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Dieser Ruf und des Indianers tolle Verwegenheit, in den Dampf hineinzureiten, hatte ihnen Rettung gebracht. Endlich erscheinen schattenhafte Bäume — deutlicher — deutlicher meiden sie — da steht Heinrich — er stürzt auf den Grafen zu, faßt das Pferd am Zügel und zieht es in den Wald hinein. — Schon wenige Schritte in dem dichten Laubholz ist die Luft reiner, der Dampf weniger dicht. Bald können sie frei atmen, und langsam unter des Indianers Führung, der voranreitet, erreichen sie die Savanne jenseits des Waldes. Dampfwolken fliegen noch immer hoch über sie hin, aber hier unten hemmt das dichte Holz das Vordringen des Rauches.

Sie warfen sich von den zitternden Pferden auf das Gras, Grover, der Graf, auch der Farmer Morton, der sich an ihrer Seite gehalten hatte, sie sind so erschöpft, daß kein Wort über ihre Lippen bringt. Der Indianer hält noch hoch zu Roß neben ihnen.

Besorgt beugt sich Heinrich über seinen Herrn, dieser lächelt ihm beruhigend zu. Heinrich bietet ihm die Feldflasche und der Graf nimmt einen kräftigen Schluck Rum.

Grover ist zu erschöpft, um auch nur nach seiner Flasche greifen zu können, auch ihm bietet Heinrich die seinige.

»Wo ist Jones?« stöhnte der starke Mann nach einem kräftigen Schluck.

»Ist am Wald drüben — sicher.«

»Wird das Feuer hierher kommen, John?«

»Prairiefeuer gleich aus — Wald nicht brennen — zu naß. Sieh,« und er deutete nach oben, »schon weniger Rauch.«

Und in der Tat zogen die Dampfwolken schon lichter vor dem Nordwind einher.

Schweigend blieben die Männer noch eine Weile liegen.

Heller und heller wurde der Himmel, klarer und klarer die Luft, der Wind wehte bereits weniger heftig, und mit Entzücken sog die Brust den balsamischen Odem des Frühlingstages ein.

Jones kam heran, sein Pferd führend: »Hallo, Grover! Wie steht‘s. Mann? Kalkuliere, habt ein Wettrennen gemacht.«

»War hart an uns, Jones, ist ein Fakt.«

»Sind heraus, Bill Grover, ist auch ein Fakt.«

»Wie gefiel‘s Euch, Fremder? Kalkuliere, habt so was in Eurem alten Deutschland nicht.«

»Nein, Herr, geht friedlicher bei uns zu.«

Jones, der trotz der mißglückten Jagd und der überstandenen Gefahr, da er sich wieder im Besitz seiner Pferde wußte, guter Laune war, lachte: »Ja, Mann, seid im alten Mich, an der Grenze, ist noch wildes Land, muß noch manches anders werden, ehe es aussieht wie bei Euch. Kalkuliere, war eine tolle Frolic, aber habt gesehen, wie es manchmal bei uns zugeht, müssen uns selbst unsrer Haut wehren gegen blutige Schurken und gegen die Elemente.«

Grover stieß einen kräftigen Fluch au«: »Daß die Hunde uns entkommen sind, Jones, jammerschade!«

»Kalkuliere, war nichts zu machen, Grover, nimm‘s kaltblütig. Mann, laufen uns doch noch in die Finger. Komm mal her, John,« lief er dem absteigenden Indianer zu und reichte ihm, als dieser herankam, die Hand, eine Ehre, welche der Indianer zu würdigen wußte: »Dir verdanken wir‘s, Rothaut, daß unsre Knochen nicht auf der blutigen Prairie verkohlen. Wenn deine indianische Nase nicht war, kamen wir bei dem Winde und dem Dampfe nimmer heraus. War dicht hinter uns, Grover, der Sensenmann. Will dir was sagen, John, wenn du Bill Jones einmal brauchen kannst, dann komm nur zu ihm, verstehst du? Und dann habe ich da noch ein altes Schießeisen zu Hause,« er meinte eine zwar alte, aber vortreffliche Waffe. »Hast oft geliebäugelt damit, wenn wir einmal zusammen jagten, die Rifle ist dein, John, kannst sie dir holen. Ist für deine Dienste gestern und heute.«

De« Indianers Augen funkelten in heller Freude, das war ein gar wertvolles Geschenk für ihn.

