich denken, er gleich weiter reiten er nehmen Prairie, ihn jetzt fassen.«



So rasch es anging, eilten sie in breiter Front durch den Wald.



Graf Edgar hatte einigen riesenhaften, wahrscheinlich von einem Sturm entwurzelten Baumstämmen ausweichen müssen und war dadurch, daß er gezwungen ward, sie zu umreiten, wohl an hundert Schritte ins Hintertreffen gekommen. Niemand, selbst sein treuer Heinrich nicht, hatte ihn innerhalb der belaubten Wälder vermißt.



Während die andern bereits in die Prairie einritten und sich nach ihren Opfern umsahen, weilte der Graf noch im Walde.



Als er an einer uralten Eiche vorbeiritt, sprang plötzlich Morris dahinter hervor, faßte mit der einen Hand die Zügel und stieß gleichzeitig mit der messerbewehrten Rechten nach dem jungen Manne.



So plötzlich und unerwartet dieser Angriff auch war, so führte der ebenso gewandte als entschlossene Offizier doch einen so kräftigen Stoß mit dem Kolben seiner Büchse nach der Brust des Angreifers, daß dieser zurückwankte und sein Messer den Grafen nicht erreichte.



Morris, ein riesenstarker und zugleich behender Mann, ließ das Messer fallen, faßte mit beiden Händen des Grafen Bein und riß ihn, ehe er auch nur Maßregeln zur Abwehr treffen konnte, herab, so daß er zur Erde stürzte und ihm die Büchse entfiel. Augenblicklich war der Graf aber wieder auf den Beinen und faßte den Gegner fest mit beiden Händen.



Ein wildes Ringen entstand. Der Jüngling besaß außergewöhnliche Körperkraft und er wußte, es galt das Leben; aber sein zur Verzweiflung getriebener Gegner, welcher sich durch die Verwundung seines Pferdes des letzten Rettungsmittels beraubt fand, war ihm überlegen, das fühlte er.



»Hallo! Herr Graf! Herr Graf! Hallo!« ertönte Heinrichs Stimme in nicht großer Entfernung.



Todesangst verdoppelte bei dem Nahen eines zweiten Feindes des Banditen herkulische Kraft und er schleuderte den jungen Mann mit solcher Wucht zu Boden, daß er fast betäubt dalag, unfähig, sich gleich wieder zu erheben. Dann ergriff er seine Büchse, haschte mit wenig Mühe des Grafen Roß, schwang sich darauf und ritt davon, als eben Heinrich sein Pferd auf den Schauplatz drängte. Nur die im Angesichte des Feindes gebotene schnelle Flucht und die Notwendigkeit, einen Schuß in der Büchse zu haben, verhinderten es, daß er dem Grafen eine Kugel zusandte. Mächtig erschrak Heinrich, als er seinen Herrn am Boden liegen sah, und sprang aus dem Sattel.



Doch schon erhebt sich Graf Edgar, »Sei unbesorgt, Heinrich, es ist mir außer einigen Quetschungen nichts geschehen,« und erzählt dem erregten Mann, wie der Bandit ihn überfallen hatte.



Der Jäger half dann dem Grafen auf sein Pferd und führte es durch den Wald nach der Prairie, wo die andern harrten.



Ein Schrei der Wut ließ sich hören, als der junge Offizier den Ueberfall und diesen Ausgang mitteilte.



»Damned his soul!« schrie Jones.



»Ist der größte Schurke entkommen. Was nun? Sollen wir dem Morris nachsetzen oder die Hunde vor uns jagen?«



»Geh, Jones,« sagte der Indianer, »fechte in der Prairie Athoree wird der Fährte des Morris folgen.«



»Skalpiere den Hund, John, und du sollst ein Faß Rum haben.«



Schon ritt der Indianer in den Wald zurück.



»Vorwärts, Männer, hinter den Dieben her.«



»Ich will die Jagd mitmachen, Heinrich, auf deinem Pferde, bleibe du hier, wir holen dich wieder ab, lange kann es nicht dauern,« sagte der erregte Graf.



»Ich würde zurückbleiben, Herr.«



»Nein, mein Blut ist warm, ich will reiten, besser als hier im Walde sitzen und meine Quetschungen fühlen.«



Von den Verfolgten war bei der Bodengestaltung, man bezeichnet sie im Lande als rollende Prairie, im Augenblick nichts zu erblicken, sie ritten deshalb die höchste Erdanschwellung, die sich ihren Augen darbot, hinan, um Umschau zu halten. Der Graf schloß sich ihnen an, während Heinrich besorgt am Waldessaum zurückblieb.



Auch von oben war nichts zu erspähen, die Gejagten hielten sich wohlweislich in den leichten Einsenkungen des Bodens.



»Vorwärts, Männer, Huppih!« rief Jones, der jetzt die Führung übernahm, »vom nächsten hohen Punkte aus müssen wir sie sehen,« und fort galoppierten sie, so rasch die Pferde laufen konnten.



Ein scharfer Nordwind hatte sich erhoben, der sie, ihnen ins Gesicht blasend, eisig anwehte. Aber vorwärts, vorwärts, die wildeste Jagdlust war erwacht.



Wiederum leiteten sie ihre Pferde nach Zurücklegung einer großen Strecke eine Bodenanschwellung hinan, und »Huppih! dort sind sie, die Hunde!«



In der Ebene, die sich vor ihnen ausbreitete, sahen sie jetzt deutlich die drei Flüchtlinge, welche sich nach verschiedenen Richtungen hin bewegten.



»Sie haben sich getrennt, aber das soll ihnen nichts helfen. Ich nehme den links, Grover, du den in der Mitte und Morton den andern.«



»Nein, laß uns zusammenbleiben, Jones « aber schon sprengte jener dem Gegner, den er sich erwählt hatte, nach. Die Flüchtenden waren kaum eine Meile weit vor ihnen und konnten bald erreicht sein, und dann mußten die Büchsen sprechen.



Während sie so vorwärts ritten, erschien zu ihrer Linken Morris auf des Grafen Pferd am Horizont, und nach kurzer Frist hinter ihm der Indianer, dessen gellender Schlachtruf bis zu ihnen herüberdrang. Aber das Pferd des Grafen, welches der Mörder ritt, war augenscheinlich kräftiger, als das des Indianers.



Der Nord brauste immer stärker.



Plötzlich verschwanden die drei, welchen Jones, Grover und der Graf nacheilten, vom Erdboden, nur Morris war von den Verfolgten noch sichtbar, hinter ihm der Indianer.



Grover hielt mit seinen Begleitern und rief mit Stentorstimme Jones zu, gleichfalls zu halten.



»Dort, quer vor uns, muß eine sich lang ausdehnende Senkung sein, und wir laufen ins Feuer der Schurken, wenn wir uns unvorsichtig nahen. Jones! Jones! Halt! Da seht, der Indianer gibt die Verfolgung auf, er hält, er wendet sogar; was ist das, er winkt uns zu, zurückzureiten? Bei Jove, er jagt zurück! Was ist das?«



Eine leichte, kaum bemerkbare Dunstwolke zeigte sich an dem Rande, hinter welchem die drei Räuber verschwunden waren.



»Allmächtiger Gott! zurück! zurück! Der Wind weht scharf gegen uns, und die Schurken haben das dürre Gras angezündet. Zurück, Herr Graf, jetzt geht's ums Leben!«



Staunend sah Graf Edgar die furchtbare Aufregung des starken Mannes, folgte ihm aber, gleich dem andern Farmer, indem er sein Pferd wandte und es zur wahnsinnigen Eile anspornte.



Jones hatte gleichfalls den Rückweg angetreten.



Graf Edgar schien die Gefahr keineswegs so dringend zu sein, er wandte trotz des schnellen Rittes sogar den Kopf, und bemerkte freilich, daß die Rauchwolke sich verstärkt hatte.



Etwas vor ihm ritt schwerkeuchend Grover, unaufhörlich sein Pferd antreibend, drüben tat Jones augenscheinlich ein Gleiches.



Nur Pferde von dieser ungewöhnlich dauerhaften Rasse vermochten solche Anstrengungen zu ertragen.



Fort ging's in wilder Flucht.



Der Wind sauste hinter ihnen her, gleich als ob er ihre Eile beschleunigen, oder mit den Pferden um die Wette rennen wollte.



Ein unangenehmer brenzlicher Geruch machte sich nach einiger Zeit bemerkbar, den der Sturm auf seinen Flügeln ihnen nachführt.



»Vorwärts! Vorwärts!« keuchte Grover,



Dennoch konnte es der Graf nicht unterlassen, einen Moment zu halten, und sich umzusehen.