»Und wenn du das verdammte Saufen lassen könntest, dann wärest du ein ganzer Kerl.«

»Danke, Jones,« sagte er, »gute Rifle, freut sehr Jägerherz.«

»Daß die Bursche uns entkommen sind,« knurrte Grover, »ich hätte so gern einem von ihnen den Schädel eingeschlagen.«

»Sind Bestien,« sagte Jones, »verzweifelte Schurken, hatten Glück diesmal, aber entlaufen dem Galgen doch nicht. Seht Ihr, Fremder,« wandte er sich an den Grafen, »müßt nicht denken, daß wir unvorsichtige Leute sind, die sich blindlings in Gefahr begeben und andre mit hineinreißen. War das Feuer nicht möglich, wenn nicht der Wind nach Norden umgesprungen und so stark gewesen wäre. Waren auch zu nahe — hätten sonst ein Gegenfeuer anzünden können. Habt gesehen, selbst der erfahrene Indianer fürchtete solche Gefahr nicht. Freilich hatte seine Spürnase die Sache zuerst weg. Ich glaube, diese roten Leute riechen ebenso weit als sie sehen. He, John?«

»Riechen gut, riechen Dampf, sehen ihn — wissen, daß Gras anzünden. Reiten weg, nicht kämpfen gegen Feuer.«

»Richtig, da hört die Menschenkraft auf. Und dein Freund Morris ist dir entkommen.«

»Er besser Pferd, ihn noch einholen, später.«

»Will ich von Herzen wünschen.«

»Was ist nun zu tun, John?« fragte Grover.

»Reiten nach Haus, legen auf Ohr und schlafen!«

»Nichts mehr zu machen?«

»Prairie heiß — ganzen Tag noch — morgen noch — nicht weiter — Spitzbuben fort.«

»Ist ein Jammer, ist ein Jammer.«

»Kalkuliere, Fremder, ist eine andre Art Krieg, als Ihr da im blutigen Frankreich geführt habt? He?«

»Ja,« sagte der Graf, der jetzt, wo nach der Aufregung und heftigen Bewegung Ruhe eingetreten war, die unsanft zugefügten Verletzungen fühlte, welche die Folgen seines Ringens mit Morris waren, »sie entspricht dem Lande und seinen Verhältnissen. Aber ich sehe mit Freude, welch geschickte und tapfere Kämpfer auf diesem Boden erwachsen. Sind Männer hier.«

»Kalkuliere, sind,« lachte Jones, »wissen sich zu wehren.«

Heinrich, der, als er die Gefahr, welche seinen Herrn bedrohte, erst erkannte, in Todesangst die wilde Flucht vor dem Feuer mit angesehen hatte, eine Angst, die sich steigerte, als der Dampf die Reiter einhüllte, war körperlich frisch, aber immer noch sehr bewegt und beschäftigte sich mit rührender Treue um seinen Herrn, ihm kleine Dienste leistend, um sein Lager möglichst bequem zu machen, wiederholt nach seinem Befinden sich erkundigend, von den noch vorhandenen Vorräten anbietend, die aber der erschöpfte junge Mann ablehnte. Während er so um ihn beschäftigt war, traf sein Auge einen zierlichen Wapitihirsch, welcher sich etwa hundert Schritte von ihnen erhoben hatte und sicherte. Das Tier, wahrscheinlich auch vor dem Feuer entflohen und hier Rast suchend, stand schußgerecht. Eine schnelle Bewegung brachte die Büchse in Heinrichs Hand, sie lag an der Wange — ein Krach — hoch ansteigend fiel das Tier im Feuer.

Alle sprangen erschreckt empor.

»Was gibt‘s?« fragte hastig der Graf.

»Ein Hirsch, er liegt.«

Beruhigt setzten sie sich wieder und Jones lachte. »Das ist gut, den Braten können mir brauchen.«

Heinrich brach das Tier rasch auf, brachte die Beute heran und mit Hilfe des Indianers loderte bald ein Feuer empor und der Duft des schmorenden Hirschfleisches füllte einschmeichelnd die Luft.

»Hallo, Boys!« ertönte eine kräftige Stimme, »nennt ihr das Jagd machen?«

Es war Weller, welchem in einiger Entfernung seine Gefährten folgten.

»Hoho! der Konstabel, der hat den Braten gerochen — der hat eine Nase.«

»Habe wenigstens den Rauch des Feuers gesehen, aber ist gut, Leute, haben einen bärenmäßigen Hunger. Was war das für ein Dampf?«

Man gab ihm rasch Kenntnis von den Vorfällen.

»Schade, schade, daß die Schufte entkommen sind. Müssen rasch Botschaft an den White River senden und die Leute dort vor ihnen warnen. War nichts zu machen, Männer, haben getan, was wir konnten. Ist ein Fakt.«

Die von dem milden Ritt Erschöpften hatten sich bald wieder erholt und in kurzer Zeit saßen sie sämtlich um das Feuer und sprachen dem duftenden Braten kräftig zu.