Fast der ganze nördliche Horizont war bereits in Dunst gehüllt, und dichte Dampfwolken stiegen aus der Prairie auf, welche der Wind nach Süden fegte.



Wild flohen scheue Tiere an ihm vorbei, wie sie in der Prairie heimisch waren, und heiserer Vogelschrei klang aus der Luft herab.



Er wandte sein Roß und war bald wieder in der Nähe Grovers.



»Vorwärts! Vorwärts!«



Was war das? Jones, der rechts von ihnen ritt, war nicht mehr zu sehen, auch der Wald vor ihnen ward undeutlicher, immer undeutlicher.



»Vorwärts! Vorwärts!«



Der Rauch des Prairiefeuers, auf Sturmesflügeln einhergetragen, begann sie einzuhüllen. Er ward mit dem weiteren Umsichgreifen des Feuers stärker und stärker.



Weh, wenn er sie dichter umfing.



Weh, wenn das Feuer sie erreichte.



Undeutlich sah der Graf nur noch Grovers Gestalt vor sich, auch die Atmungswerkzeuge wurden durch den Dampf belästigt.



»Vorwärts, um Christi willen!«



Aber die Pferde brauchen nicht mehr angetrieben zu werden, sie erkennen die Gefahr, welche hinter ihnen einherstürmt, und Todesangst beflügelt ihren Lauf wie den der wilden Tiere, welche schattenhaft an ihnen vorüberhuschen.



Zwei, drei Minuten reiten sie in dichtem Dampfe.



Dem Grafen will es scheinen, er höre schon das Knistern der Flamme hinter sich.



Ist der letzte Augenblick gekommen?



»Herr Graf! Hallo! Hallo! hier!« klingt schwach Heinrichs Stimme an sein Ohr, der treue Jäger hat die Gefahr längst erkannt und gibt nach Jägersitte Anruf, damit die andern wissen, wo er stehe.

 



Bittere Angst um seinen Herrn verstärkte den Ruf.



»Heinrich!« schrie der Graf, so laut er konnte, »Heinrich!«



»Hallo! Hallo! hier! hier!«



Da taucht im Dampf vor ihnen des Indianers dunkles Antlitz auf, welcher trotz der drohenden Gefahr ihnen entgegengelitten war.



Er ergriff des Grafen Pferd am Zügel, riß es nach rechts herum und rief Grover zu, ein Gleiches zu tun.



Einer Bodenerhebung ausweichend, waren die Tiere in eine Richtung schräg nach dem Wald hin geraten, was den Weg verlängerte und ihnen die Gefahr näher brachte.



»Hallo! Hallo!« ließ immerfort sich Heinrichs Stimme und immer deutlicher vernehmen.



Dieser Ruf und des Indianers tolle Verwegenheit, in den Dampf hineinzureiten, hatte ihnen Rettung gebracht. Endlich erscheinen schattenhafte Bäume deutlicher deutlicher werden sie da steht Heinrich er stürzt auf den Grafen zu, faßt das Pferd am Zügel und zieht es in den Wald hinein. Schon wenige Schritte in dem dichten Laubholz ist die Luft reiner, der Dampf weniger dicht. Bald können sie frei atmen, und langsam unter des Indianers Führung, der voranreitet, erreichen sie die Savanne jenseits des Waldes. Dampfwolken fliegen noch immer hoch über sie hin, aber hier unten hemmt das dichte Holz das Vordringen des Rauches.



Sie warfen sich von den zitternden Pferden auf das Gras, Grover, der Graf, auch der Farmer Morton, der sich an ihrer Seite gehalten hatte, sie sind so erschöpft, daß kein Wort über ihre Lippen dringt. Der Indianer hält noch hoch zu Roß neben ihnen.



Besorgt beugt sich Heinrich über seinen Herrn, dieser lächelt ihm beruhigend zu, Heinrich bietet ihm die Feldflasche und der Graf nimmt einen kräftigen Schluck Rum.



Grover ist zu erschöpft, um auch nur nach seiner Flasche greifen zu können, auch ihm bietet Heinrich die seinige.



»Wo ist Jones?« stöhnte der starke Mann nach einem kräftigen Schluck.



»Ist am Wald drüben sicher.«



»Wird das Feuer hierher kommen, John?«



»Prairiefeuer gleich aus Wald nicht brennen zu naß. Sieh,« und er deutete nach oben, »schon weniger Rauch.«



Und in der Tat zogen die Dampfwolken schon lichter vor dem Nordwind einher.



Schweigend blieben die Männer noch eine Weile liegen.



Heller und heller wurde der Himmel, klarer und klarer die Luft, der Wind wehte bereits weniger heftig, und mit Entzücken sog die Brust den balsamischen Odem des Frühlingstages ein.



Jones kam heran, sein Pferd führend: »Hallo, Grover! Wie steht's, Mann? Kalkuliere, habt ein Wettrennen gemacht.«



»War hart an uns, Jones, ist ein Fakt.«



»Sind heraus, Bill Grover, ist auch ein Fakt.«



»Wie gefiel's Euch, Fremder? Kalkuliere, habt so was in Eurem alten Deutschland nicht.«



»Nein, Herr, geht friedlicher bei uns zu.«



Jones, der trotz der mißglückten Jagd und der überstandenen Gefahr, da er sich wieder im Besitz seiner Pferde wußte, guter Laune war, lachte: »Ja, Mann, seid im alten Mich, an der Grenze, ist noch wildes Land, muß noch manches anders werden, ehe es aussieht wie bei Euch. Kalkuliere, war eine tolle Frolic, aber habt gesehen, wie es manchmal bei uns zugeht, müssen uns selbst unsrer Haut wehren gegen blutige Schurken und gegen die Elemente.«



Grover stieß einen kräftigen Fluch aus: »Daß die Hunde uns entkommen sind, Jones, jammerschade!«



»Kalkuliere, war nichts zu machen, Grover, nimm's kaltblütig, Mann, laufen uns doch noch in die Finger. Komm mal her, John,« rief er dem absteigenden Indianer zu und reichte ihm, als dieser herankam, die Hand, eine Ehre, welche der Indianer zu würdigen wußte: »Dir verdanken wir's, Rothaut, daß unsre Knochen nicht auf der blutigen Prairie verkohlen. Wenn deine indianische Nase nicht war, kamen wir bei dem Winde und dem Dampfe nimmer heraus. War dicht hinter uns, Grover, der Sensenmann. Will dir was sagen, John, wenn du Bill Jones einmal brauchen kannst, dann komm nur zu ihm, verstehst du? Und dann habe ich da noch ein altes Schießeisen zu Hause,« er meinte eine zwar alte, aber vortreffliche Waffe. »Hast oft geliebäugelt damit, wenn wir einmal zusammen jagten, die Rifle ist dein, John, kannst sie dir holen. Ist für deine Dienste gestern und heute.«



Des Indianers Augen funkelten in heller Freude, das war ein gar wertvolles Geschenk für ihn.



»Und wenn du das verdammte Saufen lassen könntest, dann wärest du ein ganzer Kerl.«



»Danke, Jones,« sagte er, »gute Rifle, freut sehr Jägerherz.«



»Daß die Bursche uns entkommen sind,« knurrte Grover, »ich hätte so gern einem von ihnen den Schädel eingeschlagen.«



»Sind Bestien,« sagte Jones, »verzweifelte Schurken, hatten Glück diesmal, aber entlaufen dem Galgen doch nicht. Seht Ihr, Fremder,« wandte er sich an den Grafen, »müßt nicht denken, daß wir unvorsichtige Leute sind, die sich blindlings in Gefahr begeben und andre mit hineinreißen. War das Feuer nicht möglich, wenn nicht der Wind nach Norden umgesprungen und so stark gewesen wäre. Waren auch zu nahe hätten sonst ein Gegenfeuer anzünden können. Habt gesehen, selbst der erfahrene Indianer fürchtete solche Gefahr nicht. Freilich hatte seine Spürnase die Sache zuerst weg. Ich glaube, diese roten Leute riechen ebenso weit als sie sehen. He, John?«



»Riechen gut, riechen Dampf, sehen ihn wissen, daß Gras anzünden. Reiten weg, nicht kämpfen gegen Feuer.«



»Richtig, da hört die Menschenkraft auf. Und dein Freund Morris ist dir entkommen.«



»Er besser Pferd, ihn noch einholen, später.«



»Will ich von Herzen wünschen.«



»Was ist nun zu tun, John?« fragte Grover.