»Jetzt,« sagte der Indianer, »Grover, gib Rum, Jagd aus.«

Von allen Seiten bot man ihm die Jagdflaschen, von denen einige noch gut gefüllt waren, an. Er nahm die von Grover und leerte sie in einem Zuge.

»Ah, Rum gut.«

»Na ja,« brummte Grover, »wenn wir zu Hause sind, wird‘s wohl wieder losgehen. Schade um den Mann.«

Sie ruhten aus und traten dann, nachdem auch Miller mit den aufgesammelten Pferden Jones‘ sich ihnen angeschlossen hatte, den Heimweg den Muskegon entlang an. Unterwegs wurden die Männer, welche an der Furt des Sumpfes Wache hielten, aufgenommen und dann am Ufer des Flusses die Nacht zugebracht. Am andern Tage trafen alle, erschöpft, aber sonst wohlbehalten, von der vergeblichen Jagd in der Heimat wieder ein.

Viertes Kapitel. Der Onkel Meschepesches

Graf Edgar, der durch die im Ringkampfe mit Morris erlittenen Hautabschürfungen und sonstigen Verletzungen eine Zeitlang unangenehm belästigt worden war, hatte durch die von Grovers Frau ihm verordneten Heilmittel so weit Linderung gefunden, daß er sie kaum noch fühlte; doch war Ruhe für noch einige Tage geboten, ehe er sich den Anstrengungen einer Reise durch die Wälder, ohne Nachteile befürchten zu müssen, wieder aussetzen durfte.

In Sinnen verloren weilte der Offizier am Tage nach der Rückkehr von der wilden Jagd unter einer breitblätterigen Sykomore, unweit des Blockhauses, zu deren Fuße ein roh gefertigter Tisch, von Bänken umgeben, ein angenehmes, schattiges Plätzchen bot.

War ihm auf seiner Reise durch Ohio und quer von Detroit durch Michigan bis zum Muskegon die Art und Weise des Lebens auf den Farmen nicht unbekannt geblieben, so befand er sich doch hier zum erstenmal während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten an der Grenze der Zivilisation, in Gegenden, in welchen das Gesetz seine Macht bereits verloren hatte, wo jeder Mann bewaffnet sein und seine Waffen gelegentlich brauchen mußte, um sein Leben oder Eigentum zu schützen.

 

Wenn er sich vergegenwärtigte, daß seine Schwester, die ihm noch als zarte Erscheinung vorschwebte, umgeben von der Liebe und Fürsorge zärtlicher Eltern, und all dem äußeren Schmuck des Lebens, wie ihn ein vornehmes Heim in Deutschland bieten konnte, in ein solch wildes Waldtreiben mit seinen Mühen und Entbehrungen und Gefahren geschleudert worden war, so überkam ihn ein Gefühl unsäglicher Trauer.

Nach den Mitteilungen, die ihm der alte Baring, gemacht hatte. zweifelte er nicht, daß sie und ihr Knabe schon längst nicht mehr unter den Lebenden weilten.

Daß er den Indianerstamm aufsuchte, der damals den Angriff auf die unbeschützten Farmen am Manistee ausgeführt hatte, stand fest bei ihm, wie, daß er weder Zeit noch Mühe und Geld sparen durfte, um Gewißheit über das Ende der ihm teuren Menschen zu erlangen.

Rauh war das Land, in welchem er sich befand, rauh die Bewohner desselben, aber diese wohl geeignet, den Kampf mit allen Mühseligkeiten eines solchen Lebens aufzunehmen und siegreich zu Ende zu führen.

Eine wilde, aber kernige Menschenklasse. Was ihm noch am meisten imponierte, war, daß diese rohen Waldleute solch hohe Achtung vor der Majestät des Gesetzes hatten, wenn sie dasselbe auch gelegentlich auf ihre Art selbst ausübten.

Gleichzeitig hatte er in den wenigen Tagen, die er am Muskegon weilte, auch den Auswurf des Landes kennen gelernt, der sich hier an der Grenze des Urwaldes herumtrieb.

Er erkannte klar genug, daß eine Reise durch die Wälder, selbst mit einem erprobten und erfahrenen Führer, nicht ohne Gefahren sei, um mehr als er und Heinrich weder mit dem Urwald und seinen Geheimnissen, noch mit der Art der wilden Eingeborenen vertraut waren.

Doch das schreckte weder den tapferen Offizier, noch hielt es den Bruder ab, seine Pflichten zu erfüllen, und daß bekannte oder unbekannte Gefahren Heinrich nicht einschüchterten, wußte er.

Während er so in Sinnen verloren im Schatten der Sykomore weilte, kam Grover aus den Feldern zurück und setzte sich zu ihm.

»Kalkuliere, Fremder, langweilt Euch — seid an die Städte und ihr Treiben gewöhnt,« sagte er, nachdem er seinen Gast begrüßt hatte.

»Nicht doch, Mister Grover, die Einsamkeit und Eintönigkeit dieser endlosen Wälder mit ihrer feierlichen Stille hat etwas Ueberwältigendes für mich und versetzt mich in gehobene Stimmung, außerdem habe ich Sorgen, die keine Langeweile aufkommen lassen.«

»Seid entschlossen. Mann, nach Norden zu gehen?«

»Gewiß.«

»Ist ein mildes Land da oben, habe es kennen gelernt. Gehören erfahrene Waldleute dazu, um es zu bereisen. Möchte Euch gerne einen tüchtigen Führer mitgeben. Was meint Ihr denn nun zu dem Indianer, nachdem Ihr ihn im Walde bei der Arbeit gesehen?«

»Ich muß gestehen, der Mann flößt mir Zutrauen ein, Grover.«

»War gestern abend wieder höllisch im Nebel, wie er sagt, wird wohl seinen Rausch noch nicht ausgeschlafen haben.«

»Und doch verweigerte er den Whisky während unsres Streifzuges.«

»Ja, es ist merkwürdig genug, daß er bei seinen Jagden und bei einer Affaire, wie die unsre, sich der geistigen Getränke zu enthalten vermag. Ich würde ihm ja nicht so viel Rum geben und habe ihn ihm auch früher schon verweigert, aber dann geht er einfach davon bis zum nächsten Store und betrinkt sich dort. Es ist nicht leicht, mit diesen Leuten umzugehen. Ich habe früher viel mit Indianern gehandelt und so manche Beobachtungen gemacht, es ist eine besondere Art Menschen und man lernt sie nie auskennen.«

»Sprecht Ihr Ihnen gute Eigenschaften ab?«

»Nein, das tue ich nicht. Der Indianer ist erstens unbezweifelt tapfer, und das ist schon etwas, sie sind auch klug in ihrer Art, und ich höre ja, es sei hie und da der Regierung gelungen, sie seßhaft zu machen und zu Ackerbauern zu erziehen. Aber ich bestreite ihnen die unbedingte Zuverlässigkeit und Treue. Es ist eine trotzige, eitle und deshalb leicht verletzliche Rasse, sehr zum Lügen geneigt und, wenn ihre wilden Instinkte entfesselt werden, geradezu furchtbar, ein Tiger ist dann ein Lamm gegen diese heulenden Wilden.«

»Ich habe es schaudernd gehört.« — Nach einer Weile fuhr der junge Mann fort: »Und haltet Ihr diese Leute nicht auch edler Empfindungen fähig?«

»Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, ich hätte je eine Probe davon gesehen, obgleich, wie ich ja schon bei Baring erzählte, unser John sich wiederholt sehr gefällig gegen uns erwiesen hat.«

»Sollte nicht manches in ihrer Handlungsweise aus der Art und Weise resultieren, mit welcher sie von den Europäern behandelt worden sind, denn ganz gut ist man mit den ehemaligen Besitzern dieses Bodens wohl nicht umgegangen.«

»Ist ein Fakt, Fremder, ist nicht immer redlich mit ihnen verfahren, sind hie und da wie wilde Tiere behandelt und von den schuftigen Agenten greulich betrogen worden.«

»Da seht Ihr.«

»Ist ein Fakt. Sind aber trotzdem tückische Gesellen und ganz ist keinem von ihnen zu trauen. Will Euch deshalb nicht zureden. den John mitzunehmen, ob ich gleich nichts gegen den Mann zu sagen weiß, und ich die Jahre, die er bei uns zubringt, gut mit ihm ausgekommen bin.«

»Wenn der Mann mit mir gehen will, ich will ihm gerne die Führung anvertrauen und ihn reich bezahlen.«