»Reiten nach Haus, legen auf Ohr und schlafen!«



»Nichts mehr zu machen?«



»Prairie heiß ganzen Tag noch morgen noch nicht weiter Spitzbuben fort.«



»Ist ein Jammer, ist ein Jammer.«



»Kalkuliere, Fremder, ist eine andre Art Krieg, als Ihr da im blutigen Frankreich geführt habt? He?«



»Ja,« sagte der Graf, der jetzt, wo nach der Aufregung und heftigen Bewegung Ruhe eingetreten war, die unsanft zugefügten Verletzungen fühlte, welche die Folgen seines Ringens mit Morris waren, »sie entspricht dem Lande und seinen Verhältnissen. Aber ich sehe mit Freude, welch geschickte und tapfere Kämpfer auf diesem Boden erwachsen. Sind Männer hier.«



»Kalkuliere, sind,« lachte Jones, »wissen sich zu wehren.«



Heinrich, der, als er die Gefahr, welche seinen Herrn bedrohte, erst erkannte, in Todesangst die wilde Flucht vor dem Feuer mit angesehen hatte, eine Angst, die sich steigerte, als der Dampf die Reiter einhüllte, war körperlich frisch, aber immer noch sehr bewegt und beschäftigte sich mit rührender Treue um seinen Herrn, ihm kleine Dienste leistend, um sein Lager möglichst bequem zu machen, wiederholt nach seinem Befinden sich erkundigend, von den noch vorhandenen Vorräten anbietend, die aber der erschöpfte junge Mann ablehnte. Während er so um ihn beschäftigt war, traf sein Auge einen zierlichen Wapitihirsch, welcher sich etwa hundert Schritte von ihnen erhoben hatte und sicherte. Das Tier, wahrscheinlich auch vor dem Feuer entflohen und hier Rast suchend, stand schußgerecht. Eine schnelle Bewegung brachte die Büchse in Heinrichs Hand, sie lag an der Wange ein Krach hoch ansteigend fiel das Tier im Feuer.



Alle sprangen erschreckt empor.



»Was gibt's?« fragte hastig der Graf.



»Ein Hirsch, er liegt,«



Beruhigt setzten sie sich wieder und Jones lachte. »Das ist gut, den Braten können wir brauchen.«



Heinrich brach das Tier rasch auf, brachte die Beute heran und mit Hilfe des Indianers loderte bald ein Feuer empor und der Duft des schmorenden Hirschfleisches füllte einschmeichelnd die Luft.



»Hallo, Boys!« ertönte eine kräftige Stimme, »nennt ihr das Jagd machen?«



Es war Weller, welchem in einiger Entfernung seine Gefährten folgten.



»Hoho! der Konstabel, der hat den Braten gerochen der hat eine Nase.«



»Habe wenigstens den Rauch des Feuers gesehen, aber ist gut, Leute, haben einen bärenmäßigen Hunger. Was war das für ein Dampf?«



Man gab ihm rasch Kenntnis von den Vorfällen.



»Schade, schade, daß die Schufte entkommen sind. Müssen rasch Botschaft an den White River senden und die Leute dort vor ihnen warnen. War nichts zu machen. Männer, haben getan, was wir konnten. Ist ein Fakt.«



Die von dem wilden Ritt Erschöpften hatten sich bald wieder erholt und in kurzer Zeit saßen sie sämtlich um das Feuer und sprachen dem duftenden Braten kräftig zu.



»Jetzt,« sagte der Indianer, »Grover, gib Rum, Jagd aus.«



Von allen Seiten bot man ihm die Jagdflaschen, von denen einige noch gut gefüllt waren, an. Er nahm die von Grover und leerte sie in einem Zuge.



»Ah, Rum gut.«



»Na ja,« brummte Grover, »wenn wir zu Hause sind, wird's wohl wieder losgehen. Schade um den Mann.«



Sie ruhten aus und traten dann, nachdem auch Miller mit den aufgesammelten Pferden Jones' sich ihnen angeschlossen hatte, den Heimweg den Muskegon entlang an. Unterwegs wurden die Männer, welche an der Furt des Sumpfes Wache hielten, aufgenommen und dann am Ufer des Flusses die Nacht zugebracht. Am andern Tage trafen alle, erschöpft, aber sonst wohlbehalten, von der vergeblichen Jagd in der Heimat wieder ein.





VIERTES KAPITEL.

Der Enkel Meschepesches.