»Wenn ich nur dahinter kommen könnte, was den John eigentlich von seinen Stammesgenossen fern hält? Ein Indianer von den Seen oben ist er, das ist sicher, aber er will nicht heraus mit der Sprache, welchem Stamme er angehört. Es müssen da ganz besondere Gründe vorliegen. Seit Menschengedenken hat sich in diesen Gegenden außer John kein Indianer blicken lassen. Die sind längst alle nach Norden vertrieben morden oder auf Reservationen angesiedelt, wie die Ottawas, Pottawatomie, Huronen und wie diese roten Völkerschaften alle heißen. Wollt Ihr, Fremder, den John mitnehmen, fraglich ist es ja, ob er geht, so will ich Euch nicht abreden, denn geschickt und tapfer ist der Mann, das habt Ihr ja selbst gesehen und, was bei Eurer Fahrt nicht zu unterschätzen ist, ein trefflicher Jäger, aber — auch nicht zureden.«

»Nach dem, was ich von ihm gesehen habe, bin ich entschlossen, wenn er will, ihn mitzunehmen.«

»Gut. — Was ich noch sagen wollte,« äußerte der Wirt nachdem er sich einigemal geräuspert hatte, »wäre mir angenehm. Fremder, wenn Ihr die Sache nicht erwähnen wolltet —«

»Welche Sache —?«

»Nun, daß ich da oben am Muskegon den Kinderstreich beging und die Büchse losgehen ließ. Ich könnte mich ja selbst dafür ohrfeigen, aber wird es hier bekannt, so hänseln mich die Bursche so, daß ich ein Haus weiter ziehen müßte, und das möchte ich nicht.«

Lächelnd entgegnete der Graf: »Seid unbesorgt, Grover, ich erwähne die Sache nicht, aber wie ist‘s mit dem Indianer?«

»Der spricht nicht. Wenn Ihr aus einem Indianer etwas herausbekommen wollt, dann müßt Ihr‘s schlau anfangen — Schwatzen ist ihre Sache nicht.«

»Keine üble Eigenschaft.«

»Hallo! alter Biber, Grover, wo steckst du?« schallte eine kräftige Stimme von der Straße herüber — und der greise Baring ritt an die Fenz heran.

Erfreut erhob sich Grover und ging ihm entgegen. Der Graf folgte ihm.

»Alter Biber,« lachte der fröhliche Alte. »Hier ist Joe Baring, deinen Besuch zu erwidern, laß tafeln. Mann, ich fühle mich dir ebenbürtig in Bezug auf wölfischen Appetit.«

»Bist willkommen, Joe Baring, und sollst vor dem Verhungern geschützt werden,« sagte dieser munter und schüttelte dem Freunde die Hand, der dann abstieg und, nachdem der stets bereite Jim ihm das Pferd abgenommen, auf den Grafen zutrat und ihm die Rechte reichte. »Müßt gedacht haben, ist der alte Joe Baring kein Mann von Wort, weil er seinen Brief nicht schreibt. Hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ist freilich keine leichte Aufgabe, Fremder, so ein Ding wie einen Brief fertig zu bringen. Sind‘s nicht gewöhnt. Mann, müssen zu viel die Pflugschar, die Axt und die Büchse handhaben, aber noch schwieriger wird die Sache, wenn kein Papier vorhanden ist. Hatten keine Handbreit davon im Hause, schreiben selten. Schickte herum bei den Nachbarn, weit und breit, habe aber erst gestern etwas Papier bekommen und mich dann gleich an die Arbeit gemacht, ist glücklich gelungen. Kalkuliere, ist ein Brief so gut wie irgend einer,« und dabei holte er ein merkwürdig zusammengefaltetes und mit Gummi verklebtes Schriftstück aus der Tasche, dem mit einer eckigen, unsicheren Kinderhandschrift die Adresse aufgeschrieben war.

»Mag vielleicht nicht ganz regelrecht sein, aber, kalkuliere, ist ein richtiger Brief, und Tom Myers wird ihn schon lesen.« Damit überreichte er dem Grafen sein Kunstwerk, der es mit Dank in Empfang nahm.

»Es kommt auf die Form wenig an, wenn nur der Inhalt gut ist, Mister Baring.«

»Habt recht, Mann. Der Inhalt muß gut sein, beim Menschen — wie bei — willst du mich verhungern und verdursten lassen, Bill?« donnerte er Grover an und lachte dann herzlich, fortfahrend — »wie bei Flaschen.«

»Nelly, Nelly!« rief Grover zum Hause hin, »hier verdurstet ein Mann —«

»Muß doch deiner Lady erst guten Tag sagen — und wo sind denn die Kinder?«

Da erschienen auch Grovers Frau und dessen Töchter bereits in der Türe und bewillkommneten den alten Freund und Nachbar herzlich.