Graf Edgar, der durch die im Ringkampfe mit Morris erlittenen Hautabschürfungen und sonstigen Verletzungen eine Zeitlang unangenehm belästigt worden war, hatte durch die von Grovers Frau ihm verordneten Heilmittel so weit Linderung gefunden, daß er sie kaum noch fühlte; doch war Ruhe für noch einige Tage geboten, ehe er sich den Anstrengungen einer Reise durch die Wälder, ohne Nachteile befürchten zu müssen, wieder aussetzen durfte.



In Sinnen verloren weilte der Offizier am Tage nach der Rückkehr von der wilden Jagd unter einer breitblätterigen Sykomore, unweit des Blockhauses, zu deren Fuße ein roh gefertigter Tisch, von Bänken umgeben, ein angenehmes, schattiges Plätzchen bot.



War ihm auf seiner Reise durch Ohio und quer von Detroit durch Michigan bis zum Muskegon die Art und Weise des Lebens auf den Farmen nicht unbekannt geblieben, so befand er sich doch hier zum erstenmal während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten an der Grenze der Zivilisation, in Gegenden, in welchen das Gesetz seine Macht bereits verloren hatte, wo jeder Mann bewaffnet sein und seine Waffen gelegentlich brauchen mußte, um sein Leben oder Eigentum zu schützen.



Wenn er sich vergegenwärtigte, daß seine Schwester, die ihm noch als zarte Erscheinung vorschwebte, umgeben von der Liebe und Fürsorge zärtlicher Eltern, und all dem äußeren Schmuck des Lebens, wie ihn ein vornehmes Heim in Deutschland bieten konnte, in ein solch wildes Waldtreiben mit seinen Mühen und Entbehrungen und Gefahren geschleudert worden war, so überkam ihn ein Gefühl unsäglicher Trauer.



Nach den Mitteilungen, die ihm der alte Baring gemacht hatte, zweifelte er nicht, daß sie und ihr Knabe schon längst nicht mehr unter den Lebenden weilten.



Daß er den Indianerstamm aufsuchte, der damals den Angriff auf die unbeschützten Farmen am Manistee ausgeführt hatte, stand fest bei ihm, wie, daß er weder Zeit noch Mühe und Geld sparen durfte, um Gewißheit über das Ende der ihm teuren Menschen zu erlangen.



Rauh war das Land, in welchem er sich befand, rauh die Bewohner desselben, aber diese wohl geeignet, den Kampf mit allen Mühseligkeiten eines solchen Lebens aufzunehmen und siegreich zu Ende zu führen.



Eine wilde, aber kernige Menschenklasse. Was ihm noch am meisten imponierte, war, daß diese rohen Waldleute solch hohe Achtung vor der Majestät des Gesetzes hatten, wenn sie dasselbe auch gelegentlich auf ihre Art selbst ausübten.



Gleichzeitig hatte er in den wenigen Tagen, die er am Muskegon weilte, auch den Auswurf des Landes kennen gelernt, der sich hier an der Grenze des Urwaldes herumtrieb.



Er erkannte klar genug, daß eine Reise durch die Wälder, selbst mit einem erprobten und erfahrenen Führer, nicht ohne Gefahren sei, um mehr als er und Heinrich weder mit dem Urwald und seinen Geheimnissen, noch mit der Art der wilden Eingeborenen vertraut waren.



Doch das schreckte weder den tapferen Offizier, noch hielt es den Bruder ab, seine Pflichten zu erfüllen, und daß bekannte oder unbekannte Gefahren Heinrich nicht einschüchterten, wußte er.

 



Während er so in Sinnen verloren im Schatten der Sykomore weilte, kam Grover aus den Feldern zurück und setzte sich zu ihm.



»Kalkuliere, Fremder, langweilt Euch seid an die Städte und ihr Treiben gewöhnt,« sagte er, nachdem er seinen Gast begrüßt hatte.



»Nicht doch, Mister Grover, die Einsamkeit und Eintönigkeit dieser endlosen Wälder mit ihrer feierlichen Stille hat etwas Ueberwältigendes für mich und versetzt mich in gehobene Stimmung, außerdem habe ich Sorgen, die keine Langeweile aufkommen lassen.«



»Seid entschlossen, Mann, nach Norden zu gehen?«



»Gewiß.«



»Ist ein wildes Land da oben, habe es kennen gelernt. Gehören erfahrene Waldleute dazu, um es zu bereisen. Möchte Euch gerne einen tüchtigen Führer mitgeben. Was meint Ihr denn nun zu dem Indianer, nachdem Ihr ihn im Walde bei der Arbeit gesehen?«