»Sollt nicht verschmachten, Mister Baring,« sagte die Frau, »ist in Grovers Landing immer etwas zu finden, den Durst zu löschen. Ist‘s Euch gefällig einzutreten?«

»Danke, bleibe hier unter der alten Sykomore, Mistreß Grover — ist ein liebliches Plätzchen.«

»Wie Ihr wollt.«

Während sie sich ins Haus begab, um Anordnungen zur Bewirtung des Gastes zu treffen, begrüßte der muntere Baring die Töchter Grovers, welche schüchtern knicksten.

»Freut mich, Mädchen, euch so munter zu sehen — habt Wänglein wie ein junger Jerseyapfel — und Lippen wie Rosenknospen —«

»Hör auf, hör auf, alter Joe, mach mir die Mädchen nicht eitel. Glaubt‘s nicht, Kinder, Baring macht nur Komplimente. Ist stets ein loser Schelm gewesen, treibt seinen Spaß mit euch.«

»Ist nicht wahr, Mädchen —«

»Seid Nachteulen, sage ich euch —«

»Grover,« schrie Baring, »kleine Posaunenengel sind‘s.«

Die Mädchen lachten, der Alte erst recht — und auch Grover stimmte ein — selbst dem Grafen lockte die Scene ein Lächeln ab.

»Geht ins Haus, Mädchen, und helft der Mutter,« worauf das hübsche, frische Schwesternpaar ins Haus eilte.

»Prächtige Kinder sind‘s, Grover, ist ein Fakt.«

»Nun,« sagte der geschmeichelte Vater, »können sich sehen lassen.«

Die drei setzten sich an den Tisch, welcher bald reichlich mit Speisen und Trank besetzt war.

»War John Turnbull bei mir,« nahm Baring im Laufe des Mahles das Wort, »hat mir eure Jagd erzählt, Grover. Hätte ich‘s nur gewußt, wäre dabei gewesen, geht mir das Herz auf bei einer solchen Frolic. Schlimm nur, daß die Bursche entkommen sind, wird denen am White River wenig angenehm sein, kalkuliere ich.«

»Das Land muß gereinigt werden von diesen Gesellen und wenn die Miliz aufgeboten werden muß,« sagte Grover ernst. »Keine einsam liegende Farm ist ja sicher vor ihnen.«

»Ja, wenn Wälder und Prairien nicht wären.«

»Und die Hehler, sage. Die Spitzbuben, die sich hier eingefunden hatten, und vor allen der Iltis, müssen doch anderwärts sowohl als hier einen Unterschlupf finden. Der Iltis ist sicher schon längere Zeit hier in der Gegend verborgen gewesen, wenn man nur erfahren könnte, bei wem? Im Walde oder in den Sümpfen kann er sich doch nicht fortwährend herumgetrieben haben. Und bekannt ist ja dieses Raubtiergesicht genug. Hat die Gelegenheit bei Jones ausspioniert und dann mit seinen Gesellen den Raub ausgeführt.«

»Wird so sein. Am meisten bedaure ich, daß euch der Morris entgangen ist, drei Jahre lang hat er sich jetzt der Gerechtigkeit zu entziehen gewußt, und wer weiß, was er in dieser Zeit für Untaten ausgeführt hat?«

»Ist bedauerlich, ja.«

»Was nur aus dem armen Johnson geworden sein mag?«

»Weiß es niemand, Grover, ist verschwunden, denken alle, hat sich das Leben genommen. »Kennt die Geschichte, Fremder?«

»Ich habe einiges davon gehört.«

»Ist ‚ne traurige Sache. Wohnte da am Kalamazoo, südwärts von uns, der Mann Johnson. Habe ihn gekannt, war ein rechter Mann, wohnte, wie wir hier hausen, einsam auf seiner Farm. Hatte eine Frau und zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Ließ sie eines Tages allein zu Hause, was ja oft genug geschah; war dieser gefährliche Mensch, der Morris, der wegen Mordes und Diebstahls bereits dem Henker verfallen war, dorthin gekommen, während ihm die Männer vom Grand River schon auf der Fährte waren, hat, um zu rauben, das arme Weib und die Kinder gemordet, genommen, was an Geld zu finden war, und das war wenig genug, Johnsons bestes Pferd aus dem Stall gezogen und ist so entkommen. Als Johnson am Abend nach Haufe kam und das Liebste, was er auf der Welt hatte, tot vor sich sah, ist er ganz still gewesen, hat kein Wort sprechen können, war wie versteinert. Hat auch keinen Laut mehr hören lassen, sagen die Nachbarn, hat in einer Ecke gesessen und ist ganz still gewesen. Sind die Nachbarn gekommen und haben Frau und Kinder begraben. Schweigend und tränenlos ist Johnson mitgegangen. Ist dann beim Grabe allein geblieben, hat auf keinen Trostspruch gehört, war am andern Morgen fort — hat sein Eigen, alles verlassen. Denken alle, hat sich der Mann ein Leids angetan.«

 

»Es ist furchtbar,« sagte der junge Graf und schauderte leicht zusammen.