»Ich muß gestehen, der Mann flößt mir Zutrauen ein, Grover.«



»War gestern abend wieder höllisch im Nebel, wie er sagt, wird wohl seinen Rausch noch nicht ausgeschlafen haben.«



»Und doch verweigerte er den Whisky während unsres Streifzuges.«



»Ja, es ist merkwürdig genug, daß er bei seinen Jagden und bei einer Affaire, wie die unsre, sich der geistigen Getränke zu enthalten vermag. Ich würde ihm ja nicht so viel Rum geben und habe ihn ihm auch früher schon verweigert, aber dann geht er einfach davon bis zum nächsten Store und betrinkt sich dort. Es ist nicht leicht, mit diesen Leuten umzugehen. Ich habe früher viel mit Indianern gehandelt und so manche Beobachtungen gemacht, es ist eine besondere Art Menschen und man lernt sie nie auskennen.«



»Sprecht Ihr Ihnen gute Eigenschaften ab?«



»Nein, das tue ich nicht. Der Indianer ist erstens unbezweifelt tapfer, und das ist schon etwas, sie sind auch klug in ihrer Art, und ich höre ja, es sei hie und da der Regierung gelungen, sie seßhaft zu machen und zu Ackerbauern zu erziehen. Aber ich bestreite ihnen die unbedingte Zuverlässigkeit und Treue. Es ist eine trotzige, eitle und deshalb leicht verletzliche Rasse, sehr zum Lügen geneigt und, wenn ihre wilden Instinkte entfesselt werden, geradezu furchtbar, ein Tiger ist dann ein Lamm gegen diese heulenden Wilden.«



»Ich habe es schaudernd gehört.« Nach einer Weile fuhr der junge Mann fort: »Und haltet Ihr diese Leute nicht auch edler Empfindungen fähig?«



»Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, ich hätte je eine Probe davon gesehen, obgleich, wie ich ja schon bei Baring erzählte, unser John sich wiederholt sehr gefällig gegen uns erwiesen hat.«



»Sollte nicht manches in ihrer Handlungsweise aus der Art und Weise resultieren, mit welcher sie von den Europäern behandelt worden sind, denn ganz gut ist man mit den ehemaligen Besitzern dieses Bodens wohl nicht umgegangen.«



»Ist ein Fakt, Fremder, ist nicht immer redlich mit ihnen verfahren, sind hie und da wie wilde Tiere behandelt und von den schuftigen Agenten greulich betrogen worden.«



»Da seht Ihr.«



»Ist ein Fakt. Sind aber trotzdem tückische Gesellen und ganz ist keinem von ihnen zu trauen. Will Euch deshalb nicht zureden, den John mitzunehmen, ob ich gleich nichts gegen den Mann zu sagen weiß, und ich die Jahre, die er bei uns zubringt, gut mit ihm ausgekommen bin.«



»Wenn der Mann mit mir gehen will, ich will ihm gerne die Führung anvertrauen und ihn reich bezahlen.«



»Wenn ich nur dahinter kommen könnte, was den John eigentlich von seinen Stammesgenossen fern hält? Ein Indianer von den Seen oben ist er, das ist sicher, aber er will nicht heraus mit der Sprache, welchem Stamme er angehört. Es müssen da ganz besondere Gründe vorliegen. Seit Menschengedenken hat sich in diesen Gegenden außer John kein Indianer blicken lassen. Die sind längst alle nach Norden vertrieben worden oder auf Reservationen angesiedelt, wie die Ottawas, Pottawatomie, Huronen und wie diese roten Völkerschaften alle heißen. Wollt Ihr, Fremder, den John mitnehmen, fraglich ist es ja, ob er geht, so will ich Euch nicht abreden, denn geschickt und tapfer ist der Mann, das habt Ihr ja selbst gesehen und, was bei Eurer Fahrt nicht zu unterschätzen ist, ein trefflicher Jäger, aber auch nicht zureden.«



»Nach dem, was ich von ihm gesehen habe, bin ich entschlossen, wenn er will, ihn mitzunehmen.«



»Gut. Was ich noch sagen wollte,« äußerte der Wirt nachdem er sich einigemal geräuspert hatte, »wäre mir angenehm, Fremder, wenn Ihr die Sache nicht erwähnen wolltet «



»Welche Sache ?«



»Nun, daß ich da oben