»Ging wie ein Schrei der Wut durchs ganze Land, als die Tat ruchbar wurde. Ist alles aufgeboten worden, den Mörder zu fangen, haben ihn nicht erwischt. Nun erscheint er wieder zwischen uns, um abermals zu entkommen. Jammerschade!«

»Jetzt begreife ich ganz die Wut, mit welcher dieser entsetzliche Mensch verfolgt wird.«

»Wird ihm nicht gut ergehen, wenn unsre Leute ihn ergreifen, kalkuliere, wird einige schlimme Stunden haben, werden den Henker nicht bemühen, ist die Tat vom Kalamazoo nicht vergessen,« sagte Baring, »Ist nicht zu vermeiden, daß solches Gesindel sich hier an den Grenzen herumtreibt. Suchen wie wilde Tiere die Einsamkeit der Wälder, wenn sie verfolgt werden, und Not und Verzweiflung treiben sie zu neuen Verbrechen. Ist der Auswurf der Städte und dichter bewohnten Bezirke, der uns hier im Hinterwald zu teil wird. Machen darum nicht viel Umstände mit den Burschen, wenn mir sie fassen und die Sache klar ist. Hatten den Battle freilich vor die Jury gestellt, saß im Countyhause, wäre aber entwischt, wenn nicht der Konstabel und schließlich der Indianer, der John, gewesen wären. Ist eine Lehre für uns, werden zunächst selbst die Ausübung der Gerechtigkeit in die Hand nehmen.«

»Ich sehe wohl, nach dem, was ich erfahren, ein, daß hier ein energisches Eingreifen am Platze ist. Was Medikamente nicht heilen, heilt Eisen.«

»Ist ein Uebergangsstadium, Fremder, sind noch halbwilde Leute hier, wird anders werden, wenn das Land mehr besiedelt ist. Hatte der Iltis einen Store, weiter unten am Muskegon, ähnlich wie hier Grover, war nichts weiter als ein Hehler, und um dies saubere Geschäft zu verdecken, hielt er den Store. War der Tyron sein Spießgeselle, und auch der Morris trieb sich damals im Lande unter dem Namen Brooker herum, war noch vor der Tat am Kalamazoo. Kamen ihnen endlich auf die Sprünge, als wir aber das Nest ausnehmen wollten, war es leer, hatten das Nachsehen. War viel damals gestohlen worden, besonders Pferde. Habe mit Erstaunen von dem Sumpfe und seiner Furt gehört, wundere mich, daß das nicht früher entdeckt worden ist. Muß es der Battle, der damals die Raubzüge kommandierte, wundervoll verstanden haben, sich und seine Beute zu verbergen. Traute sich der Bursche doch wieder ins Land, bekam ihm schlecht, wie Ihr gehört habt. Werden auch diese Gesellen noch ins Garn laufen.«

»Möge die irdische Gerechtigkeit sie bald erreichen.«

Nach einer Weile fuhr Baring fort: »Seid also entschlossen, die Ottawas aufzusuchen?«

»Ja, Mister Baring.«

»Ist recht. Haben da jetzt einen Häuptling Peschewa, einen geriebenen Fuchs. War sicher vor drei Jahren auch am Manistee dabei. Hat aber seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen gewußt und ist jetzt das Haupt des Stammes. Ich glaube, er ist für Geschenke sehr zugänglich, und wird Euch, wenn Eure Gabe ihm genügt, vielleicht beistehen. Ist eine heikle Sache, bei den Ottawas überhaupt von der ganzen Geschichte am Manistee zu reden, wollen nichts davon hören. Haben Furcht, daß die Regierungsmänner noch einen oder den andern am Schöpfe nehmen. Macht ihnen nur bald plausibel, daß Ihr kein Amerikaner, kein Engländer seid, sondern ein Deutscher, kalkuliere, werden Euch dann mit freundlicheren Augen ansehen. Sind auf uns nicht gut zu sprechen. Alles andre, wie Ihr die Reise einrichtet und so weiter, wird Euch Tom Myers schon sagen, hat eben mit den Indianern zu tun, ist sein Departement.«

Ein kräftiges: »Hallo, Grover!« meldete die Ankunft eines neuen Gastes. Es war der Konstabel Weller, von welchem der Anruf ausging.

Er stieg ab und man hieß ihn willkommen.

Der energische und erfahrene Beamte, der ebenso umsichtig als mutig die Gegend von dem Raubgesindel zu säubern suchte, erfreute sich bei den Farmern allgemeiner Achtung.

»Bin erfreut, Euch zu sehen, Konstabel,« sagte Baring und schüttelte ihm die Hand.

»Von wo des Weges, Weller?« fragte ihn Grover.

»Komm von der Big Prairie, Mann, mußte doch sehen, wie die Sache dort aussah.«

»Nun?« fragten begierig die Männer.

»Das Prairiefeuer hat nicht weit um sich gegriffen, sobald der Wind nachließ, erstarb es auch, war schon zu viel junges Gras zwischen dem vorjährigen, hätte Euch sonst schlimm ergehen können. Den Wald hat‘s gar nicht angegriffen.«

»Und die Räuber?«

»Haben, wie ich vermutet, sich nach dem White River zugewendet. Ist übrigens schon Botschaft dahin ergangen, wird bald bekannt sein, welche Gäste sich dort eingefunden haben. Jetzt weiß ich übrigens auch, wer der vierte des Kleeblatts war, den Ihr mir schildertet.«

»Wer war‘s? Sehe den Kerl noch vor mir.«

»Ist ein gewisser Wilfers, ein äußerst gefährlicher Bursche, um so gefährlicher, als er die Manieren der feinen Städter hat. Ist Advokat gewesen, dann Spieler, Mörder. Hat eine alte Frau einer Erbschaft wegen vergiftet. Er rettet sich, sobald man ihm in den Städten auf die Spur kommt, stets in den Hinterwald, was ihn übrigens nicht verhindert, sobald er sich die Mittel dazu verschafft hat, wieder in den Städten aufzutauchen und diese zu brandschatzen. Er ist ein gewiegter Verbrecher und in einem guten Teile der Union bekannt. Wäre kein übler Fang gewesen, bemühen sich mehrere Staaten um die Ehre, ihm frei Logis zu geben und ihn dann mit dem hänfenen Halsband zu schmücken.«

»Werdet Ihr an den White River gehen. Weller?«

»Nein, ist schon alles Nötige veranlaßt, um die Gesellen zu verfolgen. Ist eine schwierige Sache, sie nach Norden hin aufzuspüren. Werden sich natürlich trennen, müssen eine andre Gelegenheit abwarten, ein Wörtchen mit ihnen zu reden.«

Im Verlaufe des Gespräches erfuhr der Konstabel von der Absicht des Grafen, nach Norden aufzubrechen und die Ottawas aufzusuchen, auch der Zweck dieser Reise wurde ihm bekannt gegeben.

»Hm, hm,« äußerte der Beamte, »seid der Bruder von Frau Walther, Mann? War damals mit am Manistee, bin hinter den Wilden hergewesen, als wir sie in die Flucht geschlagen hatten. Erinnere mich auch noch sehr gut der Nachforschungen, welche nach der verschwundenen Frau und dem Kinde angestellt wurden. War Joe Baring der Mann, der sich der Sache annahm.«

Graf Edgar drückte dem Alten herzlich die Hand.

»Versucht‘s, Fremder, beruhigt Euer Gemüt, aber versprecht Euch keine Aussicht auf Erfolg. Es ist merkwürdig, wie schweigsam die Ottawas über diese ganze dunkle Affaire sind; so viel Verhöre auch stattgefunden haben, aus keinem der roten Bursche war auch nur etwas herauszubekommen, was Licht in die Sache gebracht hätte. Und dabei haben sie sie fortgeschleppt, die Frau und das Kind, daran ist gar kein Zweifel.«

Er bestätigte lediglich nur das, was auch schon Baring gesagt hatte.

»Will Euch was sagen. Fremder,« fuhr er dann fort, »habe früher mit den Ottawas zu tun gehabt in dienstlichen Angelegenheiten, habe mal einem alten Weibe das Leben seines verschmachteten Kindes gerettet, hat mir das Weib, welches vor Dankbarkeit vergehen wollte, einen Totem gegeben, das ist so ein Erkennungs- und Schutzzeichen unter den Leuten roter Farbe, hat mir auf die Seele gebunden, es zu benützen, wenn ich jemals von ihren Stammesgenossen etwas bedürfe. Will Euch das Ding geben, werde schwerlich wieder mit dem Volke in Berührung kommen, habe das Ding die Jahre her mehr aus Gewohnheit als einem andern Grunde bei mir getragen.« Dabei zog er einen kleinen Gegenstand aus der Tasche, der sich bei näherer Betrachtung als ein roh aus Holz geschnitzter Vogel auswies. Das Ding wanderte von Hand zu Hand.